Umleitung: Antisemitismus, Terrorismus, Holocaust-Leugnung, Christinnen & Kirchen gegen Hetze, faule Deutsche, Paul Auster

„Unser Kreuz hat keine Haken“. Auch Christ*innen können gegen Rechts aktiv werden. (archivfoto: zoom)

Laut, leise, landesweit: Diejenigen am rechten Rand, die zu Antisemitismus stets leise waren, sind nun laut, wenn sie ihn als importiertes Problem darstellen können. Andere, von denen man nach dem 7. Oktober eine klare Haltung erwartet hätte, sind auffällig leise … belltower

Krieg gegen die Hamas: Mit Terroristen kann man nicht verhandeln … tagesschau

Holocaust-Leugnung und NS-Verherrlichung: Milde Strafe für antisemitischen QAnon-Propagandisten … endstationrechts

Gegen Hass und Hetze: Was Christinnen & Kirchen gegen Hetze und für den Frieden tun können … scilogs

Palästinensische Gruppen setzen Solidarität mit Rassismus gleich: Beratungsstelle ADIRA bewertet Kundgebung gegen Solidaritätskonzert als antisemitisch … nordstadtblogger

Die faulen Deutschen (Satire): Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten … zynaesthesie

Dem Tod gefasst entgegensehen: Paul Austers Roman „Baumgartner“ … revierpassagen

CORRECTIV verlässt Onlineplattform Twitter, jetzt X

In den vergangenen Monaten haben die Verbreitung von Desinformation und Hassrede auf der Plattform deutlich zugenommen. Dessen Eigentümer selbst verbreitet rassistische, antisemitische und populistische Inhalte. CORRECTIV nimmt seine Verantwortung als gemeinwohlorientiertes Medienhaus wahr und verlässt den Kurznachrichtendienst. Die CORRECTIV-Faktenchecks bleiben jedoch.

(Pressemitteilung)

Essen/Berlin, 27.November 2023. „Einst war Twitter informativ, gar lustig, später in Protestbewegungen sogar lebenswichtig, um Botschaften an die Öffentlichkeit zu senden. Inzwischen breiten sich Hass und Desinformation unkontrolliert aus, auch weil Elon Musk dies bewusst zulässt und sogar befeuert. Ein konstruktiver Diskurs ist auf der Plattform nicht mehr möglich“, sagt Justus von Daniels, CORRECTIV-Chefredakteur.

Unter Eigentümer Elon Musk und mit der Umbenennung zu X hat sich der Kurznachrichtendienst aus dem freiwilligen EU-Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformationen zurückgezogen. Auch der Einsatz von Medien für einen faktenbasierten Diskurs wurde zunehmend erschwert. Die Situation ist ernst. Falschmeldungen und Hassrede gehören zum Alltag. Die Ausrichtung von X ist demokratiegefährdend.

Aufgrund der Verbreitung illegaler Inhalte und Desinformation  im Zusammenhang mit den Ereignissen im Nahen Osten hat die EU eine Untersuchung gegen X eingeleitet. Damit nutzt die EU-Kommission Mittel des im August in Kraft getretenen Digital Services Act, die sehr große Social-Media-Plattformen wie X verpflichtet, unter anderem die Verbreitung von Falschbehauptungen einzudämmen.

CORRECTIV steht für eine starke Demokratie. Das tut das gemeinwohlorientierte Medienhaus auch mit der Entscheidung, X zu verlassen. Das Statement, das die Redaktion nach anhaltenden Bedenken gegen den fragwürdigen Kurs der Plattform setzen kann, ist, die Nutzung zu stoppen.

Nur CORRECTIV.Faktencheck wird weiterhin auf X vertreten sein. Gerade weil sich Desinformation aktuell wieder stärker auf X verbreitet, wird die Faktencheck-Redaktion weiter dort entgegenwirken, wo sich Falschbehauptungen stark verbreiten und ein Millionenpublikum erreichen. Um Desinformation künftig bekämpfen zu können, brauchen wir auch Ihre Unterstützung als Konsumentinnen und Konsumenten auf Social-Media-Plattformen. Haben Sie eine potenzielle Falschmeldung gesehen, schicken Sie uns diese gerne via Whatsapp zu an +49-151-17535184.  

