Umleitung: AfD-Landesparteitag in Schmallenberg, Justizlandschaft, Verschwörungstheoretiker, Influenza, Volk des Buches, Schule ohne Rassismus und Einbruch mit Überraschungen

Der November hat heute alles gegeben. Baum depressiv auf dem Kahlen Asten. (foto: zoom)

AfD-Landesparteitag in Schmallenberg: Gericht muss entscheiden … wdr

Zehn Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU: Veränderungen in der Justizlandschaft … derrechterand

Virtualisierung der Wahrheit und Abkehr vom Gemeinsinn: Warum gibt es Verschwörungstheoretiker? … endoplast

Influenza (Satire): „Und was würde Helene Fischer kosten?“ „Das ist gar nicht unsere Zielgruppe.“ „Wollten Sie lieber irgendwas Intellektuelles?“ „Bratwurst würde zur Not genügen.“ … zynaesthesie

Unorthodoxe Wolkensöhne: Juden sind das Volk des Buches. Das wissen alle, vielleicht bekommen wir deshalb zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit Bücher geschenkt … prinzessinnenreporter

Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“: von Rechtspopulisten attackiert … nordstadtblogger

Einbruch mit Überraschungen: „Celine“ bietet leichtfüßiges französisches Boulevard-Theater … revierpassagen

Umleitung: „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“, Rote Linien gegen die AfD, Wählertäuschung, Lehe in Bremerhaven, alte neue Rektorin der FU-Hagen sowie Beuys-Fotografien in Wuppertal.

Spaziergang oberhalb von Siedlinghausen (foto: zoom)

September 1941 – Beginn der Kennzeichnung der jüdischen Bevölkerung im Deutschen Reich: Am 19. September 1941 trat im Deutschen Reich die von Reinhard Heydrich unterzeichnete „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“ in Kraft – auf den Tag sechs Jahre nachdem mit den Nürnberger Gesetzen eine Trennung der Bevölkerung in jüdisch und nicht-jüdisch eingeführt worden war … ghwk

Rote Linien ziehen: Wie umgehen mit der »Alternative für Deutschland« in den Parlamenten? Diese Frage wird seit ihrem Einzug kontrovers diskutiert. Die Bundestagsabgeordnete Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) hat die AfD-Bundestagsfraktion fast vier Jahre lang erlebt. Sascha Schmidt hat im Juni 2021 mit ihr für »der rechte rand« gesprochen … derrechterand

Wählertäuschung (Satire): … gehe man auch im Konrad-Adenauer-Haus davon aus, dass es sich bei der Wahl leidlich um eine Momentaufnahme der politischen Meinung einer Minderheit handle, die an der Abstimmung teilgenommen habe … zynaesthesie

Lehe im Wandel: Der Stadtteil Lehe in Bremerhaven wird in einigen Medien als ärmster und asozialster Ort Deutschlands stilisiert. Doch Lehe ist im Wandel. Miriam Klingl hat die Menschen vor Ort portraitiert und sie gefragt, wie sie selbst Lehe wahrnehmen … kwerfeldein

Hagen: Ada Pellert bleibt Rektorin der FernUniversität … doppelwacholder

Joseph Beuys auf der Spur: Aktions-Fotografien von Ute Klophaus in Wuppertal … revierpassagen

Und sind wir auch Israels Kinder
Der Erste Band der „Beiträge zur Geschichte der Esloher Juden“ ist erschienen

„Und sind wir auch Israels Kinder“ – Buchcover

Wenn der katholische Oberhirte aus Paderborn kam, hängten Goldschmidts ein Schild ins Schaufenster: „Sind wir auch Israels Kinder, wir lieben den Bischof nicht minder …“.

Ein soeben erschienenes Buch, herausgegeben in Kooperation mit dem Museum Eslohe, erschließt Berichte und Forschungen zur Geschichte der Juden im Gebiet der Gemeinde Eslohe ab dem 18. Jahrhundert.

Die chronologische Darbietung der Beiträge aus den Jahren 1988-2013 ermöglicht es, Irrtümer, Erkenntnisfortschritte und einen Wandel der Sichtweisen nachzuvollziehen. Dem Ansatz „Ich male mir mein Dorf schön“ folgt z.B. die Einsicht, dass der Antisemitismus nicht erst durch „Nazis von einem fremden Stern“ ins Esloher Land gekommen ist.

