Umleitung: Gesellschaft als Beute, Judenhass, Yad Vashem, Armut, Flüchtlinge, Cyberangriffe

Tafel an der Neuen Synagoge Berlin. (archivfoto: zoom)

Italien als Lehrstück für Europa: Gesellschaft als Beute … woxx

09.11.1938: Reichspogromnacht – Judenhass in Deutschland … wdr

„Der Schlag kam von innen“: eine digitale Ausstellung der Internationalen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem mit Abbildungen, Dokumentationen und Videos über das Geschehen während der Novemberpogrome im deutschsprachigen Raum … yadvashem

Antisemitismus in Deutschland: Was dagegen getan werden kann … endstationrechts

Armutspopulismus (Satire): Die Chancengleichheit, die der Kapitalist mit einem Lacher durch die Nase kommentiert, oder gar Teilhabe wäre eine gute Voraussetzung zum Erhalt der Demokratie sein, immer vorausgesetzt, es wäre auch im Sinne der Oberschicht … zynaesthesie

„Stoppt die Flüchtlinge, die arbeiten sollen ohne zu können!“: Politikerinnen geben sich gerne populistischen Themen hin, mit denen die mit der Angst der Wählerinnen spielen können … unkreativ

Cyberangriffe auf Kommunen: Mit dem „Weg in die Basis-Absicherung“ (WiBA) können Kommunen anhand von Checklisten mit einfachen Prüffragen und zugehörigen Hilfsmittel die dringlichsten Maßnahmen selbst identifizieren und umsetzen … bsi

Umleitung: Israels 9/11, Söder-Merz Irrweg, Merz‘ Fremdenfeindlichkeit, Anastasia-Kult und mehr…

Stairway to… (foto: zoom)

Israels 9/11: Die jüdische Welt steht unter Schock. Nach den Massakern der Hamas wird nichts mehr so sein wie zuvor … juedischeallgemeine

Brand ohne Mauer: Der Irrweg der Söder-Merz-Union … blaetter

Friedrich Merz‘ „Zahnarzt“-Aussage: Vor lauter Faktenchecks sehen Medien die Fremden­feindlichkeit nicht … uebermedien

Arier- und Ahnenkult: Der völkisch-esoterische Anastasia-Kult dehnt sich über sogenannte Familienlandsitze oder Ahnenhöfe bundesweit aus. Der politische Hintergrund der russlandfreundlichen Landeroberer wird oft zu spät erkannt … endstationrechts

„Gefährlicher Vertrauensverlust“: Städtebündnis warnt vor wachsender Zustimmung zu Extremisten … doppelwacholder

Politisches Mikrotargeting: EU-Kommission schaltet irreführende Werbung für Chatkontrolle auf X …netzpolitik

Der Hamburger Portugiesenfriedhof: Auf Grund seiner Größe, seines Alters und der großen Zahl erhaltener Grabsteine gilt diese Begräbnisstätte als einer der weltweit bedeutendsten jüdischen Friedhöfe … friedhofsfreunde (via planethistory)

Der Veranstaltungsort als Ausstellungsstück: Bonner Bundeskunsthalle widmet sich der Postmoderne … revierpassagen

Flanieren: irgendwas ist immer

„Places of Isolation“ in Kassel

Wegweiser an der Ecke Magazin-/Weserstraße (foto: zoom)

Als wir gestern durch Kassel streiften, habe ich doch wieder etwas Neues entdeckt, obwohl ich mich recht häufig in der spröden Stadt an der Fulda aufhalte.

An der Ecke Magazin-/Weserstraße stand ein Wegweiserbaum mit leuchtend rot-orangenen Richtungsanzeigern vor der Neuen Brüderkirche: Flughafen Frankfurt a. M., Regierungspräsidium (900 m), Mittelmeer (773 km), Hotspot-Lager (2029 km)…, alle versehen mit Entfernungsangaben.

Zurück im Sauerland habe ich den QR-Code gescannt und bin auf die Website der Seebrücke Lokalgruppe Kassel gelangt. Dort habe ich dann die Erklärung zu meinem neuen „Fundstück“ im städtischen Raum gefunden.

Die Seebrücke stellt im Rahmen der bundesweit koordinierten Aktion „Places of Isolation“ Kunstinstallationen in über 15 Städten im öffentlichen Raum auf. Mit orangenen Wegweisern werden Orte der europäischen Abschottung markiert und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen im Alltag sichtbar gemacht. Es geht dabei um Orte, die sowohl symbolisch als auch ganz konkret für die Abschottung Europas stehen. Auch wir in Kassel sind dabei. Hier findet ihr weiterführende Informationen zu den Orten, die unsere Wegweiser markieren.

https://www.seebruecke.org/mach-mit/deutschland/hessen/kassel#places-of-isolation

Zu folgenden Orten der Isolation, Abschottung und Abschiebung finden sich dort aufklappbar weitere Ausführungen:

Hessisches Abschiebegefängnis – Isolation und Kriminalisierung Geflüchteter

Mittelmeer – EU-Grenzpolitik zwingt Menschen zur lebensgefährlichen Flucht über das Meer

Flughafen Frankfurt/Main – Abschiebeflüge in Kriegs- und Krisengebiete, oftmals unter Zwang

Libyen – EU finanziert kriminelles Vorgehen der libyschen Küstenwache

Evros/Meriç/Maritsa – EU-Grenzbeamte verüben gewaltvolle Pushbacks an der türkisch-griechischen Landgrenze

Regierungspräsidium Kassel – entscheidet über Durchführung von Abschiebungen

Grenzgebiet Polen-Belarus – Systematische, gewaltvolle Pushbacks in den Wäldern an der EU-Außengrenze

„Balkanroute“ – Gefängnisartige Camps, Polizeigewalt und Pushbacks als Konsequenz bewusster Abschottungspolitik

Trapani – Festsetzung des Rettungsschiffs Iuventa – Kriminalisierung von Flucht und ziviler Seenotrettung

Verkehrsministerium (FDP) – Will mit neuer „Schiffssicherheitsverordnung“ zivile Seenotrettung verhindern

Hotspot-Lager auf den griechischen Inseln – Verletzen laut Gerichtsbeschlüssen menschenrechtliche Standards

Wer sich für die Arbeit der Seebrücke interessiert, geht zur ihrer Website und klickt dort auf die einzelnen Begriffe: https://www.seebruecke.org/mach-mit/deutschland/hessen/kassel#places-of-isolation

Hier geht es zu den Orten der Abschottung (foto: zoom)

Gab’s noch etwas Angenehmeres, Positives in Kassel? Ja, aber das gehört, wenn überhaupt, in einen anderen Beitrag.

Nicht alle sind gleich: 2.756 Flüchtlinge aus der Ukraine im HSK (ohne Stadt Arnsberg)

Aus Berichten, die die SBL-Kreistagsfraktion erhalten hat (und auch aus eigenen Erfahrungen von Mitgliedern der Fraktion) ergibt sich, dass es für einige Behörden zwei “Klassen” von Flüchtlingen aus der Ukraine gibt: Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit und Menschen, die die Staatsangehörigkeit eines Drittstaates besitzen. Sie haben sehr unterschiedliche Rechte und Möglichkeiten. Daher hat die SBL-Kreistagsfraktion am 08.02.2023 eine schriftliche Anfrage an den Landtag gerichtet.

(Der Artikel ist vor fünf Tagen auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen.)

Am 27.02.2023 erhielten wir die Antwort, die wir hier dokumentieren:

“Sehr geehrter Herr Loos,
ich beziehe mich auf Ihre Anfrage vom 07.02.2023 zu der Thematik „Flüchtlinge aus der Ukraine mit anderer Staatsangehörigkeit”. Ihre Anfrage wird wie folgt beantwortet:

1. Wie viele Menschen sind seit Februar 2022 aus der Ukraine in den HSK gekommen?

a) mit ukrainischer Staatsangehörigkeit?
Seit Februar 2022 haben 2.624 Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit ihren Wohnsitz im Hochsauerlandkreis (ohne die Stadt Arnsberg) genommen:

b) mit anderen Staatsangehörigkeiten?
Seit Februar 2022 haben 132 Personen mit der Staatsangehörigkeit eines Drittstaates ihren Wohnsitz im Hochsauerlandkreis (ohne die Stadt Arnsberg) genommen.

