Schwadronieren statt informieren: Was der Winterberger Bürgermeister in seiner Neujahrsansprache zum Oversum sagt.

schuetzenhalle
Die Schützenhalle Siedlinghausen, wohin der Winterberger Bürgermeister zum Neujahrsempfang am 10. Januar 2014 geladen hatte. (foto:zoom)

Immer wieder hören wir von Herrn Eickler, Winterberger Bürgermeister, dieselben Floskeln, wenn es um das gescheiterte Leuchtturmprojekt Oversum geht. Dies gilt leider auch für seine Neujahrsansprache 2014.

Man habe „nach europaweiter Ausschreibung“ „Wirtschaftlichkeitsanalysen und Gutachten“, „intensiver Diskussionen“ und „Abwägungsprozesse(n)“ im Winterberger Rat „einstimmig“ entschieden.

Zur Erinnerung: Die Demokratie lebt vom Dissenz und inhaltliche Auseinandersetzungen sollten nicht nur an Stammtischen und in geschlossenen Ratssitzungen stattfinden.

Insbesondere von der Opposition erwarten viele Bürger, dass sie opponiert, dass Sie eine eigene Position vertritt und nicht zum Sprachrohr der stärksten im Rat vertretenen Partei verkümmert.

Weiter im Text der Neujahrsansprache:

Das Oversum an sich gut.

Was bitte ist an einem Schwimmbad „gut“, welches ein knappes Jahr betrieben wurde und nun seit rund neun Monaten geschlossen ist? Was bedeutet „an sich“ in diesem Zusammenhang?

„Verhandlungspaket“ und “Verträge ermöglichen eine riesige Angebotsvielfalt und viele Chancen – nur sie werden (noch) nicht gelebt“, so der Bürgermeister.
Worin besteht das Angebot? – Freibad? Nein. Eislauffläche? Nein. Schwimmbad? Nein. Wahrlich eine „riesige Angebotsvielfalt“, aber faktisch reichlich tot.

Die Phrase „noch nicht gelebt“ wird von Herrn Eickler immer und immer wieder strapaziert. Was wären das für Chancen, die zu leben sind? Könnten wir das endlich einmal konkret erfahren? Was meint der BM, wenn er sagt, die Stadt würde „alle vertraglichen Inhalte nach wie vor vollständig leben“?

Wir arbeiten seit Monaten intensiv und hoch professionell an einem Zukunftskonzept und es wird auch eine Lösung geben.

Kein Wort darüber, wie dieses Konzept aussehen könnte, welche Lösung dem BM vorschwebt.

Der Weg, um dies zu erreichen, ist aber schwierig, hängt er doch von so vielen Beteiligten ab, die mitreden, vor allem aber auch bereit sein müssen, sich einzubringen. Auch deswegen gibt es eine von Rat und Verwaltung getragene Doppelstrategie: Ob wir über die Juristerei oder über den von uns immer präferierten Verhandlungsweg zum Ziel kommen, ist offen.

Wer bei dem Wort ‚Beteiligte‘ noch dachte, hier wären auch die Winterberger Bürgerinnen und Bürger gemeint, wird sofort eines Besseren belehrt. Die ‚Beteiligten‘ sind die Stadt mit Vertretern der Nachfolgefirmen von Herrn Wäschers GmbHs, die juristisch oder im Hinterzimmer „zum Ziel kommen“.

Was bleibt dem Bürger?

Auf eins können sich unsere Bürger verlassen: Wir werden erst dann im Rat gemeinsam einer Lösung zustimmen, wenn diese das Beste für unsere Stadt und unsere Bürger ist. Erst dann.

Liebe Mitbürgerinnen und Bürger, nun können wir froh und zufrieden sein, denn für uns wird das Beste getan. Damit es auch wirklich zum Besten kommt, darf niemand aufmucken.

Und deshalb ist es wichtig, dass Sie uns auch in dieser Phase vertrauen, dass weiterhin Bürgerschaft, Politik und Verwaltung fest zusammenstehen und sich auch nicht durch äußere Einflüsse entzweien lassen.

Hätte Herr Eickler uns nicht Bürger, sondern Untertanen genannt, wäre das Bild stimmig gewesen:

Wir werden nicht informiert, wir werden nicht politisch beteiligt, wir dürfen uns nicht äußern. Wir sollen den Mund halten, weil wir sonst alles kaputt machen würden. Rat und Bürgermeister werden es schon richten.