Alle Inhalte lesen Nutzerinnen und Nutzer künftig im täglichen Newsletter CORRECTIV Spotlight oder auf alternativen Kanälen.

Umleitung: heimliches Filmen, Rechtsextreme, Funke-Reporter bedroht, Hass auf Israel, Geschichte Westfalens, Dialog über Rassismus, Facebook, BlueSky und mehr

Auf dem Weg von Silbach nach Siedlinghausen (foto: zoom)

Dein Bild als Beute: Das heimliche Filmen in der Öffentlichkeit hat sich zu einem eigenen Genre in den sozialen Medien entwickelt … netzpolitik

„Flak“: Rechtsextremer Musiker kann aus THW entlassen werden … endstationrechts

Staatlich subventionierte Hetze: Das meiste Geld für die rechtsradikale AfD kommt vom Staat. Mit Millionen Steuer-Euros bezahlt die Gesellschaft der Partei ihre Arbeit, die Demokratie abzuschaffen und Rassismus zu verbreiten … derrechterand

Funke-Reporter bei AfD-Parteitag in Thüringen erneut bedroht sagt: Beim Verlassen des Veranstaltungssaals wurde unser Reporter erst beschimpft, dann wurde er geschlagen und ihm die Kopfbedeckung abgezogen. Als der Reporter der Ostthüringer Zeitung kurze Zeit später in sein Auto stieg und losfahren wollte, bemerkte er in allen vier Reifen Schrauben, die bis zum Kopf versenkt worden waren … medienmoral

Im Landtag BW gegen Antisemitismus: Am Donnerstag dieser Woche hielt ich die wichtigste Rede meines bisherigen Lebens … scilogs

Hass auf Israel: Hass auf Juden und aktuell Israel ist nichts Neues. Es gibt ihn seit Jahrhunderten. Ihren bisherigen Höhepunkt erreichte er im Nationalsozialismus der Nazis in Deutschland … gedankensplitter

Verpflichtende Selbsteinschätzung (Satire): „… fühle sich Waltraut S. (75) zunehmend von Radfahrern provoziert, die ihr den Parkplatz in der Einkaufsstraße wegnehmen würden. Auch eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung habe die ehemalige Berufsschullehrerin nicht zu der gewünschten Einsicht in die notwendigen…“ … zynaesthesie

LWL-Videoserie: „Eine kurze Geschichte Westfalens in der Frühen Neuzeit“ … siwiarchiv

Jacob Riis – How the other half lives (1890): „Was mich persönlich in dieser Reportage aus dem New York des Jahres 1890 sehr fasziniert hat, ist die Verachtung, die aus wirklich jeder Beschreibung und jedem Wort über die „Tramps“ trieft. Die Sozialreportage, das Eintauchen in die Welt der Armen, der Trinker, der Obdachlosen ist normalerweise von Haus aus einfühlsam“ … schmalenstroer

Ein Dialog über Rassismus in Dorstfeld: Die Autorin Dr. Natasha A. Kelly kommt nach Dortmund … nordstadtblogger

Facebook: Schlechtes noch schlechter machen – dafür aber Geld nehmen … unkreativ

Bei der nächsten Social-Media-Plattform wird alles anders: Warum ich mich nicht bei Bluesky anmelde … zeitgeschichte

Aus dem Leben gerissen: Klavier-Festival-Intendant Franz Xaver Ohnesorg ist tot … revierpassagen

AfD muss „Monitor“-Team zum Parteitag zulassen

Einstweilige Verfügung gegen die AfD Thüringen

Logo der Sendung Monitor (Quelle: Wikimedia)

Das Landgericht Erfurt hat auf Antrag des WDR eine einstweilige Verfügung gegen die AfD Thüringen erlassen. Damit muss die Partei am Wochenende Journalist:innen des ARD-Magazins „Monitor“ Zugang zum Landesparteitag der AfD Thüringen (17. bis 19.11.) gewähren.

