Wieder „Finnentag“: Gruselig geht es weiter …

Finnische SS-Freiwillige im Truppenlager Gross Born, 1941.
Finnische Jäger, an die auf Finnentagen keiner erinnern will: Angehörige des Finnischen Freiwilligenbataillons der Waffen-SS üben 1941 für den Überfall auf Russland (wikipedia***)

Auch in diesem Jahr treffen sich im schleswig-holsteinischen Hohenlockstedt deutsche und finnische Militärs, um ihre gemeinsamen Kampftraditionen abzufeiern. Am 1. März 2014, dem sogenannten Finnentag, wird eines Finnischen Jägerbataillons gedacht, das 1915 mit Hilfe des kaiserlichen deutschen Heeres auf dem örtlichen Truppenübungsplatz aufgestellt, ausgebildet und 1917/18 mit deutschen Offizieren gegen die russische Armee und die finnische Arbeiterbewegung in die Schlacht geschickt wurde.

(von unserem Gastautor Georg Blum)

Die für diesen Anlass entworfene Geschichtslegende wurde an dieser Stelle bereits im letzten Jahr analysiert – und durch einen wütenden Kommentar aus dem Lager der Traditionspfleger noch einmal eindrucksvoll dokumentiert (Link). Ein Blick auf diese Texte ist unbedingt empfehlenswert: Die Kaltblütigkeit, mit der die deutsch-finnische Waffenbrüderschaft im Lager des „Weißen Terrors“ als Startimpuls für die finnische Unabhängigkeit und eine Demokratie skandinavischen Typs ausgegeben wird, lässt einen frieren. Aber das wappnet immerhin gegen milde Nachsicht gegenüber greisen Militaristen.

In Wahrheit radikalisierte das Bündnis zwischen Kaiserheer und finnischen Freiwilligen das Morden im Finnischen Bürgerkrieg. Danach, nach dem Sieg der Weißen, etablierte es eine Bananenmonarchie mit dem Schwager Kaiser Wilhelms II. als finnischem König. Die staatliche Autonomie Finnlands und seine Parlamentarisierung wurden erst durch die Arbeiterräte der deutschen Novemberrevolution möglich, die den deutschen Kaiser und den finnischen König von ihren Thronen jagten – also genau durch jenen Typ von Volksbewegung, den die finnischen Jäger in ihrer Heimat zu vernichten suchten.

Wer sich einigermaßen nüchtern über das Jägerbataillon und seine deutsch-finnischen Traditionswahrer informiert, erkennt unschwer die wirkliche Traditionslinie dieser eigentümlichen Formation: die unverbrüchliche Gewaltbereitschaft gegen Russen und Kommunisten.

Auf der finnischen Seite des Bündnisses beginnt diese Traditionslinie mit den bereits erwähnten Bürgerkriegseinsätzen gegen finnische und russische „Rote“ 1917/1918, spannt sich weiter über die Teilnahme finnischer Jäger am Interventionskrieg gegen Russland 1919, die Formierung einer überwiegend antirussischen Staatsarmee mit den von Deutschen ausgebildeten Jägeroffizieren als Leitungskadern in den zwanziger Jahren, den finnisch-russischen „Winterkrieg“ 1939/40, den „Fortsetzungskrieg“ gegen Russland mit der Unterstützung Nazideutschlands 1941/44, um dann nach 1945 vor allem im Offizierskorps der finnischen Armee unterirdisch fortzuleben. Aus diesem Milieu stammen die finnischen Stammgäste in Hohenlockstedt. Sie treiben in Finnland eine Traditionspflege, in der die zahlreichen Russlandeinsätze der Finnen so positiv erscheinen wie die Hilfe der Bundeswehr beim Elbhochwasser.