Silbach: Dampflok 41360 auf dem Weg nach Winterberg

Dampflok 41360
Die Dampflok 41360 auf dem Weg nach Winterberg (foto: zoom)

Heute gegen 13 Uhr passierte der Sonderzug mit der Lok 41360 den Bedarfsbahnhof Silbach nördlich von Winterberg.

Um beim Anstieg zu helfen, schob eine Diesellok den Zug von hinten den Berg hinauf. „Trainspotter“ begleiteten die Bahn auf der parallelen Straße und versuchten, an günstigen Stellen Fotos und Filme von dem schwarz-rauchenden Koloss zu schießen bzw. zu drehen.

Vor zehn Jahren starb der Sänger und Komponist Czesław Niemen

Czesław Niemen (* 16. Februar 1939 in Stare Wasiliszki bei Nowogródek, Polen, heute Weißrussland; † 17. Januar 2004 in Warschau), bürgerlich Czesław Juliusz Wydrzycki, war einer der bedeutendsten und originellsten polnischen Singer-Songwriter des 20. Jahrhunderts (wikipedia).

„Der polnische Sänger, Musiker und Komponist Czesław Niemen verband Rock, Soul, Klassik und Jazz mit Volksballaden, Kirchenmusik und polnischer Poesie. In den 70er und 80er Jahren war Niemen ein Pionier der elektronischen Musik. Er wurde zum Idol einer ganzen Generation und ist bis heute eine Legende in Polen.“ (Dradio)

Unsere Demokratie schwächelt: Von asozialer Marktwirtschaft und (fast) ohnmächtigen Mächtigen

Strandkörbe auf Sylt
Sylt – Ausverkauf einer Luxusinsel? Strandkörbe in der Nebensaison (archiv: zoom)

Eigentlich kommt das Wort „asozial“ nicht in meinem Wortschatz vor, doch ich finde ihn für die fatale Entwicklung unserer zunehmend ungehemmten freien Marktwirtschaft passend. „Sozial“ als Korrektiv unserer Wirtschaftsordnung wird zunehmend negiert. Die Konsequenzen sind vielfältig, die fatalste ist die Gefährdung unserer Demokratie.

Beispielhaft möchte ich im Bereich „Tourismuswirtschaft“ die Schattenseiten einer einseitig ausgerichteten Politik zeigen, es fehlt an Balance und Weitsicht. Gut nachvollziehbar ist dies in den sehenswerten Dokumentationen „Alpen abgezockt – Berg, Schnee und Billiglohn“ sowie „Sylt – Ausverkauf einer Luxusinsel“.

Die Dokumentationen beschäftigen sich mit vermeidbaren Problemen zweier touristischen Hochburgen, Garmisch Partenkirchen und Sylt: Städte, die nicht mehr leben, weil in ihnen nicht mehr gelebt wird. Weil das Leben zu teuer geworden ist. Weil die zum Alltagsleben notwendige Infrastruktur immer mehr weggespart wird. Weil die Investoren immer mehr Raum beanspruchen zum Wohnen, zum Besichtigen, für das Freizeitvergnügen, zum Parken. Weil Lokalpolitik den Investoren aus Touristik und Immobilien den roten Teppich auslegt – ohne Wenn und Aber, möglicherweise im guten Glauben, dass optimale Rahmenbedingungen für die Privaten auch gute Ergebnisse für die Bevölkerung nach sich ziehen.

Das Gegenteil ist offenbar der Fall. Dienstleistungen werden mit Billiglöhnen abgespeist, Zweitjobs sind normal, alternative Erwerbsmöglichkeiten außerhalb des Tourismusbereiches sind rar. Auch die Wohnraumproblematik in den zwei Städten ist vergleichbar: Zu knapp und zu teuer. Der Bäcker und der Fleischer um die Ecke, den Lebensmittelmarkt im Quartier, sie sind ebenfalls nicht mehr da. Die Touristen gönnen sich ihren Urlaub oder nehmen sich ihren Luxuszweitwohnsitz und die EinwohnerInnen ziehen ins Umland. In der Saison bewegen sich die Massen am Strand oder auf den Skipisten, mit dem Saisonende schwinden mit den Gästen auch die kargen Verdienstmöglichkeiten.

An diesen Beispielen wird deutlich – und wir wissen, weitere Beispiele lassen sich ohne große Mühe finden: Politik hat eine starke Schlagseite Richtung freier Markt, Richtung Kapital. Das zentrale Korrektiv „sozial“ wird zunehmend vernachlässigt, im Kleinen wie im Großen. Unsere Demokratie ist dadurch in großer Gefahr.

