Große Koalition will Autobahnprivatisierung beschließen

Teilstück des neuen Autobahnabschnitts der A 46 bei Bestwig-Velmede. (archivfoto: zoom)

Diesen Freitag soll vom Bundeskabinett eine umfassende Grundgesetzänderung verabschiedet werden [1].

(Dieser Artikel von Carl Waßmuth  ist heute auf der Website Gemeingut in BürgerInnenhand erschienen.)

Die Änderung behandelt vordergründig die notwendige Neufassung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sowie eine Reform der Autobahnverwaltung. Faktisch sind die Änderungen derart umfassend, dass man auch von einer „Föderalismusreform 3“ sprechen könnte. Die Gewerkschaft Ver.di kommentierte die Entwürfe z.B. wie folgt:

„Mit dem Referentenentwurf wird eine Neuausrichtung des Verhältnisses von Bund und Ländern angestrebt, die in ihrer Bedeutung den Reformen der bundesstaatlichen Ordnung (Föderalismusreform I und II) gleichkommt.“

Bedauerlicherweise wird zu dieser Reform in ihrer gesamten Bedeutung bisher kaum berichtet. [2]

Wir von GiB hatten bisher kritisiert, dass die Entwürfe die Zentralisierung und formelle Privatisierung der Autobahnverwaltung beinhalten und dazu auch ermöglichen, dass die funktionale Privatisierung über öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) von Einzelabschnitten zum flächendeckenden Prinzip erhoben wird. Seit vergangenem Donnerstag werden wir in dieser Auffassung auch vom Bundesrechnungshof unterstützt (siehe dazu hier). Heute will ARD dazu berichten.

Der Deal zwischen Bund und Ländern hat aber noch einen weiteren Aspekt: Die Zustimmung zu dieser Form der Autobahnreform hat sich der Bund von den Ländern unter anderem durch zusätzliche 9,5 Mrd. Euro jährlich erkauft. Was der Bund  und insbesondere Finanzminister Wolfgang Schäuble da verhandelt hat, ist für den Bundeshaushalt insgesamt aber nachteilhaft. Als Gegenleistung gestatten die Länder die Autobahnreform. Und auch die kommt den Bund teuer, wegen des aufwendigen Umbaus, aber insbesondere wegen des Einbezugs von privatem Kapital über ÖPP! Nicht nur die Autobahnreform selbst verdient, näher betrachtet zu werden, sondern auch möglicherweise der hohe Preis, der dafür bezahlt wird. Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger  sieht es nach einem „lose-lose-Geschäft“ aus.

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[1] Geändert bzw. neu abgefasst werden sollen die Artikel 74, 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f und 143g. Zu dem GG-Änderungsentwurf wurde auch ein Artikelgesetz vorgelegt, das in neun Einzelgesetze ändert (Maßstäbegesetz, Finanzausgleichsgesetz, Gesetz über Finanzhilfen für Seehäfen, Stabilitätsratsgesetz, Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Kommunalinvestitionsförderungsfonds“, Kommunalinvestitionsförderungsgesetz, Finanzverwaltungsgesetz, Haushaltsgrundsätzegesetz, Bundeshaushaltsordnung). Vier Gesetze sollen neu verabschiedet werden: Ein Gesetz über die Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr, ein Begleitgesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs ab dem Jahr 2020 insgesamt und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften, ein  Sanierungshilfengesetz sowie ein Gesetz zur Verbesserung des Online-Zugangs zu Verwaltungsleistungen

[2] Dies hat sich inzwischen geändert:

Heute Abend PlusMinus: http://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/autobahnen-privat-100.html

Heute der Spiegel: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/privatisierung-von-autobahnen-gutachten-sieht-chancen-fuer-regierungsplaene-a-1124742.html

Lesehinweis: Der Autobahnbau wird per Grundgesetzänderung privatisiert – und viele Schulen gleich mit

gib20161125„Haben Sie das gelesen:  „Gabriel stoppt Autobahn-Privatisierung“ (SZ). Oder das: „Autobahnen werden doch nicht privatisiert“ (Spiegel). Das scheint doch erstaunlich!“, schreibt Karl Waßmuth heute auf der Website der Organisation Gemeingut in BügerInnenhand (GiB).

