Umleitung: Neujahr über den Dächern von Köln. Büdche, Buden, Kioske und mehr. Außerdem ist die “Kumpel”-Zeit im Ruhrgebiet längst vorbei.

Neujahrsmorgen auf der Schäl Sick i.e. Köln Kalk/Humboldt (foto: zoom)

Bei ordentlichen Silvesterfeiern weiß man ja nie, wo man aufwacht. Am Neujahrmorgen schaute ich aus dem Fenster im Kölner Stadtteil „Humboldt“. Das ist zwar die „Schäl Sick“, aber die Gegend hat mir gut gefallen.

Alle 20 Meter ein „Büdche“, so wie ich es von früher aus dem Ruhrgebiet kannte. Bei uns hieß das zwar „Bude“, aber es war das gleiche:

Grundversorgung mit Zeitschriften, Alkohol, Tabak und Süßigkeiten plus budenspezifische Waren.

In der „Grünen Bude“ in Dinslaken gab es nach Geschäftsschluss (Wochentags 18 Uhr, Samstag 12 Uhr) auch Hygieneartikel. Ich musste manchmal Binden einkaufen, Camelia. Die wurden dann in Zeitungspapier eingewickelt und ins Einkaufsnetz gepackt. Binden durften nicht öffentlich gezeigt werden. Meine Mutter und ich – wir waren eine eingeschworene Gemeinschaft.

An der Augusta-Bude erstanden wir Knöteriche, 2 Stück für einen Pfennig, oder gemischte Bonbons für einen Groschen. Brausepulver haben wir an der Luisen-Bude gekauft.

Die meisten Buden in meiner Geburtsstadt sind heute verschwunden. Die Geschäfte haben bis 21/22 Uhr geöffnet. Das war früher die High-Time für die Kioske.

Aber in Köln, da stehen sie noch in großer Dichte, die „Büdche“.

Mein Traumprojekt: ein Büdche-Gang durchs Veedel, jedes mal ein kleines Kölsch und ein kurzes Interview; gucken, wie weit man kommt.

In der Gehirnwaschmaschine: Im Wienerischen gibt es das schöne Wort „restfett“, wenn von der Betrunkenheit („Fettn“) des Vortages auch nach dem Ausnüchterungsschlaf noch ein gewisser Pegel übrig geblieben ist … misik

Bundeskartellamt an Facebook: Wir können mehr als nur Briefe verschicken … netzpolitik

Die “Kumpel”-Zeit im Ruhrgebiet ist längst vorbei: Jetzt sind nur noch “Akteure” auf der Zeche … revierpassagen

Yvonne Hinz fragt den Intendanten des Hagener Theaters ab: Spätestens nach dieser Befragung dürfte Francis Hüsers wissen, mit wem er es in dieser Stadt (auch) zu tun hat … doppelwacholder

Pausenzeichen … Gedankensplitter zur Ruhrpott-Ästhetisierung.

Kohlekraftwerk Möllen
Landwirtschaft und Kohlekraftwerk in Möllen am Niederrhein (fotos: zoom)

Es ist schon merkwürdig, wie sich die zweckgebundenen, funktionalen äußeren Formen der Energiewirtschaft in die ästhetisch-kulturelle Sphäre einschleichen.

Während die toten Formen der Industrialisierung im Inneren des Ruhrgebiets heute unter der Marke „Industriekultur“ tertiär-touristisch vermarktet werden, püffert das Kohlekraftwerk in Möllen am Niederrhein friedlich vor sich hin und wandelt chemische Energie aus fossilen Rohstoffen in elektrische Energie.

Unabhängig von seiner Funktion finde ich den Bau heute beeindruckend „schön“.

Industrie-Ruinen lösen hingegen bei mir zwiespältige Emotionen und Gedanken aus. Ich habe das gestern bei meinem Eintrag zu Dortmund-Hörde beschrieben.

Nordsternpark
Verwertung der Industrie-Ästhetik im Nordsternpark.

Die Ruhrpott-Zechen sind Geschichte, die Kohle wird über Rotterdam den Rhein hinauf angeliefert.

Die Bergarbeiter sind als soziale Schicht schneller verschwunden als die Landarbeiter im Laufe der industriellen Revolution.

Die „Buden“, die das Ruhrgebiet prägten, verschwinden aus dem Nahraum in dem Maße in dem die Menschen einerseits aufhören zu Fuß zum Einkaufen zu gehen und andererseits die Geschäfte bis spät am Abend geöffnet haben.

Die „Emma-Bude“ gibt es nicht mehr, die „Augusta-Bude“ neben der Martha-Straße hat nach langem Krampf den Kampf aufgegeben. Die „grüne Bude“ hat viele Besitzerwechsel durchgemacht. Die „Fenster-Bude“ etwas weiter oben ist dicht.

"Rote Bude" an der Augustastraße
Wenn ich mich recht erinnere, nannten wir diese Bude „Rote Bude“.

Aus Trotz habe ich heute Abend in der „roten Bude“ eingekauft, obwohl Edeka, ein paar hundert Meter weiter, noch geöffnet hatte und mein Warenkorb dort preiswerter gewesen wäre.

„Trotz“ wird die Buden allerdings nicht retten -Konsumenten kaufen nicht aus Trotz-, sondern nur eine Marktnische, aber welche?