Politik muss sich wieder für die soziale Komponente als Prämisse für die freie Marktwirtschaft stark machen. Gefragt ist eine kreative Politik Hand in Hand mit der Bürgerschaft. Es geht um mehr Transparenz und echte Bürgerbeteiligung (mein Favorit: die Planungszellen nach Prof. Dr. Dienel) – statt Bürgerbeteiligung ‚light‘ erst nach bereits gefassten Beschlüssen. Es geht um mehr Politikfeld übergreifendes Denken und Handeln. Es geht um mehr interkommunale und regionale Zusammenarbeit. Es geht um mehr behutsames Weiterentwickeln bestehender Infrastruktur, zielgruppenspezifisch, lebensphasenbezogen, statt um immer mehr einseitiges Fördern von Großprojekten und Hofieren privater Investoren. PPP Projekte müssen deutlich kritischer bewertet werden. Wer will kann wissen, dass die Chancen und Risiken, die Gewinne und Verluste in PPP Projekten allzu häufig ungleich verteilt sind, die Zeche zahlen allzu häufig die BürgerInnen. Früher oder später.

Kurz: Es geht um mehr qualitatives Wachstum und weniger quantitatives Wachstum. Viele BürgerInnen sind da deutlich weiter als so manche PolitikerInnen. Die vielfach beschriebene Politikverdrossenheit resultiert auch aus einem Mangel an wichtigen versteh- und nachvollziehbaren Informationen und aus einem mangelnden Vertrauen in die Gestaltungsfähigkeit der Bürgerschaft. Die Empörung darüber in der Bürgerschaft wächst, was an den zunehmenden Bürgerinitiativen ablesbar ist. Gut so. Ich habe noch Hoffnung, unsere Demokratie schwächelt, aber sie wird leben. Doch sie braucht viel Aufmerksamkeit und Pflege. Jetzt.

Kormoranabschuss im Hochsauerland: Über die Macht von Lobbyisten und die Ohnmacht eines Gremiums

Kormorane
Litauen, Kurische Nehrung: „unvergrämte“ Kormoran- und Reiher-Kolonie (foto: wendland)

Was halten Sie davon, wenn ein demokratisch getroffenes Votum des Landschaftsbeirats in einer „Nacht- und Nebelaktion“ gekippt wird, aber der Landrat keinen Grund zur Beanstandung sieht?

Worum es geht? Es geht um den Abschuss von Kormoranen in Naturschutzgebieten im Sauerland.

Wie wir hier

http://sbl-fraktion.de/?p=3772

berichteten, forderte Kreistagsmitglied Reinhard Loos von der Sauerländer Bürgerliste (SBL) Landrat Dr. Karl Schneider am 15.12.2013 auf, einen Beschluss des Kreistags vom 13.12.2013 wegen erheblicher formeller Mängel “gemäß § 39 Abs. 2 KrO NRW umgehend zu beanstanden”.

Bei dem beanstandeten Beschluss handelt es sich um eine unserer Meinung nach höchst fragwürde Entscheidung, auf die Schnelle ein Votum des Landschaftsbeirats bzgl. des Kormoran-Abschusses in Naturschutzgebieten zu kippen. Der Landschaftsbeirat hatte sich – entgegen dem Beschlussvorschlag der Verwaltung – gegen die von den Fischereigenossenschaften geforderten „Vergrämungsabschüsse“ ausgesprochen.

Die Argumentation des Landrats

Dr. Karl Schneider ging am 06.01.2014 mit einem umfangreichen Schreiben auf die Beschluss-Beanstandung des Kreistagsmitglieds Reinhard Loos ein. Der Landrat argumentiert, er habe nur dann einen Beschluss zu beanstanden, wenn dieser geltendes Recht verletze. Ein solcher Rechtsverstoß sei aber bei dem Beschluss des Kreistags vom 13.12.2013 nicht festzustellen.

Die Story

Die „Vorgeschichte“ der gekippten Entscheidung stellt der HSK in seinem Antwortschreiben so dar:

Die Entscheidung des Landschaftsbeirats vom 19.11.2013 wurde einem Vertreter der Fischereigenossenschaft Diemel gleich am 19.11.2013 telefonisch mitgeteilt.

Am 05.12.2013 geht daraufhin beim HSK ein Schreiben der Antragsteller (Fischereigenossenschaft) ein (und zwar auf eine erneute Ausnahmegenehmigung zum Abschuss von Kormoranen in Naturschutzgebieten), in dem eine baldige Entscheidung über den Antrag vom 21.08.2013 gefordert wird.

