Umleitung: Vom Unfug des „Twitter-Bashings“ über ganz viel Wulff bis zum Borusseum

Glück auf dem Dortmunder Hauptbahnhof (foto: zoom)
"Glück", definiert auf dem Dortmunder Hauptbahnhof (foto: zoom)

Fetzenlogik: „Twitter und Abkürzungen wie „HDL“ sind dem Chef des deutschen Rechtschreibrates, Hans Zehetmair, ein Dorn im Auge“ – Unfug, meint Anatol Stefanowitsch … sprachlog

Minderwertige Schreibe – kein Nobelpreis für Tolkien: JRR Tolkien’s Nobel prize chances dashed by ‚poor prose‘ … guardian

Eve Arnold, 1912 – 2012: “It is the photographer, not the camera, that is the instrument.” (Eve Arnold) … heikerost

Angebliche Entstehungsgeschichte der „Protokolle der Weisen von Zion“: Ecos Scheitern an „dunkler Geschichte“ … hpd

Demographische Horroszenarien: Warum wir positiv in die Zukunft blicken können, sagt uns Gerd Bosbach in der … sueddeutschen

Freitag I Umgekehrte Denunziation? „Im Netz geht es ­Hochstaplern und Plagiatoren wie Karl-Theodor zu Guttenberg an den Kragen. Aber was ist das für eine Art Aufklärung“, fragt Magnus Klaue im … freitag

Freitag II Plumpsklopoesie: Das Jünger´sche Liederlebnis, beschrieb Magnus Klaue vor über drei Jahren im … freitag

Freitag III Kurswechsel – Der Freitag hat intellektuell an Substanz verloren: Verleger Augstein verzichtet auf die vier Herausgeber und richtet das Blatt »linksliberal« aus. Ein Gespräch mit Daniela Dahn in der … jw

Wulff-Affäre I: Der Gie­ße­ner Kaba­ret­tist Mat­thias Beltz hätte seine Freude gehabt … mittelhessenblog

Wulff II: Man ist Mensch und macht manchmal alles falsch … wutzeline

Wulff III: lehnt Veröffentlichung der Mailbox-Aufnahme ab … ruhrbarone

Wulff IV: Unser Präsident – der Selbstbegnadiger … neheimsnetz

Wulff V Nachfolge: Ex-Heimkinder empört – „Antje Vollmer inakzeptabel“ … jurga

Wulf VI: Die Bild-Zeitung als Nebenregierung … postvonhorn

Wulff VII: Ein Präsident ohne Land … WirInNRW

Wulf VIII: Denkwürdige Vokabeln – “Wulffie” … revierpassagen

Ein “offener” Vorsatz für das Jahr 2012: „Oh ist das ein “böses” Wort – “Offenheit” – viele nehmen es in den Mund doch kaum jemand in die Hand. Wenn frau so in den Archiven des Jahres 2011 wühlt, so findet sie viele viele Artikel, die sich mit dieser “Offenheit” beschäftigen“ … wiemeringhauser

Commodore C64: Happy Birthday, Brotkasten … schwenke

Zu guter Letzt – Borusseum: das Museum von Borussia Dortmund (BVB) bietet Fußballgeschichte zum Miterleben … pottblog

Was können BloggerInnen vom Universalcode lernen I: Fotografie

Die Rückseite des Sammelbandes mit den Portraits der Autorinnen und Autoren (foto: zoom)
Die Rückseite des Sammelbandes mit den Portraits der Autorinnen und Autoren. Heike Rost: untere Zeile, zweite von rechts. (foto: zoom)

Dieser Artikel ist der erste von hoffentlich mehreren Auseinandersetzungen mit dem Buch von Christian Jakubetz u.a. (Hrsg.), Universalcode. Journalismus im digitalen Zeitalter, 2011. Wir wollen uns anschauen, ob das Kompendium, welches sich an die Profis im Gewerbe wendet,  auch für AmateurbloggerInnen einen Nutzen haben könnte. Den ersten Aufschlag hat heute Chris Klein, die seit letzem Jahr sehr intensiv im Blog mitarbeitet.

Unter dem Titel “Ins richtige Bild gerückt”* beschäftigt sich Heike Rost mit Irrtümern rund um die Fotografie. Die Autorin muss es wissen, ist sie doch seit mehr als zwei Jahrzehnten freiberuflich als Fotografin und Bildjournalistin tätig.

