Schwadronieren statt informieren: Was der Winterberger Bürgermeister in seiner Neujahrsansprache zum Oversum sagt.

schuetzenhalle
Die Schützenhalle Siedlinghausen, wohin der Winterberger Bürgermeister zum Neujahrsempfang am 10. Januar 2014 geladen hatte. (foto:zoom)

Immer wieder hören wir von Herrn Eickler, Winterberger Bürgermeister, dieselben Floskeln, wenn es um das gescheiterte Leuchtturmprojekt Oversum geht. Dies gilt leider auch für seine Neujahrsansprache 2014.

Man habe „nach europaweiter Ausschreibung“ „Wirtschaftlichkeitsanalysen und Gutachten“, „intensiver Diskussionen“ und „Abwägungsprozesse(n)“ im Winterberger Rat „einstimmig“ entschieden.

Zur Erinnerung: Die Demokratie lebt vom Dissenz und inhaltliche Auseinandersetzungen sollten nicht nur an Stammtischen und in geschlossenen Ratssitzungen stattfinden.

Insbesondere von der Opposition erwarten viele Bürger, dass sie opponiert, dass Sie eine eigene Position vertritt und nicht zum Sprachrohr der stärksten im Rat vertretenen Partei verkümmert.

Weiter im Text der Neujahrsansprache:

Das Oversum an sich gut.

Was bitte ist an einem Schwimmbad „gut“, welches ein knappes Jahr betrieben wurde und nun seit rund neun Monaten geschlossen ist? Was bedeutet „an sich“ in diesem Zusammenhang?

„Verhandlungspaket“ und “Verträge ermöglichen eine riesige Angebotsvielfalt und viele Chancen – nur sie werden (noch) nicht gelebt“, so der Bürgermeister.
Worin besteht das Angebot? – Freibad? Nein. Eislauffläche? Nein. Schwimmbad? Nein. Wahrlich eine „riesige Angebotsvielfalt“, aber faktisch reichlich tot.

Die Phrase „noch nicht gelebt“ wird von Herrn Eickler immer und immer wieder strapaziert. Was wären das für Chancen, die zu leben sind? Könnten wir das endlich einmal konkret erfahren? Was meint der BM, wenn er sagt, die Stadt würde „alle vertraglichen Inhalte nach wie vor vollständig leben“?

Wir arbeiten seit Monaten intensiv und hoch professionell an einem Zukunftskonzept und es wird auch eine Lösung geben.

Kein Wort darüber, wie dieses Konzept aussehen könnte, welche Lösung dem BM vorschwebt.

Der Weg, um dies zu erreichen, ist aber schwierig, hängt er doch von so vielen Beteiligten ab, die mitreden, vor allem aber auch bereit sein müssen, sich einzubringen. Auch deswegen gibt es eine von Rat und Verwaltung getragene Doppelstrategie: Ob wir über die Juristerei oder über den von uns immer präferierten Verhandlungsweg zum Ziel kommen, ist offen.

Wer bei dem Wort ‚Beteiligte‘ noch dachte, hier wären auch die Winterberger Bürgerinnen und Bürger gemeint, wird sofort eines Besseren belehrt. Die ‚Beteiligten‘ sind die Stadt mit Vertretern der Nachfolgefirmen von Herrn Wäschers GmbHs, die juristisch oder im Hinterzimmer „zum Ziel kommen“.

Was bleibt dem Bürger?

Auf eins können sich unsere Bürger verlassen: Wir werden erst dann im Rat gemeinsam einer Lösung zustimmen, wenn diese das Beste für unsere Stadt und unsere Bürger ist. Erst dann.

Liebe Mitbürgerinnen und Bürger, nun können wir froh und zufrieden sein, denn für uns wird das Beste getan. Damit es auch wirklich zum Besten kommt, darf niemand aufmucken.

Und deshalb ist es wichtig, dass Sie uns auch in dieser Phase vertrauen, dass weiterhin Bürgerschaft, Politik und Verwaltung fest zusammenstehen und sich auch nicht durch äußere Einflüsse entzweien lassen.

Hätte Herr Eickler uns nicht Bürger, sondern Untertanen genannt, wäre das Bild stimmig gewesen:

Wir werden nicht informiert, wir werden nicht politisch beteiligt, wir dürfen uns nicht äußern. Wir sollen den Mund halten, weil wir sonst alles kaputt machen würden. Rat und Bürgermeister werden es schon richten.

