Umleitung: vom Klimawandel über den Glauben zur Geschichte. Snowden-Archiv, Störerhaftung, rechte Talkshowgäste und mehr.

Stehplätze frei: Bobbahn Offseason (foto: zoom)
Stehplätze frei: Bobbahn Offseason (foto: zoom)

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Siedlinghausen – „Schließung ohne Not“: Offener Brief von ehemaligen Lehrerinnen und Lehrern zur befürchteten Schulschließung … derwesten

Wetter und Klima – Rückblick und Ausblick: Unvergessene Winterimpressionen aus damaliger Zeit und der heutige Klimawandel.

Die Klimaveränderung geht immer schneller vor sich; und auch die 2 Grad-Marke ist für sich genommen schon ein extremer Wert, der Hitze- und Dürreperioden, Orkane, Überschwemmungen und Sturzfluten immer katastrophalere Ausmaße annehmen läßt.
„Die Klimaveränderung geht immer schneller vor sich; und auch die 2 Grad-Marke ist für sich genommen schon ein extremer Wert, der Hitze- und Dürreperioden, Orkane, Überschwemmungen und Sturzfluten immer katastrophalere Ausmaße annehmen läßt.“ Winterberg im Januar 2016. (foto: zoom)

Bevor wir uns mit der kalten Jahreszeit der letzten Jahrzehnte beschäftigen, möchte ich im Folgenden einmal kurz auf den soeben zu Ende gegangenen Winter 2015/16 hier in NRW eingehen und die wichtigsten Daten präsentieren, auch um zu verdeutlichen, wie sich durch den menschengemachten Klimawandel Frost, Schnee und Eis auf dem Rückzug befinden.

Ferner soll bei dieser Gelegenheit das Ergebnis der Klimakonferenz in Paris vom vergangenen Dezember einer Beurteilung unterzogen werden.

Um mit der Konferenz in der französischen Hauptstadt zu beginnen: Das Ergebnis wurde euphorisch als großer Durchbruch gefeiert. Aber war es wirklich ein Erfolg?

Meiner Ansicht nach nur ein scheinbarer. Denn obwohl sich alle Staaten dazu verpflichtet hatten, den Klimaschutz nach vorne zu bringen, drohen bei Nichteinhaltung des Vertrags keine Konsequenzen in Form von Strafen.

Außerdem werden die nationalen Klimaziele weiterhin von den einzelnen Staaten selbst festgelegt. Auch Moritz Lehmkühl, der Gründer von Climatepartner(führender Anbieter für Business-Lösungen im Klimaschutz), kritisiert an dem Abkommen, daß keine verbindlichen Maßnahmen definiert wurden, durch die das Ziel einer klimaneutralen Weltwirtschaft erreicht werden soll. Er ist zwar trotz z. T. berechtigter Kritik überzeugt, daß die Vereinbarung von Paris das Beste ist, was für das Weltklima seit der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls 1997 getan wurde.

Dennoch: Umsetzungs- und Kontrollmechanismen fehlen. Statt verbindlicher Verpflichtungen enthalte das Abkommen eher Aufforderungen und Empfehlungen. Sieht man es einmal ganz nüchtern, dann handelt es sich doch wieder nur um die berühmten Absichtserklärungen.

Die bittere Erkenntnis lehrt aber, daß freiwillige Vereinbarungen, – wo auch immer – noch nie gefruchtet haben. Also kein Grund, von einem historischen Ereignis zu sprechen. Der ökonomisch motivierte Egoismus beherrscht nach wie vor das Denken der Staatengemeinschaft. Dies ist der Grund dafür, daß die Staatschefs aller Länder ihre Verantwortung für ein Leben erhaltendes Klima noch immer längst nicht ausreichend wahrnehmen.

Wie lange ertönt beispielsweise schon der berühmte, zum entschlossenen Handeln mahnende Spruch „Es ist fünf vor zwölf – oder gar zehn nach zwölf?“ Seit nahezu 30 Jahren.

Doch die Zeit ist weitergegangen. Weder Deutschland noch ein anderes EU-Land hat wirklich einen Grund sich seiner umwelt- und klimapolitischen Taten zu rühmen. Um bei unserer Regierung anzusetzen:

Frau Merkels Fähigkeiten wurden schon immer maßlos überschätzt, sei es als ehemalige Umweltministerin oder erst recht in ihrer über zehnjährigen Amtszeit als Bundeskanzlerin. Das Problem ist, daß es ihrer schwarz-roten Regierung an dem unbedingten Willen und an Courage fehlt, die erforderlichen Maßnahmen durchzusetzen, um den Klimaschutz hierzulande zu einem Erfolg werden zu lassen. Zu eng ist die Verflechtung mit den Lobbyverbänden aus der Wirtschaft, die hierzulande die Richtlinien der Politik maßgeblich bestimmen.

Die einzige und letzte Chance aus diesem Dilemma herauszukommen, sehe ich in einem Dreierbündnis mit einer völlig neu aufgestellten SPD zusammen mit Grünen und Linkspartei. Nur von einer solchen Koalition könnte erwartet werden, daß sie den Kampf gegen eine übermächtige Industrielobby entschlossen aufnimmt und deren Einflußnahme auf die Politik zurückdrängt.

Fest steht für mich, daß das viel beschworene 2- oder gar 1,5 Grad Ziel aus heutiger Sicht nur noch sehr schwer – wenn überhaupt – zu erreichen ist. Dazu müßten weltweit alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, und zwar sofort.

Die Klimaveränderung geht immer schneller vor sich; und auch die 2 Grad-Marke ist für sich genommen schon ein extremer Wert, der Hitze- und Dürreperioden, Orkane, Überschwemmungen und Sturzfluten immer katastrophalere Ausmaße annehmen läßt.

Diese sehr beunruhigende Tatsache veranlasste den Klimaforscher Prof. Dr. Mojib Latif dazu, den in Paris am Verhandlungstisch sitzenden Regierungschefs und Ministern zu bescheinigen, sie wüßten in Anbetracht des verbal reichlich strapazierten 2-Grad-Ziels nicht, worüber sie überhaupt reden.

Zum Winter 2015/16: Dieser war – wie viele seiner Vorgänger – deutlich zu warm, erneut ein untrügliches Zeichen für den Klimawandel. Die Durchschnittstemperatur der Wintermonate lag nach Berechnungen des Deutschen Wetterdienstes 3,5 Grad(!) über dem vieljährigen Mittel. Damit gehört der Winter 2015/16 zu den 5 mildesten seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1881, sagte Gerhard Lux vom DWD.

Rekordhalter ist der Winter 2006/2007, der um 4,4 Grad zu warm ausfiel. Der Dezember 2015 lag satte 5,6 Grad(!) über dem Normalwert. So warm war kein Dezember seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Durchschnittstemperatur in Deutschland lag mit 3,6 Grad C um 3,4 Grad über der international gültigen Referenzperiode bzw. Normalperiode 1961 – 1990; im Vergleich zum Zeitraum 1981 – 2010 war die Abweichung mit 2,7 Grad nur unwesentlich geringer.

Bei uns in NRW präsentierte sich der Winter 2015/2016 mit 5,0 Grad C (1,7°) als das wärmste und mit gut 235 l/m² (223 l/m²) als ein eher nasses Bundesland. Darüber gehörte es mit annähernd 190 Stunden (151 Stunden) zu den sonnenscheinreichen Regionen. In Duisburg-Baerl wurden im Winter 2015/16 nur 16 Frosttage gezählt. Der Dezember blieb in zahlreichen Orten, wie Köln, Düsseldorf und Münster praktisch frostfrei.

Nun aber zu der kalten Jahreszeit früherer Jahrzehnte, in deren Verlauf ich das Wettergeschehen bereits als Kind ziemlich genau unter die Lupe genommen hatte.

Obwohl der meteorologische Winter erst Anfang Dezember beginnt (1.12.), zeigte sich schon der Herbstmonat November häufig von seiner winterlichen Seite. So wurden z. B. in der 2. Novemberhälfte des Jahres 1985 in Altenstadt (Bayern) Temperaturen von nahezu minus 25 Grad(!) gemessen; dazu auch noch reichlich Schnee. Genauso kalt war es in Teilen Bayerns Ende November 1973.

Während meiner Kindheit und auch noch viel später trug man wie selbstverständlich im Oktober warme Strickjacken und Strickpullover. Und erst recht galt dies für den November, wo die Leute eigentlich nur mit Wintermantel unterwegs waren.

