Lesetipp: „Travellers“ von Helon Habila

Gelesen mit Gebrauchsspuren – das Cover der preiswerten englischen Taschenbuch-Ausgabe ist nun leicht verbogen. (foto: johanna huebner)

Am vergangenen Wochenende wurde ein Artikel über den hiesigen Landrat von der lokalen Presse mit den Worten „HSK-Landrat spricht Klartext: Mehr Härte bei Abschiebungen“ überschrieben.

Ich weiß nicht, was Herr Schneider meint, aber er spricht über Menschen, die er anscheinend nicht mag, die ihm nicht gefallen und die weg sollen.

In seinem Buch „Travellers“ erzählt der nigerianische Schriftsteller Helon Habila die Reisen von Menschen aus verschiedenen Teilen Afrikas oder dem Nahen Osten nach Europa. Der Roman beginnt in Berlin und aus der Perspektive eines Nigerianers erleben wir zunächst die deutsche Hauptstadt. Es kommen andere Protagonisten hinzu und durch sie erfahren wir, warum sie ihre Reise begannen oder beginnen mussten. Habila webt die Gewalt Afrikas durch politischen Umsturz und religiöse Fanatiker in seine Geschichten, die gewaltigen Flüchtlingscamps, in denen die Reisenden versuchen zu überleben. Und wenn sie Geld, Kraft oder genügend Verzweiflung haben, dann machen sie sich auf den Weg in den Norden.

Doch nicht alle Reisenden sind auf der Flucht, sie kommen als Stipendiaten, mit einer befristeten Arbeitserlaubnis, werden durch den Ehepartner visumsberechtigt oder sie leben dauerhaft in den USA, wie der Autor selbst.

Habila lehrt kreatives Schreiben an der George Mason Universität und lebt in Virginia, USA. Er hat viele Bücher gelesen, ist mit den Größen der europäischen und afrikanischen Literatur bestens vertraut. Literarische Bezüge durchziehen das Buch.

„Travellers“ enthält sehr viele Facetten. Auch die „Reise“ über das Mittelmeer in Booten, die nicht seetüchtig sind, wird erzählt.

Das Einschiffen beginnt: „Ich sah einen Mann und seine Frau und zwei Kinder, gekleidet in teuren Mänteln und Schuhen, die Frau trug eine sehr schicke Handtasche als ob sie am Flughafen auf den Abflug wartete, um in den Urlaub zu fliegen.“(S.288) Eine Stunde später sinkt das Boot.

Dieses Nebeneinander von vermeintlicher Normalität und der Gewalt und Brutalität, die den europäischen Umgang mit den Reisenden ausmacht, erzeugt die Spannung, die das Leben der Protagonisten bestimmt und die Spannung der Erzählung erzeugt. Die Reisenden suchen einen sicheren Ort, an dem sie ihr Überleben sichern können. Sie haben Eltern und Geschwister, die sich um sie Sorgen machen, Freunde, mit denen sie hoffen, den Alltag der Reise besser bewältigen zu können. Sie haben verschiedene Überlebensstrategien, manche sind erfolgreich, andere scheitern. Sie werden inhaftiert, werden abschoben, kehren zurück nach Europa oder sie ertrinken.

Das Wort „Reisende“ grenzt sich in positiver Art von der Eindimensionalität der Begriffe „Flüchtling“ oder „Asylsuchende“ ab. Es sind ruhige Erzählungen über Menschen, deren Erfahrungen wir manchmal aus den Medien zu kennen meinen, die in ihrer Normalität so menschlich sind. Das Buch und die Erzählungen berühren sehr, die Sprache ist dicht und empathisch. Wir fühlen mit denen, die straucheln oder scheitern. Hier kommen diejenigen zu Wort, über die sonst nur geredet wird. Deshalb ist dieses Buch wichtig.

Würde Landrat Schneider „Reisen“ von Helon Habila lesen, er würde vielleicht merken, wie inhuman seine Äußerung ist und vielleicht würde ihm bewusst, dass er durch das Glück der Geburt in einem befriedeten Land lebt und einen gesicherten Aufenthaltstitel hat. Und vielleicht würde ihm bewusst werden, dass andere Menschen aus ganz vielen verschiedenen Gründen hier sind und dass es sich lohnen könnte, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und ihnen zuzuhören, statt sie rauszuschmeißen. Vielleicht.