2. Inwiefern unterscheiden sich die Rechte beider Gruppen im HSK?

a) beim Aufenthaltsrecht?
Ukrainischen Staatsangehörigen wird gemäß der Richtlinie 2001/55/EG („Massenzustrom-Richtlinie”) und dem hierzu ergangenen Beschluss Nr. 2022/382 des Rates der Europäischen Union eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 AufenthG erteilt.

Personen mit der Staatsangehörigkeit eines Drittstaates, welche sich nachweislich am 24.02.2022 mit einem unbefristet gültigen Aufenthaltstitel rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten haben, erhalten ebenfalls eine solche Aufenthaltserlaubnis.

Sofern eine drittstaatsangehörige Person lediglich über einen Aufenthaltstitel mit einer befristeten Gültigkeit verfügt, hängt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis davon ab, ob der betroffenen Person eine sichere und dauerhafte Rückkehr in ihr Heimatland möglich und zumutbar ist. Dieser Umstand wird in jedem Einzelfall von meiner Ausländerbehörde überprüft.

b) bei finanziellen Leistungen?
Sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt werden, kann sich für beide Gruppen ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II/SGB XII ergeben. Die Staatsangehörigkeit der Leistungsberechtigten hat keinen Einfluss auf die Höhe der gewährten Leistungen.

c) beim Schul- und Hochschulbesuch?
Für ukrainische Staatsangehörige gelten besondere Regelungen zur Schulpflicht. Die geflüchteten Staatsbürgerinnen und Staatsbürger der Ukraine haben ein sofortiges Aufenthaltsrecht in Deutschland und können im Folgenden eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 AufenthG (Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz) erhalten.
Mit der Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 24 AufenthG und der damit einhergehenden Zuweisung an eine Kommune wird der gewöhnlicher Aufenthalt in der Kommune begründet.

Für die Bestimmung der Schulpflicht der Kinder und Jugendlichen gelten aufgrund der Verweisvorschrift des 0 34 Absatz 6 Satz 3 Schulgesetz NRW die allgemeinen Bestimmungen in § 34 Absatz 1: Schulpflichtig ist, wer in Nordrhein-Westfalen seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Für Flüchtlinge aus der Ukraine mit fremder Staatsangehörigkeit gilt die unmittelbare Schulpflicht mit der Wohnsitzaufnahme aufgrund Zuweisung zu einer Gemeinde gemäß § 34 Abs. 1 SchulG.

Die Rechte zum Schulbesuch sind für ukrainische Staatsangehörige und Angehörige mit Staatsangehörigkeit eines Drittstaates gleich. Die Auswahl eines Bildungsganges hängt ausschließlich von Sprachkenntnissen und der Vorbildung (u.a. Schulabschlüsse) ab.

d) in der Berufsausbildung?
e) auf dem Arbeitsmarkt?
Zu jeder Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 24 Abs. 1 AufenthG ist die Auflage ,,Erwerbstätigkeit erlaubt” verfügt. Es besteht somit unter der Voraussetzung des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis für beide hier genannte Gruppen ein freier und unbeschränkter Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.

f) in anderen Bereichen?

Es ist hier nicht bekannt, dass in etwaigen anderen Bereichen noch Unterschiede zwischen den beiden von Ihnen genannten Gruppen bestehen könnten.”

Fazit:
Die Flüchtlinge mit Drittstaatsangehörigkeit haben einen Anteil von 5% an allen Flüchtlingen aus der Ukraine. Ihr “Schicksal” hinsichtlich der Aufenthaltserlaubnis hier in Deutschland hängt vor allem davon ab, ob sie nachweisen können, dass sie zu Kriegsbeginn “mit einem unbefristet gültigen Aufenthaltstitel rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten haben”. Andernfalls (wenn z.B. Papiere fehlen oder bei Studenten) entscheidet die Ausländerbehörde, ob “eine sichere und dauerhafte Rückkehr in ihr Heimatland möglich und zumutbar ist”. Und da hat die Behörde einen großen Beurteilungsspielraum … (Antwort 2a).

Nicht Angelegenheit des Kreises sind Probleme bei der Anerkennung von Bildungsgängen und Bildungsabschlüssen und bei der Möglichkeit zur Fortsetzung von Ausbildungen; auch hier gibt es oft große Schwierigkeiten.

Umleitung: Hoffnung trotz Energie- und Wasserkrise, Funke Mediengruppe entlässt Redakteure, Gewerkschaften weltweit gegen unfaire Algorithmen, Europas Faktencheck-Teams schließen sich zusammen und mehr…

Fundort Winterberg, passend zu den Krokus-Ferien in den Niederlanden (foto: zoom)

Hoffnung trotz Energie- und Wasserkrise. Bevölkerungsimplosion auch in China: Vor einem Jahr ging es mir nicht gut. Seit 2015 hatte ich auf allen mir zugänglichen Kanälen vor der Öl- und Gas-Abhängigkeit von Ressourcenfluch-Staaten wie Russland und Iran gewarnt, war dafür sogar noch wenige Wochen vor der Putin-Invasion auf die Ukraine auf der sog. “Achse des Guten” verhöhnt worden … scilogs

Starke Wechselwirkung wirbelt die Theorie durcheinander: Die starke Wechselwirkung – eine der vier Grundkräfte der Physik – hält unsere Atome zusammen. Eine Forschergruppe hat nun unerwartete Fluktuationen entdeckt, die bisherige Theorien nicht erklären können … spektrum

Funke Mediengruppe entlässt Redakteure: Es rumort derzeit wieder bei der Funke Mediengruppe: Sämtliche Wochenblätter in NRW sollen künftig zentral produziert werden und ohne eigene Inhalte – mit etwa der Hälfte an Redakteur*innen. Das deutschlandweit tätige Unternehmen mit Sitz in Essen bringt neben Tageszeitungen wie der größten Regionalzeitung Deutschlands, der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“, und der „Berliner Morgenpost“ auch kostenlose Anzeigen- und Wochenblätter heraus … mmmverdi

Anna Barazetti, gesch. Korsen, geb. Straßberger, (1912 – ?): Ein Stück bürgerlicher Widerstand aus Harburg, sehr selten, spät gefunden … harbuch

Wie ich Livingstone fand: Henry Stanleys Suche nach dem verschollenen Dr. Livingstone gehört zu den großen Geschichten des 19. Jahrhunderts und seine Begrüßung „Dr. Livingstone, I presume?“ ist eines der wohl bekanntesten Zitate der Weltgeschichte. Stanley unternahm seine Expedition im Auftrag des New York Herald … schmalenstroer

Wie Gewerkschaften weltweit gegen unfaire Algorithmen kämpfen: Ob bei Amazon oder in der Plattform-Ökonomie – immer mehr Menschen werden bei ihrer Arbeit durch Algorithmen beeinflusst. Sie vergeben Aufträge, bemessen das Gehalt, beurteilen die Leistung und entscheiden über Jobs. Weltweit beginnen Gewerkschaften und Arbeitende, sich gegen potenziell unfaire Algorithmen zu wehren … netzpolitik

Die vielen Lügen entlarven – Europas Faktencheck-Teams schließen sich zusammen: Eigentlich zutiefst betrüblich, dass so etwas nötig ist, aber: Faktenchecks werden in diesen Zeiten dringend gebraucht. Spätestens seit Corona ist es bekannt, erst recht seit Russlands Kriegsüberfall auf die Ukraine … revierpassagen

Flächendeckende Versorgung mit digitalen Endgeräten an den Schulen in Dortmund: Streit mit dem Land über Support und Ersatzbeschaffung … nordstadtblogger

Klimabündnis Hagen zum globalen Klimastreik am 3. März: „Es sieht nicht gut aus“ … doppelwacholder