In der Gesamtschau zeigt sich ein erstaunlich facettenreiches Bild, ermöglicht durch die Unterschiedlichkeit der Autoren, Perspektiven und Herangehensweisen. Der Erste Band der „Beiträge zur Geschichte der Esloher Juden“ enthält Beiträge von Dr. Alfred Bruns, Peter Bürger, Rudolf Franzen, Eugen Henkel, Anton Mathweis, Helmut Neunzig, Wilfried Oertel, Hans Jürgen Rade, Dr. Erika Richter, Rita Römer, Gudrun Schulte, Dierk W. Stoetzel und Dr. Henry Wahlig.

Rudolf Franzen, Gudrun Schulte, Peter Bürger (Hg.):
„Und sind wir auch Israels Kinder“: Beiträge zur Geschichte der Esloher Juden – Erster Band. ISBN: 978-3-7357-3723-6 (312 Seiten; Paperback; farbige Abbildungen; BoD 2019; Preis 14,90 €, überall im Buchhandel bestellbar, auch vor Ort)
Mit einer BoD-Direktbestellung fördern Sie das Publikations-Projekt (Leseprobe / Inhaltsverzeichnis oben links abrufbar):
https://www.bod.de/buchshop/und-sind-wir-auch-israels-kinder-9783735737236

Nachfolgend dokumentieren wir als Leseprobe das Vorwort zur Sammlung (unter Wegfall der Fußnoten) und eine Übersicht zum Inhalt des Buches.

Einleitung

„Etliche Bücher, die an die Geschichte von Juden und Christen in einem bestimmten Ort oder einer Region erinnern, betonen, hier sei das Verhältnis wirklich von gegenseitiger Toleranz geprägt gewesen. […] Nun fragt sich aber, wo dann noch der Antisemitismus seinen Ort hat, wenn – zugespitzt formuliert – beinahe jede Lokalgeschichte von einem friedlichen Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden zu berichten weiß.“
Olaf Blaschke

Die erste greifbare Chroniknachricht ist eine Vertreibungsgeschichte aus dem Jahr 1700: Wilhelm Engelhard hat in seinem nahe der Esloher Kirche gelegenen Haus einen aus Mainz kommenden Juden aufgenommen – sehr zum Missfallen des örtlichen Pastors. Der Kölner Generalvikar weist Engelhard unter empfindlicher Strafandrohung an, seinen jüdischen Hausgenossen wieder vor die Tür zu setzen. – Im Kopfschatzregister für das Gericht Eslohe und Reiste von 1764/ 1765 wird mit Sander Laiser ein ortsansässiger Jude namentlich genannt.

Sander Laiser ist wohl der Vater des 1791 in einem Verzeichnis aufgeführten Jackel (Jockel, Jakob) Sander zu Eslohe, der dann ab 1809 den Familiennamen Goldschmidt führt. Wenn in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der römisch-katholische Oberhirte aus Paderborn zur Firmung in den Ort kam, soll ein Urenkel des Jakob ein Schild in sein Schaufenster gestellt haben: „Sind wir auch Israels Kinder, /So lieben wir doch / Den Bischof nicht minder.“ Wer mit den historischen Verhältnissen im kurkölnischen Südwestfalen vertraut ist, wird dies keinesfalls als Indiz für nachhaltige ‚Integration‘ und Harmonie deuten. Ende 1942 werden die letzten am Ort lebenden Nachfahren von Sander Laiser und Jakob Sander im Zuge der Massenverschleppung von westfälischen Juden aus Eslohe deportiert.

Bislang gab es keine eigenständige, in Buchform veröffentlichte Darstellung zu den Esloher Juden. Der hier vorgelegte Sammelband erschließt Berichte, Forschungen und andere Wortmeldungen zur Geschichte der jüdischen Bewohner des Gemeindegebietes ab dem 18. Jahrhundert, die zuerst in den Jahren 1988 bis 2013 erschienen sind. (Die meisten Texte stammen aus Ausgaben des von Rudolf Fran­zen begründeten Jahrbuchs „Esloher Museumsnachrichten“.) Die chronologische Darbietung dieser Beiträge ermöglicht es, Irrtümer, Erkenntnisfortschritte und einen Wandel der Sichtweisen nachzuvollziehen. In der Gesamtschau zeigt sich ein erstaunlich facettenreiches Bild, ermöglicht durch die Unterschiedlichkeit der Autorenpersönlichkeiten, Perspektiven und Herangehensweisen.