Gleich zu Beginn schreibt Rost, worum es ihr nicht gehe: Sie informiere nicht über die technische Seite des Fotografierens und biete keinen Schnellkurs Fotografie an.

Stattdessen handelt sie sieben zentrale Irrtümer in zügiger und anschaulicher Weise ab. Ihre Vorstellungen von professioneller Fotografie lassen sich mit folgenden Begriffen zusammenfassen: Vorbereitung, Ordnung, Ruhe, Neugier, Interesse und Empathie.

So kritisiert Rost beispielsweise Fotografen, die ihre Grenzen nicht erkennen wollen (Irrtum 4). Anschaulich schildert sie zwei Kollegen, die während eines Klavierkonzerts Aufnahmen machten:

„Einer betrat während des Konzerts den Saal. Türen knallten zu, er dröhnte festen Schritts mit metallbeschlagenen Stiefelabsätzen über den Steinboden des Mittelgangs. Ausgerechnet in den Pianissimo-Passagen und kurzen Pausen der Musik betätigte er deutlich vernehmbar den Auslöser. Der andere Kollege hatte keinerlei Ahnung: Fragte nach der Violine des Künstlers, der im richtigen Lebens übrigens Trompete spielt. Brauchte mangels durchdachter Bildideen (…) geschlagene dreieinhalb Stunden Fototermin zur Inszenierung.“ (S.297)

Die Autorin zeigt, dass es auch anders geht: Bei einer Konzertprobe desselben Musikers tritt sie leise auf und hat für den Anlass Mokassins mit weicher Sohle gewählt. Sie beobachtet den Künstler, trinkt Kaffee, macht weitgehend unbemerkt ihre Bilder und gewinnt so das Vertrauen des Musikers.

Die beschriebene Arbeitsweise entspricht ihrem eigenen Anspruch, den sie zu Beginn des Aufsatzes formuliert: Beobachtung und Konzentration aufs Geschehen, vor Ort und mit Zeit. „No posing“, denn wer als Fotograf in das Geschehen eingreife, der inszeniere seine eigene Realität.

Der kleine Aufsatz steckt voller Anregungen zum Weiterdenken. Heike Rost untersucht die Veränderungen der Tätigkeit von Fotografen durch die neuen Medien. Sie beschäftigt sich mit den Anforderungen von Zeitungsredaktionen. Sie stellt Frage nach dem Verhältnis von  handwerklicher Professionalität und künstlerischer Kreativität.

Auf den letzten beiden  Seiten ihres Beitrages gibt die Autorin weiterführende Literaturhinweise.

Rost schließt ihren Artikel mit dem Zitat eines Freundes, der ihr rät, sich nicht nur mit Fotografie zu beschäftigen.  Er fordert sie auf, sich mit vielen Themen zu befassen, zu lesen, zu hören und zu denken. „Aus allem entsteht Charakter und Persönlichkeit, dann Bilder, erst im Kopf, später mit der Kamera.“ (S.306)

Bloggerinnen und Blogger, die nebenberuflich publizieren und fotografieren, werden das hohe Maß an handwerklicher Professionalität von Heike Rosts Bildern kaum erreichen können, aber die von Rost empfohlene Aufgeschlossenheit und Offenheit gegenüber der Welt würde sicher uns allen gut tun.

Meine Empfehlung: Lesen, verstehen und nachahmen so gut es geht. Der Bebilderung vieler Blogartikel täte es gut.

*Heike Rost, Ins richtige Licht gerückt: Fotografie in: Christian Jakubetz u.a. (Hrsg.), Universalcode. Journalismus im digitalen Zeitalter, 2011, S.287-308.

Umleitung: Von Mathe für Liebhaber bis zu irrsinnigen Preisen für Rasierapparate plus Politik.