(Pressemitteilung WDR und Bericht rnd)

Der rechtsextremistische Landesverband der AfD hatte dem Team von „Monitor“ (WDR) die Akkreditierung für den Parteitag verweigert, weil die Partei die „Monitor“-Berichterstattung ablehnt. Dagegen wehrte sich der WDR nun mit Erfolg. Ellen Ehni, Chefredakteurin Politik und Zeitgeschehen des WDR: „Das ist ein Erfolg für die freie Berichterstattung in diesem Land – und für die Demokratie. Das Gericht bestärkt uns in unserem Auftrag. Dazu gehört auch die Berichterstattung über Landesparteitage, bei denen kritische Fragen selbstverständlich möglich sein müssen.“

Der AfD Landesverband habe allerdings, so das Redaktionsnetzwerk Deutschland (rnd), eine mündliche Verhandlung in der Sache gefordert. Wie der Fall bei Gericht nun weitergehe und ob es zu einer Verhandlung komme, bleibe zunächst offen.

Gelesen: Nazi-Führer sehen dich an

Ausgeliehen, ausgelesen, empfohlen: Walter Mehrings Verbrecherbiographien, Buchvorderseite (foto: zoom)

Zugespitzt, informativ, ironisch – Die Neuauflage von Walter Mehrings 33 Biographien [1] aus dem sogenannten Dritten Reich haben mich von der ersten Seite an gefesselt. Ich habe das Buch verschlungen und empfehle es zur Lektüre.

Zur Vorgeschichte: 1933 erschien die NS-Propagadaschrift Juden sehen dich an, des zeitlebens umtriebigen antisemitischen Nazi-Publizisten Johann von Leers.

1934 wurde in Paris (Editions du Carrefour) anonym das Werk Naziführer sehen Dich an – 33 Biographien aus dem Dritten Reich (Deutsches Exilarchiv 4034) veröffentlicht. Walter Mehring hatte es im französischen Exil geschrieben. Der Titel ist eine klare Anspielung auf das antisemitische Machwerk Johann von Leers.

Ich war erstaunt, wie genau auch 1934 schon die verbrecherischen Lebensläufe vieler Nazi-Protagonisten bekannt waren. Mehring, und das macht sein Buch so kurzweilig, benötigt oft nicht mehr als zwei Seiten, um den jeweiligen Nazi-Führer zu charakterisieren und dazu die notwendigen Informationen einfließen zu lassen.

Die Biographien sind in Abschnitten gegliedert, deren Titel ironisch die Funktion der Nazi-Funktionäre auf’s Korn nehmen: Die Götter (Hitler, Röhm, Göring, Göbbels); Die Halbgötter (Hess, Frick, Rosenberg, Darré, Frank II, Prinz August Wilhelm, Ley, Himmler); Die Provinzgötter (von Epp, Streicher, Esser, Heines, Helldorf, Hinkler, Scheppmann, Kube, von Killinger, Mutschmann, Kaufmann, Klagges, Feder); Die Heroen (Schlageter, Wessel); Betrogene Betrüger (beide Hindenburgs, von Papen, Hugenberg); Die Drahtzieher (Thyssen, Schacht, Schmitt)

Im Vorwort (S. 11) heißt es, dass nicht über die Gräuel in Deutschland berichte, sondern die „Männer am Ruder und ihre Antreiber“ zeige. Sie seien nach dokumentarischem Material geschildert. Und weiter:

„Es mag unglaubhaft scheinen, dass unter den Führern des Dritten Reiches so viele kriminelle Verbrecher, Psychopathen, Morphinisten zu finden sind. Wir belegen diese Erscheinung mit Dokumenten.“ (ebda.)

Walter Mehring (1964), schreibend und rauchend hinter seinem Schreibtisch (Quelle: wikimedia)

Walter Mehring zerriss schon 1934 den Schleier der Lügen, Verführungen und Verbrechen der Nazis und ihren Kollaborateuere von Hitler bis Schacht. Die Neuauflage 2023, ergänzt um ein Nachwort samt Kurzbiographie, ermöglicht es uns heute durch die Augen eines Zeitgenossen einen Blick in die Zeit um 1933 zurückzuwerfen.