Im Herbst letzten Jahres machte der bayerische „Wetterprophet“ Sepp Haslinger aus Benediktbeuern (Südbayern) wieder einmal von sich reden. Er sagte für 2015/16 einen grimmigen Winter voraus. Am Blütenstand der kleinen Königskerze ist seiner Meinung nach zu erkennen, wie der kommende Winter wird. Er hatte schon jenen von 2014/2015 am Verhalten der Blüte richtig prognostiziert, wenn dieser auch nicht so mild ausgefallen war, wie der vorhergehende. Nur diesmal erlag Haslinger einem Irrtum.

Ebenfalls grimmige Verhältnisse prophezeiten manche Ornithologen, die ihre Vorhersage mit dem gut 3 Wochen früher einsetzenden Wegzug der Zwergschwäne aus der nördlichen Tundra in die Winterquartiere begründeten. Von Meteorologen und Klimaforschern war wiederum zu hören, daß wir uns – gestützt auf langjährige Beobachtungen bzw. Meßreihen – erneut auf einen insgesamt milden Winter einstellen müssen.

Nun ist es laut der Alpenschutzkommission CIPRA und des Deutschen Alpenvereins (DAV) offiziell: 2015 war noch einmal 0,16 Grad C wärmer als das bisherige Rekordjahr 2014.

Grund sind das Klimaphänomen El Nino und der Klimawandel. Millionen Afrikaner hungern.

Wir Europäer leisten uns dagegen eine gigantische Verschwendung von Energie und Rohstoffen. Hier die Zahlen: 38.000 Schneekanonen stehen heute in den Alpen. Sie brauchen so viel Energie wie eine 130.000-Einwohner-Stadt und so viel Wasser wie eine Millionen-Metropole. Auch wenn es immer mehr werden: Die Schneesicherheit sinkt. In den Bayerischen Alpen wird es bis Mitte des Jahrhunderts wohl nur noch 3 verlässliche Skigebiete geben. Und wer hier im Sauerland trotz solcher Aussichten immer noch von „klimagerechter Beschneiung“ faselt, ist und bleibt ein Traumtänzer. Das hat keinerlei Bezug zur Wirklichkeit.

Ich habe die kalte Jahreszeit – wie viele meiner Altersgenossen – noch ganz anders in Erinnerung. Neben milden Wintern oder gar solchen mit sehr wenig oder gar keinem Schnee (z. B. 1964), die insgesamt jedoch ziemlich rar gesät waren, gab es wiederholt längere Frostperioden mit Temperaturen z. T. weit unter minus 10 Grad. Diese wurden oft nicht von deutlich milderer Atlantikluft abgelöst, sondern durch aufkommende Schneefälle lediglich unterbrochen. Sodann nahm der Frost abermals an Schärfe zu.

Die Begriffe „Frostabschwächung“ oder „Frostmilderung“ waren zu damaliger Zeit regelmäßiger Bestandteil der WDR-Wetterberichte (Wetteramt Essen). Heute sind sie aus dem Vokabular der Meteorologen weitgehend verschwunden, weil es derartige Konstellationen – zumindest über einen längeren Zeitraum – gar nicht mehr gibt.

Bezeichnenderweise spricht man heute eher von kühlen Luftmassen. Meistens erleben wir doch nur noch einen Hauch von Winter, der mal für ganz wenige Tage vorbeischaut und dann schnell wieder milden bzw. sehr milden Luftmassen die Regie überläßt. Das ist auch darauf zurückzuführen, daß die unser Wetter maßgeblich bestimmende Westdrift stärker geworden ist und das Westwindband sich ostwärts verlagert hat. Diese Erkenntnis war jedenfalls eine Zeitlang Stand der Wissenschaft. Allerdings muß man damit rechnen, daß sich durch den fortschreitenden Klimawandel die großräumige Zirkulation erneut grundlegend ändert und dies eine Neubewertung der Lage erforderlich macht.

Früher konnte man jederzeit damit rechnen, daß sich der Winter kurz- oder mittelfristig zurückmeldete.

Beispiel 60er Jahre: Seinerzeit lagerte kontinentale Kaltluft weniger weit östlich als heutzutage. Sie erwies sich als Bollwerk gegen die aus Westen herbeiströmenden milden atlantischen Luftmassen. Prallte nun diese mit einer Menge Feuchtigkeit angereicherte Luft auf die über Deutschland festsitzende kontinentale Kaltluft, so kam es zu ergiebigen Schneefällen. Anschließend kräftigte sich das östlich positionierte Kältehoch wieder und sorgte häufig für mäßigen bis starken Dauerfrost.

Es bleibt also festzuhalten, daß die (zunehmend ausbleibenden) Winter von heute, welche immer öfter Plusgrade im zweistelligen Bereich aufweisen, nicht mit denen von anno dazumal auf eine Stufe zu stellen sind.

Vor einigen Jahrzehnten war der morgendliche Gang zur Kirche oft mühsam; man mußte sich durch den Schnee hindurchkämpfen. Wenn auch nur ausnahmsweise in tieferen Regionen, so doch ganz bestimmt in den höher gelegenen, damals per Kfz meistens schwer erreichbaren Dörfern.

Um sich als naturverbundener Mensch an der Idylle kalter und schneereicher Winter zu erfreuen, wie sie einst häufig auftraten, bieten die alten Schwarz-Weiß-Filme aus den fünfziger und sechziger Jahren reichlich Gelegenheit. Man sieht dort allenthalben unverbrauchte bzw. sehr dünn besiedelte Landschaften, überzogen mit makelloser, weißer Pracht, auf die kaum jemand seinen Fuß, oder besser gesagt Ski gesetzt hatte.

Das Bayerische Fernsehen sendete mal einen Film, der den Titel trug: „Winter im Berchtesgadener Land“. Dieser Beitrag enthielt auch höchst eindrucksvolle Impressionen aus der Zeit vor 50 Jahren. Er zeigte tief verschneite Landschaften von den Gipfellagen bis ins Tal auf 570 m Seehöhe herab. Dazu überall frostig kalt.

Der Meteorologe und Klimaforscher Prof. Dr. Hartmut Grassl, aufgewachsen in der Ramsau (nicht nur Nationalparkgemeinde, sondern jetzt auch erstes Bergsteigerdorf in Bayern), erzählte einmal von den Wintern, wie er sie als junger Bub erlebt hatte. Zitat: „Man war ringsherum von Schneemassen regelrecht eingemauert.“

Und heute? Schneefall oder Schneeschauer gibt es zwar noch. Aber die Schneeflocken besitzen wegen zu hoher Temperaturen in den allermeisten Fällen einen so hohen Wassergehalt, daß sie in ihrer Dimension fast die Größe von Bettlaken annehmen, ereiferte sich mal ein Bekannter von mir. In der Tat verhält es sich so: Massive, gehäuft auftretende Schneefälle, entladen ihre Fracht – zumal in den Niederungen – meistens nur noch in Form von Naßschnee, der fragile Gebäude und Kunstwälder einstürzen läßt, also ganz neue Gefahren mit sich bringt. Eine Beobachtung, die man weltweit machen kann.

Gegen Ende des Winterhalbjahres 2012/2013 wurde in der Presse darüber berichtet, daß einige Skigebiete nicht mehr so schneesicher sind wie vor 40 Jahren.

Im Berchtesgadener Land etwa sind die negativen Folgen des Klimawandels für den Wintertourismus am deutlichsten spürbar. Die Zahl der für den Skibetrieb so wichtigen Tage mit ausreichender Schneehöhe ging seit 1970 im Mittel von damals rund 110 auf 77 pro Jahr zurück. Im Skigebiet Tegernsee-Schliersee beobachtet der DWD heute im Durchschnitt nur noch 103 Tage mit 30 cm Schneehöhe – 1970 waren es noch 118. Die Zugspitzregion muß einen Rückgang von 111 auf 102 Tage pro Jahr verkraften. In den übrigen Skigebieten konnte der DWD noch keine auffälligen Veränderungen feststellen (Stand Februar 2013).

Die Klimaforscher des nationalen Wetterdienstes gehen allerdings davon aus, daß sich diese Trends in den kommenden Jahrzehnten fortsetzen und dann weitere deutsche Wintertourismusregionen betroffen sein dürften. Aber schon die Winter nach 2012/13 haben gezeigt, daß die Klimaerwärmung mit all ihren negativen Auswirkungen für den Wintersport schneller vor sich geht als mancher Experte sich das vorgestellt hat.