Dabei weist die Fischereigenossenschaft darauf hin, „dass ansonsten die mit der zurückliegenden Erteilung der Ausnahmegenehmigung erreichte Rechtsposition der Fischereigenossenschaft bei gleichzeitiger Abwägung der Interessen von Fisch- und Vogelschutz durch die Verwaltung und unveränderter Sach- und Rechtslage ohne nachvollziehbare sachliche Gründe verschlechtert werde“.

Dieser Satz war, wenn wir das Schreiben des HSK vom 06.01.2014 richtig interpretieren, für den Landrat der Anhaltspunkt dafür, dass die Angelegenheit keinen Aufschub mehr duldet, da die Tagesordnung für die Sitzungen des Kreisausschusses und des Kreistags am Tag des Eingangs des Schreibens der Fischereigenossenschaft bereits versandt worden war.

Dabei hatte die Fischerei-Lobby doch über zwei Wochen Zeit, sich zu besinnen …. und … auf den richtigen Moment für ihre Intervention zu warten.

Die Reaktion des Hochsauerlandkreises und des Kreistags

Am 12.12.2013 sei dann die neu erstellte Verwaltungsvorlage 8/989 auch gleich an alle Kreistagsmitglieder per E-Mail abgeschickt worden und zwar mit dem Hinweis auf die erforderliche Entscheidung zur Erweiterung der Tagesordnung. Kreisausschuss und Kreistag seien den Hinweisen zur Erweiterung der Tagesordnung gefolgt und hätten bei einer Gegenstimme die Tagesordnung um den betreffenden Tagesordnungspunkt ergänzt. Der Kreistag sei dem Beschlussvorschlag der Verwaltungsvorlage 8/989 (Abschuss von Kormoranen in Naturschutzgebieten) mehrheitlich gefolgt.

Aus den vorstehenden Gründen werde er, so schreibt Landrat Dr. Karl Schneider, die Beschlüsse des Kreisausschusses und des Kreistags vom 13.12.2013 zur jeweiligen Erweiterung der Tagesordnung nicht beanstanden.

Unser Resümee

Aus den vorstehenden Gründen fragen wir uns, obVerwaltung und Kreistag den Landschaftbeirat zu einer reinen Alibi-Veranstaltung degradieren.

Außerdem fragen wir uns, wieso eine kleine Fischereigenossenschaft im Hochsauerlandkreis so viel Macht und Einfluss hat. Der Fisch stinkt doch bis zum Himmel und zurück!?

Wieder „Finnentag“: Gruselig geht es weiter …

Finnische SS-Freiwillige im Truppenlager Gross Born, 1941.
Finnische Jäger, an die auf Finnentagen keiner erinnern will: Angehörige des Finnischen Freiwilligenbataillons der Waffen-SS üben 1941 für den Überfall auf Russland (wikipedia***)

Auch in diesem Jahr treffen sich im schleswig-holsteinischen Hohenlockstedt deutsche und finnische Militärs, um ihre gemeinsamen Kampftraditionen abzufeiern. Am 1. März 2014, dem sogenannten Finnentag, wird eines Finnischen Jägerbataillons gedacht, das 1915 mit Hilfe des kaiserlichen deutschen Heeres auf dem örtlichen Truppenübungsplatz aufgestellt, ausgebildet und 1917/18 mit deutschen Offizieren gegen die russische Armee und die finnische Arbeiterbewegung in die Schlacht geschickt wurde.

(von unserem Gastautor Georg Blum)

Die für diesen Anlass entworfene Geschichtslegende wurde an dieser Stelle bereits im letzten Jahr analysiert – und durch einen wütenden Kommentar aus dem Lager der Traditionspfleger noch einmal eindrucksvoll dokumentiert (Link). Ein Blick auf diese Texte ist unbedingt empfehlenswert: Die Kaltblütigkeit, mit der die deutsch-finnische Waffenbrüderschaft im Lager des „Weißen Terrors“ als Startimpuls für die finnische Unabhängigkeit und eine Demokratie skandinavischen Typs ausgegeben wird, lässt einen frieren. Aber das wappnet immerhin gegen milde Nachsicht gegenüber greisen Militaristen.