Helon Habila, Travellers, 2019, Penguin, knapp 10 Euro (englische Ausgabe, Taschenbuch)

Helon Habila, Reisen, 2020, Verlag Das Wunderhorn 25 Euro (deutsche Ausgabe, gebunden)

Neu in der WDR-App „Stolpersteine NRW“: Jugendliche erstellen eigene Inhalte

WESTDEUTSCHER RUNDFUNK KÖLN Stolpersteine NRW – Gegen das Vergessen – Ein Multimedia Projekt des WDR Stolpersteine-Werkstatt an der Helios-Gesamtschule Köln-Ehrenfeld am 28.04.2023. Das im Januar 2022 veröffentlichte WDR-Projekt erzählt multimedial die Geschichten von Menschen, die vom nationalsozialistischen Terror-Regime verfolgt wurden. Für den Einsatz im Schulunterricht gibt es passende Begleitmaterialien, die Lehrende kostenlos nutzen können. (Bild: © WDR/Jan-Philipp Behr)

Das für den Grimme Online Award 2023 nominierte WDR-Projekt „Stolpersteine NRW – Gegen das Vergessen“ baut die Kooperation mit Schulen in NRW aus. Ab sofort können Schülerinnen und Schüler eigene Inhalte zu Stolpersteinen in ihrer Umgebung erstellen und diese gemeinsam mit dem WDR-Team in der „Stolpersteine NRW“-App und auf der dazugehörigen Webseite publizieren.

(Pressemitteilung WDR)

WDR-Intendant Tom Buhrow: „Das ist Geschichtsunterricht zum Mitmachen: Schülerinnen und Schüler können jetzt selbst biografische Texte und Illustrationen erstellen und damit die Inhalte der WDR-Stolpersteine-App mitgestalten. So erfahren sie noch mehr über die Opfer des Nationalsozialismus in ihrer Nachbarschaft und können ihre Ergebnisse über unser digitales Angebot breit mit anderen teilen.“

Der WDR hat die neuen Möglichkeiten mit Schülerinnen und Schülern der Helios-Gesamtschule in Köln und der Droste-Hülshoff-Realschule in Dortmund getestet. Felix Trüten, Lehrer an der Helios-Schule: „Das WDR-Projekt ist für uns sehr bereichernd. Die Schüler:innen entdecken die Lebensgeschichten der Menschen hinter den Steinen und geben sie in der App auf kreative Weise weiter.“ Das neue Angebot richtet sich an Schülerinnen und Schüler ab der neunten Klasse und stärkt Recherchefähigkeit und Medienkompetenz.

Digitale Infoveranstaltung am 9. Mai

Am Dienstag, 9. Mai 2023, bietet das „Stolpersteine NRW“-Team um 17:30 Uhr eine Online-Infoveranstaltung an, bei der das Projekt im Detail vorgestellt wird und Fragen beantwortet werden. Anmeldung per Mail: stolpersteine.schule@wdr.de

„Stolpersteine NRW – Gegen das Vergessen“ erzählt multimedial die Geschichten von Menschen, die vom nationalsozialistischen Terror-Regime verfolgt wurden. App und Website zeigen auf einer interaktiven Karte alle, vom Künstler Gunter Demnig verlegten, rund 16.000 Stolpersteine in NRW. Tausende biografische Texte, Illustrationen, Hörspiele und historische Fotos geben Einblicke in die Lebensgeschichten, die sich hinter den Steinen verbergen. Für den Einsatz im Schulunterricht gibt es passende Begleitmaterialien, die kostenlos genutzt werden können. Die WDR-Stolpersteine-App wurde seit dem Start Anfang 2022 mehr als 300.000 Mal heruntergeladen.

Alle Informationen unter:
https://stolpersteine.wdr.de/web/de/stolpersteine-im-unterricht

Fünf Jahre später

Diese Ansicht mit Statue, Karlswiese und Orangerie habe ich vor sechs Tagen aufgenommen. (foto: zoom)

Fünf Jahre und ein anderes Objektiv an der selben Kamera haben das Bild der Karlswiese und der Orangerie samt einer der zwölf pseudo-antiken Statuen im Vordergrund verändert.