An manchen Stellen hat sich mir ein Vergleich mit dem heutigen Aufstieg der braun-blauen Bewegung aufgedrängt. Aber lest selbst. In einigen öffentlichen Büchereien steht das Buch schon im Regal und kaufen kann man es ebenfalls.

[1] Walter Mehring, Nazi-Führer sehen dich an. 33 Biographien aus dem Dritten Reich, Darmstadt 2023, ISBN 978-3-8062-4574-5

Umleitung: Gesellschaft als Beute, Judenhass, Yad Vashem, Armut, Flüchtlinge, Cyberangriffe

Tafel an der Neuen Synagoge Berlin. (archivfoto: zoom)

Italien als Lehrstück für Europa: Gesellschaft als Beute … woxx

09.11.1938: Reichspogromnacht – Judenhass in Deutschland … wdr

„Der Schlag kam von innen“: eine digitale Ausstellung der Internationalen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem mit Abbildungen, Dokumentationen und Videos über das Geschehen während der Novemberpogrome im deutschsprachigen Raum … yadvashem

Antisemitismus in Deutschland: Was dagegen getan werden kann … endstationrechts

Armutspopulismus (Satire): Die Chancengleichheit, die der Kapitalist mit einem Lacher durch die Nase kommentiert, oder gar Teilhabe wäre eine gute Voraussetzung zum Erhalt der Demokratie sein, immer vorausgesetzt, es wäre auch im Sinne der Oberschicht … zynaesthesie

„Stoppt die Flüchtlinge, die arbeiten sollen ohne zu können!“: Politikerinnen geben sich gerne populistischen Themen hin, mit denen die mit der Angst der Wählerinnen spielen können … unkreativ

Cyberangriffe auf Kommunen: Mit dem „Weg in die Basis-Absicherung“ (WiBA) können Kommunen anhand von Checklisten mit einfachen Prüffragen und zugehörigen Hilfsmittel die dringlichsten Maßnahmen selbst identifizieren und umsetzen … bsi

Aktuell: Mescheder Schweigemarsch 2023 – „Erinnerung ist der Schlüssel zur Zukunft“

Gedenken an die Pogromnacht 1938

Stolpersteine in Meschede (archivfoto: zoom)

Auf der Website der katholischen Kirche Meschede-Bestwig findet sich der Aufruf zum diesjährigen Mescheder Schweigemarsch am Donnerstag, 9. November um 18 Uhr auf dem Stiftsplatz Meschede vor der St. Walburga-Kirche:

„Seit über 30 Jahren erinnert der „Schweigemarsch Meschede“ an die Pogromnacht am 9. November 1938. Unter dem Motto „Erinnerung ist der Schlüssel zur Zukunft“ wird er in diesem Jahr stattfinden. Er macht damit deutlich, was über die Jahrzehnte hin Bekenntnis der verschiedenen Veranstalter und die Unterzeichner zum Schweigemarsch war:

Wir treten ein für die Wahrung der Menschenrechte, widersprechen jeder Art von Judenhass, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, engagieren uns für Flüchtlinge und führen den Dialog über ethnische, kulturelle und religiöse Grenzen hinweg.

Dass in diesem Jahr drei verschiedene Schulen (neben den beiden Gymnasien auch die St.Walburga-Realschule) den Schweigemarsch in den Schulen vorbereiten und am 9. November mitgestalten, zeigt wie aktuell das Thema ist. Nur da, wo junge Menschen sich einsetzen für Frieden und Gerechtigkeit, für Dialog und Demokratie kann ein wirksames Zeichen gegen Rechtsextremismus und Popularismus gesetzt werden. Wir sind dankbar dafür.

Wenn seit über 30 Jahren Mescheder Bürgerinnen und Bürger verschiedener Religionen und Weltanschauungen gemeinsam schweigend auf die Straße gehen, zeigt das die Kraft, die hinter solchen anscheinend kleinen Zeichen stehen. Beweisen wir Mut! Verbreiten wir mit der Erinnerung Zuversicht gerade in unserer Zeit.