In Wahrheit radikalisierte das Bündnis zwischen Kaiserheer und finnischen Freiwilligen das Morden im Finnischen Bürgerkrieg. Danach, nach dem Sieg der Weißen, etablierte es eine Bananenmonarchie mit dem Schwager Kaiser Wilhelms II. als finnischem König. Die staatliche Autonomie Finnlands und seine Parlamentarisierung wurden erst durch die Arbeiterräte der deutschen Novemberrevolution möglich, die den deutschen Kaiser und den finnischen König von ihren Thronen jagten – also genau durch jenen Typ von Volksbewegung, den die finnischen Jäger in ihrer Heimat zu vernichten suchten.

Wer sich einigermaßen nüchtern über das Jägerbataillon und seine deutsch-finnischen Traditionswahrer informiert, erkennt unschwer die wirkliche Traditionslinie dieser eigentümlichen Formation: die unverbrüchliche Gewaltbereitschaft gegen Russen und Kommunisten.

Auf der finnischen Seite des Bündnisses beginnt diese Traditionslinie mit den bereits erwähnten Bürgerkriegseinsätzen gegen finnische und russische „Rote“ 1917/1918, spannt sich weiter über die Teilnahme finnischer Jäger am Interventionskrieg gegen Russland 1919, die Formierung einer überwiegend antirussischen Staatsarmee mit den von Deutschen ausgebildeten Jägeroffizieren als Leitungskadern in den zwanziger Jahren, den finnisch-russischen „Winterkrieg“ 1939/40, den „Fortsetzungskrieg“ gegen Russland mit der Unterstützung Nazideutschlands 1941/44, um dann nach 1945 vor allem im Offizierskorps der finnischen Armee unterirdisch fortzuleben. Aus diesem Milieu stammen die finnischen Stammgäste in Hohenlockstedt. Sie treiben in Finnland eine Traditionspflege, in der die zahlreichen Russlandeinsätze der Finnen so positiv erscheinen wie die Hilfe der Bundeswehr beim Elbhochwasser.

Die Traditionslinie auf deutscher Seite ist nahezu gleich. Deutsche Kommandeure des Jägerbataillons stellten, auf der Grundlage ihrer Kampferfahrungen im Finnischen Bürgerkrieg, die Elite des „Weißen Terrors“ im deutschen Militär. Viele schlossen sich den baltischen Freikorps an und halfen beim Kampf gegen die Arbeiterräte in Deutschland, machten 1920 beim Kapp-Putsch mit, um sich schließlich innerhalb der nationalsozialistischen Wehrmacht durch besonders unmenschliche Kriegsführung in der Sowjetunion auszuzeichnen.

Krönung dieser miteinander verschlungenen Traditionslinien war die im Mai 1941 von der deutschen und der finnischen Regierung gemeinsam betriebene Aufstellung des Finnischen Freiwilligen-Bataillons der Waffen-SS. Es umfasste ca. 1.500 Finnen, überwiegend bürgerlicher Herkunft, vielfach Anhänger des Faschismus, und beteiligte sich im Rahmen der Waffen-SS Division Wiking am Einmarsch in die Sowjetunion und an zahlreichen Einsätzen in deren Hinterland, darunter auch Massenerschießungen. Diese Formation durfte auf finnischen Wunsch nur gegen die Sowjetunion eingesetzt werden. Sie wurde ganz offiziell, auch hierauf hatte der damalige finnische Außenminister Witting gedrungen, in die Tradition des Lockstedter 27. Jägerbataillons gestellt, ihre Angehörigen in Deutschland wie in Finnland als „finnische Jäger“ bezeichnet.

Doch die Verbindung zwischen den Jägern und der SS war nicht nur ideologisch fundiert, sondern auch personell und operativ. Ehemalige Angehörige des Jägerbataillons waren führend an der Werbung und Instruktion der Freiwilligen beteiligt: Esko Riekki, Unternehmersohn aus Oulu, 1915 bis 1917 Werber für die Lockstedter Jäger in Finnland, 1918 bei den Weißen, dann Organisator der Grenztruppen, von 1923 bis 1939 Leiter der finnischen Geheimpolizei, anschließend Offizier im Winterkrieg – in der Literatur als „Wachhund des Weißen Finnland“ gekennzeichnet. Riekki handelte die Konditionen des finnischen Waffen-SS-Bataillons in Berlin persönlich mit Heydrich und anderen SS-Größen aus. Ferner Ragnar Nordström, kaufmännischer Angestellter, in Lockstedt ausgebildeter Jäger, Kommandeur finnischer Interventionisten in Russland, später Großreeder, im Nebenberuf Kriegswaffenbeschaffer in staatlichem Auftrag ab 1939, Deutschland-Beauftragter des Oberkommandierenden Marschall Mannerheim ab 1940, Berater der finnischen Regierung für das von finnischen Truppen besetzte Karelien ab Sommer 1941. Schließlich die ehemaligen Jägeroffiziere Pehr H. Norrmen, Arvi Kalsta, Gunnar Lindquist, Harry Backberg.