Noch bis weit in die 80er Jahre hinein gab es auch um die Karnevalszeit Mitte Februar häufig Kaltlufteinbrüche, so daß die Narren bei den Umzügen auf ihren Wagen zweistelligen Minusgraden zu trotzen hatten. Und am Faschingsdienstag bibberten die Weiber auf dem Münchner Viktualienmarkt bei nahe – 20 Grad und schunkelten sich bei Grog und Glühwein warm. Doch das ist Vergangenheit. Früher galt der Februar als klassischer Schneemonat. Oft zeichnete er sich durch Schneereichtum aber auch strenge Fröste aus.

Von tief verschneiten Landschaften kann gegenwärtig nur noch selten gesprochen werden. Selbst am Großen Arber im Bayerischen Wald (1.456 m) betrug die maximale Schneehöhe lange Zeit nicht mehr als 85 cm, nur kurzzeitig mal etwas über 1 m, gemessen im Monat Februar.

Am 2. April 1944 wurde auf Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze (2.968 m) die Rekordschneehöhe von 8,30 m gemessen. Und im Jahre 1977 kamen auch noch beachtliche 7 m und darüber zusammen. Solche Schneemengen wurden seitdem nicht mehr annähernd erreicht. 4 bis 5 m sind aber nach wie vor möglich. Auch in den Hochlagen des Sauerlandes gab es in früheren Jahrzehnten Schnee en masse. Gut im Gedächtnis geblieben ist mir z. B. der März 1970, wo auf dem Kahlen Asten an die 2 Meter von der weißen Pracht gemessen wurden.

Einer der strengsten Nachkriegswinter war 1962/63. Autos fuhren über „das bayerische Meer“, den Chiemsee.

Solche Meldungen verkünde ich nun keineswegs mit Euphorie.

Gewässer für Autofahrten freizugeben, betrachte ich als hirnlosen, unüberlegten Schwachsinn, als brutalen Eingriff in das hoch sensible natürliche Gefüge einer Seenlandschaft. Und das geschieht dann auch noch zur „staden Zeit“, wie man in Bayern und Österreich sagt, in der alle Tiere am störungsanfälligsten sind! Das Ganze taugt nur als Sensationsereignis.

Der lange Winter 1962/63 begann, ich erinnere mich noch sehr genau – mit dem Feiertag Buß- und Bettag Mitte November. Bei Temperaturen von minus 4 Grad C kam es zu mäßigem Dauerschneefall. Mein Elternhaus lag oberhalb des Stadtgebiets von Meschede. Um dorthin zu kommen, mußte erst einmal der „Krankenhausberg“, wie die recht anspruchsvolle Steigung am St. Walburga-Krankenhaus allgemein genannt wurde, bewältigt werden. Per Kfz verlief das bei winterlichen Verhältnissen recht abenteuerlich.

Zu jener Zeit waren – zumal auf den Nebenstrecken – kaum Fahrzeuge unterwegs. Und ehe mal Räumdienste zur Stelle waren, dauerte seine Zeit. Fing es für mehrere Stunden ergiebig zu schneien an, bildete sich oft im Nu eine geschlossene Schneedecke. Das vergleichsweise geringe Verkehrsaufkommen zu jener Zeit führte sehr rasch zu Schnee- und Eisglätte. Doch man passte sich den schwierigen Verhältnissen an. Nur ganz wenige hatten es so eilig wie heutzutage. Der Begriff Rücksicht galt vielen Autofahrern noch nicht als Fremdwort.

Aber zurück zu diesem unvergessenen Winter:

Zunächst hieß es noch mit Blick auf das bevorstehende Fest: „Grüne Weihnachten sind die Regel“ – Weiße Weihnachten erwarten wir nur in den Bergen.“ Allen Unkenrufen zum Trotz kam es anders. An Heiligabend wehte – wie bereits zuvor – ein eisiger Ostwind bei etwa – 10 Grad. Und rundherum eine Winterlandschaft wie aus dem Märchenbuch. Der Schnee knirschte unter den Füßen.

Erst Mitte März, wenige Tage vor dem astronomischen Frühlingsbeginn, setzte starkes Tauwetter ein. Der Wechsel vollzog sich quasi von heute auf morgen. Ein Wärmeeinbruch mit 20 Grad C und die Kraft der Sonne machten es möglich, daß die vorhandene Schneedecke binnen kurzer Zeit aufgezehrt wurde. Einen derart abrupten Übergang zu frühlingshaften Verhältnissen kennt man sonst nur von Gegenden, in denen kontinentales Klima herrscht.

Noch strengere Winter als 1962/63 oder auch 1984/85 (einer der härtesten in Skandinavien – hierzulande begann er nach einem noch milden Dezember Anfang Januar, wobei die Temperaturen selbst im Rheinland auch tagsüber unter dem Gefrierpunkt blieben) traten während des Krieges in den 40er Jahren auf. Darunter befand sich einer mit dem bislang nie wieder erreichten Januarmittel von minus 7,5 Grad C (!).

Heute dagegen haben wir es immer öfter mit außergewöhnlich milden Wetterlagen zu tun. So lag 4 Tage vor Weihnachten 2015 selbst auf 1.000 m Seehöhe kein Fleckchen Schnee. Und sogar auf 1.500 – 1.700 m Höhe waren zum kalendarischen Winteranfang (21.12.) nur Schneeflecken vorhanden. Das ist schon sehr extrem und ein weiterer Hinweis, daß sich unser Klima in eine Richtung mit immer mehr Wärmerekorden und immer weniger Kälterekorden verändert – was natürlich auch eventuelle zukünftige kalte Winter nicht ausschließt, aber eben immer seltener macht.

Nun ist die persönliche Erinnerung der Menschen und das, was objektiv von Wetterstationen gemessen wurde, nicht immer übereinstimmend. Da muß man schon, – wie unsereiner es seit Jahrzehnten tut – sehr aufmerksam beobachten. Zweifellos verändert sich etwas beim Wettergeschehen. Vieles deutet darauf hin, daß der Rückgang des arktischen Eises massive Auswirkungen auf unser Wetter hat, denn das verändert den Temperaturgradient zwischen Nord und Süd und damit eben auch das Verhalten der planetaren Wellen (Rossbywellen). Der Jetstream schwächt sich ab und mäandriert stärker. Wir spüren das, indem die Jahreszeiten starke Schwankungen aufweisen. In dem nach 2015 zweitwärmsten Jahr 2014 seit Meßbeginn gab es an 43 von 92 kalendarischen Sommertagen Unwetterwarnungen. Rekord!

Das Problem für viele Menschen wird bleiben, den Zusammenhang zwischen dem, was wir an unsichtbaren und geruchlosen Gasen in die Atmosphäre pumpen und dem veränderten Wettergeschehen (das aber eben parallel auch durch die Natur stets verändert wird) zu erkennen. Und viele folgen auch einer diese Zusammenhänge ablehnenden Argumentation, weil das für sie selbst die Welt einfacher erscheinen lässt.

Glaubt man nicht an unseren Einfluß, so muß man an der eigenen Lebensweise nichts verändern. Schön, aber eben falsch.

Fakt ist, daß der Klimawandel permanent voranschreitet. Seine Auswirkungen bekommt unser Globus Tag für Tag zu spüren. In immer kürzeren Abständen erreichen uns aus allen Teilen der Welt, in zunehmendem Maße auch aus Teilen Europas, entsprechende Hiobsbotschaften.

Nun ist es (leider) eine Tatsache, daß – wie der Meteorologe Sven Plöger in seinem Buch „Gute Aussichten für morgen“ schreibt – „weltweite Verhaltensänderungen auf allen Ebenen nur in einem sehr langen Zeitraum erfolgen können“. Ich fürchte aber, daß dann der Zug längst abgefahren ist. Ökologische Zerstörungen, verursacht durch jahrelange rücksichtslose Verbauung, etwa des Hochgebirges, rächen sich bitter. Aufgrund der durch den Klimawandel herbeigeführten extremen Wetterereignisse wirken sich brutale Eingriffe in die Natur umso verheerender aus.

Dazu paßt auch folgende Meldung aus dem Reiseteil der „Westfälischen Rundschau“ vom Sommer 2015: Überschrift: „Schweiz: Wolkenkratzer in den Alpen“. Im Bergdorf Vals soll das höchste Haus Europas nach den Plänen des „Stararchitekten“ Mayne entstehen. Geplant ist ein Hotel mit 83 Etagen und insgesamt 107 Zimmern und Suiten – und dies natürlich auch zu schwindelerregenden Preisen. Die Gäste sollen per Helikopter anreisen und je Nacht zwischen 1.000 und 23.000 Franken zahlen; das sind umgerechnet 950 bis 23.800,– €.

Der absolute Gipfel des Größenwahnsinns!