Als 1987 eine wegweisende Dokumentation zu den Juden des ehemaligen Kreises Meschede von Dr. Alfred Bruns erschien, gab es noch keine lokale Darstellung, die an jüdische Bewohnerinnen und Bewohner des Esloher Landes erinnerte. Die von Bruns edierten Quellen lenkten den Blick zurück ins 19. Jahrhundert. 1818 lebten 23.045 Einwohner im Kreis Eslohe/Meschede; von ihnen waren 210 Juden.

Im entsprechenden Verzeichnis sind folgende Zahlen für Orte im heutigen Gemeindegebiet berücksichtigt: Eslohe-Dorf: 6 jüdische Bewohner; Cobbenrode: 7; Hengsbeck: 3; Salwey: 8. Für das Jahr 1839 wurden dann folgende Zahlen ermittelt: Eslohe-Dorf: 9 jüdische Bewohner; Cobbenrode: 7; Wenholthausen: 7; Mathmecke: 5. – „1846 machte der Anteil der Juden im Amt Eslohe fast genau 1 % der Bevölkerung aus.“ (->Kapitel XIV.12) Die „Mitbürger israelitischen Glaubens“ blieben stets eine sehr kleine Minderheit. Nach 1945 gab es auch für Dorfgemeinschaften im Sauerland viele Gründe, sich an ihre Namen nicht mehr zu erinnern.

Die von 10 bis 15 Millionen bundesdeutschen Zuschauern verfolgte – zunächst äußerst umstrittene – Ausstrahlung der vierteiligen US-Fernsehproduktion „Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss“ Anfang 1979 wird gemeinhin als „erinnerungsgeschichtliche Zäsur“ betrachtet – mit Auswirkungen gerade auch in der heimatkundlichen Forschung. Ein knappes Jahrzehnt später erschien auf Privatinitiative hin eine kleine Dokumentation zu den November-Pogromen des Jahres 1938 im Hochsauerland. Über Eslohe war in dieser Publikation nichts zu lesen.

Auch auf einer Karte zu den Pogromen von 1938 im Holthausener Ausstellungskatalog „Das Hakenkreuz im Sauerland“ (1988) fehlten Hinweise zu Gewaltakten in Eslohe. Dies war Ansporn für Rudolf Franzen, 1988 für das CDU-Mitteilungsblatt „Essel-Bote“ den ersten ortsgeschichtlichen Beitrag über „Das Schicksal der Esloher Juden“ (->Kapitel I) zu verfassen.

Somit steht am Anfang der ‚lokalen Erinnerungs- und Forschungsgeschichte‘ – durchaus nicht untypisch – der Blick auf Unterdrückung und Ermordung der jüdischen Minderheit in der NS-Zeit. Die Basis der mündlichen Zeitzeugenberichte war 1988 noch recht schmal. In diesem Sammelband ist der Beitrag mit drei Fußnoten versehen, die bereits die Grenzen von „oral history“ erahnen lassen.

1989 veröffentlichten Rudolf Franzen und ich „Das Buch vom Pampel“ (auf der Grundlage einer umfassenden Geschichtensammlung – nach Mitteilungen von 69 Erzählerinnen und Erzählern). Dieses Werk, ein anekdotisch erzählter „Schelmenroman“, erhebt den in mancherlei Hinsicht unangepassten Dorfbewohner Willi Jungbluth (1897-1960) zur „Heldengestalt“. Auszüge aus dem Erzählkapitel über die NS-Zeit werden im vorliegenden Band dokumentiert (->Kapitel II).

Die Sammlung der mündlich mitgeteilten „Pampel“-Geschichten und erst recht die literarische Buchfassung können freilich nicht als historische Quellen herangezogen werden! Vielmehr folgen die zugrundegelegten lokalen Erzähltraditionen und die redaktionelle Linie des Buchbearbeiters (Peter Bürger) in den 1980er Jahren noch dem Ansatz: „Ich male mir mein Dorf und seine Geschichte schön.“

Maria Lüttcke, geb. Schulte (1919-1997) hat allerdings am 25.6.1995 bei einer weiteren Befragung erneut betont, die Geschichte über Pampels Anstreicherarbeiten am Haus Goldschmidt sei „wahr“! Für Nachträge, die in den „Esloher Museumsnachrichten 2000“ veröffentlicht worden sind, gab Marianne Schulte, geb. Schmidt (Jg. 1925) zu Protokoll, Willi Jungbluths Frau Änne habe sich von ihrer Mutter in der NS-Zeit während der Haft des Gatten trösten lassen. Immerhin denkbar ist also, dass zu Nonkonformismus und Konflikten des W. Jungbluth (alias „Pampel“) in den 1930er Jahren einmal eine amtliche Quelle auftaucht.