Alarmsirene auf der Winterberger Hauptschule (foto: zoom)
Alarmsirene auf der Winterberger Hauptschule (foto: zoom)

Für Genießer: Mathe-Vorlesungsvideos als OER … dunkelmunkel

Ägypten – eine Lesung ohne Buch: Wie einer der oft kolportierten orientalischen Geschichtenerzähler saß Samad auf der Bühne und erzählte dem fachkundigen und wirklich gebanntem Publikum von seinen Erlebnissen in Kairo … hpd

Der Euro und die Tochter des Teufels: „Fürchtet Euch nicht!“ … jurga

Mediengesteuerter SPD-Parteitag: In vielen Beiträgen auf den NachDenkSeiten haben wir nachzuweisen versucht, dass die SPD eine fremdbestimmte Partei geworden und keine eigenständige politische Kraft mehr ist … nachdenkseiten

Hetz-Zentrale: Das Internet-Netzwerk „Politically Incorrect“ … 3Sat

Nazis: Warum Dortmund seine Hausaufgaben nicht gemacht hat … ruhrbarone

NRW-Innenminister Jäger (SPD): Treffer oder Rohrkrepierer … postvonhorn

Sebastian Betz: Holzbildhauer-Workshops in 2012 … neheimsnetz

Rasierapparate: Wohin soll der Preis-Irsinn noch führen … jahobri

Umleitung: Vom Windmühlenkrebs zum Fracking und noch viel mehr …

Siedlinghausen Bahnhof am Abend (foto: zoom)
Siedlinghausen Bahnhof am Abend (foto: zoom)

Krankheitsbilder: Francis Bacon-Mann mit Windmühlenkrebs … endoplast

Guttenberg völlig daneben: Der Baron aus Franken vergreift sich nicht nur im Stil … WirInNRW

Erfolg gegen rechts: Ab nächstem Jahr müssen sich die Burschenschafter der deutschsprachigen Länder einen neuen Tummelplatz suchen. Der Verpächter hat den Ball des Wiener Korporationsrings vor die Türen der Wiener Hofburg gesetzt. Das ist ein seltener Erfolg österreichischer AntifaschistInnen … hpd

Brauner Terror und NPD-Mitglieder: Falsche Fährte … jurga

Nazis bedrängen SPD in Dortmund Dorstfeld: Gestern und heute wurde hier und dort viel darüber diskutiert, ob die Dortmunder SPD das Problem der Neo-Nazis kleinreden würde. Namentlich Kai Neuschäfer hat sich heftig gegen die Vorwürfe gewehrt, Dortmund OB Ulrich Sierau würde dies tun … ruhrbarone

Arbeitsrecht in Einrichtungen der Kirchen ist verfassungswidrig: Nach einer wei­sen Praxis von Juristen und auch ande­rer Menschen mit Verstand erleich­tert ein Blick ins Gesetz die Rechtsfindung. Demnach darf nie­mand wegen sei­nes Geschlechtes, sei­ner Abstammung, sei­ner Rasse, sei­ner Sprache, sei­ner Heimat und Herkunft, sei­nes Glaubens, sei­ner reli­giö­sen oder poli­ti­schen Anschauungen benach­tei­ligt oder bevor­zugt wer­den (Grundrecht nach Art.3.3 GG). Diese Maxime beherrscht unab­ding­bar unser demo­kra­ti­sches Verständnis und Handeln … nicsbloghaus

Was nun, Frau Merkel? Manche Leute sind immer besser informiert als andere, die bekanntlich gar nix wissen. Also eröffnen wir hiermit den ultimativen “Was nun, Frau Merkel” Thread. Hier kann man in den nächsten Tagen alles einstellen, was einem so auffällt … wiesaussieht

Rollgriff – Priggen in Erklärungsnot: Nicht genug damit, dass die NRW-Landtagsabgeordneten von SPD, CDU und Grünen in die Landeskasse greifen wollen, um ihre Diäten um 500 Euro pro Monat aufzustocken. Sie können diese Absicht auch noch nicht einmal richtig begründen. Der eine oder andere versucht es zwar, wie der Fraktionschef der Grünen, Reiner Priggen. Doch es wirkt eher so, als wolle er die empörten Bürger an der Nase herumführen … postvonhorn

Massen-Fischsterben:
Tausende tote Fische in der Ruhr sorgen für Großeinsatz … derwesten

„Occupy“-Bewegung: Demonstrierende fühlen sich als Spielbälle des wirtschaftlich-politischen Systems … doppelwacholder

Giovanni Di Lorenzo: Vorerst gescheitert … neheimsnetz

Zweifel an Musik-Akademie Fredeburg: Grundsätzlich ist es ja löblich, ein Musikbildungszentrum im Kreis zu haben. Vieles an dem bisherigen Projektverlauf bietet jedoch Anlaß zu Zweifeln … sbl