Treffpunkt ist am Donnerstag, 9. November um 18 Uhr auf dem Stiftsplatz Meschede vor der St. Walburga-Kirche. Wir bitten die Teilnehmenden, Lichter mitzubringen (z.B. ein Teelicht in einem Glas) und während des Schweigemarsches mit sich zu führen, um so ein Lichtzeichen der Solidarität und Hoffnung setzen zu können.

Der Weg des Schweigemarsches führt vom Stiftsplatz zum Jüdischen Friedhof und zur Alten Synagoge. Er endet dort mit einem interreligiösen Friedensgebet.“

Quelle:
https://katholische-kirche-meschede-bestwig.de/veranstaltungen/mescheder-schweigemarsch-2023/

Unterstützer*innen sind:

Landrat Dr. Karl Schneider; Bürgermeister Christoph Weber; Mönche der Abtei Königsmünster; Dechant Georg Schröder (Dekanat Hochsauerland-Mitte); Pfr. Michael Schmitt (Katholische Kirche Meschede-Bestwig); Superintendent Dr. Manuel Schilling (Evangelischer Kirchenkreis Soest-Arnsberg); Pfr. Karin Neumann-Arnoldi und Pfr. Hans-Jürgen Bäumer (Evangelische Kirchengemeinde Meschede); P. Guido Hügen OSB und Pfr. Dirk Schmäring (Hochschulgemeinde Meschede); Pastor Pierre Diekena (Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde); Kurdisches Kulturzentrum Mala Kurda; Seyh Said Moschee; Peter Fuhrmanns (Caritasverband Meschede e.V.); Christian Korte (Diakonie Ruhr-Hellweg e.V.); Heiner Westermann (Malteser Hilfsdienst e.V.); Dietmar Schwalm (DGB Kreisverband HSK); Anna Willmes (Bildung und Freizeit BiF); Gymnasium der Stadt Meschede; Werkkreis Kultur Meschede e.V., Vorstand; Gymnasium der Benediktiner



TikTok und Rechtsextremismus

Neue Formen der Propaganda auf einer kind- und jugendaffinen Plattform

Social Media ist für die Verbreitung rechtsextremistischer Ideologie mittlerweile das bevorzugte Mittel. Die App TikTok steht aktuell besonders im Fokus, weil die Propaganda hier schnell in ein modernes Format gebracht und nicht zuletzt an junge Menschen adressiert werden kann.

(Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz „CC BY-NC-ND 4.0 – Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ veröffentlicht. Autoren/-innen: Lara Franke, Daniel Hajok für bpb.de: https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/541511/tiktok-und-rechtsextremismus)

Bis weit in die 2000er-Jahre hinein war die Hauptverbreitungsform für extremistische Inhalte und Orientierungen, die an Heranwachsende adressiert waren, noch an Musik geknüpft: Tonträger mit jugendaffiner Musik und Festivals zur Vernetzung der Szene waren die bevorzugten Mittel. Mit der zunehmenden Bedeutung von Onlinediensten zu Austausch, Vernetzung und Herstellung von Öffentlichkeit wurden von der neuen Rechten in den letzten Jahren immer mehr auch die Möglichkeiten von Social Media genutzt, um die eigenen Strategien anzupassen und die Verbreitung der Ideologien weiter zu optimieren (Hajok 2022).

Radikalisierung in der Social Media Welt

Im Jahr 2022 bildeten Propagandadelikte mit 62 Prozent den größten Teil der rechtsextremistischen Straftaten in Deutschland (BMI 2022). Mittlerweile gelten Online-Plattformen als zentrale Kanäle bei der Verbreitung rechtsextremer Propaganda.

YouTube, Instagram und nicht zuletzt TikTok stehen im Fokus des Kinder- und Jugendmedienschutzes. Immerhin 13 Prozent der im Jahr 2022 insgesamt 7.363 im Netz registrierten Jugendschutzverstöße sind dem Bereich des politischen Extremismus zuzuordnen. Trotz Usermeldung oder offiziellem Kontakt werden solch problematische Inhalte keineswegs immer durch die Plattformen gelöscht (Jugendschutz.net 2023).

