„Der jüdische Friedhof in Ohlsdorf wurde am 30. September 1883 eröffnet. Er erstreckt sich über elf Hektar und umfasst ca. 18 000 Gräber. Im Übrigen ist er der einzige Friedhof in Hamburg, an dem noch nach jüdischem Ritus* bestattet wird.“ (Quelle: https://www.jfhh.org/)
Der Friedhof liegt in direkter Nachbarschaft zum städtischen Friedhof Ohlsdorf. Abgetrennt von diesem ist er nur über einen separaten Zugang zu erreichen. Mit Tor, Gitter und Zaun deutlich nach außen abgegrenzt, bildet der Jüdische Friedhof Ohlsdorf einen eigenständigen Begräbnisplatz für die aschkenasische (deutsch-israelitische) und sefardische (portugiesisch-jüdische) Gemeinde Hamburgs. (wikipedia)
Mehr als diese drei Bilder mit den beiden Zitaten und Lesehinweisen kann ich heute nicht anbieten. Die Tage in Hamburg waren anstrengend und lassen mich aus vielen Gründen noch nicht los.
Der erste Tag nach der Wasserkuppe war überhaupt nicht anstrengend. Selbst das Sinntal entpuppte sich unerwarteterweise als ein Klacks. Von Bad Kissingen aus ging es entlang der Fränkischen Saale bis nach Gemünden, von dort auf einem weiteren Radweg durch das Sinntal bis hinauf nach Altengronau: 85 km, 1200 m Anstieg, 1179 m Abstieg.
Der Tag endete mit einem Spaziergang zum Jüdischen Friedhof oberhalb von Altengronau.
In den Anfängen dieses Blogs habe ich im Jahr 2009 den jüdischen Friedhof in Winterberg besucht, ein paar (schlechte) Bilder gemacht und folgende Begebenheit notiert:
In dem Moment als ich das Foto aufnahm, fuhr eine Pferdekutsche mit Touristen vorbei. Sie nahmen mich wahr. Daraufhin ging der Kutscher auf den historischen Ort ein: „Das da rechts ist der Judenfriedhof“, hörte ich mit halbem Ohr und die beiden Pferde klapperten samt Kutsche weiter über den Straßenasphalt Richtung Schmantel-Rundweg.
Die Abschätzigkeit des Begriffs „Judenfriedhof“ hatte mich damals wie ein Peitschenhieb getroffen und ich habe mich gefragt, ob der Kutscher lediglich ein vereinzelter Antisemit wäre oder ob er den allgemeinen antisemitischen Sprachgebrauch seiner Gesellschaft widerspiegelt.
Halt, stopp! Vielleicht fragt sich jetzt der/die Leser*in, was denn so schlimm am „Judenfriedhof“ sei, das sage man doch so. Nun – geht ihr sonntags in die Katholikenkirche oder in die katholische Kirche? Begrabt ihr die verstorbenen Freunde und Verwandten auf dem Katholikenfriedhof oder auf dem katholischen Friedhof?
Im Duden-Verlag ist 2020 das 64-seitige Buch Antisemitismus in der Sprache von Ronen Steinke erschienen [1]. Steinke ist Journalist und hat eine Biografie über Fritz Bauer, den Ermittler und Ankläger der Frankfurter Auschwitz-Prozesse, geschrieben.
In dem Kapitel „Judenmädchen. Der miese Sound bestimmter Wortkombinationen“ (S. 33-37) greift er neben den abwertenden Begriffen „Judenmusik, Judenhut, Judenhaus“ auch die Wortkombination „Judenfriedhöfe“ auf.
In einer Rezension von Mechthild Klein beim Deutschlandfunk heißt es:
„Diese Sprechweise ist toxisch“
Ronen Steinke geht es nicht darum, Wörter zu verbieten. Es geht ihm um Aufklärung. Natürlich kann es nicht jeder wissen, wovon sich die verschiedenen jüdischen Begriffe ableiten. Manche seien ja auch ganz charmant: „Meschugge“ zum Beispiel für „nicht ganz bei Verstand sein“ oder „verrückt werden“. Oder „Masel tov“ für „Glückwunsch“. Aber würde man heute noch von einem „Halbjuden“ sprechen, einem Begriff aus der Rassenlehre der Nationalsozialisten. Oder von einem „Judenfriedhof“? Klarer wird das Vorgehen, wenn man es auf andere Religionen anwendet.
„Würde man denn von einem Katholikenfriedhof sprechen? Würde jemand von einem Katholenfriedhof sprechen? Das würde dann doch sofort aufstoßen als eine seltsame, ein bisschen respektlose Formulierung. Der Judenfriedhof ist genau dasselbe. Kein jüdischer Mensch würde selber so von dem Friedhof für seine Großeltern sprechen. Menschen, die von Juden nichts halten, sprechen so. Diese Sprechweise, die in der NS-Zeit ganz populär gemacht worden ist, Judenfriedhof, Judenschule, Judenmusik, Judenliteratur, diese Sprechweise, das ist natürlich toxisch.“
Zur Frage, ob der Kutscher am 11. Januar 2009 ein Einzelphänomen war, bin ich ein kleines Stück weiter gekommen.