Umleitung: Putins Ideologie, mangelnde Gleichstellung, Staatspropaganda bei Google News, Saturnringe, Corona-Impfungen, Fridays for Future und mehr…

Die große Eiche und mein kleines Fahrrad oberhalb von Westernbödefeld (foto: zoom)

Putins ideologisches Inventar: Der Russe ist voll Zuversicht, dass, wenn er in seinem nationalen Kampf unterliegt, diese Niederlage nur das ›erste‹ Kapitel seines Ringens ausmacht … derrechterand

Gefährlicher „Bodensatz“ mit Ukraine-Ressentiments: Eine neue Studie hat ergeben, dass fast jede zehnte Person Verschwörungserzählungen rund um den Krieg in der Ukraine Glauben schenkt. Dazu unterstützen 17 Prozent abwertende Äußerungen zu Geflüchteten aus der Ukraine … endstationrechts

Gleichstellung: Frauen in allen Positionen unterrepräsentiert … doppelwacholder

Google News: verkauft Staatspropaganda als „vertrauenswürdig“ … netzpolitik

AstroGeo Podcast: Saturnringe und ein verlorener Mond … scilogs

20 Jahre Konzerthaus Dortmund: Symbol für den Wandel im Ruhrgebiet …revierpassagen

Corona-Impfungen: Die Stadt Dortmund bietet ab Freitag Corona-Schutzimpfungen mit den neuen Impfstoffen an … nordstadtblogger

Falls mich morgen jemand sprechen will: 11. Globaler KLIMASTREIK – Wir treffen uns um 12 Uhr am Hauptbahnhof und ziehen zu Fuß durch Kassels Straßen! Masken mitbringen, Demoschild einpacken und Freund*innen Bescheid sagen … fridaysforfuturekassel

Zivilisatorischer Pazifismus

Neworld (www.friedensbilder.de; Künstler: Matthias Brucklacher).

Die militärische Heilslehre gehört zur Dogmatik einer zerstörerischen Zivilisation. – Ohne Sturz der Kriegsgottheit wird die menschliche Gattung beim Klimaschutz den Kreislauf der Vergeblichkeit nie durchbrechen.

(Ein Gastbeitrag von Peter Bürger)

Es ist spät auf dem Planeten Erde. Gleichwohl haben bürgerliche Fraktionen der Ökologiebewegung hierzulande ihren Frieden mit der Bombe geschlossen und stellen mitunter so etwas wie „Mut zum Dritten Weltkrieg“ zur Schau.

Die Opferbereitschaft in der Politik ist enorm. Man zeigt sich bereit, viele Menschenleben (vorerst nicht im eigenen Land) auf dem Altar der „Freiheit“ zu opfern, sodann auch das materielle Auskommen der „Behelfers“ in der Nähe, die einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung ausmachen, und nicht zuletzt die Zukunft, nämlich Grundpfeiler der im Wahlkampf angekündigten – ganz tollen – ökologischen Transformation.

Der großherzige Verzicht auf ein Tempo-Limit im Autobahnverkehr hat indirekt wohl ebenfalls etwas mit der neuen Militärdoktrin zu tun, belegt er doch, dass die „Freiheit“ allüberall ohne Rücksicht auf Verluste und Vernunftargumente verteidigt werden muss – auch die „Freiheit“, den nach uns kommenden Erdbewohnern die Hölle zu bereiten.

Zum öffentlichen Erscheinungsbild der Mutigen gehört vor allem eine Ergriffenheit von der eigenen Ergriffenheit – ein erhebendes Gefühl angesichts von soviel Moralität. Die Hofnarren sagen derweil keine unbequemen Wahrheiten mehr, sondern übernehmen das Amt der besoldeten Hofprediger. In diesem Jahr ließen sie vorzugsweise und denkbar großkotzig eine Pazifisten-Schelte auf fast allen Kanälen vernehmen. Dummheit und Stolz wachsen bekanntlich gerne auf einem Holz.

Auf den Begriff bringen: „Zivilisatorischer Pazifismus“

Über Nacht ist die Militärgottheit – wie zuletzt 2001 – von mächtigen imperialen Akteuren für eine weitere Geschichtsepoche auf den höchsten Thron des Weltgeschehens gesetzt worden. Das wird sich als ein noch größeres Verbrechen gegen die Menschheit und künftige Generationen erweisen als der russische Angriffskrieg in der Ukraine, mit welchem dieser durch Hochrüstungsfahrpläne längst vorbereitete Vorgang hierzulande in der Öffentlichkeit gerechtfertigt wird – bislang noch ohne nennenswerte Widerstände.

Denn was bedeutet die Zementierung des militärischen Paradigmas im 3. Jahrtausend unserer Zeitrechnung? Sie verurteilt alle Bemühungen, die unvorstellbaren Leiden auf dem Globus infolge der Klimakatastrophe abzumildern und ein Abdanken des homo sapiens in Schande (oder kollektivem Suizid) noch irgendwie abzuwenden, zur Vergeblichkeit!

Der Militärkomplex gehört – im Verein mit einer ultimativ aggressiven Form des Wirtschaftens – zur Dogmatik eines destruktiven Zivilisationskurses. Sofern es der menschlichen Spezies nicht gelingt, sich aus den Fängen der von ihr selbst hervorgebrachten Heilslehre des Militärischen zu befreien, sind Problemlösungen im Zusammenhang mit der menschengemachten ökologischen Krise auf dem Lebensraum Erde nicht einmal denkbar.

Eine Wahl ist zu treffen: Militär- und Konkurrenzlogik oder Klimaschutz-Kooperation des ganzen Erdkreises! Beides geht nie und nimmer zusammen. Wo diese Grundsatzentscheidung unberücksichtigt bliebe, dürfte man keine Schülergeneration mit gutem Gewissen dazu ermutigen, ihre Jugendzeit mit dann folgenlosen und sogar verschleiernden Klimaprotesten zu verschwenden. Sollte es etwa Fridays-for-future-Gruppierungen geben, die sich der militärischen Heilslehre fügen, so wäre es sogar besser für das Wohl der menschlichen Familie, sie wären nie gegründet worden.

Weltfrieden ist die unerlässliche Voraussetzung bzw. Rahmenbedingung für jede vorstellbare Lösung oder Entschärfung der ökologischen Krise. In einer von Militärlogik durchdrungenen Welt der Menschen, so haben die letzten Jahrzehnte gezeigt, sind nicht einmal Weichenstellungen für einen neuen Weg – eine grundlegend andere Zivilisationsrichtung – zu bewerkstelligen. Vonnöten ist deshalb ein radikales Friedensvotum, welches uns das Geschick der ganzen Gattung vor Augen stellt. Hierfür schlage ich den Begriff „Zivilisatorischer Pazifismus“ vor.

Ein neuer Name, aber keine neue Betrachtungsweise

Das so Bezeichnete ist mitnichten etwas Neues. Der Sache nach wird es in der Gegenwart etwa vorgetragen durch den Brasilianer Leonardo Boff, den Nordamerikaner Noam Chomsky, Papst Franziskus, Uno-Generalsekretär António Guterres … oder z.B. auch durch nicht wenige Telepolis-Autor:innen.

Schon im letzten Jahrhundert haben u.a. der 1983 in Vancouver ausgerufene „Konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“, das Projekt „Weltethos“ oder die Deklaration einer „Erdcharta“ Wege gebahnt für einen zivilisatorischen Pazifismus im Bewusstsein der ökologischen Krise als Ernstfall.

Das 3. Jahrtausend sollte dann mit der „Uno-Dekade für eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit zugunsten der Kinder der Welt“ eingeläutet werden. Alle wegweisenden Initiativen und Impulse wurden aber faktisch gegenstandslos durch das Ende 2001 vom US-Imperium verkündete Paradigma eines weltweiten, permanenten Kriegszustandes. (Vorausgegangen war im gleichen Jahr u.a. ein Rückzug der US-Regierung aus dem Kyoto-Prozess.)