CDU prescht vor beim „Fracking“: Die Regierungsfraktionen von CDU und CSU bereiten in Berlin einen Antrag vor, der den Einsatz von „Fracking“ bei der Erdgassuche regeln und ermöglichen soll. Mit ihren Vorstellungen ist die Bundes-CDU näher an Forderungen der Erdgasindustrie als an denen der Christdemokraten in NRW. Die kritisieren das Vorpreschen im Bundestag … derwesten

Umleitung: BVB obenauf, S21 Gegner unten, die Symmetrie der Wut, eine teure Musik-Akademie und mehr …

Jetzt können die Fahnen wieder herausgeholt werden (archiv: zoom)
Jetzt können die Fahnen wieder herausgeholt werden (archiv: zoom)
Nach dem Revier-Derby Spitzenreiter: Borussia Dortmund (BVB) gewinnt gegen den FC Schalke 04 und behauptet Tabellenführung …pottblog

Sexuelle Selbstbestimmung: Fluch der falschen Moral … hpd

Die Symmetrie der Wut: „Es waren an einem Ort, den man das Land der untergehenden der Sonne nannte, zwei Bäume, die nun uralt geworden waren, älter als jeder Mensch, wohl älter als alle Generationen der Menschen, die dort jemals gelebt hatten, zusammen genommen. Jeder, dessen Familie eine Familienchronik führte, konnte sehen, dass die Bäume in fast jedem der Berichte der Generationen erwähnt worden waren.“ … endoplast

Guttenberg: Der Narziss, der sich selbst zerstört? … postvonhorn

Eurozone: Vor dem Kollaps? … wiesaussieht

Rotgrüne in voller Klasse: Die Gentle(wo)men bitten zur Kasse … jurga

Linksammlung: Urheberrecht, aktuelle Debatte … heikerost

S21: Eigentlich müssten wir sauer sein … ruhrbarone

Die für den Kopfbahnhof in Stuttgart Engagierten: sollten nicht in Depression verfallen, wenn es am Sonntag schief geht … nachdenkseiten

Marktstraße Oberhausen: “… immer noch besser als Bottrop.” … bottblog

Hagener Nachbarblog: In eigener Sache … doppelwacholder

Zechen gab es auch im Sauerland: „Wer das Wort Zeche hört, der denkt natürlich sofort an Kohlebergbau und an die Gruben im Ruhrgebiet. Allerdings war der Begriff in der frühen Neuzeit auch für Eisenerzgruben im Sauerland in Gebrauch“ … revierpassagen

Musik-Akademie Bad Fredeburg: 1,6 Mio Euro Mehrkosten für Regionale-Projekt in Fredeburg … sbl

CDU: persönliche Profilierung statt Zusammenarbeit? … gruenesundern

Wir fahr’n fahr’n fahr’n  auf der Autobahn: Man muss auch mal Glück haben … schwenke

Elektra’s Beobachtungen: von Dichtern und Bankern … cowblog

Nihil paeniteo: eine Papst-Glosse … wiemeringhauser

Und hier das echte „Nihil paeniteo“ 😉

Alfred Hrdlickas unvollendetes Denkmal in Hamburg

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NS-Denkmal für das Hamburger Infanterieregiment am Dammtor (fotos: chris)

Wer in Hamburg am Bahnhof Dammtor, einem der vier Fernbahnhöfe der Hansestadt, aussteigt und über die Fußgängerbrücke in Richtung  ‚Planten un Blomen‘ geht, der steht unversehens vor diesem Denkmal, welches die Hamburger wenig liebevoll auch den ‚Klotz‘ nennen.

Es ehrt das Infanterieregiment 76, welches im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 sowie dem Ersten Weltkrieg kämpfte. Die Nationalsozialisten weihten 1936 den monumentalen Quader ein, welcher die markige Inschrift trägt „Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen“ .

Alfred Hrdlicka
'Cap Arcona' und 'Feuersturm' von Alfred Hrdlicka

Um das von vielen Hamburgern damals als Provokation empfundene NS-Denkmal zu entschärfen, entschied die Hamburger Kulturbehörde Anfang der 80er Jahre, ein „Gegendenkmal“ errichten zu lassen. Die Wahl fiel auf den Entwurf des Wiener Künstlers, Kommunisten und Katholiken Alfred Hrdlicka. Er plante ein aus vier Teilen bestehendes Mahnmal.

Der „Feuersturm“, hier rechts im Bild und unten im Detail, stellt das Leid der Zivilbevölkerung Hamburgs durch die Bombardierung der Hansestadt 1943 dar.