17 Gedanken zu „Schwadronieren statt informieren: Was der Winterberger Bürgermeister in seiner Neujahrsansprache zum Oversum sagt.“

  1. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf den hervorragenden Beitrag von Karin Schroeder zu Bürgerbeteiligung und Transparenzhier im Blog aufmerksam machen.

    http://www.schiebener.net/wordpress/?p=27106

    Auszüge:

    „Es geht um mehr Transparenz und echte Bürgerbeteiligung (mein Favorit: die Planungszellen nach Prof. Dr. Dienel) – statt Bürgerbeteiligung ‚light‘ erst nach bereits gefassten Beschlüssen.“

    Und:

    „Die vielfach beschriebene Politikverdrossenheit resultiert auch aus einem Mangel an wichtigen versteh- und nachvollziehbaren Informationen und aus einem mangelnden Vertrauen in die Gestaltungsfähigkeit der Bürgerschaft. Die Empörung darüber in der Bürgerschaft wächst, was an den zunehmenden Bürgerinitiativen ablesbar ist. Gut so.“

    http://www.schiebener.net/wordpress/?p=27106

  2. @Johanna

    Noch etwas. Die Äußerungen der Politiker im Vorwahlkampf sind Politik, d.h. dahinter steckt eine Strategie. Ähnlich inhaltsleer hatte sich der BM schon bei der Ankündigung seiner Kandidatur geäußert und das ist durchaus gewollt: Keine Problem aufrühren, das gibt nur unliebsame Diskussionen und Nachfrage – die Zukunft rosarot ausmalen.

    Kostprobe:

    [Zitat BEGINN]
    Wir haben uns gemeinsam auf den Weg gemacht und das Zusammenwachsen in allen Bereichen unserer Stadt und unseren Dörfern ist deutlich zu spüren. Dennoch sind wir längst nicht am Ziel. Zusammenhalt und Zusammenwachsen müssen noch mehr werden, wenn wir die demographischen Herausforderungen meistern, wenn wir die Chancen ergreifen wollen, die sich für Winterberg auftun können. Winterberg ist eine tolle Stadt mit guten und gesunden Entwicklungsmöglichkeiten. „Wenn man sieht, wie toll Winterberg sich entwickelt hat…,“ sprechen uns Stimmen aus der Region und darüber hinaus an. Wir sind überrascht, wie andere teilhaben an dem, was bei uns in Winterberg und unseren Dörfern vor sich geht, wie man über uns denkt und was man hört. Immer wieder werden wir auf die positive Entwicklung Winterbergs in Wirtschaft und Tourismus angesprochen. Vielleicht können wir das Potenzial, das in uns steckt, im Moment nur erahnen. Spannend wird es zu sehen, was alles noch möglich ist. Ich bin gern bereit, gemeinsam mit dem zukünftigen Stadtrat weiter daran mitzuarbeiten, wenn uns die Wähler als neues Team dazu erneut ihr Vertrauen geben, und zwar in einer gemeinschaftlichen Wahl von Stadtrat und Bürgermeister.“
    [Zitat ENDE]

    http://www.rathaus-winterberg.de/Rathaus-Aktuelles/Rathaus-Winterberg-am-26.-November-2013-Die-Buergermeister-von-Hallenberg-Medebach-Olsberg-und-Winterberg-erklaeren-bereits-im-Mai-2014-wieder-zu-kandidieren

    Es hat im Übrigen, soweit ich das beurteilen kann, noch niemand eine persönliche Verantwortung für das Oversum-Desaster übernommen. Ich habe es bislang eher so wahrgenommen, dass der Rat in eine Art Kollektivhaft genommen wird.

  3. Irgendwer muss irgendwo Intensiv-Kurse für „Positiv-Gelaber und -Geschreibe“ anbieten. Die Seminare sind wahrscheinlich der Renner!?

  4. Es steht sogar zu befürchten, dass die exorbitanten Kursgebühren der „Intensivkurse für unverbindliches Wahlkampfdampfgeplaudere für Angehörige der öffentlichen Verwaltung vor tumbem Volk“ am Schulungszentrum der öffentlichen Verwaltung Hameln (… moderiert ..) auch noch vom Steuerzahler zu begleichen sind.

    Ob auch Herausforderer Ott das Kursziel erreicht hat? Es dürfte ihn erhebliche Mühen gekostet haben, nächtelanges Studieren. So oder so wäre die Zeit besser in veritabler Oppositionsarbeit und in der Entwicklung von alternativen Visionen für Winterberg investiert gewesen. Andererseits: Unter den Einäugigen sind die Blinden bekanntlich König.