Zu den ältesten Zeugnissen für einen „zivilisatorischen Pazifismus“ gehören Verse aus dem Prophetenbuch Jesaia der hebräischen Bibel, die vermutlich im 8. Jahrhundert vor unser Zeitrechnung niedergeschrieben worden sind:

Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern / und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, / und übt nicht mehr für den Krieg.

Jesaja 2,4

Die Kriegsökonomie soll also umgestellt werden auf ein Wirtschaften, das Nahrung (Getreide) und Freude („Wein“) hervorbringt, keine Tötungsprodukte.

Das Römische Imperium beförderte durch seine hochgerüstete Symbiose von „Münze – Macht – Militär“ später ein Weltgefühl mit endzeitlichen Bedrängnissen. Religiöse Apokalyptik diente den Unterworfenen in diesem Kontext nicht zwingend als Fluchtweg ins Irrationale, sondern eher zur Aufdeckung von imperialen Gewaltstrukturen.

Die kleine Minderheit der Christen verstand sich als Vorhut einer neuen Zivilisation im Sinne des Propheten Jesaia, in der niemand mehr das Kriegshandwerk erlernt. Solche Anfänge verhinderten es freilich nicht, dass sich nach Kaiser Konstantin (gestorben 337 n.Chr.) in sechszehn Jahrhunderten ein Kriegskirchentum herausbildete, das auch dem industriellen Krieg der Moderne assistiert und sich durch Theologenbeistand für die Atombombe offen zur Gotteslästerung bekannt hat.

Die nach dem Abgrund von zwei Weltkriegen mit insgesamt bis zu 100 Millionen Todesopfern im Juni 1945 – wenige Wochen vor dem Einsatz einer neuartigen, ultimativen Massenvernichtungswaffe – verabschiedete Charta der Vereinten Nationen bezeugt den Vorsatz, „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren“. Die „Bombe“ erledigte allerdings sogleich den Traum einer Demokratie im Miteinander der Völker.

Der „Atompazifismus“ zeigt sich in seinen überzeugenden Varianten bereits als ein vollausgebildeter „Zivilisatorischer Pazifismus“: Die Bombe ist – wie der Klimawandel – ein Erzeugnis aus der menschlichen Gattung, doch die Menschheit vermag das „Selbstgemachte Ding“ offenbar nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Jetzt verfügen bestimmte Akteure erstmalig innerhalb der gesamten Geschichte über die Fähigkeit zur kollektiven (Selbst-)Auslöschung der eigenen Spezies. Es gilt fortan:

An die Stelle des Satzes „Alle Menschen sind sterblich“ ist der Satz getreten: „Die Menschheit als ganze ist tötbar.“

Günther Anders: Über die Bombe und die Wurzeln unserer Apokalypse-Blindheit

Im Sinne einer Schicksalsgemeinschaft, die auf Gedeih und Verderb im selben Boot sitzt, gibt es die „Eine Menschheit“ erst unter dem Vorzeichen von Atombombe und Klimakatastrophe. Auch wenn Scharlatane etwas anderes erzählen: Fortan stehen keine Heimatinseln und mit hohen Mauern abgesperrte Nationalterritorien für einen Rückzug ins Sichere mehr zur Verfügung.

Vorteile können sich die privilegierten Minderheiten und Regionen auf dem Globus durch einen Abschottungskrieg gegen die Elenden nur für eine kurze Zeitspanne verschaffen. Wir sind in einen Äon eingetreten, in dem sich das Rettende nur für alle ohne Ausnahme zeigen kann – oder eben der Abgrund, dem dann vielleicht schon mittelfristig niemand entrinnen kann.

Militärlogik macht blind

An den Horizont von Zivilisationsgeschick und Menschheitsfamilie wagt sich der wiederauferstandene deutsche Schwertglaube in hiesigen Talkrunden freilich nicht heran. Man begnügt sich weithin mit dem üblichen Kasperle-Theater von Leuten, die eine aktuelle Medienschlacht bestreiten und die nächste Wahl überleben wollen.

Ob selbstgesteckte „nationale Klimaziele“ vor der nächsten Wahl eingehalten werden oder nicht, das ist natürlich nicht nebensächlich. Für den „Zivilisatorischen Pazifismus“ gibt es freilich einen noch viel schwergewichtigeren „Prüfstein“, nämlich die Frage, welchen Beitrag die gegenwärtige Politik in Deutschland zur weltweiten Vernetzung im Dienst einer Revolte für das (Über-)Leben auf dem Globus beisteuert und welche politischen, kulturellen, ökonomischen, wissenschaftlichen, technologischen … Kooperationen sie in diesem Zusammenhang zuwege bringt.

Wo das Geschick des Planeten Erde als Lebensraum verhandelt wird, kann es allein um ein „Gemeinsam-Gewinnspiel“ ohne Verlierer gehen. Zur Aufgabenstellung gehört es unbedingt, eine möglichst hohe Punktzahl zu erzielen. Doch im „Gemeinsam-Gewinnspiel“ gibt es keine einzige Regel, die uns anfeuert, mehr Punkte als andere zu erzielen. Im Gegenteil: Die höchste Punktzahl kann nur dann erzielt werden, wenn alle sich absprechen, sich in die Karten schauen lassen … und auf ebendiese Weise gemeinsam die höchste „Punktzahl“ – das Optimum für alle – erlangen.

Im Licht der „einen Menschheit“ gehört es zum Vordringlichsten, überall dem Bewusstsein Bahn zu brechen, dass alle schon deshalb eine Schicksalsgemeinschaft bilden, weil sie denselben Planeten bewohnen. Die menschliche Spezies allein hat die ökologische Krise hervorgebracht. Unter allen Lebewesen auf der Erde vermag auch nur sie es, planmäßig nach Lösungen zu suchen und Brandherde zu löschen. Eine andere Perspektive, als die des gemeinschaftlichen Handelns, kann es, hierbei nicht geben (Beratung, abgestimmtes Vorgehen, Kommunikation, Technologie-Austausch, Kooperation, subsidiäre Hilfen, Ausgleich im Sinne einer globalen Gerechtigkeit …).

Die Vereinten Nationen müssen sich angesichts der ökologischen Krise förmlich neu erfinden. Keine zentralistische Weltregierung (Öko-Diktatur etc.) ist das Ziel, sondern ein Prozess der globalen Verbundenheit von unterschiedlichsten Kleinräumen, Ländern, Kulturen oder Kontinenten (keine Uniformität, sondern Vielgestaltigkeit; kein Diktat, sondern Dialog und Synergie). Das Zauberwort heißt „Kommunikation“, wobei Fragen der hierfür längst ausgebildeten Kommunikationstechnologie heute nicht mehr im Vordergrund stehen.

Acht Milliarden Menschen sind mit einem schier unermesslichen Erfahrungsschatz als Weltgestalter, Kreative und Erfinder beteiligt. Wenn irgendwo in einem Dorf, einer Region oder einem Land die Lösung für ein bestimmtes Problem im menschlichen Zivilisationsgefüge gefunden wird, sollte sie ohne Patentschutz und Zeitverzögerung von allen genutzt werden können.

In diesem Kontext wäre die so leichtfertig geschmähte „kulturelle Aneignung“ von Erfahrungen, Praktiken und Errungenschaften anderer kein Vergehen, sondern eine Überlebenstugend (Gemeinsam-Gewinnspiel). Was dem alle betreffenden „Weltgemeinwohl“ dienlich ist, muss überall frei zur Verfügung stehen und somit dem System des Profits entzogen werden.

Das Jahr 2022 hat uns aber einen ganz und gar anderen Ausblick beschert: Wie eh und je soll es weiterhin um das Konkurrenzringen von Imperien, imperialen Komplexen, selektiven Bündnissen zur Durchsetzung gemeinsamer Interesse und Nationen gehen. Der Uno ist bestenfalls die Aufgabe zugedacht, von Fall zu Fall den Versuch der Raubtierzähmung zu unternehmen. Die Devise lautet bei allen Beteiligten: „Wir werden gewinnen, die anderen müssen verlieren!“

Die Ideologie des aggressiven Wirtschaftens und der Rehabilitation des Krieges macht blind. Sie verhindert die überlebenswichtige Einsicht, dass nichts anderes als ein Gemeinsam-Gewinnspiel ansteht und es hierzu wirklich keine Alternative gibt.