Die Traditionslinie auf deutscher Seite ist nahezu gleich. Deutsche Kommandeure des Jägerbataillons stellten, auf der Grundlage ihrer Kampferfahrungen im Finnischen Bürgerkrieg, die Elite des „Weißen Terrors“ im deutschen Militär. Viele schlossen sich den baltischen Freikorps an und halfen beim Kampf gegen die Arbeiterräte in Deutschland, machten 1920 beim Kapp-Putsch mit, um sich schließlich innerhalb der nationalsozialistischen Wehrmacht durch besonders unmenschliche Kriegsführung in der Sowjetunion auszuzeichnen.

Krönung dieser miteinander verschlungenen Traditionslinien war die im Mai 1941 von der deutschen und der finnischen Regierung gemeinsam betriebene Aufstellung des Finnischen Freiwilligen-Bataillons der Waffen-SS. Es umfasste ca. 1.500 Finnen, überwiegend bürgerlicher Herkunft, vielfach Anhänger des Faschismus, und beteiligte sich im Rahmen der Waffen-SS Division Wiking am Einmarsch in die Sowjetunion und an zahlreichen Einsätzen in deren Hinterland, darunter auch Massenerschießungen. Diese Formation durfte auf finnischen Wunsch nur gegen die Sowjetunion eingesetzt werden. Sie wurde ganz offiziell, auch hierauf hatte der damalige finnische Außenminister Witting gedrungen, in die Tradition des Lockstedter 27. Jägerbataillons gestellt, ihre Angehörigen in Deutschland wie in Finnland als „finnische Jäger“ bezeichnet.

Doch die Verbindung zwischen den Jägern und der SS war nicht nur ideologisch fundiert, sondern auch personell und operativ. Ehemalige Angehörige des Jägerbataillons waren führend an der Werbung und Instruktion der Freiwilligen beteiligt: Esko Riekki, Unternehmersohn aus Oulu, 1915 bis 1917 Werber für die Lockstedter Jäger in Finnland, 1918 bei den Weißen, dann Organisator der Grenztruppen, von 1923 bis 1939 Leiter der finnischen Geheimpolizei, anschließend Offizier im Winterkrieg – in der Literatur als „Wachhund des Weißen Finnland“ gekennzeichnet. Riekki handelte die Konditionen des finnischen Waffen-SS-Bataillons in Berlin persönlich mit Heydrich und anderen SS-Größen aus. Ferner Ragnar Nordström, kaufmännischer Angestellter, in Lockstedt ausgebildeter Jäger, Kommandeur finnischer Interventionisten in Russland, später Großreeder, im Nebenberuf Kriegswaffenbeschaffer in staatlichem Auftrag ab 1939, Deutschland-Beauftragter des Oberkommandierenden Marschall Mannerheim ab 1940, Berater der finnischen Regierung für das von finnischen Truppen besetzte Karelien ab Sommer 1941. Schließlich die ehemaligen Jägeroffiziere Pehr H. Norrmen, Arvi Kalsta, Gunnar Lindquist, Harry Backberg.

Alle Aspekte der Jägertradition in der Zeit des II. Weltkrieges bleiben auf den Hohenlockstedter Finnentagen durchweg ausgespart. Werden die Vorfälle im I. Weltkriegs und unmittelbar danach, im Vertrauen auf historische Kenntnislücken der deutschen Öffentlichkeit, noch zum demokratischen Startimpuls umgelogen, so rettet man sich angesichts der offenen Kumpanei beim rassistischen Massenmord an Russen im II. Weltkrieg ins Verschweigen.

