Bei der gestrigen Verabschiedung des Haushalts der Stadt Winterberg hielten die Fraktionsvorsitzenden ihre Haushaltsreden. Die Partei nutzen diese Gelegenheit, ihre politischen Positionen und Kritiken zu verdeutlichen. Im Winterberger Rat sind CDU, SPD und FDP vertreten.
Die Manuskripte von Joachim Reuter (CDU), Torben Firley (SPD) und Bernd Kräling (FDP) liegen uns vor, bzw. stehen im Netz auf den Websites der Parteien[1].
Obwohl gerade die Kommunalpolitik viele kleine spannende Themen abseits des „Mainstreams“ bietet, möchte ich heute mit einer Synopse der Positionen der Fraktionen zur Flüchtlingspolitik beginnen.
(Nebenbemerkung und Notiz an mich selbst: Die Problematik, dass die Fraktionen in der öffentlichen Wahrnehmung, aber auch im Agieren der Parteien, mit den Parteien selbst „verwechselt“ werden, sollte ich demnächst noch etwas schreiben, da dieses „Ineinanderfallen“ den demokratischen Diskurs und die politische Willensbildung behindert.)
Die Position der CDU-Fraktion (Joachim Reuter):
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
in unserer Stadt und den Dörfern leben zur Zeit 297 Asylbewerber. Bisher konnten alle Asylbewerber dezentral untergebracht werden, das heißt, die Stadt hat 59 Wohnungen angemietet. Nur so ist eine menschenwürdige Unterbringung gewährleistet. Auf eine Unterbringung in Massenunterkünften wie Turnhallen usw. konnte bisher verzichtet werden. Unser Dank gilt Herrn Klaholz und seinen Mitarbeitern für ihren unermüdlichen Einsatz. Ebenfalls danken möchten wir auch den vielen ehrenamtlichen Helfern, die sich täglich um unsere Asylbewerber kümmern. Ob beim Deutschunterricht, beim Einkaufen, bei Behördengängen oder Arztbesuchen, die Helfer sind immer zur Stelle. Es war genau richtig, diesen Personenkreis beim Neujahrsempfang der Stadt Winterberg einen besonderen Platz einzuräumen und einmal öffentlich Danke zu sagen. Hier bei uns in Winterberg hat sich im letzten Jahr in Verbindung mit der Stadt, der evangelischen und katholischen Kirche, sowie den vielen ehrenamtlichen Helfern eine sehr, sehr starke und gut funktionierende Willkommenskultur aufgebaut.
Damit die Eingliederung der Asylbewerber weiter unterstützt werden kann, ist es erforderlich, dass von der Landesregierung baurechtliche Standards abgebaut werden, wie z. B. bei der Anmietung von neuen Wohnungen. Ebenfalls müssen die Standards für die Aufnahme von Kindern in den Kindergärten gelockert werden. Ganz wichtig ist, dass die Kinder der Asylbewerber im Kindergarten unter anderen Kindern spielen und so spielend die Deutsche Sprache erlernen. Da jedoch fast alle Kindergartenplätze in der Stadt Winterberg vergeben sind, ist hier dringend Handlungsbedarf. Doch nun zu den Kosten.
Im Haushaltsansatz für 2016 hat unser Bürgermeister Werner Eickler 3,1 Mio. Euro für Kosten der Asylbewerber eingesetzt. Wir fordern eindringlich, dass vom Land und dem Bund diese Kosten zu 100 % übernommen werden. Nach den uns vorliegenden Zahlen sollen jedoch nur 1,75 Mio. Euro nach Winterberg fließen. Dies können wir so nicht mittragen. Wir fordern eine Dynamisierung, das heißt, die Flüchtlingszahlen werden laufend angepasst, und es wird abgerechnet nach den tatsächlichen Flüchtlingen, die in Winterberg sind und nicht nach Planzahlen des Landes, dem sogenannten Königsteiner Schlüssel. Der Städte- und Gemeindebund macht ebenfalls Druck auf das Land und fordert eine Anpassung der Sätze. Unser Innenminister des Landes NRW, Herr Jäger, hat als jährliche Pauschale für jeden Asylbewerber 10.000 Euro versprochen. Das macht bei 310 Asylbewerbern 3,1 Mio. Euro. Das ist eine ganz einfache Rechenaufgabe! Kosten für Asyl sind Bundes- und Landesaufgaben. Es darf nicht dazu kommen, dass alle Anstrengungen unseres 5. Konsolidierungspaketes mit einem Schlag zu Nichte gemacht werden und wir unser oberstes Ziel: die Verringerung der Kassenkredite, nicht erreichen könnten. Es liegt nun an der Politik in Berlin, in Absprache mit den europäischen Partnern Lösungen zu finden, um den weiteren Zustrom von Asylbewerbern zu verringern.
Die Position der SPD-Fraktion (Torben Firley):
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,Nun komme ich zur Flüchtlingssituation. Aber keine Angst ich werde jetzt keinen minutenlangen Vortrag halten.