Agenda und Unlogik der militärischen Heilslehre sind der denkbar größte Gegensatz zu einem dialogisch-kooperativen Gefüge der Weltgesellschaft, wie es allein noch Aussicht auf ein neues, lebensfreundliches Klima gewähren kann. Der Verweis auf diesen Widerspruch betrifft das Zentrum des Zivilisatorischen Pazifismus: Ohne Weltfrieden keine ökologische Weltinnenpolitik. Andere sehr bedeutsame Aspekte des Zusammenhangs von Krieg und Klima, von denen einige im nächsten Anschnitt genannt werden, sind demgegenüber nachgeordnet.

Zusammenhänge: Krieg und Klimakrise

„Zivilisatorischer Pazifismus“ ist kein friedenspolitischer Nebenschauplatz und auch keine Strategie zur Werbung von pazifistischem Nachwuchs (Argumentationshilfe für Stände der Friedensbewegung), sondern ein grundlegender Ansatz – unter Einschluss von „Atompazifismus“ und „Ökopazifismus“. Er zielt darauf, die weltweite menschliche Gemeinschaft im 21. Jahrhundert überhaupt erst zu befähigen, eine „Kooperation für das Leben“ zu werden und den vom homo sapiens verursachten Katastrophen gegenzusteuern.

Radikal in Frage zu stellen ist nun das mit dem destruktiven Zivilisationskurs verbundene Wissenschafts- und Forschungsparadigma. Die imperiale Zivilisation bringt Beherrschungswissenschaften hervor, die dem erfolgreichsten Vorteile sichern und in ihren Werkstätten ultimative Technologien des Massenmordes entwickeln.

In den nächsten Jahrzehnten werden aufgrund des Klimawandels weitere Konfliktherde entstehen und zig Millionen Klimaflüchtlinge tödlich bedroht sein. Kriege um Wasser werden den Kreis der gewalttätigen Ressourcensicherung dominieren.

Wider die mannigfachen Verwerfungen infolge der Erderwärmung wären völlig neuartige Ökonomien, Forschungen, Technologien und Produktionen im Dienste der Erhaltung oder Mehrung des Lebens angesagt. Derweil ziehen es die Mächtigen aber vor, ungezählte Milliarden in eine neue Atomwaffengeneration zu investieren – was in sich schon von der Bereitschaft zeugt, Menschen in Massen zu ermorden und zumindest Teile der Erdoberfläche gezielt unbewohnbar zu machen.

Der „Zivilisatorische Pazifismus“ ist an dieser Stelle zu 100 Prozent intolerant und bezeichnet das, was aus dem Irrenhaus der Zivilisation kommt, auch als Wahnsinn. Er spricht dem als rational geltenden Nuklearwaffen-Komplex jegliche Verbindung mit einem sinnvollen Verständnis von Vernunft ab.

In seinen Augen sind ausnahmslose alle Akteure, die sich an Entwicklung, Produktion oder Finanzierung der Nuklearwaffentechnologie beteiligen und ein Recht zu Atombombenbesitz oder Atombombenteilhabe beanspruchen, disqualifiziert für eine Politik, die ihrer Verantwortung vor gegenwärtigen und künftigen Generationen gerecht wird. In den Parlamenten sollten die Oppositionellen, die das Leben lieben, nicht aufhören, die Haber, Teilhaber und Kollaborateure der Bombe laut beim Namen zu nennen und den Aberwitz zu verlästern.

Die Zusammenhänge von Krieg und Klima betreffen die Richtung der maßgeblichen Forschungen, die Zweige der Produktionen und schließlich die Budgets für öffentliche Ausgaben. Jeder kann wissen, wie dringend wir Laboratorien, Industrien und Hervorbringungen zum Schutz des menschlichen Lebens brauchen. Gemästet werden jedoch Militärforschung und Rüstungskonzerne, also die Totmach-Industrien.

Die begrenzten Ressourcen fließen an erster Stelle in die Militärapparate. Sie fehlen dann zwangsläufig in den Kassen der Klimaschutzpolitik. Hier fallen Entscheidungen. Kein noch so schmerzliches ökologisches Opfer für den Kriegsgötzen erscheint den vielen unverantwortlichen Entscheidungsträgern zu groß.

Die Rüstungsproduktionen, Rüstungsexporte sowie der Unterhalt der militärischen Infrastrukturen (samt Wartung, Übungen etc.) tragen in beträchtlichem Umfang zur Steigerung der Erderwärmung bei, auch wenn die Waffen noch gar nicht zum Einsatz gekommen sind. Wo die Schlachten dann beginnen, gibt es für das Werk der Umweltzerstörung keine Grenze mehr. Das Militär ist Spitzenreiter der Destruktion.

Die Beendigung des Krieges gegen die Natur – d.h. gegen die Grundlagen des Lebens auf der Erde – stünde unter freien, vernünftigen Diskursbedingungen seit mehr als einem halben Jahrhundert als „T.O.P. 1“ auf der Tagesordnung. Die wirkliche Priorität besteht indessen darin, das Programm Krieg und die mit ihm verbundenen astronomischen Profite fortzuschreiben in alle Ewigkeit.

Herausforderungen wider die Vergeblichkeit – „Transzendenz“

Als Erkennungszeichen für den Zivilisatorischen Pazifismus bietet sich das älteste Symbol der „Campaign for Nuclear Disarmament“ an, welches auch als stilisierte Darstellung des Menschen gedeutet werden kann und dann zur Frage führt: „Scheitert der homo sapiens?“

Frohnaturen kommentieren die Atombombe trotz Hiroshima und Nagasaki – trotz der Leiden der militär-experimentell Verstrahlten, der Erstschlagoptionen, der fehlbaren Warnsysteme und einer neuartigen nuklearen Waffengeneration – mit Artikel 3 des Rheinischen Grundgesetzes: „Et hätt noch emmer joot jejange.“ (Bislang ist doch noch immer alles gutgegangen. – Erfahrungsgrundlage ist hierbei eine winzige Zeitspanne der menschlichen Geschichte.)

Junge Häuslebauer mit Kinderwunsch winken bei Fridays for future ab: „Überspanntes, hysterisches Endzeit-Gehabe!“ Der Kulturredakteur lamentiert ebenfalls über altbackene „apokalyptische Zwangsvorstellungen“, denn er schreibt gerade einen anspruchsvollen Essay und will dann zur Belohnung ungestört einen exquisiten Rotwein genießen.

Der Wissenschaftler im vorgerückten Alter möchte derweil sein seit Jahrzehnten bearbeitetes Forschungsvorhaben zu einem Abschluss bringen; denn es kann ja gar nicht sein, dass die Vorstellung einer generationenübergreifenden Kultur-, Kommunikations- und Forschungsgemeinschaft durch eine alsbaldige Katastrophe oder Auslöschung jeglicher Geschichte als naive Illusion entlarvt wird…

Alle diese Verhaltensweisen sind menschlich, sehr menschlich. Jeder von uns ist zu zerbrechlich für die Katastrophe und geneigt, lähmende Prognosen zu Kommendem zu meiden. Wer Tag für Tag, Stunde um Stunde den „zivilisatorischen Ernstfall“ erwägt, fällt zwangsläufig in ein Grundgefühl der Vergeblichkeit. Angst und Fatalismus bleiben zurück, sie machen gefügig.

Gibt es eine Weise, „das Fürchten zu lernen“ (Günther Anders), die nicht handlungsunfähig macht? Wie könnten wir uns – einander – zu einem klaren Sehen des Weltgeschehens befreien – ohne falschen Trost, aber nicht ohne Beistand? In Abgründe sollte nur schauen, wer Stärkung erfahren hat. Leibhaftige Begegnungs- und Beziehungsräume – jenseits der digitalen Kommunikationsflut – sind schon deshalb unverzichtbar.