Alle Aspekte der Jägertradition in der Zeit des II. Weltkrieges bleiben auf den Hohenlockstedter Finnentagen durchweg ausgespart. Werden die Vorfälle im I. Weltkriegs und unmittelbar danach, im Vertrauen auf historische Kenntnislücken der deutschen Öffentlichkeit, noch zum demokratischen Startimpuls umgelogen, so rettet man sich angesichts der offenen Kumpanei beim rassistischen Massenmord an Russen im II. Weltkrieg ins Verschweigen.

Wie soll das weitergehen? Der kommende Finnentag wird, so lassen Gästeliste und Programm erkennen, die unsägliche Linie der Traditionspflege bruchlos fortsetzen. An vorderster Front wird wieder der vielseitig dekorierte Finnland-Verbindungsoffizier der Bundeswehr und Junge Freiheit-Leser Mark Aretz agieren (eine Kostprobe aus seiner Feder unter http://jungefreiheit.de/sonderthema/2007/leserbriefe/) Wie die Presse berichtet, wird der für den Finnentag verantwortliche Kultur- und Geschichtsverein Hohenlockstedt außerdem in diesem Jahr, dem Jubiläumsjahr des Kriegsbeginns 1914, eine Ausstellung ausrichten. Historiker der Universität Kiel arbeiten an der Konzeption mit. Weiterer Kooperationspartner ist der belgische Weltkriegshistoriker Jan Vancoillie, der den rechtsradikalen Vlaams Blok im Stadtparlament von Kortrijk vertrat. Die Schleswig-Holsteinischen Landtagsabgeordneten Birgit Herdejürgen (SPD) und Heiner Rickers (CDU) übernehmen die Schirmherrschaft. Der Vereinsvorsitzende Achim Jabusch: „In Hohenlockstedt findet die umfassendste Ausstellung zum Ersten Weltkrieg in Schleswig-Holstein statt. Wir werden die Ausstellung auch als Schulprojekt anbieten und Schulen in ganz Schleswig-Holstein informieren.“ (nachzulesen unter: http://www.shz.de/lokales/norddeutsche-rundschau/voelkerverstaendigung-ueber-grenzen-id3871866.html)

Soll das so weitergehen? Nein, diese Zustände müssen ein Ende finden. Es muss endlich offen ausgesprochen werden: Der Kaiser ist nackt. Die Traditionspflege in Hohenlockstedt ist militaristisch. Sie verschweigt Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie liefert ein Zerrbild der historischen Aufarbeitung von Bürgerkrieg und II. Weltkrieg in Finnland. Sie liegt inhaltlich und methodisch weit unter den Mindestanforderungen an politische Bildung in einem demokratischen Gemeinwesen und hat an Schulen schon gar nichts zu suchen. Sie ist offen für rechtsradikales Gedankengut.

Der Kulturverein und das von ihm betreute Hohenlockstedter Museum haben sich der historischen Wahrheit zu stellen. Die örtlichen politischen Parteien dürfen die Verlogenheit des „Finnentages“ in seiner derzeitigen Form nicht weiter durch ihre Teilnahme stützen. Gleiches gilt für die Bundeswehr und die finnische Botschaft, die mit ihrer jährlichen Beteiligung am „Finnentag“ und ihrer Parteinahme für dessen einseitige Geschichtspropaganda ihren Verpflichtungen gegenüber der pluralen finnischen Gesellschaft nicht gerecht werden. Die Geschichte Finnlands und der finnisch-deutschen Beziehungen ist reich an packenden Entwicklungen und Problemstellungen – sie hat eine bessere Vermittlung verdient. Das würde auch der Gemeinde Hohenlockstedt nutzen.

*** Bildquelle: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Finnish_SS_volunteers_in_Gross_Born.jpg

Umleitung: kurz, kürzer, am kürzesten, monothematisch – ein Jahr Zombie-Zeitung.