Nicht erst seit 2015 fliehen Menschen vor Krieg, Terror und Tod. Wir alle haben uns vielleicht zu lange abgewendet; die Situation in den Ländern mit Bürgerkriegen und Terror schien uns doch weit weg. Aber jetzt, wo die Menschen direkt vor unserer Haustür stehen, müssen wir endlich handeln. Wir dürfen das Schicksal der Flüchtlinge nicht ignorieren und müssen helfen. Nichtsdestotrotz dürfen wir die Situation der sozial schwachen Personen im eigenen Land nicht vernachlässigen, auch ein Teil unserer Mitmenschen die seit Jahrzehnten hier leben, bedarf der Unterstützung.
2015 konnten wir den 25. Jahrestag der Deutschen Einheit feiern. Die Deutsche Einheit ist fest verbunden mit der Einheit Europas. Das aber gerade Europa in der Flüchtlingspolitik versagt ist mehr als grauenhaft.
Mit Recht regen sich unsere Bürgerinnen und Bürger darüber auf, dass die europäischen Institutionen sich um die Krümmung von Bananen und Gurken oder auch den Energieverbrauch von Leuchtmitteln und Staubsaugern kümmern, aber vollständig versagen, wenn es um den Umgang und die Versorgung von Flüchtlingen geht.
Wir warten darauf, dass unsere Bundeskanzlerin, Frau Dr. Merkel, endlich erklärt, wie Ihr Satz „Wir schaffen das“ umsetzbar ist.
Wer aber glaubt, dass Deutschlands Grenzen zu schließen die Lösung, der sogenannten Flüchtlingskrise sein kann, der irrt.
Es darf keinen neuen „eisernen Vorhang“ mitten durch Europa geben.
Auch bei uns in der Stadt Winterberg leben ca. 300 Flüchtlinge. Bisher ist es uns gelungen, diese dezentral in adäquaten Wohnungen unterzubringen. Massenunterkünfte lehnen wir auch weiterhin entschieden ab.
Hier möchten wir uns ausdrücklich für den enormen Einsatz der Verwaltung und das Engagement der vielen ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer bedanken. Sie alle verdienen unseren Respekt und unsere Anerkennung.
Wir freuen uns darüber, dass die Rot-Grüne Landesregierung NRW für das Jahr 2016 die Pauschale pro Flüchtling auf 10.000€ erhöht hat, erwarten aber zusätzlich eine vollständige Erstattung aller Kosten durch den Bund. Die Berechnungsgrundlage der jetzt zugesagten Mittel bilden die Leistungen nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz.
Zu Grunde liegen die Berechnungen des BAMF aus dem August 2015. Dazu wurde von der Landesregierung NRW eine Überprüfung im dritten Quartal 2016 bereits jetzt zugesagt
Wir vertrauen auf die Zusagen der Bundes- & Landespolitik welche der kommunalen Familie eine vollständige Kostenübernahme fest versprochen hat.
Für uns als SPD-Fraktion gilt unser Grundgesetz mehr denn je und damit sind für uns die Würde des Menschen und das damit verbundene Recht auf Asyl unantastbar. Deshalb ist für uns jeglicher politischer Streit unangebracht, wenn es darum geht Menschen in Not zu helfen.
Wir wollen eine Gesellschaft der Solidarität, des Friedens und der Gerechtigkeit!
Die Position der FDP-Fraktion (Bernd Kräling):
Unsere Investitionen in das Bildungswesen haben sich gelohnt. Die Schulen sind gut aufgestellt. Das Ansehen der Ganztagshauptschule ist gewachsen, eine Rückorientierung der Schüler aus Olsberg in die eigene Schule ist feststellbar. Jede Investition lt. Planung ist hier sinnvoll.
Wie wir allerdings die hinzugekommenen Kinder der Asylbewerber unterbringen und beschulen wollen, bleibt uns ein Rätsel.
Damit kommen wir zu unserer neuen, wichtigen Aufgabe, welche uns von Frau Merkel mit nur einem Satz am 4. September 2015 aufgezwungen worden ist: WIR SCHAFFEN DAS !! Nein, wir schaffen das nicht!
In der Größenordnung, wie wir sie seit September 2015 und im kommenden Sommer erleben, gehen wir unter! Noch haben wir in Winterberg rund 300 Asylbewerber privat untergebracht. Das entspricht bald 3% unserer Bevölkerung! Die städt. Bediensteten und die privaten Helfer tun ihr möglichstes, um zu helfen und für Ordnung zu sorgen.
Hier stellt sich die Frage nach den Finanzen, die BM Eickler in seiner Neujahrsansprache auch schon gestellt hat: Wird NRW mit seiner rot-grünen Regierung tatsächlich die Mittel von mind. 10.000 € pro Asylbewerber zeitgleich zur Verfügung stellen oder müssen wir die Gelder über dann wiederum erhöhte Kassenkredite vorfinanzieren?
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[1] Quellen
Haushaltsrede CDU:
http://www.cdu-winterberg.de/aktuelles/88-haushaltsrede-2016.html
Haushaltsrede SPD:
http://www.spd-winterberg.de/im_stadtrat/redenantraege/haushaltsrede2016.pdf
Haushaltsrede FDP (nicht auf der Website verfügbar):
http://www.schiebener.net/wordpress/wp-content/uploads/2016/01/HaushaltsredeKraeling2016.pdf