Es gab Epochen, in denen das Leben als Geschenk galt, nicht als etwas, das eingekauft werden muss. Zu den Herausforderungen unter dem Vorzeichen des „Zivilisatorischen Pazifismus“ gehört die Beleuchtung jener Jahrtausende einer patriarchal gelenkten Geschichte, die mit einer aggressiven Ökonomie, der Heilslehre des Militärischen und zuletzt einem Vernichtungskrieg gegen die natürlichen Grundlagen aller Lebewesen auf der Erde einhergeht.

Kriegs- und Hochrüstungskomplexe sind keine ewigen Naturtatsachen, sondern relativ junge Phänomene der menschlichen Zivilisationsgeschichte. Es gab eine Zeit ohne sie – und eine „Zukunft ohne Barbarei“ ist nur als Zustand vorstellbar, in dem sie wieder abgeschafft worden sind.

Wie nun kann das Lebensdienliche im öffentlichen Gefüge zur Sprache kommen und schließlich Hegemonie (Vordringlichkeit) erlangen? Ethische Überlegungen sind gewiss nichts Falsches, aber durch Moralpredigten werden wir den „Ernstfall der Zivilisation“ kaum abwenden können. Sich dem Erbe der Aufklärung verpflichtet fühlen, bleibt ebenfalls ehrenwert. Doch es fehlt summa summarum gewiss nicht an Faktenwissen über Klimawandel und Kriegsapparatur.

Es bleibt weiterhin nötig, das Publikum zu informieren z.B. über die astronomischen globalen Gesamtkosten der letzten Kriegsintervention in Afghanistan, die zwei Jahrzehnte lang währte und neben Leichenbergen als „Erfolg“ nur verbuchen kann, das Leben für sehr viele Millionen Menschen zum Schlimmeren gewendet zu haben. Für eine Hegemonie des Lebensdienlichen brauchen wir aber noch mehr als solche Aufklärung, nämlich wirkmächtige Bilder – kein Pentagon-Kino, sondern: „One human family“!

Wenn ich als Theologe an dieser Stelle mehr „religiöse Musikalität“ in einer Revolte für das Leben ersehne, so möchte ich nicht missverstanden werden. Jene institutionalisierte „Religion“, die jede beliebige Apparatur mit den Versprechungen einer hohlen Jenseitigkeit und einer kapitalismuskonformen Anwendungspastoral stützen kann, pulverisiert sich hierzulande.

Linker „Laizismus“ bezieht sich somit auf Kämpfe von gestern. Die biblische Überlieferungsgemeinschaft, aus der ich komme, zielt auf Religionskritik (nicht auf die Konstruktion eines höchsten Wesens oder esoterische Spekulationen). Es geht um einen Aufstand gegen den Tod, um den Sturz der falschen, allmächtig scheinenden Götter des Weltgeschehens.

„Transzendenz“ bedeutet in diesem Zusammenhang, die seelische Leere der Gefügigen zu durchbrechen und somit auch jenen toten Denkraum, der die Welt in einen überaus traurigen Ort verwandelt. Wer sich als Mensch auch den noch nicht Geborenen – den künftigen Generationen, denen er nie begegnen wird – verbunden fühlt, gehört bereits zu den Zeuginnen und Zeugen des „Transzendierens“.

Die rasante Militarisierung vollzieht sich unter der Losung „Für die Freiheit“, während sie in Wirklichkeit in freiheitsfeindliche, autoritäre Verhältnisse hineinführt. Das Wissen um die Kraft von Nonviolence bleibt weiterhin ausgeschlossen vom kommerziellen Massen-Entertainment, denn es betrifft die einzige Form des gemeinschaftlichen Widerstandes, die den Mächtigen und Besitzenden Angst einflößt.

Nonviolence ist keine Passivität, sondern höchste Aktivität: ein Widerstand, der dem Räderwerk des Todes in die Speichen greift, jedoch niemals fremdes Blut vergießt. Die Revolte gilt dem Leben und auch der menschlichen Würde. Falsche Propheten, die das Geschäft der Konterrevolution betreiben, sind leicht zu erkennen. Sie fordern Menschenopfer.

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Ausführungen zum „Zivilisatorischen Ernstfall“ hat der Verfasser schon früher in einem kleinen Aufsatz https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/012186.html und einem theologischen Essay https://solidarischekirche.de/wp-content/uploads/2020/12/Menschwerdung_soki-sonderdruck.pdf vorgelegt; ebenso einen Text zum Imago der „Einen Menschheit“ https://www.heise.de/tp/features/Die-Eine-Menschheit-4190450.html?seite=all

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Der Beitrag ist zuerst erschienen im Online-Magazin Telepolis, 19.08.2022. https://www.heise.de/tp/features/Zivilisatorischer-Pazifismus-7224129.html?seite=all

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Umleitung: Scheinblüte SPD, Landnahme von Verschwörungsgläubigen, Krieg in Europa, Windkraft-Akzeptanz im Sauerland und sechs Lesetipps

Keine Scheinblüten in Battenberg. Den kleinen Flieger habe ich erst im Nachhinein bemerkt. (foto: zoom)

Schwindende Scheinblüte: Was denken sich die Wähler? Vor einem Jahr gaben sie der SPD bei Forsa 14 Prozent. Drei Monate später, bei der Bundestagswahl, machten sie die Partei mit 25,7 Prozent zur stärksten Kraft. Heute, neun Monate nach der Wahl, befindet sich seine Partei auf dem Abstieg … postvonhorn

Landnahme-Objekt Immenhof: Ein Anwesen in der Lüneburger Heide steht vor der Versteigerung. Corona-Leugner und Verschwörungsgläubige treffen sich auf dem Gelände um ihr visionäres Dorf zu planen … endstationrechts

Krieg in Europa? Ob wir es nun wahrhaben wollen oder nicht: Ein großer Krieg in Europa ist nicht ausgeschlossen, auch wenn ihn niemand will. Die Gründe liegen eher in der Psychologie als in der Politik … scilogs

Windkraft-Akzeptanzstudie: Gäste und Tagesausflügler akzeptieren Windkraft-Ausbau im Sauerland … ihkarnsberg

Zwischen Seelentrost und Menschheitsdämmerung: sechs Bücher über beinahe alles … revierpassagen

Heute vor 81 Jahren


Wolfram Wette: „Die Wehrmacht. Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden“, Frankfurt am Main 2005

Heute vor 81 Jahren begann der „Hakenkeuzzug“ gegen die Sowjetunion [1], und ich möchte Ihnen meine neue Datei zur „Sonderbehandlung“ der Bürger*innen aus der UdSSR an Herz, Verstand und Seele legen.

Ich habe sie für Michael Schwarz, Jelena Kekachina, Maria Markielowa, Halina Wolkow und all die Anderen [2] geschrieben und freue mich besonders über die Veröffentlichung „auf LISA“ unter „Zu Wewelsburg“ [3] und „Kennzeichen ,OST‘“ [4].

Ansonsten möchte ich an diesem für mich in diesem Jahr aus mehreren Gründen ganz besonders schmerzhaften Jahrestag nur auf drei Bücher hinweisen. Sie begleiten mich seit vielen Jahren, und mit dem letztgenannten bin ich groß geworden; es gehört auch zum Erbe meiner Eltern:


Harald Welzer: „Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden“, Frankfurt am Main 2007
  1. Wolfram Wette: „Die Wehrmacht. Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden“, Frankfurt am Main 2005
  2. Harald Welzer: „Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden“, Frankfurt am Main 2007
  3. Wolfgang Borchert: „Das Gesamtwerk“, Hamburg 1949

„Wenn sie Dir morgen befehlen, … dann gibt es nur eins: Sag NEIN!“ (S. 318 ff.)

„Als der Krieg aus war, kam der Soldat nach Haus. Aber er hatte kein Brot. Da sah er einen, der hatte Brot. Den schlug er tot.

Du darfst doch keinen totschlagen, sagte der Richter.

