Für Fritz Bauer und Ilona Ziok. Zum „Dreher-Gesetz“ von 1968

„Fritz Bauer. Tod auf Raten“ heißt das Meisterwerk von Ilona Ziok von  2010. (Filmplakat CV Films)

Am 14. April 2019 hieß ein Beitrag in „Titel Thesen Temperamente“ der ARD „Thriller um einen deutschen Justizskandal. ,Der Fall Collini’ nach Ferdinand von Schirach im Kino“. Zur Sendung steht geschrieben:

„1968 wurde das sogenannte Dreher-Gesetz vom Deutschen Bundestag beschlossen. Eduard Dreher, zur Nazizeit als Staatsanwalt tätig, hatte als hoher Ministerialbeamter ein Gesetz verfasst, das zahlreiche Kriegsverbrechen als Totschlag und nicht als Mord bewertete – wodurch viele Taten von Nazi-Tätern auf einmal als verjährt galten und straffrei blieben. Ein Justizskandal, der Pate für die Verfilmung dieser Geschichte stand.“

Dem „Filmtipp“ („Der Fall Collini. Drama, Thriller, Deutschland 2019, Regie: Marco Kreuzpaintner, mit Elyas M’Barek, Alexandra Maria Lara, Heiner Lauterbach und anderen, FSK: 12 Jahre, ab 18. April im Kino) will ich einen weiteren hinzufügen.

Den Filmen „Der Staat gegen Fritz Bauer“, „Die Akte General“ und „Im Labyrinth des Schweigens“ ging ein Film voraus: „Fritz Bauer. Tod auf Raten“ heißt das Meisterwerk von Ilona Ziok von 2010. Der international hoch gerühmte Film (2), den man in Deutschland nicht „normal“ kaufen kann (3), beinhaltet die Kapitel „Adolf Eichmann“, „Der Remer-Prozess“ und „Ernst Achenbach“; über den Coup von Eduard Dreher wird ausführlich berichtet. Auf den Seiten zum Film (4) läßt sich vieles nachlesen.

Und ich werde nicht müde, die kleine aber feine Schrift des hessischen Generalstaatsanwaltes Fritz Bauer zu bewerben, dem wir unter anderen die Gerichtsverhandlung gegen Adolf Eichmann (und damit Hannah Arendts Wort von der „Banalität des Bösen“) und den Auschwitz-Prozeß zu verdanken haben (und so vieles Andere mehr):

Fritz Bauer: „Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns“, Frankfurt am Main 1965.

Auch dieses Büchlein war ein halbes Jahrhundert lang nicht „normal“ im Buchhandel zu kaufen, ist aber inzwischen neu bei der Europäischen Verlagsanstalt erschienen.

Dies ist eine Liebeserklärung an Fritz Bauer und Hannah Arendt und an das Filmteam: Buch und Regie Ilona Ziok, Schnitt Pawel Kocambasi, Schnittassistenz Olmo Pini und Carolin Mader, Kamera Jacek Blawut, Ton Manuel Göttsching, Mischung Hansi Jüngling, Produktionsleitung Myriam Abeillon, Dokumentation Dr. Thymian Bussemer, Redaktion SR Dr. Michael Meyer und Andrea Etspüler (Der Film ist eine CV Films Produktion in Koproduktion mit dem Saarländischen Rundfunk), Produzenten Manuel Göttsching und Ilona Ziok.

Institutionen kann man nicht lieben, aber ihnen danken. Als Partner werden auf der Internetseite genannt: Informations- und Presseamt der BRD, Friedrich Ebert Stiftung, Otto Brenner Stiftung, Hessische Filmförderung, Filmstiftung und Saarländischer Rundfunk.

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Anmerkungen:

(1) https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/schirach-fall-collini-100.html
(2) https://www.berlinale.de/external/de/filmarchiv/doku_pdf/20106770.pdf
(3) zu bestellen bei CV Films, Postfach 330152, 14171 Berlin, 030 / 23627167, cvfilmsberlin[at]aol.com
(4) http://www.fritz-bauer-film.de/ge/index.htm

Grundlage für Mietobergrenzen des HSK rechtswidrig?

Empfänger von Grundsicherung nach dem SGB II (“Hartz IV”) und dem SGB XII (Sozialhilfe) erhalten pro Monat einen festen Betrag für ihre laufenden Ausgaben und außerdem die Kosten ihrer Unterkunft, sofern diese Kosten als “angemessen” gelten.

(Der Artikel ist zuerst auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen.)

Die erstattungsfähigen “Kosten der Unterkunft” reichen jedoch in vielen Fällen nicht aus, so dass von dem bereits sehr niedrigen Betrag für die Lebenshaltung teilweise 50 Euro oder mehr pro Monat für die fehlende Miete abgezweigt werden müssen. Für eine alleinstehende Person z.B. beträgt der monatliche Regelsatz 424 Euro; bis Dezember 2018 waren es 416 Euro. Als Miete durfte sie im Jahr 2018 z.B. in Brilon, Marsberg und Olsberg maximal 297,50 Euro zahlen, einschließlich aller Nebenkosten außer Heizung.