Wie soll das weitergehen? Der kommende Finnentag wird, so lassen Gästeliste und Programm erkennen, die unsägliche Linie der Traditionspflege bruchlos fortsetzen. An vorderster Front wird wieder der vielseitig dekorierte Finnland-Verbindungsoffizier der Bundeswehr und Junge Freiheit-Leser Mark Aretz agieren (eine Kostprobe aus seiner Feder unter http://jungefreiheit.de/sonderthema/2007/leserbriefe/) Wie die Presse berichtet, wird der für den Finnentag verantwortliche Kultur- und Geschichtsverein Hohenlockstedt außerdem in diesem Jahr, dem Jubiläumsjahr des Kriegsbeginns 1914, eine Ausstellung ausrichten. Historiker der Universität Kiel arbeiten an der Konzeption mit. Weiterer Kooperationspartner ist der belgische Weltkriegshistoriker Jan Vancoillie, der den rechtsradikalen Vlaams Blok im Stadtparlament von Kortrijk vertrat. Die Schleswig-Holsteinischen Landtagsabgeordneten Birgit Herdejürgen (SPD) und Heiner Rickers (CDU) übernehmen die Schirmherrschaft. Der Vereinsvorsitzende Achim Jabusch: „In Hohenlockstedt findet die umfassendste Ausstellung zum Ersten Weltkrieg in Schleswig-Holstein statt. Wir werden die Ausstellung auch als Schulprojekt anbieten und Schulen in ganz Schleswig-Holstein informieren.“ (nachzulesen unter: http://www.shz.de/lokales/norddeutsche-rundschau/voelkerverstaendigung-ueber-grenzen-id3871866.html)

Soll das so weitergehen? Nein, diese Zustände müssen ein Ende finden. Es muss endlich offen ausgesprochen werden: Der Kaiser ist nackt. Die Traditionspflege in Hohenlockstedt ist militaristisch. Sie verschweigt Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie liefert ein Zerrbild der historischen Aufarbeitung von Bürgerkrieg und II. Weltkrieg in Finnland. Sie liegt inhaltlich und methodisch weit unter den Mindestanforderungen an politische Bildung in einem demokratischen Gemeinwesen und hat an Schulen schon gar nichts zu suchen. Sie ist offen für rechtsradikales Gedankengut.

Der Kulturverein und das von ihm betreute Hohenlockstedter Museum haben sich der historischen Wahrheit zu stellen. Die örtlichen politischen Parteien dürfen die Verlogenheit des „Finnentages“ in seiner derzeitigen Form nicht weiter durch ihre Teilnahme stützen. Gleiches gilt für die Bundeswehr und die finnische Botschaft, die mit ihrer jährlichen Beteiligung am „Finnentag“ und ihrer Parteinahme für dessen einseitige Geschichtspropaganda ihren Verpflichtungen gegenüber der pluralen finnischen Gesellschaft nicht gerecht werden. Die Geschichte Finnlands und der finnisch-deutschen Beziehungen ist reich an packenden Entwicklungen und Problemstellungen – sie hat eine bessere Vermittlung verdient. Das würde auch der Gemeinde Hohenlockstedt nutzen.

*** Bildquelle: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Finnish_SS_volunteers_in_Gross_Born.jpg

4 Gedanken zu „Wieder „Finnentag“: Gruselig geht es weiter …“

  1. Hallo !

    Sie schrieben Zitat :

    „…Wer sich einigermaßen nüchtern über das Jägerbataillon und seine deutsch-finnischen Traditionswahrer informiert, erkennt unschwer die wirkliche Traditionslinie dieser eigentümlichen Formation: die unverbrüchliche Gewaltbereitschaft gegen Russen und Kommunisten.

    Auf der finnischen Seite des Bündnisses beginnt diese Traditionslinie mit den bereits erwähnten Bürgerkriegseinsätzen gegen finnische und russische „Rote“ 1917/1918, spannt sich weiter über die Teilnahme finnischer Jäger am Interventionskrieg gegen Russland 1919, die Formierung einer überwiegend antirussischen Staatsarmee mit den von Deutschen ausgebildeten Jägeroffizieren als Leitungskadern in den zwanziger Jahren, den finnisch-russischen „Winterkrieg“ 1939/40, den „Fortsetzungskrieg“ gegen Russland mit der Unterstützung Nazideutschlands 1941/44, um dann nach 1945 vor allem im Offizierskorps der finnischen Armee unterirdisch fortzuleben. …“

    Das heisst: Sie geben Finnland Schuld an dem Winterkrieg ?! An den Aggresionen eines Überfalls dem der Deutschen und Sowjets auf Polen gleichkommt ?!