Warum nicht, fragte der Soldat.“ (S. 317)

„Wenn sie Dir morgen befehlen, …

dann gibt es nur eins:

Sag NEIN!“

Anmerkungen:

[1] Wolfram Wette: „Der Hakenkreuzzug“, in „DIE ZEIT“ Nr. 24 vom 10.6.2021 auf http://upgr.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/uploads/Dateien/PB2021/ZEIT20210610S19WetteHakenkreuzzug.pdf

und von heute:

Peter Bürger: „Die ,Auserwählten‘ in Rußland. Christliche Soldaten der Wehrmacht – eine Erinnerung zum 81. Gedenktag des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion“ auf https://www.schiebener.net/wordpress/die-auserwaehlten-in-russland/

[2] siehe Ende der Datei auf http://upgr.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/uploads/Dateien/Links/NTK-Art-299.Sonderbehandlung1942.F-A.Kaslow-E.Skosarecy-M.Markielowa-u-H.Wolkowa.pdf

[3] https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/zur_wewelsburg?nav_id=10163

[4] https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/das_kennzeichen_ost_und_der_internationale_frauentag?nav_id=10429

Die „Auserwählten“ in Russland

Christliche Soldaten der Wehrmacht – eine Erinnerung zum 81. Gedenktag des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion

Deutsche Soldaten beim Vormarsch nahe der deutsch-sowjetischen Interessengrenze, 22. Juni 1941 (Foto gemeinfrei: Bundesarchiv, Bild 146-2007- 0127 / CC-BY-SA 3.0)

Der größte zusammenhängende Genozid der Geschichte wurde von deutschen Waffenträgern nebst Helfershelfern 1941-1945 ausgeführt und ist doch nicht, wie das 80. Jahresgedenken 2021 auf besonders traurige Weise gezeigt hat, Teil der „nationalen Erinnerungskultur“ in Deutschland geworden.

(Ein Gastbeitrag von Peter Bürger)

1941 setzte die Wehrmacht den in Polen begonnenen „NS-Vernichtungsfeldzug gen Osten“ in der Sowjetunion mit Morden an über 20 Millionen Zivilisten (darunter drei Millionen Juden, sowie Sinti und Roma) und drei Millionen Kriegsgefangenen fort. Die großen Kirchen im Deutschen Reich predigten den Gläubigen, der Gehorsam gegenüber der staatlichen Kriegsobrigkeit sei von Gott verordnet.

Mit Blick auf Jesus von Nazareth muss man an dem Widerspruch, dem David Schmiedel in seiner Dissertation „Du sollst nicht morden“ (2017) aus religions- und geschichtswissenschaftlicher Perspektive nachgeht, irre werden: „Wie konnten christlich sozialisierte Menschen, die an einen gütigen und vergebenden Gott glaubten, einen Krieg führen, der ganze Bevölkerungsteile vernichtete und ganze Landstriche verwüstete? Wie konnten die Soldaten ihre Handlungen im Krieg gegen die Sowjetunion mit Gott rechtfertigen?“ (S. 12) Die Propaganda hatte ihnen die Bevölkerung als „slawische Untermenschen“, gelenkt von einer „jüdisch-bolschewistischen Funktionärsschicht“, vor Augen gestellt. Nachfolgend stelle ich Beispiele aus den von D. Schmiedel in seiner Studie herangezogenen Zeugnissen zusammen.

Sie opferten sich, wie Christus“

Hitler hatte am 19. September 1939 schon den Sieg über Polen in biblische Sprache gegossen: „Mit Mann und Ross und Wagen, hat der Herr sie geschlagen.“ (S. 179) Der röm.-kath. Militärpfarrer Eickhoff glaubte geschichtstheologisch, „dass die Vorsehung Deutschland vielleicht dazu ausersehen habe, die Sowjetherrschaft zu zerschlagen“ (S. 299). Es schwebte ihm aber auch „vor, eine Einigung der Kulturstaaten herbeizuführen und dann gegen den Bolschewismus mit allen Kräften zu Felde zu ziehen“ (S. 177).

Die deutschen Kirchenleitungen assistierten der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie mit einem „christlich“ aufgeladenen Kreuzzug gegen das ‚Reich der Gottlosigkeit‘. Diese religiöse Hybris, so Schmiedel, „war Teil eines militärischen, kulturellen und rassischen Überlegenheitsgefühls gegenüber den Rotarmisten und gegenüber der Bevölkerung in den besetzten Teilen der Sowjetunion. Für die christlichen Wehrmachtssoldaten, die der Verschmelzung von politischer und religiöser Ideologie anheimgefallen waren, erwuchs ihr Herrschaftsanspruch vor allem aus ihrer Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde – sie waren die Menschen, die Kinder Gottes unter den ‚Tieren‘ und ‚Dämonen‘ der Sowjetunion. … Diese Art des Denkens erlaubte es diesen deutschen Soldaten zu töten, ohne im eigenen Verständnis gegen die Gebote Gottes zu verstoßen. … Doch da die Wehrmachtssoldaten ihrer eigenen Wahrnehmung nach in der göttlichen Ordnung der Dinge über den BewohnerInnen der Sowjetunion standen, waren es folglich auch sie selbst, die für die Verbrechen des sowjetischen Systems sühnen mussten – sie waren in ihrem Selbstverständnis die Einzigen, die es – als christliche Menschen in einem von Gott verlassenen Land – konnten. Die Soldaten wurden damit zu Märtyrern, die durch ihren Tod das vom sowjetischen System angerichtete Unrecht aufhoben und Gottes Ordnung auf Erden wiederherstellten. In dieser Ausdeutung kämpften die deutschen Soldaten nicht mehr für oder gegen eine bestimmte politische Ideologie, sie kämpften für Gott und dessen Ordnung – sie opferten sich, wie Christus es getan hatte“ (S. 454).

Sie stürzten wie die Tiere über eine Regenpfütze“

Die Botschaft des „Heiligen Krieges“ wirkte als völkisch-religiöses Gemisch, wie es Leutnant Willy Fackler in einem Brief vom 18. August 1941 so zu Wort bringt: „Hier stehen Ordnung gegen Zerfall, Kultur gegen Barbarei, Seele und Geist gegen Materie, Persönlichkeit gegen Masse, im letzten Grunde – Gott gegen den Teufel. So ist dieser Kampf, weil er die Gesetze der Natur – und diese sind göttlichen Herkommens – verteidigt, ein wahrhaft heiliger Krieg. Es wird einen Sieg geben und einen Frieden, in dem die Völker dieser Erde nach ihrer Art und Leistung glücklich werden. Das Wort jenes Dichters leuchtet heute mehr denn je: ‚Am Deutschen Wesen wird einst die Welt genesen!‘“ (S. 160)

Aufhorchen lassen uns die zahllosen von David Schmiedel erschlossenen Belege für Herrenmenschentum und Antisemitismus der christlichen Soldaten: „Es gibt in den wahreren Gesichtern der Russen eine Dämonie zu Zeiten, die uns erschreckt, selbst wenn wir den H(ieronymus). Bosch kennen und ihn ernst nehmen.“ (S. 162) „Und was gibt es schon zu sehen! Juden, Holzhäuser und ärmlich aussehendes Polenvolk und ein Zeichen höherer Kultur sind nur Kirchen.“ (S. 163) „Wenn die Ordnungen durchbrochen werden, wie es geschah, bleibt doch weiß weiß und schwarz schwarz. Neger bleibt Neger. Davon ist natürlich nicht das Verhältnis berührt, das ich zum Nächsten habe, der relativ einen unvergleichlich höheren Wert hat.“ (S. 164) „Sie trägt einen Judenstern auf dem Arm und ein scheußlich jüdisches Gesicht, eins von der unangenehmen Art, so dass man ein Foto von ihr ohne weiteres in den ‚Stürmer‘ aufnehmen könnte. … Wie gesagt, sie gehört zu den typischen Judengesichtern und ist mir daher ziemlich widerwärtig.“ (S. 210) „Zum Kartoffelschälen haben wir uns etliche Jüdinnen an Land gezogen. Es waren tolle Erscheinungen dabei – eine Karikatur könnte auch nicht mehr viel dahin zutun.“ (S. 210) „Du, diese neu erfundene Aufteilung der Menschen in Juden und Arier hat doch ihr Gutes. Die Juden benehmen sich kläglich. Alte Greise ziehen vor uns jungen Sprintern hier ‚untertänigst‘ die Mütze. Pfui, das ist charakterlos. Auch die Knechtschaft soll man würdig tragen.“ (S. 211) „Diese Tage hier haben wir in einem Haus verbracht, in dem auch eine Jüdin Zuflucht gesucht hatte. Sie kauderwelschte auch Deutsch, d.h. natürlich jiddisch. Ihr Gesabbere war einfach furchtbar anzuhören.“ (S. 212) „Unvergesslich wird mir der Zug der russischen Gefangenen bleiben. 20.000 zogen an uns vorüber, ein Völkergemisch, … Sobald eine Regenpfütze auf der Straße glänzte, stürzten sie sich wie die Tiere darüber her und tranken das Dreckwasser. … ‚So hat sie der Herr geschlagen,‘ ging es mir durch den Sinn.“ (S. 436)