Für die Bestimmung der “angemessenen Höchstmieten” stellen die Kreise sog. schlüssige Konzepte auf. Dafür werden Erhebungen über tatsächlich gezahlte Mieten vorgenommen. Die Methodik für diese Datenerhebungen und die Zusammenfassung aus mehreren Gemeinden ist oft strittig. Auch im HSK hat die SBL/FW-Kreistagsfraktion seit Jahren darauf hingewiesen, dass das Konzept des Landrats und der Kreisverwaltung erhebliche Mängel aufweist.

Heute hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in mehreren Verfahren grundsätzliche Entscheidungen über die “schlüssigen” Konzepte für die angemessenen Mieten der Empfänger von Grundsicherungsleistungen getroffen. Es endete damit, dass die Bildung von “Wohnungsmarkttypen” innerhalb der “Vergleichsräume” (die meist dem Kreisgebiet entsprechen) nicht zulässig ist. Damit wurden die Bedenken der SBL/FW-Kreistagsfraktion nicht nur bestätigt, sondern als so erheblich betrachtet, dass sie zur Rechtswidrigkeit der aktuellen Konzepte führen.

Im “offiziellen” Terminbericht des BSG heisst es zum Thema des Wohnungsmakttypen:

“Nicht zulässig ist es jedoch, wenn ein Jobcenter, das den gesamten Landkreis als einen Vergleichsraum ansieht, innerhalb dieses Vergleichsraums die Städte und Gemeinden in mehrere Wohnungsmarkttypen mit unterschiedlichen Angemessenheitsgrenzen aufteilt. Denn für diese Aufteilung gibt es keine rechtliche Begründung, insbesondere können durch die Bildung von Wohnungsmarkttypen die Voraussetzungen für die Bildung und die Rechtsfolgen eines Vergleichsraums nicht geändert werden. Zudem mangelt es in den vorliegenden Verfahren für die einzelnen Wohnungsmarkttypen an einer sie rechtfertigenden sachlichen Herleitung.”

https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Terminberichte/2019_02_Terminbericht.html

Alle heute entschiedenen Konzepte wurden im Auftrag der einzelnen Kreise von der Hamburger Firma “Analyse & Konzepte” erstellt, die auch für den Hochsauerlandkreis tätig ist. Durch die Bildung von sog. Wohnungsmarkttypen wurden die an einen Vergleichsraum zu stellenden Anforderungen (insbesondere enge räumliche Verbundenheit) unterlaufen, so dass im Ergebnis vielfach zu niedrige Mietobergrenzen festgesetzt wurden. Das bedeutete für viele Betroffene erhebliche Abzüge von den Grundsicherungsleistungen, weil ihre Mieten angeblich nicht angemessen waren und daher nicht in voller Höhe erstattet wurden.

Der HSK wird nun sein Konzept verändern und wesentlich höhere Mieten als bisher anerkennen müssen.

Pressemitteilung: Musterklage gegen VW startet – so kann man mitmachen

Ein dänischer Eisenbahnfreund hatte vor drei Jahren meine Dampflok-Aufnahme verfremdet. Gute Idee! [1] (Screenshot Archiv: zoom)
Wichtige Nachricht für alle getäuschten VW-Diesel-Käufer: Ab 1. November tritt das neue Gesetz für Musterverfahren in Kraft. Die erste Klage wird vom Verbraucherzentrale Bundesverband in Kooperation mit dem ADAC gegen VW geführt.

(Der Artikel beruht auf einer Pressemitteilung von Dirk Wiese und einer Meldung der Verbraucherzentrale.)

Dazu erklärt der heimische Bundestagsabgeordnete, Dirk Wiese: „Die SPD hat durchgesetzt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher künftig nicht mehr als Einzelkämpfer vor Gericht allein den Konzernen gegenüber stehen. Es bekommt Recht, wer Recht hat und das ohne Prozessrisiko“.

Ab dem 1. November 2018 können Verbraucherschutzverbände in einem Musterverfahren alle tatsächlichen und rechtlichen Sachverhalte feststellen lassen, die für die Durchsetzung der Schadenersatzansprüche relevant sind. Wir freuen uns, dass der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Kooperation mit dem ADAC am 1. November die erste Klage nach dem neuen Gesetz gegen Volkswagen einreichen wird.
Verbraucherinnen und Verbraucher können sich kostenlos im Klageregister beim Bundesamt für Justiz zum Musterverfahren anmelden. Für angemeldete Verbraucherinnen und Verbraucher wird die bei vielen VW-Diesel-Käufern drohende Verjährung der Ansprüche zum Jahreswechsel gestoppt. Geht ein Musterverfahren verloren, trägt der klagende Verband das Kostenrisiko, nicht der Verbraucher. Verliert das verklagte Unternehmen, ist es an die Feststellungen im Urteil gebunden. Mit diesem Musterurteil in der Tasche kann der Verbraucher einfach seine Schadenersatzansprüche geltend machen, ggf. einklagen. Für einen solchen zweiten Prozess besteht dann kein Kostenrisiko, weil für diesen Verbraucher im Musterprozess die Voraussetzungen seiner Ansprüche festgestellt wurden.