Das obere Foto ist mit einem Weitwinkel von 23 mm vor knapp einer Woche in Kassel auf einem Spaziergang entstanden.

Das untere Bild stammt aus dem März 2018 (siehe hier im Blog). Ich habe es, wenn ich meinem eigenen Text von damals trauen kann, mit einem 105 mm Makroobjektiv aufgenommen.

Heute weiß ich immerhin, dass die Wiese vor der Orangerie Karlswiese heißt. (archivfoto: zoom)

Ich, lausiger Amateur, frage mich im Nachhinein, ob ich den Fotografien den Unterschied ansehen würde, wenn ich nicht selbst der Fotograf gewesen wäre.

Mein Tipp: Nein. Sicher bin ich mir allerdings nicht.

Emscher oder Ostsee? Egal – Hauptsache Wasser!

Vom Skandinavienkai raus auf die Ostsee (foto: zoom)

Von der Emscher haben mich binnen eines Tages erratisch anmutende Bewegungen über die Landkarte an die Ostsee geschleudert.

Ich bin dort nicht allein. Gefühlt zehn Millionen Menschen drängeln sich auf der Promenade in Travemünde. In Wirklichkeit muss man sich nur ein paar Meter vom Zentrum des Geschehens wegbewegen und der Osteransturm löst sich ruckzuck auf.

Sinnbild für deutsche (?) Ordnung (foto: zoom)

Keine Sonne, grauer Himmel und feuchtkalt – so habe ich mir den Frühling an der See nicht vorgestellt, aber die Welt existiert manchmal auch außerhalb von Wille und Vorstellung. Wir passen uns an und trinken den Tee 3 Grad heißer. Ich habe noch nie in meinem Leben einen Strandkorb gemietet, aber fotografieren mag ich sie schon, wie sie so ordentlich am Strand aufgereiht sind. Strandgebühren werden erst ab 15. Mai fällig.

Diese plexigläsernen (?) Halbkugeln habe ich heute zum ersten Mal gesehen.

„Virenhüllen“ verhindern in der Outdoor-Gastronomie das Verwehen der Aerosole (foto: zoom)

In der Pan- oder Endemie, die gerade mal wieder beim Abwassermonitoring einen Aufwärtstrend zeigt, setze ich mich gewiss nicht unter eine solche Virushülle.

Putins Tisch ist hinlänglich bekannt. Heute habe ich Putins Sitzbank gefunden.

Ein prima Plätzchen für zerstrittene Politiker*innen und andere Paare, die sich überworfen haben. (foto: zoom)

Ok, war ein spontaner Flach-Scherz, der mir auf der Meeresbrücke einfiel, und dumme Witzchen sollte man – so die Regel – immer, unbedingt und unüberlegt hinausposaunen.

Den gefährlichen Egomanen Putin beiseite gelassen, habe ich am Ende des Tages auf das Meer zurückgeblickt und eine bunte Installation samt Fahnen im grau-kalten Travemünde betrachtet und geknipst.

Grau, grün, bunt und der Spaziergang war zuende. (foto: zoom)

Enspannt in einem Tourismus-Hotspot die Menschen meiden. So ereignislos kann ein Ostersamstag am Meer verlaufen.

Bis denn und Gute Nacht!

Guten Morgen! Der Weg ist das Ziel…

Recklinghausen-Süd / Herne an der Emscher (foto: zoom)

Moin! Der Weg ist das Ziel und hinter dem Horizont geht es weiter.

Der Karfreitag ist überstanden. Schuhe an und raus. Der Himmel ist nicht mehr so blau wie auf dem Bild vor vier Tagen an der Emscher. Es ist kühl. Die Vögel zwitschern trotzdem.

Ortswechsel. Das Internet ist schlecht. Demnächst mehr.

Ich war dann mal weg – radeln entlang der Emscher

Ausstellung in der Zeche Zollverein (foto: zoom)

Seitdem die Mündung der Emscher verlegt wurde, hatte ich den Plan gehegt, den alten Dreckskanal des Ruhrgebiets von der Quelle bis zur Mündung abzuradeln. Diese Woche hat es endlich geklappt.