Das zumindest ist die Vision zweier Unternehmer, die dort aufgewachsen sind. Kosten des Mega-Projektes rund 285 Millionen SFR. Der Turm, der auf Bildern wie eine überdimensionierte Nadel in die Höhe ragt, soll der zentrale Ausgangspunkt für Leute werden, die Europa besuchen und in der Regel im Hubschrauber unterwegs seien, zitiert die „Thurgauer Zeitung“ einen Unternehmer. Eine neue reiche Klientel soll angesprochen werden anstelle der Masse. Zwar bestehen schon ernsthafte Pläne und Bildmontagen. Noch fehlt allerdings bis heute die Zustimmung der Dorfbewohner. Erst wenn die rund 1.000 Einwohner der Graubündner Gemeinde bei einer Abstimmung in diesem Jahr überwiegend dafür sind, kann der Spatenstich für den Wolkenkratzer erfolgen. „Femme de Vals“ – der Name des Turms lehnt sich an die Filigrane Figur „Femme de Venise“ des 1966 verstorbenen Künstlers Alberto Giacometti an – wäre nach seiner Fertigstellung auf den Meter genau so hoch wie der berühmte Skyscraper der Welt: Das Empire State Building in New York in den Vereinigten Staaten.

Der menschliche Größenwahn und die Profitgier kennen offenbar keine Grenzen.

Programmtipp – heute um 20.15: Rummelplatz Alpen zwischen Kulturlandschaft, Tourismus und Klimawandel.

„Schneekanonen, Mini-Dirndl, Liftheizung: So sehen Tourismusmanager die Zukunft des „Rummelplatz'“ Alpen. In dem Dokumentarfilm treffen Marketingstrategen, Banker und Liftanlagenhersteller auf Naturschützer, Bergsteiger und Wissenschaftler.

In einer spannenden Montage werden die Zusammenhänge zwischen Erhaltung der Kulturlandschaft der Alpen, Tourismus und Klimawandel dargestellt.“[1]

Der Lesertipp des Tages von Rüdiger Schauerte, vielleicht auch für Winterberg interessant.

[1] http://www.arte.tv/guide/de/051616-000-A/rummelplatz-alpen

Die Last ohne die weiße Pracht: Ist Ski-Tourismus in Mittelgebirgslagen bald Geschichte?

An Tagen wie heute mag man nicht an den Klimawandel glauben. (foto; johanna huebner)
An Tagen wie heute mag man nicht an den Klimawandel glauben. (foto: johanna huebner)
Seit einigen Tagen wissen wir, dass auch die Bundesregierung von einer globalen Klimaveränderung ausgeht. Laut den aktuellen Klimaprognosen resultiert daraus, dass sich die Schneegrenze um 300 m in die Höhe verlagert. Demnach soll bald nur noch jedes 10. Skigebiet in Deutschland schneesicher sein.

Klick: http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/schnee-in-deutschland-regierung-gibt-zwei-drittel-der-skigebiete-verloren-a-1076520.html

Noch mehr Kunstschnee?

Was das für die Wintersportgebiete im Sauerland bedeutet, lässt sich erahnen. Wie werden die Sportanlagen-Betreiber darauf reagieren? Beabsichtigen sie, dann noch mehr Beschneiungsanlagen einzusetzen? Unserer Meinung nach darf das nicht das Mittel der Wahl sein, allein schon aus dem Grund, weil die für die Kunstschnee-Produktion eingesetzten Energien und Ressourcen sich dann wiederum wie ein zusätzlicher Klimawandel-Turbo auswirken könnten.

Noch mehr Ressourcenverbrauch?

Zu den negativen Auswirkungen des nur noch mit Einschränkungen möglichen Ski-Tourismus in Winterberg gehören, so meinen wir, die Beeinträchtigungen von Natur und Umwelt, sowie der immense Energie- und Wasserverbrauch der für die Produktion von künstlichem Schnee benötigt wird. Denn nach unseren Recherchen verfügt die Wintersportarena Winterberg über ca. 450 „Schnee-Maschinen“ unterschiedlicher Effizienz und Bauart wie beispielsweise Eiskanone, Druckluftkanone, Schneelanze und Vakuum-Schneeerzeuger. Nach offiziellen Angaben sind sie auf rund 90 Prozent aller Pisten im Einsatz.

Noch mehr Fragen?

Die Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW) bat mit Schreiben vom 11.02.2016 den Landrat bzw. die bei der Kreisverwaltung angesiedelte Untere Landschaftsbehörde um die Beantwortung einiger Fragen im Zusammenhang mit der künstlichen, weißen Winterpracht:

  1. Mit welcher Begründung wurde in wie vielen Fällen, für welche Standorte jeweils wann der Einsatz des „All Weather Snowmakers“ und der „Snowfactory“ von Ihrer Behörde genehmigt?
  2. Sind die Namen der Betreiber und die Standorte aller „Schnee-Kanonen“ in einer öffentlich zugänglichen Datenbank einsehbar? Wenn ja, in welcher?
  3. Gibt es Hinweise darauf, dass das umstrittene Produkt SnoMax in Skigebieten im Sauerland eingesetzt wurde und wird? Gab oder gibt es entsprechende Überprüfungen, z.B. mittels Schneeproben durch Labortests?
  4. Wie hoch sind die Investitionen, die in den letzten 10 Jahren seitens der öffentlichen Hand in die Skigebiete in und um Winterberg flossen?
  5. Wie beurteilt die Untere Landschaftsbehörde den Energie- und Ressourcenverbrauch durch die Produktion von Kunstschnee?
  6. Wie beurteilt die Untere Landschaftsbehörde mögliche Umweltbeeinträchtigungen, z.B. durch Beeinflussung des Grundwasserspiegels aufgrund des enormen Wasserverbrauchs und eventuelle Veränderungen des Bodens?

Medienkritik: Schneesicherheit im Sauerland bis weit über das Jahr 2030 hinaus?

Skifahren in Winterberg funktioniert mit maschineller Unterstützung. (foto: zoom)
Skifahren in Winterberg, hier 2014, funktioniert mit maschineller Unterstützung.  (fotoarchiv: zoom)

Ein ziemlich schlechter Artikel[1] ist vor einigen Tagen auf derWesten (Westfalenpost, WAZ usw.) erschienen. Für schlecht halte ich ihn aus folgendem Grund:

Meinolf Pape, Sprecher des Skiliftverbandes Sauerland, zieht den „Monitoringbericht 2015 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel„[2] als Beleg für seine eigenen Aussagen heran.

Von einer „Unverfrorenheit“ spreche der 58-Jährige, laut Artikel, angesichts widersprüchlicher Aussagen in der Antwort der Bundesregierung. Und weiter:

“ Auf der einen Seite werde zwei Dritteln deutscher Skigebiete die Zukunft abgesprochen, auf der anderen Seite schreibe der Monitoringbericht 2015 zur Schneesicherheit in den Jahren 1970 bis 2012, dass keine signifikanten Änderungen natürlicher Schneesicherheit registriert worden seien. Pape: „Die Politiker wissen nicht, worüber sie sprechen.““[1]

Der Monitoringbericht wird im Artikel allerdings nicht verlinkt. Google sollte der Freund des Autors sein. Google ist aber auch mein Freund.[2]

Schaut man sich den von Meinolf Pape angeführten Bericht genauer an, vor allem die Seiten 198/199, so widersprechen sie der Aussage des Sprechers des Skiliftverbandes Sauerland.

Ich lese dort beispielsweise auf Seite 198:

„Eine Analyse der Schneehöhendaten der letzten rund vierzig Jahre zeigt, dass die Schneesituation zwischen 1970 und 2012 in allen skitouristischen Räumen sehr wechselhaft war.“

„Eine an mehr als hundert Tagen in der Saison für den alpinen Skisport ausreichende natürliche Schneedecke in allen Jahren bot nur die Zugspitzregion.“

Weiter auf S. 199:

„In den westlichen und zentralen Mittelgebirgen, d. h. in Harz, Sauerland, Rhön, Thüringer Wald und Fichtelgebirge sowie im Schwarzwald sind die Bedingungen grundsätzlich anders. Hier erreichte die natürliche Schneeauflage in den meisten Teilgebieten nur in besonders schneereichen Jahren an mehr als hundert Tagen eine Höhe von mindestens 30 cm. Im Sauerland und in der Rhön war dies in keinem Jahr der Fall.“

Noch einmal zum Mitschreiben:

„Im Sauerland und in der Rhön war dies in keinem Jahr der Fall.“

Was denn nun Herr Karpa und Herr Pape?