Weil getäuschte VW-Diesel-Käufer über das Musterverfahren Schadenersatz für Hardware-Nachrüstungen erlangen können, so Wiese, sei das Verfahren auch ein Beitrag, um Fahrverbote zu vermeiden.

„Die Einführung der Musterklage ist ein Meilenstein für den Verbraucherschutz, den die SPD durchgesetzt hat. Wir freuen uns, dass sofort nach Inkrafttreten unseres neuen Gesetzes vom Verbraucherzentrale Bundesverband in Kooperation mit dem ADAC gegen VW geklagt werden wird“, betont Wiese.

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Weitere Informationen auf der Website der Verbraucherzentrale:

https://www.verbraucherzentrale.de/aktuelle-meldungen/vertraege-reklamation/musterklage-gegen-vw-so-machen-sie-mit-29738

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[1] https://www.schiebener.net/wordpress/danke-vw-die-daenischen-eisenbahnfreunde-haben-meine-dampflok-gepimpt/

Umleitung: Joie de Vivre und mehr, vom G20-Akkreditierungsskandal bis zur Emschermündung …

Das Tor zur Lebenslust am Strand von Le Touquet (foto: zoom)

Ich werde jetzt wirklich Französisch lernen. Natürlich kann ich es schon, zumindest habe ich meinen Französisch-Schein für’s Studium der Geschichte gemacht, Übersetzung eines Fachtextes mit Hilfe des Lexikons.

Ich habe schon gefühlt 99 Anläufe gemacht, diese Sprache perfekt zu beherrschen, aber jetzt wird es ernst; ein Jahr durchhalten (Erfahrungswert für alles), dann steht mir der Westen offen. J’aimerais apprendre le français. Aus Gründen.

G20-Akkreditierungsskandal: Sicherheitsbehörden ein Stück weit außer Kontrolle … welchering

Trump lügt unverfroren: Wie Putins Filialleiter … postvonhorn

Gefängnisstrafe für Holocaust-Leugnerin höchstrichterlich bestätigt: Die inhaftierte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel muss im Gefängnis verbleiben. Das Bundesverfassungsgericht hat ihre Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen … bnr

Wissenschaft: Peer Review als Qualitätssicherung … scilogs

… che altri designò quali semplici favole: Der Legende nach soll Dante Alighieri von diesem Weg und Ort zur Gestaltung des Beginns seiner Göttlichen Komödie inspiriert worden sein … paralimpomena

Die_Reklame: Ein neues Projekt „ist @die_reklame. Hier sammeln Charlotte,
Moritz und ich Anzeigen aus alten Zeitungsdigitalisaten.“ … schmalenstroer

Gernulf Olzheimer kommentiert (CDXXV): Der Kundenservice … zynaesthesie

Unregulierte soziale Netzwerke zerstören Demokratie: Ein Ausschuss des britischen Parlaments geht mit Facebook, Google & Co. hart ins Gericht. In einem umfangreichen Bericht fordern die Abgeordneten konkrete Maßnahmen, um das giftige Ökosystem aus Online-Werbung, Wahlbeeinflussung und Datenmissbrauch in den Griff zu bekommen … netzpolitik

Neuer: Der Torwart und Shampoo-Millionär hat in der Özil-Nationalstolz-Debatte gerade noch gefehlt, meint Leo Fischer … nd

„Kunst & Kohle” in den Ruhrkunstmuseen: Das bequeme Konzept der kleinen Portionen … revierpassagen

Emschermündung, Mondfinsternis, Minerva Tritonia, Rückblick: Nahe Dinslaken im Westen fliesst der Rhein. Dort mündet die Emscher nach gut 80 km, denn die Quelle liegt bei Holzwickede, in den grossen Fluss. Ab dem Jahr 2014 begann der Neubau der Emschermündung, verlagert etwas Richtung Norden mit einem naturnahen Mündungsbereich. Federführend für den Umbau ist die Emscher-Genossenschaft (EGLV). Später entsteht an der Emschermündung eine natürliche Auenlandschaft und zeitgleich ein neuer Ausflugs- und Erholungsraum … andreashaab

Bezahlen mit dem Handy: Mobiles Bezahlen der Sparkasse … unkreativ

Hagen: Die SPD-Parteibuch-Affäre von Wehringhausen … doppelwacholder

Kleines Pausenbild und ein paar Zeilen zu Fatih Akins „Aus dem Nichts“

Weihnachtsmärkte sind zwar nicht meine Lieblingsorte, aber auf dem Weg zum Kino stand dieses kleine Riesenrad. (foto: zoom)
Heute waren wir aus dem Sauerland geflohen, um in Kassel den neuen Film von Fatih Akin „Aus dem Nichts“ zu sehen.

Kein Sex und keine Gewalt, wie in „Gegen die Wand“, nicht die gebrochene Lebenslust von „Soulkitchen“, sondern ein politischer Film, der die NSU-Mordserie als Hintergrund und Zitat verarbeitet.