Vor drei Jahrzehnten deutete ich in einem zuerst 1992 veröffentlichten Beitrag (->Kapitel III) einen sechseckigen Stern auf dem z.T. schon verwitterten Grabstein des – vermeintlich jüdischen – Mädchen Louise Gabriel an der katholischen Kirche im Einklang mit anderen Eslohern leichtfertig als Davidstern. Von den älteren Gewährsleuten – darunter Wilhelm Molitor (1904-1997) und Dr. Magdalene Padberg (1926-2019) – hatte ich erfahren, dass alter Dorfüberlieferung zufolge die Familie Gabriel auf jüdische Vorfahren zurückging.

Sehr bald nach einem zweiten Abdruck des Textes fragte Dierk W. Stoetzel mich mit freundschaftlichem Forscherspott, ob ich fußlahm sei und deshalb den allerchristlichen Taufeintrag zur Esloherin Louise Gabriel (1814-1830) im nahen Pfarrarchiv nicht hätte nachschlagen können (->Kapitel XIV.14). Es handelt sich erwiesenermaßen nicht um ein jüdisches Grabdenkmal!

Die Kunde zur ‚jüdischen Vorgeschichte‘ der Esloher Familie Gabriel konnte indessen durch überaus gründliche Forschungen von Hans Jürgen Rade bestätigt werden (->Kapitel XI; XVI). Noch nicht zufriedenstellend beantwortet ist lediglich die Frage, ob die Symbolik des Grabsteins von Louise Gabriel (Stern, Schmetterling in Kreisschlange) vielleicht doch noch eine Nähe zur Bildsprache auf jüdischen Friedhöfen des 19. Jahrhunderts anzeigt.

1993 folgte ein Beitrag zu einigen antisemitische Textfunden aus dem Museums- und Mundartarchiv (->Kapitel VI). Ob diese Quellen als repräsentativ für die sauerländische Landschaft gelten können oder ihr Auftauchen eher dem „Zufall“ geschuldet ist, war damals noch nicht zu entscheiden. Inzwischen konnte aber durch eine systematische Studie im Buchband „Liäwensläup“ (Eslohe 2012) gezeigt werden, dass judenfeindliche Inhalte in den Sprachzeugnissen des katholischen Sauerlandes keine Ausnahmeerscheinungen sind.

Im gleichen Jahr feierte der Ballspielclub Eslohe (BCE) sein 75-jähriges Bestehen. Ein in der Festschrift 1993 veröffentlichter Beitrag zur Vereinsgeschichte von Eugen Henkel (1912-1987) vermittelt die Bedeutung der Brüder Robert und Julius Goldschmidt in den Gründerjahren zumindest vage über dokumentierte Zeitungsberichte des Jahres 1927 (->Kapitel VI). Weitere Nachforschungen (->Kapitel VIII.6) ergeben ein zwiespältiges Bild: Nach 1933 kam es zu „Spannungen“ und vermutlich auch zu Handgreiflichkeiten, die dem aktiven Fußballer Dr. med. Julius Goldschmidt zeigten, dass er sich in der ‚Neuen Zeit‘ keineswegs rückhaltlos auf alte Spielerkameradschaft verlassen konnte.

Andererseits stellte das antisemitische Hetzblatt den Esloher Verein Anfang 1935 an den Pranger, weil er 1934 am Grab des Robert Goldschmidt einen Kranz niedergelegt hatte. – Nur durch die 2007 auch im Esloher Museums-‚Jahrbuch‘ veröffentlichten Forschungen (->Kapitel XIII) des Sporthistorikers Dr. Henry Wahlig wissen wir, dass sich Dr. Julius Goldschmidt nach seinem Ausscheiden aus dem BCE stark für das jüdische Fußball-Vereinswesen engagiert hat und hierbei als Fußballobmann des Schild-Verbands in Westdeutschland sehr erfolgreich gewesen ist: „Er gehörte […] zu den wichtigsten Funktionären des jüdischen Fußballs in Deutschland.“ (H. Wahlig)

Alfred Bruns legt 1993 in Band I der „Esloher Forschungen“ einen soliden Gesamtüberblick zur Geschichte der Juden für das gesamte Gemeindegebiet (->Kapitel IV) vor, der in „kirchengeschichtlichen Kontexten“ auch erstmals bedeutsame Nachrichten ab 1700 erschließt. Ein Beitrag „Sind wir auch Israels Kinder …“ (->Kapitel VIII), zuerst erschienen 50 Jahre nach Niederwerfung des deutschen Faschismus, bringt Neues für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem auf der Grundlage ausgiebiger Zeitzeugenbefragungen.