Jugendliche, bereits Kinder, sind über die Apps gut erreichbar und somit ein begehrtes Objekt der Radikalisierung. Sie sind „permanently online, permanently connected“ und können so immer und überall mit rechtsextremistischen Inhalten konfrontiert werden, ohne gezielt danach zu suchen (Vorderer 2015, S. 260). Ob sie es wollen oder nicht: Heranwachsende sind im Netz längst zu einer sehr wichtigen Zielgruppe rechtsextremistischer Propaganda geworden. Rechtsextremistische Akteur*innen und Gruppierungen nutzen das Social Web aktiv für die eigenen Ziele, verbreiten hier rechtsextremistische Propaganda, rekrutieren potenzielle neue Anhänger*innen, planen und vernetzen sich innerhalb der Szene (Hajok & Wegmann 2016, Neumann et al. 2018).

Die nutzergenerierten Inhalte auf Social Media-Plattformen sind nah an den Rezeptionsgewohnheiten und der Lebenswelt der jungen Nutzer*innen aufbereitet. Dadurch sinkt die Hürde, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen und eine emotionale Verbindung zu ihnen aufzubauen (Manemann 2020). Zudem evozieren die für Social Media typischen Austauschformen sinkende Hemmschwellen für Grenzverletzungen aller Art und befördern seitens der Agierenden auch Radikalisierungsprozesse. Zentraler Hintergrund sind die Besonderheiten digitaler Kommunikation, die von zeitlicher, räumlicher und sozialer Entgrenzung, dem Fehlen eines direkten Gegenübers, der Kanalreduktion eines (nur) mit Text, Bild und Video Ausgetauschten und den (algorithmisierten) inhaltlichen Zuspitzungen von Filterkammern bzw. Echokammern gekennzeichnet sind. In diesem Zusammenhang kann es nicht verwundern, dass laut Verfassungsschutzbericht immer mehr minderjährige Akteur*innen bekannt werden, die innerhalb dieser Echokammern auch extremistisch und gewaltbereit auftreten (BMI 2022).

Da die Heranwachsenden ihre soziale und politische Identität gerade ausbilden, kann der Kontakt zur rechtsextremistischen Szene riskant sein und zur Desorientierung beitragen (Lehmann & Schröder 2021). Niedrigschwellig und lebensweltorientiert bietet die rechtsextremistische Szene jungen Menschen auf Social Media vermeintlich einfache Antworten auf komplizierte Fragen, was in Zeiten der Orientierungssuche eine besondere Attraktivität erhält. Die ‚einfachen‘ Strukturen und Regeln können ein Gefühl von Macht und Überlegenheit stärken (Schmitt et al. 2017, Reinemann et al. 2019, Lehmann & Schröder 2021). Dies kann den eigenen Einstieg in die rechtsextremistische Szene zu einer Zeit erleichtern, in der politische Denkstrukturen gebildet und eigene Informationszugänge etablierten werden, die bis ins Erwachsenenalter reichen (Krieg 2021).

Warum gerade TikTok?

„TikTok und Rechtsextremismus“ weiterlesen

Von Ramsau zum rechten Geschichtsrevisionismus in Deutschland

Blick auf die Gastwirtschaft Hirschkaser und das Wagendrischelhorn(?) bei Ramsau (foto: zoom)

Zuerst hatte wir uns für das Dachauer Symposium für Zeitgeschichte Rechter Geschichtsrevisionismus in Deutschland im Max Mannheimer Haus angemeldet und dann überlegt, ob wir vorher noch ein paar Tage Urlaub in den Alpen machen sollten.

Wer die letzte Woche im Blog geblättert hat, wird gemerkt haben, dass unsere Wahl auf Ramsau gefallen war. Es herrschte wunderbares Wanderwetter und mehr muss dazu auch nicht mehr gesagt werden. Nachfragen beantworte ich bei Bedarf.