Gut zu wissen ist es auch, dass einige Skiliftbetreiber sowieso nicht viel  von Prognosen halten. Wer wisse denn, was in 20 oder 50 Jahren auf dieser Welt los sei. „Das ist unseriös“, so Liftbetreiber Christoph Klante. Er halte Schneesicherheit bis weit über das Jahr 2030 hinaus im Sauerland nicht für Zukunftsmusik.

Belege: 0

[1] http://www.derwesten.de/region/sauer-und-siegerland/wintersport-streit-ueber-den-schnee-von-morgen-id11554535.html

[2] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/monitoringbericht_2015_zur_deutschen_anpassungsstrategie_an_den_klimawandel.pdf

Kleine Lügen am Wegesrand – Heute in Hamburg

Eiszeit? Heute 6°C  - morgen 11°C. Winterhude schwitzt im Februar. (foto: zoom)
Eiszeit? Heute 6°C – morgen 11°C. Winterhude schwitzt im Februar. (foto: zoom)
Der Eisbudenbesitzer hätte seinen Laden vielleicht doch nicht schließen müssen.

Heute am Freitag sind es noch lausige 6°C, morgen wird es noch einmal 5° wärmer, übermorgen sogar mit Sonne.

Freibadwetter im Holthusenbad statt Eiszeit auf der Alster.

Mit (Schnee-)Kanonen auf die Umwelt – was machen wir heute und morgen „mit ohne“ Schnee?

Schneekanonen vor einem Rückhaltebecken in Winterberg 2012 (archivfoto: zoom)
Schneekanonen vor einem Rückhaltebecken in Winterberg 2012 (archivfoto: zoom)

Mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, war und ist sicher nicht Sache der Winterberger. Sie schießen lieber mit Schneekanonen auf die Umwelt. Und das schon seit ungefähr 20 Jahren.

Warum?
Vermutlich weil die Winter-Urlauber nicht durch den Anblick grüner Wiesen vergrault werden sollen. Denn Naturschnee ist in den letzten Jahren auch in den Höhenlagen des Hochsauerlandkreises Mangelware geworden.

Die Lage, die Lage, die Lage
Am 2. Januar 2016, also im tiefsten Winter, bietet sich im Winterberger Skigebiet ein graugrünes, hier und da mit etwas Kunstschnee dekoriertes Bild. Der Wetterbericht meldet plus 5 bis 6 C °, starken Regen und teils stürmische Windböen, Schneefallgrenze 1225 m. Ab Mittwoch soll es dann besser werden. Es werden Schneeschauer erwartet.

Zum Leidwesen von Skifahrern und allen, die vom Wintertourismus leben, sind schneearme Winter keine Ausnahme mehr. Das „Wetterphänomen“ trifft nicht nur Mittelgebirgslagen schmerzlich. Auch in den Alpen kennt man dieses Problem. Manche sehen diese Tatsache offenbar nicht als Problem, sondern als eine „Herausforderung“ an, die mit cleveren Ideen (scheinbar) in den Griff zu kriegen ist, koste es, was es wolle.

Zaubermittel I
Das Zauberwort heißt „Schnee-Erzeuger“, besser als Schnee-Kanone bekannt. Allein im Raum Winterberg sollen mehrere hundert „Schnee-Maschinen“ im Einsatz sein. Die Investoren haben die Auswahl zwischen diversen Typen wie Eiskanone und Propellerkanone. Zu den neuesten und effektivsten sollen die Schneefabriken Snowfactory und Snow-Maker gehören.

Den Einsatz des Snow-Makers muss offenbar vom der Hochsauerlandkreis genehmigt werden. Vielleicht gab oder gibt es ja Bedenken, dass der Betrieb dieser Maschine den einen oder anderen Kollateralschaden mit sich bringen könnte?

Die Kritiker
Umweltschützer kritisieren gewiss nicht umsonst die Beeinträchtigungen und die Schäden, die der Natur durch künstlichen Schnee widerfahren.

Wie sieht es mit der Energiebilanz aus? Gehen wir mal davon aus, dass im Winterberger Skigebiet der überwiegende Teil der Pisten und Bahnen an rund 100 Tagen pro Saison künstlich beschneit wird. Wie hoch ist da der Wasser- und Energieverbrauch?

„Mit rund 170 Schneeerzeugern können pro Stunde gut 5.000 Kubikmeter Schnee hergestellt werden. Gespeist wird diese Anlage aus gleich mehreren Reservoirs …“, wirbt das Skiliftkarussel Winterberg auf seiner Website:

http://www.skiresort.de/skigebiet/winterberg-skiliftkarussell/bewertung/schneesicherheit/

Wie viel Wasser wird dafür tagtäglich verbraucht? Was macht das mit dem Grundwasser und dem Wasserhaushalt, was mit der Natur?

Zaubermittel II
In Österreich, der Schweiz, den USA und noch einigen anderen Ländern kommt eine weitere Wunderwaffe gegen schneelose Zeiten zum Einsatz. Das Produkt stammt aus den USA, nennt sich „SnoMax“, ist äußerst umstritten und daher in Deutschland verboten.

Sein Vorteil: SnoMax soll den Wasserverbrauch für die Herstellung künstlichen Schnees deutlich verringern.

Sein Nachteil: Es wird ihm ein negativer Einfluss auf Fauna und Flora nachgesagt. Der Grund dafür soll ein Bakterienprotein sein, das Pflanzen schadet und Trinkwasser vergiftet. Na. Toll!

Wie gesagt, in Deutschland ist das Zeug namens „SnoMax“ verboten. Stellt sich nur die Frage, ob es im Handel nicht frei zugänglich ist? Online wird es säckeweise angeboten.

Das Ende … oder der Anfang
Es scheint so, als sei „umweltfreundlicher Schnee“ Schnee von gestern. Was machen wir also heute und morgen „mit ohne“ Schnee?

Wetter. Klima. Wandel. Winterberg. Ein Schlag in die Magengrube. PlusMinus: „Teurer Schnee – Warum viele Skigebiete unrentabel sind“

"Wie sich Touristen verhalten, wenn sie wiederholt mit weissen Bändern in grünbrauner Landschaft konfrontiert werden, ist ungewiss." (fotos: zoom)
Heute Mittag um 13 Uhr bei 4° Celsius im Dauerregen aufgenommen. „Wie sich Touristen verhalten, wenn sie wiederholt mit weissen Bändern in grünbrauner Landschaft konfrontiert werden, ist ungewiss.“ (fotos: zoom)

In der Sendung Plusminus vom letzten Mittwoch wird dem Wintersport in den deutschen Mittelgebirgen und damit auch in Winterberg das Ende vorhergesagt. „Teurer Schnee – Warum viele Skigebiete unrentabel sind“, lautete der für die Region Winterberg apokalyptische Titel[1].

„Damit die Wintersportler auch weiter optimistisch ins Hochsauerland zum Skifahren kommen, wurde zu dieser Saison erneut investiert. Rund neun Millionen Euro gingen in zwei moderne Sesselbahnen, die im letzten Sommer gebaut wurden. Außerdem wurde das Fassungsvermögen des Speicherteichs auf 35.000 Kubikmeter Wasser erweitert. Sein Wasser wird für die Schneekanonen gebraucht, die für Schneesicherheit sorgen sollen.“[2]

Zum Beschneien sei es allerdings an den meisten Tagen dieser Saison zu warm gewesen. Um die Schneekanonen anzuwerfen, müsse es mindestens minus vier Grad kalt sein. Nur dann ließe sich künstlicher Schnee produzieren. Dies wäre im Dezember nicht der Fall gewesen, sodass die Schneekanonen erst im Januar zum Einsatz gekommen wären.

Der Klimawandel habe nicht zum ersten Mal das lukrative Weihnachtsgeschäft zunichte gemacht.

Die Aussichten für die Mittelgebirge sind schlecht.

In dieser Saison, so der Bericht, käme Winterberg bei optimalem Verlauf höchstens auf rund 80 Betriebstage. Das sei auch der Durchschnitt der vergangenen Jahre. 100 Tage seien jedoch nötig, um ein Skigebiet rentabel betreiben zu können, und das bei Kosten von etwa 500.000 Euro pro Saison für die Beschneiung.

Bei 4° Celsius und Dauerregen überlebte heute nur der gepresste Schnee im ansonsten grünen Hochsauerland.
Bei 4° Celsius und Dauerregen überlebte heute nur der gepresste Schnee im ansonsten grünen Hochsauerland.

Ob sich das in Zukunft noch rechnete, bezweifeln, laut PlusMinus, Experten der Tourismuswirtschaft.