Die Menschengruppe oben links auf dem Bild erinnert an die 7 500 KZ-Häftlinge, die am 3. Mai 1945 auf tragische Weise starben. Die SS hatte die Überlebenden des KZ- Neuengamme nach dessen Räumung an die Lübecker Bucht evakuiert und anschließend auf den dort liegenden Schiffen eingepfercht. Als britische Piloten fünf Tage vor der Niederlage Nazideutschlands die ‚Cap Arcona‘ sowie zwei kleinere Schiffe mit Jagdbombern angriffen, wussten sie nicht, dass auf diesen rund 10 000 KZ-Häftlinge auf ihre Befreiung hofften.

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Detail aus dem 'Feuersturm'

Seine Pläne zum Thema „Soldatentod“ und „Frauenbild im Faschismus“ hat Hrdlichka nicht realisiert. Auseinandersetzungen zwischen der Hamburger Behörde und dem Künstler führten schließlich zum Abbruch der Arbeiten. Es ging dabei auch um Geld.

Nun steht Hrdlickas Kunst unvollendet dem Klotz gegenüber. Von den vorbeieilenden Passanten werden beide Denkmäler kaum wahrgenommen. Wer sich jedoch ein wenig Zeit nimmt, ist erstaunt über die Details und beeindruckt von der Intensität, mit der Hrdlicka Verzweiflung, Furcht und Zerstörung darstellt. Seine Kunst macht neugierig. Wie hätte der eigenwillige und einfühlsame Bildhauer Soldatentod und Frauenbild der Nazis künstlerisch umgesetzt? Bedauerlich, dass er dazu in Hamburg keine Gelegenheit hatte.

Konzerthaus Dortmund: „Expedition Salonen“ – eine musikalische Reise in drei Teilen.

Multimediale Installation des Konzertabends (fotos: pohl)
"re-rite"-Videoinstallation im Dortmunder U (fotos: Martin Pohl)

Teil 1: Konzert am Freitagabend.

Die vom Konzerthaus Dortmund als „Expedition Salonen“ betitelte Reihe geht ins zweite Jahr. Der finnische Dirigent und Komponist Esa Pekka Salonen gastierte mit seinem Philharmonia Orchestra London, einem der renommiertesten Orchester des United Kingdom, am vergangenen Wochenende für zwei Tage in der Westfalenmetropole.

Dass Salonen nicht nur Chef d’orchestre, sondern ein ganzheitlich und multimedial denkender Künstler ist, zeigte sich schon daran, dass er die um 9 Trompeten erweiterte Blechbläsergruppe für LeoÅ¡ Janáčeks „Sinfonietta“ von der Rückempore über dem Orchesterraum spielen ließ. Das Spätwerk (erschienen 1926) des vom Spätromantiker zum Expressionisten mit starken Folkloreeinflüssen gewandelten tschechischen Komponisten erklang in einer in jeder Hinsicht überzeugenden Interpretation.

Musikalisches Abheben in rauschhafte Höhen
Anschließend spielte Patricia Kopatchinskaja das Violinkonzert des Komponisten Salonen unter der Leitung des Meisters selbst. Ein mörderisch schwerer Solopart, den die Geigerin bravourös bewältigte. Dass sie barfuß auftrat, interpretiere ich als Erdverbundenheit, die ihr das musikalische Abheben in rauschhafte Höhen ermöglichte, ohne den Boden zu verlieren. Ein sinnliches Erlebnis, auch in dieser Hinsicht. Das Werk selbst überzeugte mich vor allem in den ersten beiden Sätzen. Mit zunehmender Dauer, vor allem gegen Ende, erschien es mir allzu heterogen, etwas in die Länge gezogen. Ich hätte mir mehr Klarheit gewünscht. Letztlich aber ein Werk, das den Dirigenten Salonen auch als überzeugenden Komponisten auswies.

„Le sacre du printemps“ – Skandalstück auf einzigartig hohem Niveau
Nach der Pause dann  „Le sacre du printemps“, das Skandalstück des Jahres 1913 von Igor Strawinsky. Wer sich intensiv mit Musik auseinandersetzt, kennt dieses Stück, muss es einfach kennen oder kennenlernen. Ein Meilenstein der Musikgeschichte. Salonen nimmt tendenziell hohe Tempi, was die Sache für die Musiker nicht einfacher macht, aber einen besonderen, energiegeladenen Drive erzeugt. Auffallend eine (nicht notierte) Temporückung – wie Strawinsky das beurteilt hätte, sei dahingestellt (er selbst hat sich in den 60ern kritisch zu damals erschienen Neueinspielungen geäußert). Letztlich nichts zu bemängeln, besonders, da das Orchester auf einzigartig hohem Niveau spielte. Eine der besten Interpretationen, die ich bislang gehört habe.