Von Montag bis Mittwoch haben wir uns auf den Emscher-Weg begeben. Die Tourenabschnitte hatten wir sehr moderat gewählt, um Zeit für Abstecher und Besichtigungen am Wegesrand zu haben.

Von Siedlinghausen bin ich mit dem Zug nach Fröndenberg gefahren, um von dort die letzten 14 Kilometer bis zum Emscherquellhof zu radeln.

Die Tour beginnt am Emscherquellhof. (foto: zoom)

Am Emscherquellhof beginnt zwar der Emscher-Weg, aber die wahre Quelle bzw. das echte Quellgebiet befindet sich ein paar hundert Meter entfernt in einem Waldstück und ist recht unscheinbar.

Verglichen mit dem Emscherquellhof sehr unspektakulär: die „wahre“ Emscherquelle (foto: zoom)

Das interessante am Emscherweg ist die große Vielfalt an kleinen und großen Sehenswürdigkeiten. Einige davon sind der Phönixsee, die Halde Deusenberg mit den Faultürmen des Emscherklärwerks im Dortmunder Norden, das Schiffshebewerk Henrichenburg (Abstecher), der Nordsternpark, die Zeche Zollverein (Abstecher), der Gasometer Oberhausen, der Landschaftspark Duisburg-Nord (Abstecher), überhaupt die vielen Halden und dann natürlich die neue Emschermündung.

Wer einen Überblick bekommen möchte, schaue sich den Weg bei der Emschergenossenschaft an:

https://radrouten.eglv.de/emscher-weg/

In der Zeche Zollverein läuft noch bis zum 16. April 2023 die Sonderausstellung Die Emscher. Bild­ge­schich­te eines Flusses, die ich unbedingt, auch wegen der vielen historischen Bildaufnahmen, empfehle. Sputet euch.

https://ruhrmuseum.de/ausstellungen/aktuell/die-emscher-bildgeschichte-eines-flusses

Der alte stinkende Köttelbach existiert zwar nicht mehr, aber die schnurgeraden Abschnitte erinnern noch an die Vergangenheit der Emscher als Kloake des Ruhrgebiets.

Die Emscher – eingezwängt in ihre Deiche (foto: zoom)

Am dritten Tag der Tour hatten wir die neue Emscher-Mündung erreicht. Für mich, der ich nur die alte Mündung am Stapp kannte, war der Anblick spektakulär. Baustellenfans kommen ebenfalls auf ihre Kosten, denn auch in der neuen Mündung wird noch unermüdlich gewerkelt.

Die neue weite Mündung unterhalb des stillgelegten Kohlekraftwerks in Möllen. (foto: zoom)

Der einzige Wermutstropfen der Tour waren die vielen Baustellen entlang der Emscher. Die Arbeiten am Fluss sind noch lange nicht abgeschlossen, und so sieht man sich oft unvorhergesehen mit Absperrungen konfrontiert. Die Umleitungen sind nicht immer gut ausgeschildert. Komoot oder Google helfen oft nur beschränkt. Manche Baustellen waren wahrscheinlich noch gar nicht vorhanden, als die Komoot-Touren aufgezeichnet wurden. Was in der Vergangenheit funktioniert hat, kann heute an einem Bauzaun enden.

Würde ich die Tour trotzdem noch einmal machen? Auf jeden Fall!

Internationale Jugendbegegnung 2023: Teilnehmer für Austausch mit Israel gesucht

Jugendliche eines früheren Austauschs vor der St. Peter Kirche in Jaffa. (Foto: HSK)

Bereits seit 1969 besuchen junge Menschen aus dem Hochsauerlandkreis Israel bzw. die Stadt Jerusalem und auch umgekehrt. Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren aus dem Kreisgebiet haben die einzigartige Möglichkeit, Land, Leute und Kultur bei einem zwölftägigen Besuch vor Ort kennenzulernen. Im Gegenzug wird eine israelische Jugendgruppe hier im Sauerland begrüßt.

(Pressemitteilung HSK)

In diesem Jahr ist der Besuch der israelischen Gruppe im HSK vom 17. bis zum 28. Juli vorgesehen und die deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer reisen am 27. Dezember 2023 für zwölf Tage in den Nahen Osten, nach Jerusalem.