Gudrun Schulte er­innert in einem NS-Kapitel der 1995 erschienenen Esloher „Sparkassen-Geschichte“ an die systematische Ausraubung der jüdischen Bewohner (->Kapitel VII). In einem zuerst 2006 veröffentlichten Beitrag (->Kapitel XII) vermittelt Anton Mathweis (1926-2016) auf sehr persönliche Weise familiäre und eigene Erinnerungen an die letzten Nachfahren der Familie Isaak Goldschmidt.

Auf eine 1796 niedergeschriebene und 1800 dem Jacob Zander (d.i. Jakob Goldschmidt) verehrte Hebräische Liedhandschrift, die irgendwann ins Esloher Pfarrarchiv gelangt ist, wird schon im Beitrag von Bruns hingewiesen. Der Düsseldorfer Helmut Neunzig hat für die „Esloher Museumsnachrichten 2001“ die elf Strophen dieser Gebetsdichtung nicht nur übersetzt, sondern auch die Herkunft des Liedes und seine liturgische Bedeutung beleuchtet (->Kapitel IX).

Im Rahmen seines unermüdlichen Einsatzes für die Erinnerungsarbeit hat der evangelische Theologe Wilfried Oertel (1947-2018) im Jahr 2004 einen Sammelband „Jüdisches Leben im Synagogenbezirk Meschede“ herausgegeben, aus dem im vorliegenden Buch fünf Auszüge aufgenommen worden sind: Im Text von Dr. Erika Richter wird u.a. dargelegt, dass die Esloher Jonas und Isaak Goldschmidt schon 1905/1906 eine Aufnahme in die Mescheder Synagogengemeinde beantragt haben (->Kapitel X.1).

Vom Herausgeber Wilfried Oertel selbst stammen dokumentarische Kapitel zum Waldfriedhof Oesterberge (->Kapitel X.2) und zur Reister Familie Steinberg (->Kapitel X.3) sowie eine Gedenkansprache (->Kapitel X.5). Rita Römer erhellt die lokale Geschichte der Velmeder Familie Bachmann, aus der die Esloher Geschäftsfrau Anneliese Goldschmidt (geb. 9.7.1906) stammte (->Kapitel X.4).

Dierk W. Stoetzel veröffentlichte 2009 einen exzellenten Überblick zu den „Spuren jüdischen Lebens“ im gesamten Esloher Gemeindegebiet (->Kapitel XIV); im Jahr darauf konnte er auch seine neuen Forschungen zum „Schicksal der letzten in Eslohe ansässigen Mitglieder der Familie Goldschmidt“ – insbesondere der Hannah Simon – vorlegen (->Kapitel XV).

In diesen beiden Beiträgen werden neben den eigenen Quellenrecherchen des Verfassers Arbeiten aus zwei Jahrzehnten ausgewertet und einer gründlichen Kritik unterzogen. Stoetzel klärt Widersprüche auf und zeigt, warum bestimmte Mitteilungen von Zeitzeugen nicht haltbar sind. Für ‚eilige Leser‘ bietet es sich an, mit der Lektüre seiner beiden Texte zu beginnen.

Einen neuen Stand der Erinnerungskultur vor Ort markierte am 10. Oktober 2013 die Präsentation der Ausstellung „Kicker – Kämpfer – Legenden: Juden im deutschen Fußball“ im Museum Eslohe (->Kapitel XVII). Mit der Eröffnungsrede zur Ausstellung schließt dieses Buch. Es dokumentiert nicht zuletzt, wie die Gemeinde Eslohe beschenkt ist nicht nur durch die Mühen der nahen Lokalforscher, son­dern auch durch hochkarätige Beiträge von sieben Forschenden, die durch keinen direkten biographischen Bezug mit dem Gebiet der Kom­mune verbunden sind.