Man müsse davon ausgehen, dass der Klimawandel die Temperaturen um mindestens zwei Grad ansteigen lassen werde, so Prof. Jürgen Schmude, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsgeographie und Tourismusforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München:

„Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass bei zwei Grad Temperaturerwärmung in Deutschland fünf Skigebiete übrig bleiben. Und da verschwinden alle Mittelgebirgsskigebiete.“[3]

Das Investitionsrisiko schlage sich auch in den Skipasspreisen nieder. In Winterberg koste der Tagespass für nur 26 Pistenkilometer mittlerweile 32 Euro und damit 23 Prozent mehr als in den letzten drei Jahren. Der Pistenkilometer sei hier inzwischen deutlich teurer als in den großen Skigebieten Österreichs.

Skitourismus nur noch über 1300 Meter

In den nächsten 50 Jahren rechne man mit einem kontinuierlichen Anstieg der Schneefallgrenze. Der Skitourismus dürfte sich dadurch auf höhere Lagen konzentrieren, ab 1300 Meter über Meer, heißt es in einem lesenswerten Artikel des Schweizer Tagesanzeiger vom 26. November 2015[4].

Für Carmen de Jong, Professorin für Hydrologie an der Universität Strassburg, sei Kunstschnee grundsätzlich die falsche Strategie. Sie bemängelte, dass bei der Beschneiung nicht nachhaltig gedacht werde.

„Es wird nur so weit in die Zukunft geschaut, bis die Investitionen amortisiert sind. Das sind in der Regel 15 bis 20 Jahre.» De Jong beobachtet den Drang zur künstlichen Beschneiung seit Jahren mit grosser Skepsis und hat diverse Studien zum Thema veröffentlicht. Sie schätzt das Potenzial von Schneekanonen geringer ein: «Damit eine Anlage eine relevante Menge schneien kann, braucht es drei Tage am Stück Temperaturen von minus 3 Grad. Doch diese Zeitfenster werden auch in den hoch gelegenen Skigebieten immer unberechenbarer und seltener.» Debatten um künstliche Beschneiung seien immer stark politisch geprägt. «Skitourismus ist heute too big to fail. Dass Kunstschnee eine Fehlstrategie sein könnte, will niemand hören, auch wenn man die Limiten heute schon sieht.“[5]

Noch sei der Kunstschnee akzeptiert. So argumentierten Skigebiete für die künstliche Beschneiung und verwiesen auf die Erwartungshaltung der Touristen: Buche man teure Ski­ferien, so wolle man genügend Schnee auf den Pisten vorfinden[5].

Allerdings:

Wie sich Touristen verhalten, wenn sie wiederholt mit weissen Bändern in grünbrauner Landschaft konfrontiert werden, ist ungewiss.“[5]

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[1] http://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/skigebiete-wintersport-steuergelder-unrentabel-100.html
[2] ebenda
[3] ebenda
[4] http://www.tagesanzeiger.ch/wissen/technik/5370-Kanonen-und-98-Seen-sollen-es-richten/story/15760004
[5] ebenda

Steile Hügel – steile Thesen: Winterberg vom Klimawandel weniger betroffen als die Alpen.

Waiting for the cold. Schneekanonen vor einem Rückhaltebecken in Winterberg (foto: zoom)
Waiting for the cold. Schneekanonen vor einem Rückhaltebecken in Winterberg 2012. (foto: zoom)

In der Westfalenpost erscheint heute ein Artikel, der mehr nach PR für den Wintersport riecht als nach ernsthaftem Journalismus.

Es werden zwar kräftige Thesen geliefert, aber nach belastbaren Belegen habe ich vergeblich gesucht.

Hier die beiden Thesen, die mir beim ersten Lesen sofort aufgefallen sind:

In dem Gutachten werde eine geringere Auswirkung des bisherigen Klimawandels auf Schnee und Schneeproduktion in niedrig gelegenen Skigebieten belegt.

Die Zeit, in der Beschneiung möglich ist, ändere sich in Höhenlagen unter 1000 Metern sogar weniger als in denen darüber, heißt es dazu in einer Pressemitteilung der Wintersport-Arena.

Die Westfalenpost kann diese Aussage leider nicht mit einer nachprüfbaren Quelle belegen. Wo finde ich als Leser/in das Gutachten? Ein Titel oder eine URL fehlen.

Zweites Beispiel:

Nach außen, also auf der Internet-Seite thematisiert werden soll künftig auch der Energie-Einsatz. Michael Beckmann rechnet ein Beispiel vor: Die Grundbeschneiung von 65 Pistenkilometern benötige die gleiche Menge Energie wie ein Flug mit 200 Personen in die Südsee. Auf den Pisten aber betreiben, so der Tourismusdirektor, 400 000 Menschen Wintersport.

Wie und was der Tourismusdirektor rechnet, verschweigt uns der Artikel.

Mein Eindruck: Die Winter-Saison naht, die PR ist schon da. Meine Hoffnung, dass die Lokalzeitung journalistischer würde, ist weg.

Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Natur unserer Alpen. Teil II

Blick zum Dachstein - 2.996 m - im Bundesland Salzburg (1999) (fotos: knoppik)
Blick zum Dachstein – 2.996 m – im Bundesland Salzburg (1999)

Wenn in den letzten 2 bis 3 Jahrzehnten vom Klimawandel gesprochen und geschrieben wird, so ist damit in erster Linie der anthropogene, also menschengemachte Einfluß auf das Klimasystem unserer Erde gemeint, das sich aus Atmosphäre, Hydrosphäre (Ozeane, Seen, Flüsse), Kryosphäre (Eis und Schnee), Biosphäre (lebende Organismen auf dem Land und im Wasser) und Litho-/Pedosphäre (festes Gestein und Böden) zusammensetzt.

(Dies ist der zweite und abschließende Teil eines Essays von Karl Josef Knoppik. Der erste Teil ist  am 24. August 2015 hier im Blog erschienen.)

Sollte sich der Planet Erde weiter so schnell aufheizen, dürfte die Globaltemperatur bis zum Jahre 2100 um 2,6 – 4,8 Grad ansteigen; im Alpenraum könnten es sogar 6-7 Grad sein.

Um 2 Grad ist es bereits wärmer geworden, wobei die Temperatur in der Höhe schneller zunimmt als in tieferen Lagen; und die Temperaturminima steigen dreimal schneller an als die Temperaturmaxima. D. h. die Nächte werden wärmer. 1994, 2000, 2002 und 2003 waren in den Alpen die wärmsten der letzten 500 Jahre! Vorstoßbeiträge der Alpengletscher in den 1960er Jahren lagen in der Größenordnung von 100, 200, in den Westalpen gar um bis zu 800 m! Das war jedoch nur eine kurze Phase. Verluste der alpinen Eismassen bedeutet auch Verlust an natürlicher Schönheit, der nicht wieder gut zu machen ist. Gletscher sind eine Zierde der Alpen.

Kommende Generationen gewöhnen sich an die entgletscherten Gebiete. Sie wissen ja nicht, wie es vorher ausgesehen hat. Bildvergleiche verdeutlichen dies. Eine Folge der globalen Erwärmung und des damit verbundenen Rückgangs der Eismassen sind überlaufende Gletscherseen. 500 könnten es in der Schweiz bis Ende dieses Jahrhunderts sein. Dadurch entsteht eine gefährliche Situation, weil sich ein See auf dem Gletscher gebildet hat und dieser ständig Nachschub erhält. Mit dem Klimawandel haben so genannte Jahrhundertniederschläge und Hitzeperioden zugenommen, was viel Schmelzwasser verursacht. Die Klimaerwärmung greift inzwischen auch den Permafrost in großen Höhen an.

Nehmen wir z. B. die Monte-Rosa-Ostwand in den Walliser Alpen, trotz ihrer Höhe von 4.600 m. Weil die Frostgrenze immer öfter auf über 4.000 m steigt, schmilzt das Eis im Fels. Auftauender Permafrost führt zu Bergstürzen und Hangrutschungen. Felsen brechen heraus, wie geschehen am Matterhorn während des Dürresommers 2003. Dieser brachte einen Verlust an Gletschereis von ca. 8 Prozent. Bei einer solchen Ablationsrate wird es echt dramatisch: Der Wasserkreislauf verändert sich ganz stark – und damit die Stabilitätsbedingungen im Hochgebirge.

Gletscherhahnenfuß - noch in über 4.000 m Höhe zu finden - durch voranschreitende Klimaerwärmung gefährdet.
Gletscherhahnenfuß – noch in über 4.000 m Höhe zu finden – durch voranschreitende Klimaerwärmung gefährdet.