Bei einer Recherche las ich heute zufällig auf der Website des Winterberger Heimat- und Geschichtsvereins unter „Projekte“ den Eintrag „Aufstellen eines Gedenksteins am Judenfriedhof in Winterberg.“ [2]
Ein erster wichtiger Schritt, sich mit dem Antisemitismus in der Sprache auseinanderzusetzen, wäre es, aus dem „Judenfriedhof“ einen jüdischen Friedhof zu machen. Auf dem Gedenkstein (siehe Bild oben) ist es ja richtig geschrieben.
———
[1] Ronen Steinke: „Antisemitismus in der Sprache“ Duden Verlag, 2020, 64 Seiten, 8,30 Euro
Da ich nicht damit rechne, dass meine Blogartikel überall gelesen werden, hatte ich gestern auch einen Hinweis an den Vorsitzenden des Heimat- und Geschichtsvereins geschrieben. Ich finde es gut, dass die Änderung so schnell und problemlos erfolgt ist. Damit ist mir ein kleiner Stein vom Herzen gefallen.
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Nun wuchern erneut die krautigen Pflanzen und der Löwenzahn gedeiht prächtig auf den Wegen.
Der Jüdische Friedhof in Winterberg liegt am Rande der Stadt und ist von außen nicht unbedingt als Friedhof zu erkennen. Die meisten Menschen gehen achtlos am Treppenaufgang vorbei. Es ist vom Fußweg bzw. von der Straße nicht ersichtlich, dass sich hinter dem Holztörchen ein besonderer Ort verbirgt. Wäre nicht zumindest eine Hinweis- und vielleicht eine erklärende Geschichtstafel angemessen?
Vielleicht beschäftigen sich ja einige Schüler*innen im Rahmen des Jugendgeschichtsprojekts „Erinnern vor Ort“- „Vergessene Schicksale: Jüdische Familien im Hochsauerlandkreis“, welches ich vor drei Tagen hier im Blog vorgestellt habe, mit den Winterberger jüdischen Familien. Immerhin trägt das örtliche Gymnasium den geschichtsträchtigen Namen der Geschwister Scholl.
Gestern Nachmittag war das Wetter stabil und wir konnten die WDR-App „Stolpersteine NRW“ in Meschede ausprobieren. Schon zu Hause konnten wir auf der Desktop-Variante in Ruhe checken, wo die Steine zu finden sein würden.
Spoiler: die GPS-Daten waren nicht punktgenau, aber mit Hilfe der Adressangabe, etwas Phantasie und Adleraugen haben wir schließlich alle dunkel-bronzenen Steine entdeckt.
Insgesamt elf Stolpersteine verzeichnet die App in Meschede, davon fünf in Wennemen (ein Standort) und sechs in der Innenstadt (vier Standorte).
Die kleine Route, um die Innenstadt-Stolpersteine zu finden, haben wir am Parkplatz Schlotweg begonnen. Dieser ist Samstagnachmittag eigentlich immer leer.
Zuerst geht es stadteinwärts durch den Hennepark. Rechts von der Henne liegt auf einem steilen Abhang der alte Jüdische Friedhof.
Auch wenn der Friedhof nicht in der App verzeichnet ist, sollte man/frau ihn besichtigen. Der Haupteingang ist an der Beringhauser Straße. Wir sind in Schlangenlinien von unten zum Eingang und wieder zurück gegangen. Es ist steil. Rutschfeste Schuhe sind von Vorteil.
Am Ende des Henneparks gelangt man am geruhsamsten über kleine Nebenwege zu den beiden Stolpersteinen von Johanna und Milton Kahn im Eingangsbereich von Foto Sonntag, Hennestraße 8.
Für die weiteren drei Standorte kann sich jede und jeder eine eigene Route überlegen. Links- oder rechtsherum spielt keine Rolle.
Von Klara Arens in der Kampstraße 1 sollte man noch an der alten Synagoge, heute ein Kultur- und Veranstaltungsort, vorbeigehen. Nach der Pandemie werde ich dort wieder zum ein oder anderen Event vorbeischauen.
Im Anschluss an die Innenstadtrunde und die drei letzten von sechs Stolpersteinen (Caroline Ikenberg, Paula Rosenthal-Wallach & Leopold Wallach) , geht es entweder zurück durch den Hennepark zum Start oder was sonst beliebt. Einkaufen, Ruhr angucken, Kaffee trinken.
Wir sind zurück, weil Pandemie, und haben links (Fließrichtung!) von der Henne noch eine Skulptur „Niederbrechendes Pferd“ des Siedlinghäuser Künstlers Eugen Senge-Platten entdeckt. Keine Ahnung, warum ich das Pferd bislang nicht gesehen hatte.
Die Stolpersteine in Wennemen werde ich später besuchen. Wennemen liegt am Ruhrtalradweg und ist gleichzeitig der Ausgangspunkt für den Bahntrassenradweg nach Eslohe bzw. Bremke.
Eine technische Frage bleibt für mich noch offen: Warum zeigt mir die Stolpersteine-App unter dem Punkt „Stein besucht“ lediglich „1“ an? Es waren doch derer sechs und ich hatte überall eine virtuelle Kerze angezündet. Was habe ich übersehen?
Nun gut, 99,99% der alltäglichen Probleme sind größer, aber wissen wollen tue ich es trotzdem.
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