Unter der Leitung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kreisjugendamtes werden bei dem Jugendaustausch nicht nur neue Freundschaften geknüpft, sondern auch kulturelle und historische Höhepunkte in beiden Ländern besucht. In Deutschland steht u.a. ein Besuch der Hauptstadt mit auf dem Programm. Insbesondere aufgrund der schwierigen Geschichte der beiden Länder sind diese Begegnungen ein wichtiger Baustein des Kreises zur Völkerverständigung und auch politischen Bildung junger Menschen.

Vor dem Felsendom in Jerusalem (Foto: HSK)

Kreisjugendreferent Christian Schulte-Backhaus weiß aus den letzten Jahren zu berichten, wie eindrucksvoll die Begegnungen sind: „Wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer bisherigen Reisen beispielsweise die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besuchen, ist die bedrückte Stimmung immer sehr deutlich zu spüren. Ich denke, dass die Erinnerung und auch das Erleben vor Ort sowie der Austausch mit unseren israelischen Freunden sehr wichtig für die Entwicklung der Jugendlichen sind.“ Allerdings stehen auch der Spaß und das Besichtigen von eher touristisch geprägten Orten auf der Agenda der Reisen, berichtet Schulte-Backhaus.

Bei Vor- und Nachbereitungstreffen mit den Verantwortlichen des Kreisjugendamtes werden die teilnehmenden Jugendlichen intensiv auf die Begegnungen vorbereitet. Und auch das Thema Sicherheit, aufgrund der angespannten politischen Lage in Israel, wird ausführlich mit den Eltern besprochen.

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Weitere Informationen zu den Abläufen und dem Programm und auch die Möglichkeiten zur Anmeldung sind auf der Internetseite des Hochsauerlandkreises und auf der speziell eingerichteten Seite des Kreisjugendamtes nachzulesen: www.young-hsk.de/israel2023.

Kassel: Overground – Underground

Kassel in der Abenddämmerung an der Kreuzung Obere Königstraße/Fünffensterstraße (foto: zoom)

Die letzte Woche habe ich im mentalen Untergrund verbracht und deswegen keinen Blogartikel schreiben können.

Eigentlich müsste man nach vielen kleinen und großen Erlebnissen auch viel schreiben können. Aber so ist es nicht. Die Gedanken kreisen, beschleunigen, vermehren sich und finden keinen Ausgang.

Die beiden Orte, an denen die Bilder entstanden sind – en passant mit dem Smartphone – liegen nicht weit voneinander entfernt.

Einmal der Blick in die Kasseler Königstraße und einmal die Passage unter der Frankfurter Straße.

Kassel unter der Abenddämmerung. Passage an der Frankfurter Straße. (foto: zoom)

Unser Ziel war die Neue Galerie oberhalb der Karlsaue mit ihrer Sammlung der Moderne und einer Ausstellung zur Geschichte der Documenta.

Beide Sammlungen fand ich wider Erwarten sehr anregend und obwohl ich, gerade nach dem antisemitischen Skandal der letzten Documenta, kein uneingeschränkter Freund dieses alle fünf Jahre stattfindenen Kunstspektakels bin, hat mich die Ausstellung zur Geschichte der Documenta sehr interessiert.

Einfach gesagt: War ist over! If you want it! Happy Christmas from John & Yoko

Anhand von selbst schon zu Metaphern gewordenen Bildern der Zeitgeschichte, die als Streifen entlang der Wände ausgestellt waren, ließ sich die Geschichte, bzw. die eigene Erinnerung an die selbst erlebte Geschichte, gewissermaßen ergehen oder abschreiten.

Auf der Museumswebsite heißt es weiter:

Die Besonderheit von »about: documenta« liegt in der Verknüpfung von unmittelbarer Anschauung originaler Kunstwerke mit dokumentarischem und filmischem Material und der Anlehnung an Inszenierungsstrategien der jeweiligen documenta.

https://museum-kassel.de/de/museen-schloesser-parks/neue-galerie

Mich hat verblüfft, dass manche Ereignisse näher beieinander lagen als bislang gedacht.