Das war vor Jahren: Westfälische Rundschau - Hochhauswerbung in Dortmund (archiv: zoom)
Das war vor Jahren: Westfälische Rundschau – Hochhauswerbung in Dortmund (archiv: zoom)

Ein Jahr nach Schließung der Rundschau-Redaktion: Die Folgen schmerzen noch! … revierpassagen

Jahrestag: Heute vor einem Jahr war einer der schwärzesten Tage meines beruflichen Lebens. Der Rausschmiss für die 120 Redakteurinnen und Redakteure und das Aus für viele freie Mitarbeiter der Westfälischen Rundschau wurde verkündet … absprung

Anmerkung: mehr habe ich beim besten Willen nicht gefunden.

LSVD stellt Strafanzeige gegen openPetition: Volksverhetzende Kommentare gegen Lesben und Schwule. Campact als Alternative zu openPetition.

Auf der Website des Lesben und Schwulenverbandes Deutschland haben wir die folgenden Informationen über eine Strafanzeige vom 13. Januar gegen openPetition gefunden. Auch die Argumente „Für Demokratie und Vielfalt“ im Blog des Verbandes sind sehr lesenswert.

Die Internetplattform openPetition hat eine Petition veröffentlicht, die sich gegen Pläne der baden-württembergischen Regierung richtet, das Thema Akzeptanz von Lesben und Schwulen in den Bildungsplan 2015 zu verankern. Dazu erklärt Manfred Bruns, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):

Diese Petition ist geprägt von Panikmache, Paranoia und Ablehnung von Lesben und Schwulen. Auch in den dort veröffentlichten Kommentaren entlädt sich eine erschreckende Feindlichkeit und zeigt sich die Brüchigkeit einer öffentlich beteuerten Toleranz und Liberalität. Einige der Kommentare sind nicht mehr vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt, sondern erfüllen den Straftatbestand der Volksverhetzung.

Der Betreiber openPetition ist unserer Meinung nach verpflichtet, die Webseite laufend zu überwachen und neue volksverhetzende Kommentare sofort zu entfernen. Das tut der Betreiber nicht. Vielmehr wartet er ab, bis Besucherinnen und Besucher der Webseite an den Kommentaren Anstoß nehmen und sie zur Löschung melden. Bereits das ist eine Zumutung. Lesben und Schwule werden dazu gezwungen, diese Kommentare zu durchforsten und Hassbotschaften zu lesen.

Aber selbst nach einer Meldung löscht der Betreiber die beanstandeten Kommentare meist nicht sofort, sondern erst nach mehrmaliger Mahnung. Die volksverhetzenden Kommentare stehen dann längere Zeit auf der Webseite. Daher haben wir heute Strafanzeige gegen den Betreiber OpenPetition gGmbH gestellt.

Viele Menschen haben bislang die sogenannte Gegenpetition unterschrieben, die wir auch hier im Blog verlinkt haben, und die bis zum jetzigen Zeitpunkt 73.000 UnterstützerInnen hat. Dazu schreibt Nele Tabler kritisch in ihrem Blog:

Einerseits hat sich meine Meinung zu einer Gegenpetition im Grunde genommen nicht geändert, andererseits sehen das viele Menschen anders und wollen ihre Solidarität zeigen. Glücklicherweise gibt es inzwischen zu der aus mehreren Gründen unsäglichen Gegenpetition auf openPetition eine wirkliche Alternative mit einem knappen und guten Text: Vielfalt gewinnt

Die von Nele Tabler genannte Campact-Kampagne hat bislang knapp 120.000 UnterstützerInnen. Sie wird von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unterstützt und lautet:

Sehr geehrter Herr Kultusminister Andreas Stoch,
sehr geehrte Abgeordnete des Landtages von
Baden-Württemberg,

wir sind tief besorgt über die populistische Hetze, mit der im Internet gegen den Bildungsplan Ihres Landes Stimmung gemacht wird. Jugendlichen Akzeptanz für die Vielfalt an Lebensstilen und sexuellen Orientierungen zu vermitteln – dies ist unabdingbar für eine freie Persönlichkeitsentfaltung und den sozialen Zusammenhalt in unseren Schulen.

Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Wir wollen eine Gesellschaft, die aus gelebter Vielfalt und Toleranz erwächst. Wir freuen uns, wenn Menschen sich lieben.

Mit freundlichen Grüßen

Verwirrend? Alles ganz einfach! Zu der rückwärtsgerichteten Ausgangspetition gegen den Bildungsplan der Baden-Württembergischen Landesregierung gibt es eine Gegenpetition auf der selben Plattform namens openPetition und eine Unterschriftenliste auf der Plattform Campact, die sich als Unterstützung für den Bildungsplan versteht.