Den Autorinnen und Autoren sei gedankt, nicht minder allen anderen Menschen, die durch Hinweise und mannigfache Hilfestellungen das Erscheinen des ersten Teilbandes möglich gemacht haben: Magdalene Fiebig und Karl-Arnold Reinartz, die übrigens beide auch eigene Beiträge im Zweiten Band veröffentlichen werden; eben­so Bodo Bischof, Anne Boskamp, Daniel Brandes (Gemeindearchiv Finnentrop), Philip Bürger, Michael Gosmann (SüdWestfalenArchiv), Ulrich Hengesbach (Bürgerzentrum Alte Synagoge e. V. – Meschede), Franz-Josef Keite, Bernd Schaller, David Schächter, Siegbert Tillmann, Horst Vielhaber und dem Vorstand des BallspielClubs Eslohe.

Ein Gesamt-Namenregister für alle Teile soll der noch in Vorbereitung befindliche Zweite Band dieses Sammelwerkes zur „Geschichte der Esloher Juden“ enthalten.

Düsseldorf, 9. Mai 2019: Peter Bürger

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Übersicht zum Buchinhalt
„Und sind wir auch Israels Kinder“

I. Das Schicksal der Esloher Juden
Von Rudolf Franzen (1988)

II. Das Buch vom Pampel
Geschichten aus Eslohe (1989)
Hg. Peter Bürger & Rudolf Franzen

III. „Schmetterling im Kreis der Schlange“
Anmerkungen zu einem Relief auf dem Grabstein des [jüdischen] Mädchens Louise Gabriel auf dem Kirchhof zu Eslohe
Von Peter Bürger (1992)

IV. Der jüdische Kultus im Raum Eslohe
Von Alfred Bruns (1993)

V. 75 Jahre Ballspielclub Eslohe und wie alles begann
Aus der BCE-Festschrift von 1993
Von Eugen Henkel

VI. „Heimatbewegtes“?
Antisemitische Spuren aus dem Archiv
Von Peter Bürger (1993)

VII. Juden als Sparkassenkunden
Ein Beitrag zur Geschichte der Esloher Juden
Von Gudrun Schulte (1995)

VIII. „Sind wir auch Israels Kinder …“
Nachträge zur Geschichte der Esloher Juden
Von Peter Bürger (1995)

IX. „Meine Seele dürstet nach Gott“
Hebräische Liedhandschrift der
Esloher Juden aus dem Jahre 1796
Von Helmut Neunzig (2001)

X. Jüdisches Leben im Synagogenbezirk Meschede
Herausgegeben von Wilfried Oertel (2004)
(Erika Richter: Wie Meschede Synagogenbezirk wurde
Wilfried Oertel (Bearb.): Versteckt und doch entdeckt. Waldfriedhof Oesterberge
Wilfried Oertel: Familie Steinberg, Kirchrarbach und Reiste
Rita Römer: Die Familie Bachmann in Velmede)

XI. Die jüdischen Wurzeln der Arnsbergerin Christina Gabriel (1766-1835)
[Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Esloher Familie Gabriel]
Von Hans-Jürgen Rade (2005)

XII. Erinnerungen an die letzte jüdische Familie aus Eslohe
Bitter war der Abschied der Familie Isaak aus Niedereslohe – 1941 wurde sie „einberufen“ …
Von Anton Mathweis (2006)

XIII. Julius Goldschmidt:
Ein vergessener Sportmäzen und -manager aus Eslohe
Von Henry Wahlig (2007)

XIV. Postkarte von 1916 bei ebay ersteigert
Spuren jüdischen Lebens in Eslohe
Von Dierk W. Stoetzel (2009)

XV. Hannah Simon und die Deportation der Esloher Juden
Neue Entdeckungen geben Auskunft über das Schicksal der letzten in Eslohe ansässigen Mitglieder der Familie Goldschmidt
Von Dierk W. Stoetzel (2010)

XVI. Ein jüdischer Grabstein auf dem Esloher Kirchplatz?
Ein Blick in die Geschichte der Familie Gabriel in Eslohe hilft, das Rätsel zu lösen
Von Hans Jürgen Rade (2010)

XVII. „Geschichtliche Erinnerungen“
Rede zur Eröffnung der Ausstellung „Kicker – Kämpfer – Legenden: Juden im deutschen Fußball“ am 10. Oktober 2013 im Museum Eslohe
Von Peter Bürger (2013)

Umleitung: eine kleine Kreuzfahrt durch das Netz – ohne Diesel!