Die Nagelbombe in einer Hamburger Straße zerreißt und vernichtet eine Familie. Vater (Türke?, Kurde?) und Sohn in Fetzen. Die Mutter, deutsch, sucht Gerechtigkeit vor dem Gericht.

Nach dem Anfangsverdacht der Polizei -rein kriminelles Milieu unter ausländischen mafiösen Gruppen- sitzt im zweiten Drittel des Films ein Nazi-Pärchen auf der Anklagebank.

Wie es die Regie will, wird dieses fiese Pärchen wegen angeblichen Widersprüchen in der Beweisführung freigesprochen.

Die überlebende Ehefrau und Mutter spielt ihre Möglichkeiten durch: Drogen, Suizid und nahe dem Ende die Nagelbombe.

Die Lösung ist überraschend, aber am Ende doch „gerecht“ bzw. folgerichtig.

Das Kino in Kassel habe ich mit einer vertieften Portion Wut über die immer noch nicht aufgeklärten NSU-Morde und den wahrscheinlichen Polizeimord an Oury Jalloh in Dessau verlassen.

Trotzdem verspüre ich eine kleine Befriedigung, dass es in Deutschland Regisseure wie Fatih Akin gibt, Stachel im Fleisch der Lügen und Vertuschungen.

Landesverfassungsgericht bestätigt PIRATEN: Jede Stimme zählt! PIRATEN laden zum offenen Piratentreff in Bestwig

Als echte Demokraten waren wir PIRATEN uns sicher, dass die kommunale Sperrklausel gekippt wird. In unserer pluralistischen Gesellschaft ist ein buntes und vielfältiges politisches Meinungsbild in unseren Räten und Parlamenten nicht hinderlich, sondern notwendig. Vielfalt ist ein Ergebnis unser Entwicklung.

(Pressemitteilung der Piratenpartei Hochsauerlandkreis)

Es ist bitter nötig, dass sich mehr Menschen politisch engagieren, um unsere Gesellschaft zum Wohle aller weiterzuentwickeln.

Von dieser Entwicklung darf man Aktivisten in kleinen politischen Parteien nicht einfach per Federstrich ausschließen. Sie erfüllen eine wichtige Funktion: Sie hinterfragen. Die Vorstellung von Politik, welche “von oben herab” durchregiert, ohne Transparenz und ohne die Beteiligung Aller, ist überholt und nicht zukunftsfähig. Das musste den Altparteien wieder einmal mitgeteilt werden.

Sowohl im Kreistag, als auch in den beiden Stadt- und Gemeinderäten, in denen die PIRATEN im Hochsauerlandkreis vertreten sind, konnten wir bisher keinerlei Behinderungen durch sogenannte “kleine Parteien” feststellen. Stattdessen werden gerade aus dieser Richtung oftmals die wichtigen Fragen gestellt, die sonst einfach vergessen oder verschwiegen worden wären.

Wir sind sehr froh, dass auch bei kommenden Kommunalwahlen jede Stimme zählt und wertvoll ist.

PIRATEN wirken. Immer noch.

Zum Statement der Piratenpartei NRW: Klugscheißer mag niemand, aber …

PIRATEN laden zum offenen Piratentreff in Bestwig

Die Piratenpartei im Hochsauerlandkreis lädt am Montag, dem 27. November ab 19:00 Uhr herzlich zum offenen Piratentreff ein. Treffpunkt ist die Gaststätte Highway Man, Bundesstraße 46 in Bestwig.

Neben organisatorischen Themen, wie der Neuwahl der Sprecher der PIRATEN, ist hier vor allem die Möglichkeit gegeben in lockerer Runde über politische Themen zu sprechen.

Münster: Sperrklausel erwartungsgemäß vom Landesverfassungsgerichtshof gekippt

Das Urteils des Verfassungsgerichtshofs Seite 1 oben. (screenshot)

Die vom Landtag beschlossene 2,5-Prozent-Hürde bei der Wahl von Gemeinderäten und Kreistagen in NRW ist verfassungswidrig. Der Soester Anzeiger berichtete heute Mittag über das heutige Urteil des Verfassungsgerichtshofs in Münster.

Durch die Sperrklausel sollte erreicht werden, dass Parteien mindestens 2,5 Prozent der Stimmen benötigen, um in einen Gemeinderat oder einen Kreistag zu kommen. Die Klausel verletze aber den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit, so die Vorsitzende Richterin.

Der NRW-Landtag hatte mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen die 2,5-Prozent-Hürde mit großer Mehrheit beschlossen.

Die Begründung: Kommunalvertretungen sollten vor zu vielen Splitterfraktionen geschützt werden, da ansonsten die Arbeitsfähigkeit gefährdet sei.

Siehe auch den Artikel vom 25. Oktober „Sperrklausel NRW: Düstere Entwicklungen in kommunalen Räten nur „an die Wand gemalt“?“ hier im Blog.