Auf das Symposium in Dachau sind wir durch Zufall aufmerksam geworden, aber das Thema passt perfekt (leider) in die heutige Zeit. Mit Jens-Christian Wagner als Wissenschaftlichem Leiter (Gedenkstätte Buchenwald, vormals Gedenkstätte Bergen-Belsen) und den zahlreichen interessanten Referent*innen, von denen wir schon einige aus dem Bücherregal und andere aus den sozialen Medien kannten, konnte nicht viel schief gehen. Spoiler: tat es auch nicht.

Das Dachauer Symposium zur Zeitgeschichte hat sich als Forum des wissenschaftlichen Austauschs über die Geschichte des Nationalsozialismus etabliert – in der internationalen Zeitgeschichtsforschung ebenso wie in der interessierten Öffentlichkeit. Die Stadt Dachau erwarb sich durch ihre vielfältige Auseinandersetzung mit der Geschichte des Dritten Reiches in Deutschland und darüber hinaus den Ruf eines Lern- und Erinnerungsortes; das Symposium, das sie seit 2000 in Zusammenarbeit mit dem Max Mannheimer Haus jährlich veranstaltet, trägt dazu bei. Die Tagungsbände werden in der Reihe „Dachauer Symposien zur Zeitgeschichte“ veröffentlicht. Ziel der Reihe ist es, aktuelle Forschungen zur Geschichte und Nachgeschichte der NS-Zeit vorzustellen, zu diskutieren und darüber nachzudenken, wie und warum die Geschichte des Nationalsozialismus nach wie vor unsere Gegenwart berührt. Sowohl um aktuelle Bezüge geht es als auch um die Einbindung erinnerungskultureller Entwicklungen. Nicht ausschließlich Spezialisten sollen sich zusammenfinden, sondern das Symposium möchte einer breiten interessierten Öffentlichkeit ein Forum der Information und Diskussion bieten. Die Tagungsbände des Symposiums erscheinen im Verlag Wallstein (Göttingen).

http://dachauer-symposium.de/
Dieses Ankündigungsplakat hing im Max-Mannheimer Studienzentrum (foto: zoom)

An den beiden Tagen gab es dann noch einige Änderungen. Nicht alle Referent*innen konnten vor Ort sein und wurden dann jeweils live per Internet zugeschaltet. Das war zwar schade, weil es insbesondere Heike Kleffner und Natascha Strobl betraf, die wir gerne in Person gesehen hätten, aber ihre Vorträge waren dafür umso informativer.

Ankündigung des Symposiums in der Süddeutsche Zeitung, 04.10.2023:

Geschichtsrevisionismus entlarven

„Das diesjährige Dachauer Symposium widmet sich einmal mehr einem brandaktuellen Thema. Als wissenschaftlicher Leiter konnte Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, gewonnen werden.“

Das reale Programm sah folgendermaßen aus:

Freitag, 13. Oktober 2023

13.00-13.15 Begrüßung

Felizitas Raith, Leiterin des Max Mannheimer Studienzentrums, Dachau

Sybille Steinbacher, Projektleiterin der Dachauer Symposien zur Zeitgeschichte

13.15-13.45 Einführung

Jens-Christian Wagner (Weimar): Zwischen Schuldabwehr, Schuldumkehr und Instrumentalisierung: Rechter Geschichtsrevisionismus in Deutschland

13.45-16.00 Formen

Fabian Virchow (Düsseldorf): Corona und die Folgen: Geschichtsrevisionismus im Milieu der Pandemieleugner und -leugnerinnen

Julia Bernstein (Frankfurt am Main): Über Generationen hinweg: Jüdische Traumatradierung und ihre Thematisierung in der Mehrheitsgesellschaft (online)

Imanuel Baumann (Nürnberg): Rechtsterrorismus als gewaltförmiger Geschichtsrevisionismus: Motive und Traditionen der Zerstörung von Geschichte und Gedenken im Kontext rechter Gewalt

16.15-18.30 Felder I

Volker Weiß (Hamburg): Vom „Schuldkult“ und den „linken Nazis“: Geschichts(um)deutungen der Neuen Rechten

Markus Linden (Trier): Der Geschichtsrevisionismus der „Alternative für Deutschland“ (AfD): Akteure, Organe, Inhalte