Teil 2: re-rite und Lounge im Dortmunder „U“

kl_view_dachterrasseDas Besondere der Expedition Salonen ist sicher das von ihm initiierte re-rite-Projekt. Nur an drei Orten auf der Welt gibt es das zu sehen, in Deutschland nur in Dortmund.

In der 6. Etage des U-Turms geht man durch ein schwarz verkleidetes Labyrinth in verschiedene Räume, die jeweils einer Instrumentengruppe des Orchesters gewidmet sind. In Endlosschleife läuft das rund 35-minütige „Sacre du printemps“ (englischer Titel „The Rite Of Spring“) in der Aufnahme des Philharmonia Orchestra unter Salonens Leitung. Überall sind auf Videoleinwänden die Musiker (-Gruppen) zu sehen. In jedem Raum hört man vorzugsweise die entsprechende Gruppe, lauter als den Rest, so als säße man im Orchester. Je dichter man an eine Leinwand geht, desto lauter erklingt das Instrument. Auf einem Notenständer liegt die jeweilige Stimme zum Mitverfolgen.

Ausstellung noch bis 20. November
So wie beschrieben, läuft die Ausstellung noch bis zum 20. November. Der Clou jenes Abends war, dass einige Orchestermusiker selbst hinzukamen, ihre Instrumente auspackten und live mitspielten, um später dann zu Gesprächen zur Verfügung zu stehen.

DJ Gabriel Prokofjev mixt Janáčeks und Strawinskys Klänge zu einer neuartigen Melange
7. Etage, Restaurant „View“, 23 Uhr: nochmals Livemusik mit Salonen und der Blechbläsertruppe, die den ersten Satz (Fanfare) der Sinfonietta von LeoÅ¡ Janáček noch einmal spielten – diesmal zum Greifen nah. Danach legte DJ Gabriel Prokofjev auf. Er mixte Janáčeks und Strawinskys Klänge zu einer neuartigen Melange. Das gleichzeitig laufende Videomaterial auf einer Großleinwand im View wirkte eher kurios denn innovativ. Lauschte man nur der Musik des DJ, dann konnte man dem durchaus Neues abgewinnen. Dennoch: nach 5 Minuten dürfte jedem klar gewesen sein, wie es weitergeht. Ich meinerseits nutzte die Gelegenheit, Gespräche mit einigen meiner Studierenden der Uni Dortmund zu führen.

Eine Zigarettenlänge auf der Außenterasse
Zur Schonung der eigenen Stimme gab es glücklicherweise die Möglichkeit, auf die Außenterrasse des View zu gehen, wo die inzwischen üblichen Heizstrahler für ausreichende Wärme sorgten. Der Rand, von dem aus  man die Innenstadt überblicken kann, war leider außer Reichweite der Wärmequellen, aber die relativ milden Außentemperaturen ließen mich die Zigarettenlänge meiner Gesprächspartnerin so gerade überstehen.

(Mit-)Dirigieren macht einfach Spaß
Nach Mitternacht dann nochmal re-rite. Die Musiker hatten weitgehend eingepackt, das Endlosband war ungefähr an derselben Stelle, an der ich ein Stunde zuvor das Labyrinth verlassen hatte, und so blieb ich bis zum Finale. Ein Raum ermöglicht den Besuchern nämlich auch die Wahrnehmung aus Sicht des Dirigenten. Die Partitur lädt zum Dirigieren ein, wozu sich auch einige Besucher trauen. Generell empfehle ich, nicht auf den Dirigenten zu schauen (das verwirrt nur), sondern in die Partitur (!) – wenn man beim Lesen denn mitkommt. Ich jedenfalls erinnerte mich aktiv nachvollziehend an meine Studienzeit, als wir im Dirigierunterricht an diesem Stück gearbeitet haben. Dirigieren macht einfach Spaß.

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Teil 3: Konzert am Samstag abend.

Zum Bartók-Abend waren weit weniger Besucher gekommen als zu Strawinsky. Zu unrecht, wie ich meine. Ohne Übertreibung: sie haben was verpasst.