Weitere Hintergründe bei Legal Tribune Online:

„VerfGH NRW zur Sperrklausel

Die Ret­tung des Wahl­rechts

Für Räte und Kreistage darf es in NRW keine Sperrklausel geben. Die entsprechende Änderung der Landesverfassung war rechtswidrig, entschied der VerfGH NRW. Das Urteil ist in vielerlei Hinsicht spektakulär, erklärt Robert Hotstegs …“

Das ganze Interview hier.

Die 64-seitige Urteilsbegründung als PDF:

http://www.vgh.nrw.de/entscheidungen/171121_18-16.pdf

Umleitung: von den Paradise Papers zur biologischen Station in Brilon

Sprachspiele an der Ostseeküste (foto: zoom)

Paradise Papers: Im Schattenreich der Steueroasen … ndr

Streit innerhalb der SPD: Sigmar Gabriel warnt die EU-Kommission in einem Brief vor einer zu strengen Verschärfung der Abgasvorschriften. Barbara Hendricks reagiert empört … handelsblatt

Vorgehen gegen G20-Randalierer: Polizei soll rechtswidrig Granatpistole eingesetzt haben … spiegel

Mietspiegel: falsche Berechnungsgrundlage auf Kosten der Mieter … dasErste

Statt Jamaika eine Ohrfeige für die Wähler? Die Unterhändler der vier Jamaika-Parteien sind nicht zu beneiden. Einerseits müssen sie dem Wahlergebnis und dem Verfall der SPD Rechnung tragen … postvonhorn

WAZ.de, NRZ.de, WP.de und WR.de: Neue Onlinechefin der Funke-Zeitungen … medienmoral

Wie viele Türken in Deutschland wählten 2015 die AKP von Präsident Erdogan? – Eine Leserfrage zu “Islam in der Krise” … scilogs

Wie funktionieren deutsche Hochschulen? Gemeinhin, und nicht ganz zu Unrecht, herrscht nämlich die Meinung vor, unbefristet gäbe es an der Universität nur etwas zu holen, wenn man eine Professur ergattert. Tatsächlich lässt sich das deutsche Hochschulsystem relativ gut mit einem feudalistischen System vergleichen dem Verständnis vom Feudalismus vergleichen, das ich als nicht-Historiker habe und in das die Marx’schen Implikationen nicht eingepreist sind … texperimentales

Ein Ruhri als Arbeitsmigrant in Istanbul: burlesker Musikabend des Bochumer Schauspiels mit Liedern von Sezen Aksu … revierpassagen

Hagen: Über 400.000 Euro für den Sparkassen-Chef … doppelwacholder

Kunsttagebuch: Offenheit, Inspiration, Assoziation – über den Wert von Einflüssen in der Kunst … endoplast

Rundweg Silbersee: Unweit des Ortsteils Brilon-Wald liegt eine der schönsten Stellen von Brilon versteckt: der „Schmala Stausee“, im Volksmund auch „Silbersee“ genannt … jahobris

Biologische Station jetzt in Brilon: 24 Jahre lang befand sie sich in Bödefeld: Die Biologische Station Hochsauerlandkreis. Das bisher genutzte Gebäude, ein ehemaliges Schwesternhaus, war jedoch marode … sbl

Werden die Räte zum Spielball der kleinen Parteien? Leserbrief zu einem Westfalenpost-Artikel

„Wenn der Rat zum Spielball wird“, betitelt die Westfalenpost einen Artikel zur 2,5% Sperrklausel bei Kommunalwahlen in NRW. Gegen diese Sperrklausel ist zur Zeit eine Klage von sieben kleinen Parteien vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster anhängig (siehe Bericht hier im Blog).

Das Fazit zieht Autor schon im zweiten Absatz:

„Ohne Sperrklausel leidet die Arbeitsfähigkeit der Kreise und Kommunen.“ Der Bochumer Politikwissenschaftler Jörg Bogumil habe im Auftrag der Landesregierung ein Gutachten erstellt, aus dem hervorgehe dass „Miniparteien“ Mehrheiten und Koalitionen erschwerten. „Ratsanträge“, so heißt es weiter, “ liefen ins Leere. Kleinstfraktionen und Gruppen seien inhaltlich überfordert, kaum arbeitsfähig, schlechter informiert. Nicht zuletzt wirkten sie als Blockierer und Neinsager.“

Zu dieser wertenden Darstellung des Artikels schreibt Berni Eickhoff aus Medebach-Düdinghausen einen Leserbrief, der anscheinend bis heute in der Westfalenpost nicht veröffentlicht wurde. Eickhoff: „Da von der WP leider keine Reaktion erfolgt, möchte ich […] über meinen Leserbrief bezüglich der Äußerungen des Chefjournalisten J. Karpa in der WP vom 25.10. informieren.“)

Hier der Leserbrief im Wortlaut:

Leserbrief zum Artikel:
Wenn der Rat zum Spielball wird,
WP vom 25.10.17 von J. Karpa

Herr Karpa hat über Kommunalpolitik geschrieben, aber mit welchen Erfahrungen und welchen Beispielen als Beleg!

Zitiert und angeführt werden ein von der LR beauftragter Gutachter sowie 2 BM, die beklagen, dass Demokratie lästig ist.