Hafenblick jenseits der Aufregungen in der Politik. (foto: zoom)
Hafenblick jenseits der Aufregungen in der Politik. (foto: zoom)

A radical proposal for the Democrats: I have this crazy idea that America really needs a political party that supports labor, women, and minorities, and that is dedicated to helping all people rise up … pharyngula

Scaramucci und all die anderen Typen oder: Ich mag mir nicht mehr die Namen von drittklassigen Kaspern merken … revierpassagen

Halbleiterblasen sind es – nicht Filterblasen! Kennen Sie den Begriff des Halbleitermanagers? Das ist einer, der alle Befehle von oben nach unten durchstellt, aber keine Mitarbeiterinformationen (Warnungen, Klagen, Unstimmigkeiten, Unzufriedenheit, tatsächlich gemessene Abgaswerte) nach oben meldet … scilogs

Amnesie International (Satire!): „… nicht weiter verfolgen wolle, um so kurz vor der Wahl den inneren Frieden der Bundesrepublik zu erhalten. Die Christsozialen hätten dabei an eine vollständige Straffreiheit aller Beteiligten in sämtlichen Automobilkonzernen des…“ … zynaesthesie

Die SPD stellt ihren Kanzlerkandidaten bloß: Schulz: Auf verlorenem Posten … postvonhorn

Marburg – Bethaus, Schule, Metzgerei: Zur Feier von 700 Jahren Judentum organisiert die Universitätsstadt einen Spaziergang … juedischeallgemeine

Ortstermin am Südkreuz: Die automatische Gesichtserkennung beginnt … netzpolitik

Die Gesellschaft braucht Wächter! Es wurde mal wieder die Erlösung für Journalisten verkauft, und die liegt angeblich in einem „konstruktiven Journalismus“ … charly&friends

Berlin in Bildern: Der Reichstag – Dem Deutschen Volke

Schon bei meinem letzten Reichstagsbesuch wollte ich die beiden Bilder zusammenfassen. (fotocollage: zoom)
Schon bei meinem letzten Reichstagsbesuch wollte ich die beiden Bilder zusammenfassen. (fotocollage: zoom)
Ich habe kürzlich Berlin besucht. Ich mag Berlin. Die Stadt ist groß, auch im Detail. Jeder findet Platz und Raum, noch.

Schon bei meinem letzten Berlin-Besuch war mir der Kontrast zwischen Großkotzigkeit und Mord am Reichstag aufgefallen. Es fällt mir schwer die Inschrift „Dem Deutschen Volk“ mit den ermordeten jüdischen Handwerkern/Künstlern zusammenzudenken, die „Dem Deutschen Volk“ geschaffen und installiert haben.

Traurig.

Umleitung: Die Novemberpogrome 1938 – Terror gegen die Juden in Deutschland

Geschichte vergeht nicht. (foto: zoom)
Geschichte vergeht nicht. (foto: zoom)

„Es begann in Kurhessen: Am 7. November 1938 zündeten Nationalsozialisten in Kassel die Synagoge an und zerstörten die Geschäfte jüdischer Ladenbesitzer. Noch in derselben Nacht folgten in umliegenden Gemeinden und in Magdeburg-Anhalt Angriffe auf Geschäfte und Wohnungen von Juden sowie auf Synagogen. Am 8. November weiteten sich die Pogrome aus, und in der Nacht vom 9. auf den 10. November erreichte der Terror gegen die Juden in Deutschland – ab dem 10. November auch in Österreich – einen neuen Höhepunkt.“ …  alles lesen bei Publikative.org

Pimmel, Pfuscher und Phimosen* – niederträchtige Untertöne in einer deutschen Beschneidungsdebatte

Kommentar von Joachim Käppner in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung (foto: zoom)
Kommentar von Joachim Käppner in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung (foto: zoom)

Lange habe ich überlegt, ob ich in diesem Blog so etwas wie ein persönliches Statement zur Beschneidungsdebatte abgeben sollte.

Da mein Unbehagen von Tag zu Tag gewachsen ist, formuliere ich es an dieser Stelle:

Ich halte die Debatte für im besten Falle nutzlos im schlechtesten Falle schädlich. Mir war es bislang völlig egal, ob Bekannte oder Freunde ein Vorhaut haben oder auch nicht und es wird mir auch in Zukunft völlig „schnurz-piep-egal“ sein.

Ich habe nie einen Gedanken darauf verschwendet, die männliche Bevölkerung in Beschnittene und Unbeschnittene einzuteilen, und das wird auch so bleiben.