(Siehe auch den Artikel hier im Blog.)

Zwei Jahre lang habe die Bundesregierung darum gekämpft, privaten Investoren den Zugang zu unseren Autobahnen zu verschaffen und nun das.

„Hat Gabriel die Grundgesetzänderung gestoppt? Ist die geplante Autobahngesellschaft vom Tisch? Ist die ganze Privatisierung verhindert?“

Das Gegenteil, so Waßmuth, sei der Fall.

„Wir müssen leider sagen: dreimal nein! Vielmehr passiert dies: (1) Das Grundgesetz wird geändert. (2) Die neue Gesellschaft wird gegründet. (3) Autobahnbau- und betrieb werden privatisiert.“

Alles lesen:

https://www.gemeingut.org/der-autobahnbau-wird-per-grundgesetzaenderung-privatisiert-und-viele-schulen-gleich-mit/

Umleitung: Polit-Theater Autobahn? SPD im Revier wählen? Maskulinismus an der Macht, Snowden, USB-Killer, soziale Schieflage bei der AfD und mehr …

Manchmal muss man wieder aufpumpen. Hier am Hennesee bei Meschede. (foto: zoom)
Manchmal muss man wieder aufpumpen. Hier am Hennesee bei Meschede. (foto: zoom)

Privatisierung der Autobahnen: „Das ist Polit-Theater“. Carl Waßmuth im Gespräch mit Anke Schaefer … dradiokultur

Privatisierung von Infrastruktur: Gabriel trickst bei Autobahnen … taz

Debatte: Warum es sich lohnt, die SPD im Revier zu wählen … correctivruhr

Gegenrede: Lohnt es sich WIRKLICH, im #Ruhrgebiet die .@NRWSPD @SPDde zu wählen??? Meine Antwort auf Sarah Phillip`s Meinung! … littledevil

Maskulinismus an der Macht: Mit Donald Trump hat eine Kultur des Rassismus und der Frauenverachtung gewonnen … derstandard

Soziale Schieflage bei der AfD: Die rechtspopulistische AfD holt bei Landtagswahlen überproportionale Stimmenanteile bei Arbeitern und Arbeitslosen – tatsächlich hat sie für die so genannten „kleinen Leute“ nichts zu bieten, „soziale Gerechtigkeit“ steht nicht mal im Programm … bnr

Die AfD und die „Volksfront von rechts“: In der neuen Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung stellen die beteiligten Forscher fest: Die AfD habe sich zu einem parteipolitischen Dach neurechter und rassistischer Protestmilieus entwickelt. Eine Entwicklung, die sich längst abgezeichnet hat – und die zur Bedrohung der Demokratie geworden ist … PatrickGensing

Klimakonferenz in Marrakesch: im Rausch der guten Vorsätze … gedankenwerkstatt

Bundesgerichtshof: NSA-Untersuchungsausschuss muss Snowden persönlich einladen … netzpolitik

Journalismus, Überwachung: USB Killer zerstört Geräte in Sekunden … ruhrnalist

Geschichte: Zur Diagnose und Behebung von narrativen Untugenden … publicHistory

Couragierter Einsatz für die Pressefreiheit: Kesten-Preis an türkische Journalisten … revierpassagen

Nordrhein-Westfalen: Tausende Flüchtlingskinder warten auf Unterrichtsplatz … zeitonline

Inklusion: Brilon und Olsberg verklagen Land NRW … wpbrilon

„Ein Buch zur rechten Zeit“: Historische Kommission für Westfalen des LWL vollendet Handbuch zur jüdischen Geschichte … doppelwacholder