Welche Argumente für eine 2,5 % Klausel führt er an:
• Gestaltung des Gemeinwohls muss gesichert werden
• Kleinstgruppen sind den Anforderungen des politischen Geschäfts, er meint wohl der politischen Themen, nicht gewachsen.
• Besonders schweres Argument: die Arbeits- und Funktionsfähigkeit im Rat leidet, weil die Arbeit im Parlament langwieriger geworden ist.

Entgegnungen dazu aufgrund der Erfahrungen mit eigener Rats- und Kreistagsausschussarbeit:

Die 5 % Hürde wurde vor 18 Jahren vom Verfassungsgericht wohl nicht grundlos abgeschafft. Gerade in den Kommunen ist eine Teilnahme von politischen Außenseitern, die das gesellschaftliche Meinungsspektrum eben auch repräsentieren, demokratisch erwünscht.
Dies gefällt natürlich nicht den Massenparteien, aber warum nicht?

Deren Meinung wird nämlich nicht im Parlament, sondern bereits vorher in der Parteizirkeln gebildet und im Parlament nur kurz abgesegnet, da ja die Mehrheitsverhältnisse eindeutig sind.

In den Kommunen des Sauerlands, für die Ihre Zeitung ja wohl besonders spricht, ist es in der Regel so, dass die eindeutige Mehrheit, meist die sauerländische Monopolpartei, kein Interesse an den Meinungen der Minderheiten besitzt und sie daher als störend empfindet. Das sollte jedoch im demokratischen Prozess der Willensbildung anders sein. Es ist schon eine harte Sache, wenn man diesen Vorgang nur als lästig darstellt. In den Kleinstädten des Sauerlandes ist es nämlich – vielleicht im Gegensatz zu einer Großstadt des Ruhrgebiets – so, dass die Vertreter der Minderheiten in aller Regel voll im Dorfleben integriert sind und sich dort auch mehr als andere einbringen. Daher ist es enttäuschend – ja diskriminierend – wenn als Beleg für die Arbeit dieser Minderheitsvertreter Aktionen der NPD als Beleg herangeführt werden. Warum macht Herr Karpa das?

Weiterhin ist Tatsache, dass sich diese Vertreter der Kleinparteien sicher nicht weniger, sondern viel mehr Arbeit machen, sich zu informieren über die aktuell behandelten Themen. Bei den Großparteien reicht es wenn einige der Vertreter die Vorlagen lesen. Sie stimmen ja sowieso im Verband ab, und der Fraktionsvorsitzende und ein paar Kollegen wissen schon was „wir“ wollen. Demgegenüber ist ein Kleinfraktionsmitglied viel öfter gefordert, seine Meinung zu vertreten und zu begründen.

Aufgrund dessen ist es typisch, dass nun endlich die Großparteien das Verfassungsgerichtsurteil korrigieren wollen. Es schadet ja einem schnellen Abhaken der Ratsvorlagen. Was ist das für ein Argument in der demokratischen Meinungsbildung! Im Fernsehen werden ganze Sendungen über politische Themen lang und breit diskutiert, aber in den Kommunalparlamenten soll das nicht sein, da muss es schnell gehen.
Herr Karpa: Das Verfassungsgericht war der Meinung, dass ohne eine %-Hürde das Gemeinwohl gestaltet wird und nicht umgekehrt und so ist meine praktische Erfahrung: Mehr Demokratie wagen!!

Warum zählen Sie nicht die Parteien in den Parlamenten von Medebach, Winterberg, Hallenberg, Olsberg usw.? Was wollen Sie wirklich?

Berni Eickhoff, Medebach-Düdinghausen
Erfahrungen im Stadtrat Medebach und WST-Kreisausschuss des HSK,
8 Jahre lang dort Vertreter der FWG-Medebach

Sperrklausel NRW: Düstere Entwicklungen in kommunalen Räten nur „an die Wand gemalt“?
Sprecher der Landesregierung nicht erschienen

Bei der gestrigen Verhandlung zur Rechtmäßigkeit der 2,5-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen in NRW hat der Verfassungsgerichtshof in Münster den Zweck der Sperrklausel kritisch hinterfragt.

Acht Parteien klagen in Münster gemeinsam gegen die Sperrklausel. Neben den Landesverbänden von NPD, Piratenpartei, Die Partei, Linke, ÖDP und Tierschutzpartei sowie die Partei Mensch, Umwelt, Tierschutz gehören auch die Bürgerbewegung Pro NRW und die Partei Freie Bürger-Initiative/Freie Wähler dazu.

„Machen Sie sich keine Sorgen, die Verhandlung beginnt nicht, bevor Sie alle einen Platz gefunden haben.“ Der Beamte an der Einlasskontrolle nahm den interessierten Bürgern in der langen Menschenschlange eine Sorge ab. Von weit über 100 Zuschauern und zwei Sitzungssälen ging wohl niemand aus. In einem der Säle konnte das Verfahren am Monitor nachvollzogen werden.

CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen gegen zentrale Grundsätze des Demokratieprinzips

Die Präsidentin des VerfGH, Dr. Brands, stellt die Zulässigkeit der Anträge fest und erläutert die zentralen Grundsätze des Demokratieprinzips, das durch Art. 69 Abs. 1 LVerf NRW mit einer Ewigkeitsgarantie versehen ist:

  1. Gleichheit der Wahl (Gebot der Wahlrechtsgleichheit, Stimmengleichheit): Dieses Gebot fordert, dass Zählwert und Erfolgswert einer Stimme gleich sind. Damit soll die Proportionalität der Vertretung im Parlament gewährleistet werden. Wird der Erfolgswert der Stimme missachtet, fallen die Stimmen der unterlegenen Kandidaten in einem Wahlkreis „unter den Tisch“.

  2. Chancengleichheit der Parteien: Dieser Grundsatz der Wahlbewerber verlangt, dass jede Partei, jede Wählervereinigung und jeder Einzelkandidat im gesamten Wahlverfahren die gleichen Möglichkeiten und damit die gleichen Chancen hat, einen Sitz in der zu wählenden Volksvertretung zu erlangen.

Nach Vorlesen der Anträge beantragt der Vertreter der Antragsgegner von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Prof. Dr. Lothar Michael, die Anträge abzulehnen. Er ist der einzige Sprecher der Antragsgegner, von der Landesregierung ist niemand erschienen.

Störenfriede verlängern die Sitzungsdauer

Der nächste Akt befasst sich mit der Begründbarkeit der Anträge. Denn zur Begründetheit der Anträge bedarf es eines Prüfungsmaßstabs (Grenzen der Zulässigkeit einer Änderung der Landesverfassung). Art. 69 Abs. 1 Satz 2 LV, sagt aus, dass die Landesverfassung nicht über die Grenze des Grundgesetzes hinweg entscheiden darf. Der Antragsgegner sieht hier Spielräume hinsichtlich der „roten Linie“.

Interessant sind die Sätze 1 und 2 des Art. 28 GG, insbesondere Satz 2, in dem es heißt: „Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“ Dieser Satz führt zu einigen Interpretationsmöglichkeiten, ist sich der Antragsgegner sicher. Er sieht hier bereits einen Beurteilungs- und Gestaltungsmaßstab, „da Störenfriede die Sitzungsdauer verlängern“. Satz 1 („Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist.) stelle jedoch eine „Ewigkeitsgarantie“ dar, sprich „Bundesrecht bricht Landesrecht“, argumentieren die Antragsteller. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne nicht durch ein Land beliebig modifiziert werden. „Die Ewigkeitsklausel ist Teil der Landesverfassung“, bestätigt die Präsidentin des VerfGH.

„Lückentheorien“ haben einen schlechten Ruf

Die Wahlrechtsgleichheit sei Teil des Demokratieprinzips, sind sich die Antragsteller sicher. Eine extensive Auslegung der Wahlrechtsgleichheit könne nicht der Maßstab einer Ewigkeitsklausel sein. „Erwägungen oder die Behauptung einer schwerfälligen Meinungsbildung reichen nicht aus, es bedarf besonderer, sachlich legitimierter Gründe“, so ein Jurist. Man verstehe auch die Aufregung in NRW nicht, denn derartige Probleme seien aus Kommunen in anderen Bundesländern mit mehr als zehn Gruppierungen nicht bekannt. Aus den Reihen der Antragsteller wurde erwähnt, dass es keine Interpretationsspielräume zur Differenzierung zwischen Gemeinderäten und Kreistagen gäbe. „Lückentheorien“ hätten im Übrigen einen schlechten Ruf. Die Gegenpartei zeige keinerlei Hinweise auf, dass eine Unregulierbarkeit, ein zwingender Grund für eine Sperrklausel, gegeben sei.

Außerdem war Art. 21 Abs. 1 GG zu prüfen („Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“). Weil die Sperrklausel die Wahlchancen von den Wahlbewerbern absenke, die voraussichtlich unterhalb dieses Stimmenanteils blieben, würde nicht nur gegen die Chancengleichheit verstoßen, sondern auch gegen das Demokratieprinzip – das auch nach nordrhein-westfälischer Landesverfassung mit einer Ewigkeitsgarantie ausgestattet ist.

Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit durch Sperrklausel gefährdet?

Mit der umfassenden Diskussion über den Prüfungsmaßstab, genauer die Prüfungsmaßstäbe der Anträge, bei der die Gegenargumentation der Anteilsgegner bereits ausführlich zur Sprache kam (dass die Zersplitterung der Parteien und damit die Beschlussfähigkeit der Räte nicht mehr gegeben sei), war das Gericht schon beim nächsten Punkt: den Grundsätzen der Gleichheit der Wahl und der Chancengleichheit der Parteien. Ging es hier doch um den Nachweis eines „zwingenden“ Grundes für die Sperrklausel. Zwingende Gründe konnten von dem Antragsgegner allerdings an keiner Stelle vorgetragen werden. Auch geringere Anforderungen an verfassungsunmittelbare Sperrklauseln in den Ländern – und damit einhergehend ein spezifischer Gestaltungsspielraum des landesverfassungsändernden Gesetzgebers – konnten nicht festgestellt werden.