    Das ist schlicht Geschichtsverdrehung.Den wenn man die wahren Ziele der Sowjets sieht,ist klar was das eigentliche Ziel war: Die Anektierung Finnlands.Der Vorwand das sich die Genze zu dicht an der Zweitgrössten Stadt der Sowjetunion befindet war doch nur Vorgeschoben,als ob ein kleiner Staat wie Finnland den Sowjets wirklich gefährlich werden konnte.Zudem war Viipuuri auch Zweitgrösste Stadt aber die Finnlands.Von daher hätte Finnland das gleiche Verlangen können.

    Der Mainila Zwischenfall.
    Mannerheim hatte extra seine Artillerie so weit von der Grenze ferne gehalten ,das sie nachweisslich nicht Mainila erreichen konnte.Das wird auch mittlerweile von der Russischen Geschichtsschreibung bestätigt.
    Sehr intressant dazu ist dieser Link der in Russisch/Finnischer zusammenarbeit über den Winterkrieg handelt.

    http://www.mdz-moskau.eu/fehlerimsystem/

    Dort wird genau das zugegeben was ich hier geschrieben habe und zwar von RUSSISCHER SEITE !

    Zum Schluss etwas für mich:

    Ich bin Deutsch-Finne und seid Jahren im Verband der Bundeswehrreservisten aktiv.Ich bin weder Rechtsradikal noch Nationalistisch.Mein Grossvater sass als Politischer Häftling im KZ Oranienburg.Es war von einem Nazi-Spion ,der die Gruppe von SPD und KPD (!) Mitgliedern, die sich in einer Widerstands Zelle befanden,an die Nazi Schergen Verraten worden.Er verstab kurz nach dem Krieg an den Folgen.

    Rechtes Gedankengut ist mir also absolut zuwider.Das ist wohl ein Punkt wo wir einer Meinung sind.

    Dennoch werde ich auch dieses Jahr aktiv an der Veranstaltung Teilnehmen,mit dem sicherem Gefühl mich in keinster Weise dafür Schämen zu müssen.

  2. Lieber Hallo,

    danke für den Link!

    1. zum Winterkrieg:
    Niemals behauptet, Finnland habe Russland angegriffen! Sondern: Der Winterkrieg war eine Etappe, in der das antirussische Feindbild des finnischen Armeekaders bestärkt wurde. Logisch, wenn man den Anlass in Rechnung stellt, aber eben auch die erwähnten militärischen Aktionen vorher und nachher mit betrachtet. Deren Realität Sie ja auch nicht bestreiten.

    2. zum Finnentag 2015:
    Wenn Sie gern am Finnentag 2015 teilnehmen, so habe ich dagegen überhaupt nichts. Die Organisatoren haben, soweit ich das bisher überblicke, aus der langjährigen und vielstimmigen Kritik an ihrer Veranstaltung ernste Konsequenzen gezogen.

    3. zu Ihrem Großvater:
    Der Fall interessiert mich sehr. Ich bin Historiker und arbeite über Widerstand und Verfolgung in Nazideutschland. Wollen Sie den Namen preisgeben?

    Freundliche Grüße!

  3. Natürlich kann man die Aufstellung der Finnischen Jäger so darstellen; dann lässt man einen relevanten Teil der historischen Umstände von 1914 aber mutwillig durch ein Rost fallen. Die Wortwahl „Gewaltbereitschaft gegen Russen und Kommunisten“ offenbart doch eine sehr ideologische Brille, die in der historischen Wissenschaft eine eher untergeordnete Rolle spielen sollte. Es fehlt die Einordnung in den russisch-schwedischen Krieg 1808/09, die massive Unterdrückung der finnischen Sprache, die massiven Russifizierungs-Bemühungen in 1899-1905 und 1909-1917. Und dass das Vorgehen gegen die so genannte Arbeiterbewegung die Folge eines Putsches der Linken im Gefolge der Revolution im benachbarten Russland war, gehört zur Einordnung ebenfalls dazu.

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