Schienengipfel bei der SPD-Bundestagsfraktion- Impulse für ein „Schienenpaket 2030“

Wilfried Schiwek von den Eisenbahnfreunden der Oberen Ruhrtalbahn und Dirk Wiese (MdB) in Berlin. (foto: spd)
Wilfried Schiwek von den Eisenbahnfreunden der Oberen Ruhrtalbahn und Dirk Wiese (MdB) auf dem „Schienengipfel“ in Berlin. (foto: spd)

Berlin. (spd_pm) Die SPD-Bundestagsfraktion hatte am 9. November zu einem „Schienengipfel“ in den Deutschen Bundestag eingeladen. Dort wurde das Impulspapier „Mehr Verkehr auf die Schiene – die Politik ist am Zug“ vorgestellt. Es enthält konkrete Maßnahmen für einen „Schienenpakt 2030“.

Aus dem Sauerland waren auf Einladung von Dirk Wiese (MdB) auch Wilfried Schiwek von den Eisenbahnfreunden der Oberen Ruhrtalbahn in Berlin vor Ort sowie Vertreter von DB Netz.

In einem breiten Dialog mit Fachexpertinnen und -experten, Vertreterinnen und Vertretern von Interessensverbänden sowie Bürgerinnen und Bürgern sollen die Maßnahmen herausgearbeitet werden, die die größte Wirkung entfalten würden, um das Ziel „mehr Verkehr auf die Schiene“ zu erreichen. Der Schienengipfel, an dem u. a. auch Deutsche-Bahn- Chef Rüdiger Grube teilnahm, markierte den Auftakt dieses Dialogprozesses.

Die wichtigste Forderung der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten: Deutschland muss in den nächsten Jahren deutlich mehr für den Bahnverkehr tun. Mit 19 konkreten Maßnahmen sollen die Kapazitäten im Personen- und Güterverkehr bis 2030 verdoppelt werden. SPD-Bundestagsabgeordneter Dirk Wiese betonte dabei: „Wir brauchen in Deutschland eine neue Schienenpolitik und kein Gerede mehr über Privatisierung oder Börsengänge.“

Im Hinblick auf das Sauerland wurde auch über die Elektrifizierung der Oberen Ruhrtalbahn diskutiert. Hier könnte der Nahverkehrsplan NRW der bessere Ansatz sein. Wiese hatte sich zudem an Bahnchef Grube mit der Frage gewandet, wie die Deutsche Bahn grundsätzlich die Reaktivierung von einst stillgelegten Bahnstrecken (Röhrtalbahn, Verbindung Brilon-Stadt – Büren – Paderborn) bewertet und ob es Bestrebungen gibt, entsprechende Strecken langfristig wieder zu ertüchtigen.

„Grundsätzlich ist die DB der Ansicht, dass die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken nachhaltige wirtschaftliche Effekte bewirken könnte. Um dies näher zu untersuchen, hat sich die DB Netz AG in einem mit dem Deutschen Bahnkunden-Verband (DBV) abgeschlossenen Letter of Intent bereit erklärt, eine vom DBV durchzuführende Potenzialanalyse stillgelegter Bahnstrecken zu unterstützen. Ziel der Potenzialanalyse ist es zu ermitteln, ob für beide Vertragsparteien ein nachhaltiger wirtschaftlicher und verkehrlicher Nutzen aus einer Reaktivierung der stillgelegten Strecken erreicht werden kann. Grundlage und Startpunkt der Analyse ist eine zwischen der DB Netz AG und dem DBV abzustimmende, abschließende Streckenliste.“, so Werner J. Lübberink (Konzernbevollmächtigter der DB für das Land Nordrhein-Westfalen) in seiner Antwort.

Hinweis: Das Impulspapier für einen „Schienenpakt 2030“ der Arbeitsgruppen Verkehr und digitale Infrastruktur, Wirtschaft und Energie sowie Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ist hier abrufbar: http://www.spdfraktion.de/system/files/documents/impulspapier-schienenpakt2030-spdfraktion.pdf.