Samstag, 14. Oktober 2023

8.30-9.50 Felder II

Justus H. Ulbricht (Dresden): Ressentiment-Maschinen oder: die Eroberung der Köpfe via Lektüre. Blicke nach Schnellroda und in andere Verlage der Neuen Rechten

Arnd Henze (Berlin): Wem gehört Bonhoeffer? Zur Vereinnahmung des kirchlichen Widerstandes durch Rechtsevangelikale (online)

9.50-11.45 Ideologie

Natascha Strobl (Wien): Identitäre Geschichtsbilder. Zwischen Reconquista und Karl dem Großen (online)

Heike Kleffner (Berlin): Zwischen Kontinuitätslinien und Aktualisierung von Feindbildern und Opfermythen: Geschichtsrevisionismus und Verschwörungsideologien (online)

Maik Tändler (Berlin): „Nationalmasochismus“. Zur alt- und neurechten Abwehr der „Vergangenheitsbewältigung“

11.50-12.30 Wie sollen die Gesellschaft und die KZ-Gedenkstätten rechtem Geschichtsrevisionismus begegnen?

Podiumsdiskussion mit Gabriele Hammermann (Dachau), Natascha Strobl, Jens-Christian Wagner, Volker Weiß und Sybille Steinbacher (Moderation)

Natascha Strobl nahm online an der abschließenden Podiumsdiskussion teil. Auf dem Podium v.l.: Volker Weiß, Gabriele Hammermann, Jens Christian Wagner, Sybille Steinbacher (foto: zoom)

Sehr ausführlich wurde die Tagung von Walter Gierlich in der Süddeutschen Zeitung besprochen:

Süddeutsche Zeitung, 15.10.2023

„Das Geschichtsbewusstsein erodiert“

„Jeden Tag gibt es durchschnittlich mindestens sieben antisemitische Straftaten in Deutschland. Beim Dachauer Symposium für Zeitgeschichte erforschen Experten heuer den Geschichtsrevisionismus“

Süddeutsche Zeitung, 15.10.2023

Der geistige Bürgerkrieg

„In einer Diskussion beim Dachauer Symposium für Zeitgeschichte streiten Historiker über den Umgang mit Nazis, die behaupten, keine zu sein.“

Fortsetzung in Form meiner eigenen Notizen und Gedanken folgt. Ich habe sie noch nicht so ordentlich sortiert wie der Autor der Süddeutschen Zeitung.





Guten Morgen, alles fließt und nichts bleibt wie es ist

Die Ramsauer Ache springt im Zauberwald von Stein zu Stein. (foto: zoom)

Die Wendung „Alles fließt“ soll auf den griechischen Philosophen Heraklit zurückgehen, dem auch die Äußerung „Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen“ zugeschrieben wird.

Goethe hat sich in seinem Gedicht Dauer im Wechsel direkt auf Heraklit bezogen:


„Gleich mit jedem Regengusse
Ändert sich dein holdes Tal
Ach, und in demselben Flusse
Schwimmst du nicht zum zweitenmal“

Lange Rede, kurzer Sinn. Wir haben heute Morgen am Frühstückstisch die Landtagswahlen in Bayern und Hessen diskutiert und versuchsweise analysiert. Unsere Stimmung ist eher mau bis sehr schlecht. Die Sorgen über den Rechtsruck lösen sich nicht im schwarzen, ungezuckerten Kaffee auf.

Alles fließt – so viel scheint sicher. Doch wohin die politische Reise geht, ist ungewiss. Ich hoffe nicht, dass sich allzu viele Analogien mit dem Krisenjahr 1923 als Wiederholungen entpuppen. Eine Farce wäre mir lieber, oder?

Gretchenfrage (ein bisschen Faust muss sein): Wird die FDP die Koalition im Bund platzen lassen oder einfach noch erpresserischer auftreten, bis entweder die Grünen (wahrscheinlicher) oder die SPD (unwahrscheinlicher) die Schn…. voll haben und hinwerfen?

Ich gehe jetzt spazieren und gucke mir die Botanik an. Das macht mehr Spaß als die Gedanken über Bayern, Hessen und Deutschland.