Für den atemberaubenden Rückgang der Gletscher ist ganz wesentlich das Verheizen fossiler Brennstoffe verantwortlich. Erdöl als Treibstoff der Klimaerwärmung! Ende der 90er Jahre benutzten Jahr für Jahr 300.000 Fahrzeuge die Großglockner-Hochalpenstraße bis zur Franz-Josefs-Höhe (2.400 m). Diese ist heute ein verstädterter Ort mit kostenlosem Panoramablick, mit monströsem Parkhaus, perfekt erschlossen für den Individualverkehr, leicht erreichbar auch für den Flachlandtiroler.

Gletscher galten schon immer als Frühindikatoren für globale Klimaveränderungen. Die heute 8 km lange Pasterze verzeichnete lt. Bericht des ÖAV im Vermessungszeitraum 2011/2012 einen Rückgang von sage und schreibe 97,3 m. Jährlich zieht sie sich um ca. 10 m zurück. Seit 1980 haben die Eismassen weltweit jährlich um durchschnittlich 30 cm an Substanz eingebüßt. Erstmals war auch die Gletschermitte von Zerfallserscheinungen betroffen. In 2014 verlor die Pasterze im unteren Bereich bis 7,5 m an Eisdicke. Ihre Oberfläche nimmt ständig ab, ebenso die Fließgeschwindigkeit. Nur eine lang anhaltende Winterschneedecke und Neuschneezuwächse im Sommer schützen das Gletschereis vor der direkten Sonneneinstrahlung und den Sommertemperaturen.

Glaziologische Forschungsarbeiten werden auch am Schlatenkees in den Hohen Tauern (zweitgrößter Gletscher in der Venedigergruppe) durchgeführt. 1980 hatte dieser Gletscher seinen Höchststand. Er reichte bis zur Ortschaft Innergschlöß auf etwa 1.600 m herab.

Schlatenkees in den Hohen Tauern (Venedigergruppe). 1980 führte der Weg zur Alten- und Neuen Pragerhütte noch direkt an diesem Gletscher entlang, wie auf dem Foto zu sehen ist. Mittlerweile sind Ausdehnung und Eisvolumen stark geschrumpft. (alle fotos, falls nicht anders genannt: karl-josef knoppik)
Schlatenkees in den Hohen Tauern (Venedigergruppe). 1980 führte der Weg zur Alten- und Neuen Pragerhütte noch direkt an diesem Gletscher entlang, wie auf dem Foto zu sehen ist. Mittlerweile sind Ausdehnung und Eisvolumen stark geschrumpft. (alle Fotos, falls nicht anders genannt: karl-josef knoppik)

Zurück zum größten Ostalpengletscher, der Pasterze in der Glocknergruppe: Im Jahre 1852, kurz nach dem Ende der so genannten „kleinen Eiszeit“, wies dieser Eisstrom eine Länge von 11 km und eine Fläche von 26,5 km² auf. Das Eisvolumen betrug anno dazumal beträchtliche 300-400 m, im Jahre 1987 aber nur noch 180 m. Nach dem vollständigen Rückzug der Pasterze wird eine karge Landschaft aus Stein, Sand und Wasser die Szenerie beherrschen, all ihrer einstigen Schönheit beraubt! Teilweise haben sich dort bereits einzelne Rasenfragmente gebildet.

Welche Folgen hat nun der Gletscherrückzug für die Pflanzenvielfalt? Seit über 100 Jahren beobachten und erforschen die Wissenschaftler die Entwicklung der Gebirgsflora. Höhenlage und Temperatur haben Auswirkungen auf letztere. Die Verschiebung der Vegetationszonen macht sich etwa dadurch bemerkbar, daß die Bestäubung – Beispiel Alpenrose – nicht mehr klappt, weil die Blüte für die Insektenarten zu früh einsetzt. Ob Enzian, Alpen-Waldrebe oder Trollblume: Der Klimawandel stellt die alpine Flora vor neue Herausforderungen. Pflanzen, die z.B. auf periodische Überstauungen angewiesen sind, wie die Zweifarbensegge oder die nur in Österreich vorkommende Schwarzbraune Segge, droht nach Aussagen von Fachleuten der Uni Salzburg langfristig das Aussterben. Und da am beschleunigten Rückzug der Pasterze nicht zu zweifeln ist, werden wichtige Pflanzenstandorte nicht mehr periodisch überschwemmt. Bestimmte Arten werden an diesen Standorten aussterben, wenn nicht genügend Pflanzenexemplare vorhanden sind, um neue Standorte, die gerade eisfrei werden, besiedeln zu können. Konkurrenzstärkere Arten werden sich auf Kosten derjenigen, die auf nährstoffarme Böden angewiesen sind, wie z. B. auch der Moos-Steinbrech, durchsetzen. Schon zu Beginn der 90er Jahre stellten Botaniker fest, daß auf manchen Alpengipfeln bereits doppelt so viele Arten vorkommen wie Ende des 19. Jahrhunderts. Viele gefährdete, auf karge Verhältnisse spezialisierte Hochgebirgsarten müssen nachdrängenden Pflanzen weichen und sind entsprechend vom Aussterben bedroht. Erste Nachrücker, hinsichtlich des Nährstoffbedarfs teilweise viel anspruchsvollere Arten, haben sich bereits angesiedelt und den so genannten „Hungerkünstlern“, welche die größte Vielfalt hervorbringen, ihren Platz streitig gemacht. Ganz neue Pflanzengesellschaften entstehen somit.

Die Trockenspezialisten unter den Pflanzenarten müssen gegen die extremen Hochgebirgsbedingungen gerüstet sein. Das wird erreicht durch eine schützende Behaarung, isolierende Luftschicht, Verstärkung der Reflexion, dicke Zellwände und Stützgewebe, Verdunstungsschutz, ein ausgedehntes und tief reichendes Wurzelwerk sowie eine Verkürzung des Lebenszyklus. Es bleibt nur wenig Zeit zum Blühen und Fruchten. Hochgebirgspflanzen sind extrem lichtbedürftig; sie vertragen keinen Schatten.

Spinnweben-Hauswurz, ein „Hungerkünstler“ unter den Gebirgspflanzen
Spinnweben-Hauswurz, ein „Hungerkünstler“ unter den Gebirgspflanzen

Sobald hohe Gräser, Zwergsträucher oder der erste Baum emporschießen, ist es vorbei mit ihnen. Die Vegetationsperiode dauert heute schon länger und setzt bis zu 14 Tagen früher ein. Die Flora tieferer Bereiche wandert in höhere Regionen. Ein auf dem Pasterzeneis zu Beginn der 2000er Jahre gesichtetes Moospolster ist ein deutliches Zeichen dafür, daß nicht nur Algen, sondern inzwischen auch andere Pflanzen in der Lage sind, in der früher so lebensfeindlichen Eiswüste zu überleben.

Die Verschiebung der Vegetationszonen und der Anstieg der Baumgrenze sind Phänomene, die nicht nur in den Alpen, sondern längst auch im Ural, in Skandinavien, Nordamerika und Neuseeland beobachtet wurden. Unter den höheren Pflanzen werden bestimmte Baumarten an Bedeutung gewinnen, weil sie besser als andere in der Lage sind, den Auswirkungen des Klimawandels zu trotzen. Die Rede ist von der im Bereich der montanen Bergmischwaldzone vorkommende Weißtanne, die Stürmen und Trockenheit weitaus besser widerstehen kann als die Fichte – und außerdem die im oberen Waldgürtel ursprünglich aus Sibirien stammende Zirbelkiefer.

Weißtanne (abies alba): Stark gefährdet durch überhöhte Schalenwildbestände; Garant für stabile Waldökosysteme, wildersteht Stürmen weitaus besser als die Fichte und kann auch ein Mehr an Wärme - bedingt durch den Klimawandel - gut vertragen.
Weißtanne (abies alba): Stark gefährdet durch überhöhte Schalenwildbestände; Garant für stabile Waldökosysteme, wildersteht Stürmen weitaus besser als die Fichte und kann auch ein Mehr an Wärme – bedingt durch den Klimawandel – gut vertragen.