Das Hauptwerk des Abends, Bartóks einzige Oper „Herzog Blaubarts Burg“, erklang in einer halbszenischen Aufführung. Es mag daran liegen, dass das skandalberühmte „Sacre“ ungleich bekannter geworden ist, weshalb viele mit Blaubart nicht so viel anfangen können.

Skandal im Paris des Jahres 1911: Vaclav Nijinsky  krönt seine Choreographie mit einer angedeuteten Masturbation
Dabei gab es bei Musik von Bartók und sogar Debussy ebenfalls Skandale: Prof. Dr. Michael Stegemann von der Uni Dortmund erzählte in seinem Einführungsvortrag, dass es vor hundert Jahren eine Ballettaufführung des (zum Auftakt des Konzertabends erklingenden) „Prélude à l’après-midi d’un faune“ (Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns) von Claude Debussy gegeben habe, bei der der berühmte Tänzer Vaclav Nijinsky  seine Choreographie mit einer angedeuteten Masturbation krönte. Das war wohl selbst im freizügigen Paris des Jahres 1911 zu liberal.

Skandal in Köln 1926: Oberbürgermeister Adenauer verbietet Bartóks Ballett
Die andere Geschichte, die mir allerdings schon bekannt war, ist die der Uraufführung von Bartóks Ballett „Der wunderbare Mandarin“ im Jahre 1926 in Köln: schon einen Tag später wurde das Stück auf Geheiß des damaligen Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer wegen seines „unmoralischen“ Inhalts (wir würden heute sagen erotischen Inhalts) verboten.

Zum Konzert selbst: Das Debussy-Werk, äußerlich gehört eher unauffällig, aber stilistisch zu Ende des 19. Jahrhunderts völlig neuartig, gewissermaßen der Ursprung der Neuen Musik, wurde in schon gewohnt perfekter Weise dargeboten. Anschließend Bartóks Tanzsuite (1923), in der er Folklore-Einflüsse unterschiedlicher Ethnien verschmolz.

„A kékszakállú herceg vára“ – mit deutschen Übertiteln
Nach der Pause dann „A kékszakállú herceg vára“ (Herzog Blaubarts Burg, 1911) in ungarischer Sprache mit deutschen Übertiteln. Sir John Tomlinson als Blaubart und Michelle de Young als Judith – beide Weltklasse – sangen die einzigen Protagonisten des Werks überzeugend und deuteten die Handlung mit angemessenen Gesten an.

Videoinstallation mit Raumklang
Das Besondere dieser Aufführung war die Videoinstallation eines britischen Teams um den Londoner Künstler Nick Hillel (Yeast Culture). Eine angedeutete Burg um das Orchester herum und bewegliche, von der Decke hängende Elemente dienten als Projektionsfläche des Videomaterials, das die Handlung und/oder, je nach Interpretation des symbolistischen Dramas, das Innenleben Blaubarts illustrierte. Lichteffekte taten ihr übriges. Salonen bezog auch hier Mittel des Raumklangs mit ein: die verstärkenden Blechbläser („Bühnenmusik“) beim Öffnen der 5. Türe (einer der dynamischer Höhepunkte des Werkes) klangen von den Rängen vorne im Konzerthaus, zu beiden Seiten des Orchesters.

Überwältigende dynamische Bandbreite und dramaturgische Gestaltung
Die technischen Möglichkeiten mit Neuen Medien im digitalen Zeitalter bezieht Salonen gerne in seine Projekte mit ein und hält, weil die Organisatoren dies unterstützen und es hier realisierbar ist, das Konzerthaus Dortmund für eines der innovativsten überhaupt. Mich hat diese Aufführung einschließlich Video und Licht sehr beeindruckt, allerdings geht das ganz wesentlich vor allem auf die Leistungen von Orchester und Dirigent zurück. Ich kenne alle in diesen Tagen gehörten Werke sehr gut, aber diese dynamische Bandbreite und die dramaturgische Gestaltung haben mich einfach überwältigt.

Martin Pohl, am 15. November 2011

Umleitung: Berliner Grüne werden gecoacht, Prothmann hat Pläne, Journalisten haben es schwer und mehr.