Im dritten Akt ging es um die Beurteilung des geänderten Artikels 78 Abs. 1 Satz 3 LV, also um die 2,5-Prozent-Klausel. Denn die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretungen rechtfertige eine Sperrklausel, ebenso die Verhinderung eines weit überproportionalen Einflusses kleiner Parteien und Wählervereinigungen, so der Antragsgegner. Er argumentiert wiederholt mit einer „zunehmenden Zersplitterung“ der Räte; die Handlungsfähigkeit sei nicht mehr gegeben. Auch sei es schwer, Bürger noch für die ehrenamtliche Politik zu begeistern. Beweise bleibt er allerdings schuldig.

Anders sehen es die Antragsteller: Sie sehen eine Ausnutzung von Macht der etablierten Parteien und die Abgrenzung von Mitbewerbern. Nach § 125 der Gemeindeordnung könne das für Inneres zuständige Ministerium durch Beschluss der Landesregierung ermächtigt werden, einen Rat aufzulösen, wenn er dauernd beschlussunfähig ist oder wenn eine ordnungsgemäße Erledigung der Gemeindeaufgaben aus anderen Gründen nicht gesichert ist.

Da allerdings noch nie ein Rat aufgelöst worden ist, müsste man empirische Erfahrungen sammeln, ansonsten seien die „düsteren“ Entwicklungen der Räte „an die Wand gemalt“. Es gebe keine Belege nur bloße Behauptungen, nicht einmal Prognosen, argumentieren die Rechtsanwälte der Antragsteller.

„Dünne“ Vorträge

Die Zersplitterung sei auch nicht das Hauptproblem, ließ der Antragsgegner verlauten. Seine Argumente nun: „lange Sitzungen, Akteneinsichtsanträge, häufiger Fraktionswechsel und zu viele Anfragen“.

Die Richter fragten mehrfach bei dem Antragsgegner nach und waren immer wieder verwundert, dass dieser so „dünn vorträgt“. Eine Sperrklausel würde auch an oben genannten Gründen nichts ändern, ging es doch um die Funktionsfähigkeit der Räte. Nicht ein empirisches Beispiel konnte genannt werden, wo es einen Rat gebe, der nicht funktionsfähig sei. „Es ist nicht nachgewiesen worden, dass es ohne Sperrklausel zu einer Funktionsunfähigkeit kommt“, war das Resümee. Einig waren sich die Antragsteller darin, dass die Sperrklausel zum Ziel habe, den Rat von kleinen Parteien fernzuhalten.

Auch das Argument, durch die Sperrklausel das Ehrenamt attraktiver zu machen, überzeugten weder Antragsteller noch Richter. Marketing und „Funktionsoptimierung“ seien kein Grund für eine Sperrklausel. Ein Mitglied des Rates der Stadt Dortmund meldete sich: „Ich bin enttäuscht, dass Sie mich als Gefahr für die kommunale Demokratie sehen.“ Die Ratssitzungen seien heute kürzer als vor 15 Jahren und der Rat sei handlungs- und funktionsfähig, von Funktionsstörungen und dem überproportionalen Einfluss kleiner Parteien könne nicht die Rede sein. Das „Salz“ in der kommunalen Demokratie seien die kleineren Parteien. Sehr bedauerlich findet er, dass ehrenamtliches Engagement als Gefahr gesehen werde und sich nur die großen Parteien etablieren sollen.

Die Legitimation der Sperrklausel könne nicht aus der Repräsentativität der Volksversammlung hergeleitet werden. Ein lediglich legitimiertes Ziel dürfe zu keiner Gesetzesänderung führen, so ein Argument der Antragsteller.

Fazit: Ein einfaches Gesetz hätte argumentiert werden müssen, hätte nicht für eine Sperrklausel gereicht. Eine Verfassungsänderung war demnach der goldene Pfad. Die Richter belehrten den Antragsgegner, dass die Anforderungen an die Landesverfassung nicht geringer sind. Auch fragten sie sich, ob man mit der 2,5 Prozent-Hürde (anstatt 5 Prozent) die Anforderungen an die Verbindlichkeit der Verfassungsänderung mindern wolle.

Die Ironie der Verfassungsänderung: „Die größte Stärkung der Kommunalvertretung ist die Aufhebung des Kommunalvertretungsstärkungsgesetzes.“

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Hintergrund:

Bis 1999 gab es die 5 % Sperrklausel für Kommunalwahlen. Bei Beibehaltung dieser Sperrklausel wäre die Gleichheit der Wahl und die Chancengleichheit nicht mehr gewährleistet, argumentierte damals der Verfassungsgerichtshof für das Land NRW.

Der Landtag hat am 10. Juni 2016 mit Stimmenmehrheit von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen das Kommunalvertretungsgesetz beschlossen, welches am 1. Juli 2017 in Kraft trat. Mit dem Gesetz wurde eine 2,5-Prozent-Sperrklausel bei den Kommunalwahlen in die Landesverfassung eingefügt.