Als Atheist und Agnostiker habe ich jederzeit Spaß an philosophischen, kultur-soziologischen und persönlichen Gesprächen über religiöse Fragen. Gegen Einmischungen von Glaubensinstitutionen in mein Privatleben wehre ich mich, lasse aber jeden anderen seinen Glauben leben.

Glaube und Religion sind Teil der gesellschaftlichen Evolution des Menschen und werden nicht gleich und jetzt verschwinden, weil ich als Agnostiker es will. Auch die „Macht der Vernunft“ kann Ungeheuer gebären.

Heute ist in der Süddeutschen Zeitung ein lesenswerter Kommentar (siehe Bild) von Joachim Käppner „Beschneidung – Wer solche Freunde hat“ erschienen.

Käppner schreibt unter anderem:

„Sie haben keinerlei Gespür dafür, was sie anrichten, welch niederträchtige Untertöne die Debatte hat, wie gruselig deutsche Verbandsmenschen wirken, die über jüdisches Leben Gericht halten, als sei man hierzulande berufen, den Juden das wahre Licht zu bringen.“

Ich empfehle den gesamten  Kommentar zu lesen.

*“Pimmel, Pfuscher und Phimosen“ lautete, wenn ich mich richtig erinnere, die Kapitelüberschrift in einem Aufklärungsbuch von Günter Amendt.

Umleitung: Religiöse Rechte, Urban Priol, Radfahrer und Juden, Frankfurter Rundschau und mehr.

umleitungReligiöse Rechte – Notizen März 2011: Auch wenn es zurzeit keinen direkten Wahlkampf in den USA gibt, ist die religiöse Rechte rundum aktiv. Nicht nur ihre bekannte Homophobie und die Dreistigkeiten des „Abtreibungsholocaust“ sind ihre beständigen Reizthemen, auch das Seebeben in Japan und Fukushima sind aktuell in ihrem Visier … hpd

Kampagne der Süddeutschen Zeitung gegen Urban Priol: Zwischen 28. und 31. März sind in der Süddeutschen Zeitung und bei süddeutsche.de drei Artikel mit heftiger Kritik an Urban Priol veröffentlicht worden. Siehe Dokumentation am Ende dieses Textes. Bei allen drei Artikeln von drei verschiedenen Autoren geht es um den Auftritt von Priol bei der Anti-Atomkraft-Demonstration in München … nachdenkseiten

Wieso denn die Radfahrer? „An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld“. Das kriege ich einfach nicht in meinen Kopf. Wieso denn die Radfahrer? … ruhrbarone

Aus, kaputt, vorbei: Tschüss Frankfurter Rundschau … ruhrbarone

Hagen: Morgen wieder Anti-Atom-Mahnwache … doppelwacholder

Trend in Meschede geht zum Gymnasium: Einen Schwund erleben dagegen die Hauptschulen in Meschede. Im vergangenen Schuljahr gab es noch 100 Neuanmeldungen an den drei städtischen Bildungseinrichtungen … derwesten

Situation im Kosovo nach wie vor schwierig: Ende März 2011 läuft der Kosovo-Erlass aus, der Abschiebungen in den Kosovo untersagte … sbl

John Zorn: Khebar


Zorn bekennt sich explizit zu seiner jüdischen Herkunft und verarbeitet in einigen seiner Projekte traditionell jüdische Elemente. Er gründete das Plattenlabel Tzadik. Dabei formulierte er eine neue sogenannte „Radical Jewish Culture“ und verabschiedete ein Manifest über das radikale Judentum seiner Musik, in dem er u. a. erklärte:

„Der Jude ist immer Ursprung einer doppelten Infragestellung gewesen: der Infragestellung des Selbst und der Infragestellung des ‚Anderen’. Da ihm nie die Möglichkeit gewährt wird, aufzuhören, jüdisch zu sein, ist er gezwungen, die Frage seiner Identität zu formulieren. Daher ist er von Anbeginn mit dem Diskurs des ‚Anderen’ konfrontiert, und oft hängt sein Leben davon ab. […] Mir wurde klar, dass ein Jude jemand ist, der naiv glaubt, dass er, wenn er selbstlos zu seiner Gastkultur beiträgt, akzeptiert werden wird. Aber wir sind die Außenseiter der Welt. Das ist es, was mich am Stamm [tribe] anzog – die Kultur des Außenseitertums.“ wikipedia