Der Name leitet sich ab von zerben = drehen > spiralige Anordnung der Zapfenschuppen. Ihr sehr schönes, leicht zu bearbeitendes Holz fand Eingang in viele Zirbenstuben. Es war seit jeher begehrt und ist deshalb sehr selten geworden. Die ältesten Exemplare der Zirbelkiefer (1.000 Jahre!) ganz Europas stehen am Patscherkofel bei Innsbruck. Extreme Temperaturunterschiede zwischen Sommer und Winter sind für sie kein Problem. Sie besitzt magische Kräfte. Wind und Wetter hält sie stand, selbst Orkanen! Wie ein Baum aus einer anderen Welt. Sie schützt wie keine andere Baumart in Höhen von 2.000 Metern und darüber Einheimische und Touristen. Die Zirbe (oder schweizerisch: Arve) keimt dort, wo andere Bäume das nicht können und hat deshalb eine wichtige Funktion, bspw. in Lawinenstrichen, um diese zu stabilisieren und für eine Verringerung der Lawinengefahr zu sorgen. Mit ihrer ausladenden Gestalt hält sie Geröll und Lawinen fest. Zudem kann sie mehr Wasser auffangen als geradwüchsige Bäume. Dort, wo sie steht, hält sie den Hang fest und verhindert, daß er nach stärkeren Regenfällen ungebremst nach unten rutscht.

Die Zirbe oder schweizerisch Arve: Bollwerk gegen den Klimawandel
Die Zirbe oder schweizerisch Arve: Bollwerk gegen den Klimawandel

Doch auch für sich selbst sorgt die Zirbe äußerst effizient: Mit ihren langen Pfahlwurzeln holt sie noch aus großen Tiefen Wasser. Dieses pumpt sie nach oben in ihre Nadeln zur Photosynthese. Dabei verschwendet sie keinen Tropfen. Wie macht sie das? Wissenschaftler erforschten die Überlebensstrategie der Zirbelkiefer und entnahmen Astproben. Sie wollten wissen, welcher Baum mit der zunehmenden Trockenheit am besten zurechtkommt. Die Zirbe hat einen zusätzlichen Vorteil in Bezug auf ihre Transpiration: Die Nadeln sind in Büscheln angeordnet. Im Winter werden die Büschel sogar noch enger an die Achse angelegt. Man hat darüber hinaus festgestellt, daß dadurch der Transpirationswiderstand in der Mitte noch stärker zum Tragen kommt. Die Zirbe verschafft sich also selber Schatten und kommt dadurch nicht so schnell ins Schwitzen. Ferner untersuchte man die Wasserleitungen der Zirbe und maß die Leitfähigkeit des Holzes. Die Kanäle im Stamm und in den Ästen können Risse bekommen. Wenn an den Nadeln zu viel Wasser verdunstet, ist diese Gefahr besonders groß. Ergebnis: Die Zirbe hält 4mal so viel Druck aus wie die Fichte, bevor ein Kanal im Innern des Holzes reißt. Sie verteilt den Streß einfach besser! Die Arve hat kleine, dafür jedoch viele Gefäße in ihrem Holz, einzelne Leitelemente, so daß, falls doch Störungen auftreten, diese auf kleine Bereiche beschränkt bleiben. Die Zirbelkiefer, dieser prächtige, majestätische Baum, knorrig sowie unerschütterlich, muß sich wieder auf größeren Flächen entfalten. Wir alle sind verpflichtet ihren Lebensraum zu schützen. Denn nur so kann sie uns schützen.

Zirbe im Villnößtal, Dolomiten, Südtirol
Zirbe im Villnößtal, Dolomiten, Südtirol

Auch innerhalb der Fauna des Hochgebirges würden sich bei ungebremster Erderwärmung gravierende Veränderungen ergeben. In diesem Fall muß damit gerechnet werden, daß ca. 30 Prozent der alpinen Tierarten den Klimawandel nicht überstehen werden und verschwinden.

Alpenschneehuhn im alpinen Gelände - muß bei zunehmender Erwärmung immer höhere Gefilde aufsuchen (Foto: H. J. Fünfstück, Garmisch-Partenkirchen)
Alpenschneehuhn im alpinen Gelände – muß bei zunehmender Erwärmung immer höhere Gefilde aufsuchen (Foto: H. J. Fünfstück, Garmisch-Partenkirchen, www.5erls-naturfotos.de)

Betroffen wären z. B. das Alpenschneehuhn, der Schneehase und auch das Murmeltier, die allesamt empfindlich auf Wärme reagieren. Ein Temperaturunterschied von nur 1 Grad C entspricht in den Bergen einem Höhenunterschied von rd. 200 m!

Aber nicht allen Lebewesen ist auf Dauer damit gedient, wenn sie sich in höhere Gefilde zurückziehen, wo die klimatischen Verhältnisse ihren Ansprüchen genügen. Im Fall es Alpenmurmeltiers bekäme diese Art beim Ausweichen in höhere Berglagen Probleme mit den Biotopverhältnissen. Denn um Höhlen bauen zu können, die für einen sicheren Winterschlaf tief genug sind, reicht die dort vorhandene Humusschicht nicht mehr aus.

(Murmeltier, Charaktertier der Alpen, Quelle: Naturfoto Heinz Tuschl, Pentling)
(Murmeltier, Charaktertier der Alpen, Quelle: Naturfoto Heinz Tuschl, Pentling)

Ähnlich betroffen sind Insekten, wie Köcherfliegenlarven, Hakenkäfer und Stelzmückenlarven, die in Bergquellen leben. Denn weiter oben gibt es solche Quellen nicht mehr. Dramatische Veränderungen zeichnen sich daher ab. Die Temperaturschwankungen in den Quellen betragen normalerweise 2 bis 3 Grad. In den untersuchten Gebieten haben Biologen ca. 800 Tierarten gefunden, von denen 250 an diese Temperaturschwankungen angepaßt sind. Diese Spezies werden aussterben, wenn sich die Temperaturen um 4 Grad erhöhen. Quellen werden zudem auch irgendwann weniger Wasser führen.

Aus Südeuropa wandern aber auch Tierarten ein, die mit dem früheren Klima nicht zurechtkamen. Insektenarten, wie die Gottesanbeterin, sind bereits im Allgäu gesichtet worden. Ferner der farbenprächtige Bienenfresser, der aus den Tropen bzw. dem Mittelmeerraum stammt. Und im Gegensatz zu früher gibt es mittlerweile auch in 2000 m Höhe schon die gefürchteten Zecken.

Welche alarmierenden Folgen der Klimawandel im Hochgebirge schon jetzt für die dortige Tierwelt hat, zeigt ferner ein Beispiel aus den italienischen Alpen: Hier kam es vor wenigen Jahren zu einem mysteriösen Einbruch der Steinbockpopulation. Wie aus einem Artikel der renommierten Zeitschrift GEO zu ersehen ist, hatte sich der Bestand im kurzen Zeitraum halbiert, nämlich von mehr als 4.000 auf 2.000 Individuen! Warum, blieb zunächst ein Rätsel. Inzwischen, so hieß es in dem Beitrag, erklären Wissenschaftler den dramatischen Rückgang der Population mit der früher einsetzenden Vegetation. Gräser und Kräuter sprießen eher, sind aber genau zu jenem Zeitpunkt nur noch wenig nahrhaft, wenn der Steinbocknachwuchs sich abstillt. Die Zicklein sind dann zu schwach für das harte Leben im Hochgebirge. Und da sich das Klima auf der Alpensüdseite noch schneller erwärmt als auf der Nordseite, findet auch das erwachsene Steinwild nur noch faserreiche Gräser, die kaum noch Proteine und andere wertvolle Inhaltsstoffe aufweisen.

Schneehuhn im Winterkleid - die Tarnfarbe bietet in schneefreier Umgebung keinen Schutz mehr. (Foto: Hans-J. Fünfstück www.5erls-naturfotos.de)
Schneehuhn im Winterkleid – die Tarnfarbe bietet in schneefreier Umgebung keinen Schutz mehr. (Foto: Hans-J. Fünfstück www.5erls-naturfotos.de)

Zu den Opfern der Klimaerwärmung zählt auch die Alpen-Mosaikjungfer. Diese kommt nur in den Moorgebieten der Alpen und des Schwarzwaldes vor. Erst ab einer Höhe von 700 Metern fühlte sich die Großlibelle bislang wohl. Aber selbst dort wird es ihr allmählich zu warm. In den Höhenlagen des Schwarzwaldes sind die Ausweichmöglichkeiten nach oben jedoch begrenzt. Bei 1.200 Meter sind die Gipfel erreicht. Erschwerend kommt hinzu, daß die Libelle auf Moorgewässer angewiesen ist und nicht auf andere Lebensräume ausweichen kann. Die Zahl der Moorgewässer nimmt aber durch Trockenlegung rapide ab. Schon heute ist die Alpen-Mosaikjungfer deshalb im Schwarzwald vielerorts verschwunden. Längst steht sie auf der Roten Liste bedrohter Arten. Und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, daß sie in Baden-Württemberg aussterben wird.