    1. Ich denke, dass es sich um eine bewusste oder unbewusste Strategie handelt.

      Da niemand Verantwortung übernimmt, kann es ja im Umkehrschluss auch keine Fehler gegeben haben, denn sonst hätte ja jemand Verantwortung übernehmen müssen.

      Das PPP-Desaster Elbphilharmonie, der große Bruder des Oversums, wird zur Zeit aufgearbeitet. Verantwortliche und Fehler kommen ans Licht, ob zu Genüge, kann ich nicht beurteilen.

      Klar, der juristische und Vertragsgegner scheint ein zäher Knochen, aber diese Tatsache kann auf Dauer kein Grund zur Selbstentschuldung sein.

      Steht der Herausforderer auf Seiten der SPD denn schon fest?

  5. Überraschung:

    Auf der Website der GALL-Leimen habe ich einen Eintrag gefunden, der zu einer Aktennotiz der s.a.b verlinkt. Man beachte die Wortwahl.

    http://www.gall-leimen.de/txt_sab4.htm zum Datum scrollen:

    „21.1.2008 Besprechung s.a.b. mit Stadtverwaltung, neues Nutzungskonzept und Vermeidung des Themas im OB-Wahlkampf (nach Angaben der s.a.b.)“

    In der Aktennotiz ist unter anderem (Hervorhebungen von mir) bemerkt:

    „Im Termin vom 21. Januar 2008 wurde weiterhin über die absolute Vermeidung des Themas „Bäderpark“ als Wahlkampfthema gesprochen. Es wurde sich darüber geeinigt, dass s.a.b. und Stadt gemeinsam eine Strategie zum Weiterbetrieb des s.a.b. aqua balance festlegen und diese anschließend auch als gemeinsam festgelegten Weg im Gemeinderat präsentieren wollen. Bis nach den Bürgermeisterwahlen solle das Thema aber ruhen.

    Hier alles lesen: http://www.gall-leimen.de/Heinevetter1.pdf

    Die Vermutung, dass der Winterberger BM eine ähnliche Wahlkampfstrategie fährt, liegt nahe. Sie ist äußerlich analog. Ob es weitere Absprache gibt, lässt sich nicht sagen, weil der BM ja nichts sagt.

  6. Recherchen ergaben nichts. Aber in Winterberg wird darüber gesprochen. Man sollte Herrn Koch mal direkt fragen. Er wird es ja wohl wissen.
    Wobei es stimmt, was die Vorkommentatoren zu dem Thema schrieben: Wer soll dieses Erbe antreten ? Und warum auch noch freiwillig ?
    Die in Rätsel formulierten wenigen Artikel aus der Lokalpolitik der letzten Tage in der WP lassen nichts Gutes vermuten.
    Mit den Fakten warten dann immer die Leserbriefe oder die Kommentare im Netz auf. Unser „Mein Abo plus“ müsste sich eigentlich diesen Themas annehmen…

    1. Wir brauchen einen BM, der schonungslose Aufklärung durchsetzen kann und dazu den Mut hat und den Rückhalt seiner Partei bekommt. Leider gibt es ja lediglich auf Bundes- und Landesebene sogenannte Untersuchungsausschüsse.

      Das unterscheidet übrigens die Elbphilharmonie in HH vom Oversum in Winterberg: Hamburg ist Land und hat einen Untersuchungsausschuss eingesetzt.

      Mir ist zur Zeit nicht klar, über welchen Hebel die BürgerInnen in Winterberg verfügen.

  7. @Gabi @Rüdiger

    Sicher enthält die Neujahrsansprache viel „Positiv-Gelaber und -Geschreibe“, Seifenblasen und Worthülsen. Aber die obrigkeitsstaatliche Überheblichkeit, mit der die Wähler aufgefordert werden, doch bitte ruhig zu sein und sich in eigener Sache nicht zu Wort zu melden, die habe ich bisher nur von Bürgermeistern im HSK gehört/ gelesen.

  8. @Johanna:
    Deswegen müssen wir dafür werben, am 25.Mai andere Bürgermeister zu wählen – in der Hoffnung, dass es Kandidatinnen und Kandidaten mit anderer Ausrichtung (z.B. im Hinblick auf Offenheit und Transparenz) als die Amtsinhaber gibt.