Tschuess Ostsee, war nett da oben - im Norden (foto: zoom)
Tschüss Ostsee, war nett da oben. (foto: zoom)

Hoffnung für zerstrittene Berliner Grüne: mit Singen und tanzen zu Frieden und Eintracht? … ruhrbarone

Prothmanns Pläne: Die bisherige Finanzierung allein durch Werbeeinnah- men hat sich wohl nicht als ausreichend erwiesen – kannst Du hierzu nochmal die Zahlen nennen; es kursierte da mal eine Zahl von 1.500 Euro im Monat? … onlinejournalismus

Journalisten haben es schwer: Das ist aber kein Grund, die wahren Gründe des Versagens der Medien nicht beim Namen zu nennen … nachdenkseiten

Der Euro, die Demokratie und das Volk*: *Griechen, Deutsche, Spekulanten (bitte ankreuzen!) … jurga

Hagen: Welche Schule für mein Kind? DGB und GEW informieren zur Schulentwicklungsplanung … doppelwacholder

Dortmund: Die Kunst, die Putzfrau und Kippenbergers Kichern … revierpassagen

Vereinsfahne der Jäger neben der Stadtfahne: Städtepartnerschaft Arnsberg – Caltagirone ist amtlich … neheimsnetz

Umleitung: Viel Englisch (sorry), Antisemitismus, der Kitt der Kanzlerin und DerWesten relauncht(sorry) und mehr.

Aufstrebender Herbst im Hochsauerland (foto: zoom)
Aufstrebender Herbst im Hochsauerland (foto: zoom)

WikiLeaks payments blockade sets dangerous precedent: The mainstream media should be up in arms about corporations‘ ability to choke off sources of WikiLeaks‘ funding … guardian

Life Among the 1%: Twenty-two years ago this coming Tuesday, I stood with a group of factory workers, students and the unemployed in the middle of the downtown of my birthplace, Flint, Michigan, to announce that the Hollywood studio, Warner Bros., had purchased the world rights to distribute my first movie, ‚Roger & Me.‘ A reporter asked me, „How much did you sell it for?“ … MichaelMoore

Which Bank Is the Worst for America? 5 Behemoths That Hold Our Political System Hostage … truthout

Hitler was a True Christianâ„¢: Nazism was not science-based. It was pseudo-scientific religious dogma, tightly tied to the German culture of the time, which was almost entirely Catholic and Lutheran. All you have to do is look at Hitler’s own words to see that, even if he were personally a closet Satanist (I don’t think he was; he was an idiosyncratic Catholic), he tapped into the faith of the German people to achieve his ends … pharyngula

Antisemitismus: „Herr oder Knecht?“ Verhältnis von Israel und USA … hpd

Pro NRW und Spießgesellen: Rechte ohne Antisemitismus? … ruhrbarone

Angela Merkel hat auffällig gute Laune: Angela Merkel braucht keinen ausgefuchsten Beraterstab, sondern nur einmal auf die Meinungsumfragen zu schauen, um feststellen zu können, dass nach der nächsten Bundestagswahl Regieren mit der FDP überhaupt nicht mehr möglich sein wird. Und um dahinterzukommen, dass eine Koalition mit den Liberalen nicht vergnügungssteuerpflichtig ist, brauchte sie nicht einmal die gegenwärtige Eurokrise … jurga

Der Kitt der Kanzlerin: Land ohne Opposition. So fragt gerade der Göttinger Politikwissenschaftler Franz Walter. Er formuliert angesichts der heutigen Debatte zum EFSF eine interessante These. Er sieht einen zunehmenden Konformismus im deutschen Parlamentarismus … wiesaussieht

SPD-Fraktion unterhält Fälscherwerkstatt: zur Entsorgung ihrer Verantwortung für die Finanzkrise … nachdenkseiten

DerWesten: mehr Sport, mehr Regionales: „Der erste Schritt ist getan: In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag schaltete das Team um Online-Chefredakteur Thomas Kloß die renovierte Seite von DerWesten.de frei. Das Ergebnis ist laut Kloß: „Das schnellste Nachrichtenportal für die Region, die kommentierfreudigsten Autoren, führend im Sport.“ Ob die Aussagen tatsächlich so stimmen, muss erst das Tagesgeschäft beweisen. Der wichtigste Teil der Neupositionierung wird erst zum Jahreswechsel kommen, dann beerdigen die Essener ihre Web-Dachmarke“ … meedia

Drang (Hang?) zum Print: Der Blog als Buch … WirInNRW

“kreuz + quer”: BOGEN-Jahresausstellung 2011 … neheimsnetz