IPhone (2007), sogenanntes Sommermärchen (2006), Ermordung von Halit Yozgat durch den NSU (2006), Angela Merkel Bundeskanzlerin (2005), Hartz IV (2005)

Allein wegen der Zeitleiste werde ich die Neue Galerie noch einmal besuchen. Die Geschichte der documenta1 bis d15 sind einen weiteren Besuch wert; nicht zu vergessen die Sammlung der Moderne.

Viele Besucher*innen kommen auch wegen des von Joseph Beuys persönlich eingerichteten Raums im Erdgeschoss der Galerie. Ich nicht. Mein Verhältnis zu Beuys ist höflich ausgedrückt gespalten.

Auf Achse…

Hamburg: Blick von den Landungsbrücken Richtung Elbphilharmonie (foto: zoom)

Und dann stehe ich zum zweiten Mal innerhalb eines Monats an den Landungsbrücken in Hamburg. Es weht ein kalter Wind. Regen fällt schräg und die Feuchtigkeit kriecht unter die Winterjacke.

Hochzeiten, Geburtstage, Krankheiten, Familienangelegenheiten, – es gibt viele Gründe, die Enge des Hochsauerlandes zu verlassen und wieder auf Achse zu sein.

Neben allem Unangenehmen herrscht kein Fotowetter. Nur ab und zu ziehe ich ruckzuck das Smartphone zum Knipsen aus der Manteltasche.

Und der Himmel ist grau.

Der komplette Bauzaun ist voller Graffiti (foto: zoom)

Der komplette Bauzaun um das Bismark-Denkmal mit Graffiti besprüht. Spontan oder Auftragsarbeit? Keine Zeit für Antworten. Der Wind treibt uns weiter.

Zum zweiten Mal innerhalb von vier Wochen besuche ich das Museum für Hamburgische Geschichte: Eine Stadt wird bunt. Ich schaue mir diesmal besonders die tristen Bilder der frühen 1980er Jahre an.

Ausstellungsbild des St. Pauli Archivs: Marktstraße, Ecke Grabenstraße im Karolinenviertel um 1981.

War das die Stadt, in die ich zum Studieren gekommen war? An dieser Ecke habe ich gestanden und das gleiche Bild gesehen. Erstaunlich: hätte mich jemand gefragt, wie es Anfang der 80er Jahre in Hamburg ausgesehen hat, ich hätte ein anderes, schöneres Bild gezeichnet. Das Gedächtnis ist längst überformt von den Eindrücken des heutigen Hamburg.

Und dann begann die Zeit der Graffiti, der Sprayer und S-Bahn-Surfer, alles wunderbar nachzuvollziehen in der musealen Aufbereitung.

Etwa nach der Hälfte der Exponate bemerkte die Frau ganz trocken: Alles nur Jungs!?

Tatsächlich eine Leerstelle der ansonsten sehenwerten Ausstellung.

Uff, geschafft…

Abfalleimer in der Nähe des Kölner Zoos (foto: zoom)

Das neue Jahr hat sich ganz ordentlich entwickelt. Über den Dächern von Köln hat es geknallt, wie schon lange nicht mehr. Bürgersteige und Straßen liegen am frühen Morgen unter einer Schicht von bunten Böller- und Raketenresten, aber die Flaschen sind fein ordentlich um die Abfalleimer aufgestellt.

Der Blick von der Zoobrücke ist ebenfalls aufgeräumt. Den nervigen Straßenlärm der Autos in meinem Rücken bitte dazu denken.

Keine Schiffe, aber die bekannte Kulisse von Köln (foto: zoom)

Im botanischen Garten blühen die ersten Pflanzen bei 15° Celsius und bedecktem Himmel. Später am Nachmittag wird es fürchterlich regnen.

Eine Biene besucht unermüdlich die Winterlinge. (foto: zoom)

Mit Blütenpflanzenbildern hatte ich nicht gerechnet, und erst recht nicht mit fleißigen Bienen. Auf dem Bild ist doch eine Biene zu sehen, oder?

Die Primel im botanischen Garten stammt aus Italien, kein heimisches Gewächs, fühlt sich aber offensichtlich wohl in Köln.

Italienische Primel im botanischen Garten (foto: zoom)

Der Regen folgt uns bei der Heimfahrt ins Sauerland. Während ich in die Tasten tippe, lünkert heute, am nächsten Morgen, die Sonne zwischen den Wolken hindurch.

Dann wollen wir mal…