  9. Zitat @zoom: „Mir ist zur Zeit nicht klar, über welchen Hebel die BürgerInnen in Winterberg verfügen.“

    Angesichts der Tatsache, dass die Opposition ihre demokratisch vorgesehene, vornehmste Rolle als eben dieser Hebel verweigert, muss man seine Hoffnungen (so man denn nicht dem Defätismus anheimfallen will…) auf eine alternative Bürgermeisterkandidatur, auf die Rechts- und Fachaufsicht über Kommunen und auf die Staatsanwaltschaft richten und entsprechendes veranlassen.

    „Niemals und unter keinen Bedingungen dürfen wir verzweifeln. Zu hoffen und zu handeln, das ist unsere Pflicht im Unglück. Tatenlose Verzweiflung bedeutet so viel wie die Pflicht vergessen und sich ihr entziehen.“
    Boris Pasternak

  10. Zitat @ Johanna: „Aber die obrigkeitsstaatliche Überheblichkeit, mit der die Wähler aufgefordert werden, doch bitte ruhig zu sein und sich in eigener Sache nicht zu Wort zu melden, die habe ich bisher nur [sic!] von Bürgermeistern im HSK gehört/ gelesen.“

    Ihre berechtigte Empörung sei Ihnen unbenommen, das „nur“ kann aber nicht unwidersprochen bleiben.

    Vielmehr ist das was Sie (zurecht!) bemängeln inzwischen ubiquitär, insbesondere in Berlin und Brüssel. Es ist der vorherrschende zeitgenössische Politikstil.

    Er ist Indiz der bevorstehenden Aufkündigung gesellschaftlicher Übereinkünfte, denn genau dieser Stil zieht sich in der Geschichte wie ein roter Faden durch Vorphasen von Revolutionen.

    Er versinnbildlicht sich ganz konkret in der Rautensymbolik einer passiv regierenden und vornehmlich auf Machterhalt bedachten Kanzlerin mit undemokratischer Vorprägung. In einer Bundestagswahl, in der brisante Fragen völlig ausgeblendet wurden. In einer Großen Koalition, die hinsichtlich notwendiger Reformen handlungsunfähig ist. In Politikern ohne moralischen Kompass und in Parteien ohne programmatischen Kern. Im alternativlosen Festhalten an einer gescheiterten Einheitswährung. In Junckers „Wenn es ernst wird muss man lügen“. Etc. pp.

    „Nur die Lüge braucht die Stütze der Staatsgewalt, die Wahrheit steht von alleine aufrecht.“
    Thomas Jefferson

  11. Zum Zitat von Thomas Jefferson biete ich folgende, nicht nur für Politiker gemachte Logik an: „Falls es stimmt, dass eine halbe Wahrheit schon eine halbe Lüge ist, muss eine halbe Lüge schon eine halbe Wahrheit sein. Zwei halbe Lügen wären dann die ganze Wahrheit.“ Nachzulesen bei Richard David Precht in „Die Kunst, kein Egoist zu sein – Der kategorische Komparativ – oder: Warum wir nie verantwortlich sind“ 🙂

  12. @ Nachbarsjunge: Chapeau!

    Um die Sache rund zu machen:
    „Man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen und das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen.“
    Abraham Lincoln

    Nota bene:
    Nicht nur der Empörung hingeben angesichts des Schwadronierens in der Neujahrsansprache. Nicht nur in den Bürgerrechten beschnitten, vielleicht sogar für dumm verkauft fühlen. Die Lage ist viel zu prekär.

    Das ist alles nur politisches Geplänkel. Schall und Rauch. Tagesgeschäft in einer unmoralischen Branche. Vergänglich, unbedeutend, gar zu entschuldigen.

    In der Ansprache ist viel mehr. Subtiles. Hinter den Buchstaben, den Wörtern, den Zeilen verbirgt es sich. Unsichtbar.
    Die tief im Erbgut verborgenen Instinkte aufwecken. Urzeitlich, evolutorisch bewährt, objektiv, untrüglich. Mit ihnen zu perzipieren versuchen. Langsam, sie sind eingerostet. Die viel zu subjektive Ratio völlig abschalten. Einfach nur in sich hineinhorchen.

    Da. Die Instinkte nehmen etwas wahr. Etwas ganz archaisches. Etwas in höchstem Maße beunruhigendes, unkontrollierbares, unbeherrschbares.

    Panik.

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