Die Verpflegung ist wieder gut und reichlich“

Die Aneignung der Lebensgrundlagen anderer Menschen wurde den christlichen Rekruten der Wehrmacht schon in Polen beigebracht (S. 103-104) und gilt beim Krieg gen Osten als deutsches Anrecht: „Holz nehmen wir natürlich zuerst von eingestürzten Häusern oder solchen, die nicht mehr bewohnt werden. Wenn es aber in den Winter hinein geht, so werden wohl ganze Häuser zum Bunkerbau dran glauben müssen und manches Haus auch langsam zu Brennholz zerkleinert werden. Was soll der deutsche Soldat schließlich anderes machen. Seine Sicherheit und Gesundheit muss den Belangen der Bevölkerung vorgehen.“ (S. 157) „Die Verpflegung ist wieder gut und reichlich, fast zu viel auf einmal. Auf jeden Fall wird es uns nie schlecht gehen. Die Bevölkerung hier tut mir leid. Sie hat vorher schon sehr wenig besessen. Nun wird ihnen noch vieles genommen. Natürlich muss in erster Linie das Heer versorgt sein. Ich hoffe ja, dass es nach dem Kriege, wenn auch langsam, besser wird. Der Sowjetstaat muss wirklich das Volk ausgebeutet haben.“ (S. 224) „Doch sicherlich brauchten wir die fruchtbare Ukraine als Ernährungsbasis für die weitere Kriegsführung. Das schien mir einleuchtend: Vorsorge treffen, damit die Heimat zu essen hat. Als wir dann an der ehemaligen Kirche vorbeikamen, stieg in mir wieder die Hoffnung auf, dass in einer freien Ukraine vielleicht auch wieder christliche Verkündigung möglich sei.“ (S. 299)

Solche Widersprüche in einem Atemzug – die Räuber beschreiben ohne Scham das eigene Raubhandwerk und klagen gleichzeitig den ‚ausbeuterischen Sowjetstaat‘ an oder rühmen sich als Befreier der Christenheit – sind nur durch Abspaltung des eigenen Tuns erklärbar.

Der Russe macht sich nichts aus dem Tod“

Sich christlich verstehende, auch sehr fromme Soldaten beschreiben das unentwegte Morden und Zerstören in geradezu lapidaren Wendungen: „Auf einem kleinen Platz standen viele Soldaten und redeten eifrig auf einen Juden ein … Kurz darauf hörte ich einige Pistolenschüsse.“ (S. 209) „Mit großen, tränenlosen Augen sehen die Zivilisten unserm Zerstörungswerk zu. Sie können unser Tun nicht begreifen, zumal sie uns ein paar Minuten vorher noch friedlich das Weihnachtsfest feiern sahen. Das ist ‚Woina‘ – Krieg!“ (S. 222) „Es ist das übliche[:] zerschossene Häuser, brennende Dörfer, verängstigte Zivilisten, jammernde Verwundete und viele Tote.“ (S. 233) „In den Wäldern sind Russen. Mit unseren Geschützen schießen wir auf den Waldrand. Auch Minenwerfer werden eingesetzt. Hin und wieder kommen aus den Feldern russische Soldaten heraus, um sich zu ergeben. Zum Teil werden sie von der Infanterie, die vor uns marschiert, erschossen. … Gestern, so hörten wir, hat man zweimal russische Parlamentäre erschossen, die mit weißer Fahne auf unsere Infanteristen zugekommen sind.“ (S. 246-246) „Mittags sahen wir, wie Fußsoldaten die Kornfelder und Gehöfte absuchten und flüchtige Soldaten aufscheuchten. Das gab ein lebhaftes Geknalle; denn diese Heckenschützen nahm man nicht gefangen. Statt dessen gingen die Gehöfte in Flammen auf, in denen man etliche fand.“ (S. 254) „Iwan hat anständig Federn lassen müssen. Alles junge Kerlchen, teils 15-16 Jahre, stur wie die Panzer. Wie Roboter, hören nicht auf Ruf noch sonst was. Laufen weiter stur. Man muss sie ‚umlegen‘. … Es ist übrigens erstaunlich, in welcher Menge wir neue Waffen herausgebracht haben.“ (S. 308) „Die Zivilbevölkerung hat aus dem Hinterhalt sich an diesen Kämpfen beteiligt. 20 Personen, darunter 2 Frauen, wurden standrechtlich erschossen. Das ist auch mehr wie Recht, denn was Gemeineres gibt es wohl kaum.“ (S. 258) „Es ist tatsächlich so, der Russe … macht sich nichts aus dem Tod, ist stur. Heute wurden bei uns wieder 20 von den Partisanen umgelegt, nicht einer der vorher zusammengeknickt wäre. Für die ist dieser Tod eben so wie jeder andere natürliche auch.“ (S. 259)

Die – hier nur vage angedeutete – Masse der von Schmiedel erschlossenen Dokumente zur ‚christlichen Zeugenschaft‘ des Völkermordes ist erdrückend. Wer z.B. die herangezogenen Briefpassagen des Katholiken Hans Ahrens (ND: Bund Neudeutschland) zusammenliest, findet bündische Lagerfeuerphilosophie, fromme Salven und schlimmste Abgründe zusammengebraut. Am 30./31. August 1941 schreibt dieser ND-Ritter: „Der Russe wird an eine Kuhle geführt, sieht hinein und schon jagt ihm einer eine Kugel durchs Genick, die durch den Kopf geht. Er stürzt vornüber und bekommt im Stürzen noch einen Tritt und schon liegt er auf anderen, die vor ihm in das unbekannte Jenseits befördert wurden. Ein anderer Russe springt dann herbei, schüttet Chlorkalk darüber und schon folgt der Nächste. Das ist ein hartes aber gerechtes Ende, wenn man das Vorhergehende kennt, wiewohl sich über die Methode streiten … Wenn dann letzten Endes die Fröhlichkeit diesem Dunkeln einfach nicht weichen will, so ist doch in unserem Glauben, der sagt, dass in allem ein Sinn sei, – doch: ‚Wer hat des Herrn Sinn erkannt‘! – Eine Kraft und ein Trost, wofür man nicht genug zu danken weiß“ (S. 254-255).

Am 21. März 1942 gibt Wehrmachtssoldat H. Ahrens in einem Brief dann Auskunft über seine Zeugenschaft im Angesicht der Vernichtung der Juden während des sogenannten Russlandfeldzuges: „Die Leichen, die man früher regellos auf einen Haufen warf, werden bereits, so gut es geht, aussortiert und über das halbe Tausend erschossener Juden hat man schon Kalk gefahren. Was im einzelnen noch hier geschah, – davon zu schreiben, ist nicht der rechte Ort.“ (S. 226) Deutsche Handwerksarbeit des Todes – ganz sachlich beschrieben.

Literaturnachweis

David Schmiedel: „Du sollst nicht morden“. Selbstzeugnisse christlicher Wehrmachtssoldaten aus dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. Frankfurt: Campus Verlag 2017.