Wen das jetzt alles an die zersplitterten Befreiungsfronten bei Monty Pythons Leben des Brian erinnert, dem sage ich: Glückwunsch Du besitzt die intellektuelle Fähigkeit die Lage zu durchschauen 😉

Hochsauerlandkreis: Spitzenkandidaten der Piraten treffen sich zur ersten Klausurtagung

Piraten Klausurtagung
Die Spitzenkandidaten aus dem Kreis, der Stadt Arnsberg und der
Gemeinde Bestwig (von links nach rechts: Daniel Wagner [Arnsberg, Platz
1 Arnsberg, Platz 1 HSK], Florian Otto [Brilon, Platz 3 HSK], Pascal
Kirtz [Bestwig, Platz 2 Bestwig], Sven Salewski [Arnsberg, Platz 3
Arnsberg, Platz 2 HSK], Julius Hahn [Bestwig, Platz 1 Bestwig],
Reinhold Karle [Arnsberg, Platz 2 Arnsberg, Platz 4 HSK]) (foto: piraten)
Meschede. (piraten_pm) Am Sonntag, den 12. Januar 2014, trafen sich die Spitzenkandidaten der Stadt- und Gemeinderatswahlen Arnsberg & Bestwig und des Kreistags um erste gemeinsame Ideen für die kommenden Wahlen zu beraten.

Neben dem kommenden Wahlkampf waren sowohl die Strukturierung und Koordination zukünftiger Piratenfraktionen, die Ideen zur Beteiligung der Bürgerinnen und Bürgern in den Räten, als auch die Vernetzung mit Fraktionen über den Kreis hinaus Themen des Treffens.

Schon am 14. Dezember hatte die Kreismitgliederversammlung der Piratenpartei Hochsauerlandkreis ein Spitzentrio für die anstehenden Kreistagswahlen bestehend aus Daniel Wagner, Sven Salewski und Florian Otto gewählt.

Zu Klausurtagung am Sonntag kamen die Spitzenkandidaten aus Arnsberg (Daniel Wagner, Reinhold Karle, Sven Salewski), sowie das Spitzenduo aus Bestwig (Julius Hahn, Pascal Kirtz).

Keiner der antretenden Spitzenkandidaten bringt Parlamentserfahrung mit. Ziel sei es, nicht in die Muster der bereits in den Parlamenten vertretenen Fraktionen zu verfallen. Sollten Piraten in die Parlamente gewählt werden, wollen diese „die Dinge anders anzugehen“, ähnlich wie es bereits seit zwei Jahren innerhalb der Piratenpartei HSK ausprobiert werde.

Umleitung: Urkatastrophe, Sozialtourismus, Homosexualität in Medien und Evolution, neuer Mann für Funke Medien, ausgebrannte Kinder in der Leistungsfalle und mehr.

Um die Ennert
Um die Ennert (foto: zoom)

Die sogenannte Urkatastrophe 1914: Selektives Gedächtnis … telepolis

Unwort des Jahres 2013: Sozialtourismus … sprachlog

Der Deutschlandfunk über „Gleichschaltung“ und „Homosexualität als Leitkultur“: Ein Gespräch im Deutschlandfunk macht Furore auf rechten Internetseiten … niggemeier

Was Männer lieben: Das Thema Homosexualität könnte einem zum Hals heraus hängen … scienceblogs

Sexuelle Vielfalt im Unterricht: Wieso ist der Lehrplan so umstritten? … tagesspiegel

Funke-Gruppe: Zeitungsmanager Joachim Liebler soll sich um NRW-Regionaltitel kümmern … wuv

Lebenshilfe mit Augenzwinkern: Wie schreibt man das Vorwort einer Doktorarbeit? … erbloggtes

Schüler in der Leistungsfalle: Durchgeplant und ausgebrannt … zdf

Der Fall Prokon: Es ist an der Zeit, den grauen Markt für Finanzprodukte endlich abzuschaffen … nachdenkseiten

Hannelore Kraft: Die SPD-Hoffnungsträgerin zerstört Hoffnungen … postvonhorn

Rien ne va plus: „Der Spieler“ am Düsseldorfer Schauspielhaus … revierpassagen

TEATRON Theater: Zusatzvorstellung zu Kurt Tucholsky … neheimsnetz

„Werner Eickler-Arena“: Ein schillernder Varieté-Abend im Oversum Winterberg … derwesten