Kasperltheater: Autobahnprivatisierer Gabriel präsentiert sich als Retter vor Privatisierung

Die A44 im September diesen Jahres. (foto: zoom)
Die A44 im September diesen Jahres. (foto: zoom)
Die Zeitungen sind voll von Beiträgen zur Autobahnprivatisierung. Dabei verfehle, so Carl Waßmuth (GiB) der Diskurs das Thema leider völlig.

Im Zentrum der Berichterstattung stehe, ob die vorgeschlagene Autobahngesellschaft selbst teilprivatisierbar werden solle oder nicht. Diese Auseinandersetzung sei jedoch zweitrangig.

Entscheidend sei, so Waßmuth, dass in beiden Varianten der ganze Autobahnbau privatisiert werden könnte: mit Hilfe des teuren Modells der öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP).

Nachdem am 14.10 die Ministerpräsidenten blanko der Autobahnprivatisierung zugestimmt hätten (ohne sich je dazu zu erklären), erlebten wir nur einen weiteren Akt des Dramas, überschrieben mit „Die SPD und besonders Gabriel retten die Autobahnen vor der Privatisierung“.  Die Medien, so der Autor, spielten dabei voll mit, ob „Zeit“, „Welt“, oder „Tagesschau“.

Alles lesen:
https://www.gemeingut.org/kaspertheater-autobahnprivatisierer-gabriel-praesentiert-sich-als-retter-vor-privatisierung/

Im Sauerland besonders kostbar? – Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV)

Bushaltestelle in Siedlinghausen (2012)(archivfoto: zoom)
Bushaltestelle in Siedlinghausen (2012)(archivfoto: zoom)

Wie viele wissen, ist es im Hochsauerlandkreis ein besonders kostspieliges Vergnügen mit dem ÖPNV (Bahn und Bus) zu fahren. Offenbar sind die Ticketpreise hier teilweise viel höher als in anderen Landkreisen.

(Der Artikel ist heute zuerst auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen.)

Bisher gilt für das Gebiet der RLG ein Tarif mit einheitlichen Tarifstufen. Die RLG ist das kommunale Busunternehmen, das gemeinsam von den Kreisen Hochsauerland und Soest betrieben wird. Bisher sind aber für dieselben Entfernungen im HSK teilweise höhere Preisstufen zu zahlen als im Kreis Soest.

Für eine einfache Fahrt in die Nachbarstadt muss ich 5,80 bezahlen. Eine Station mit der Bahn. Hin- und Zurück 11,60 € - ohne mich. (foto: zoom)
Für eine einfache Fahrt in die Nachbarstadt soll ich 5,80 bezahlen. Eine Station mit der Bahn. Hin- und Zurück 11,60 € – ohne mich. (foto: zoom)

Zum 01.08.2017 soll nun der WestfalenTarif eingeführt werden. Damit soll in fast ganz Westfalen ein einheitlicher Verbundtarif gelten. Am 29. Juni 2016 tagte dazu öffentlich die Verbandsversammlung des ZRL (Zweckverband für Schienenpersonenverkehr Ruhr-Lippe) in Hamm.

Aus dem Sitzungsunterlagen zu TOP 5 (Vorlage 335/16) ist zu ersehen, dass die Firma Intraplan aus München beauftragt worden ist, ein neues Tarifmodell zu entwickeln. In der (öffentlichen) Sitzungsvorlage wird auch Bezug genommen auf eine “Preistafel 2017 für die gemeinsame westfälische Ebene”, auf “15-09-08_Preisstufenmodell Westfalen-Lippe” und “Ergebnisse des Tarifkalküls der Firma Intraplan”, ohne dass diese Anlagen veröffentlicht worden sind.

Aus den bisher bekannten Überlegungen wissen wir, dass einige Fahrten günstiger als bisher werden sollen, es aber auch Preiserhöhungen von mehr als 100% geben soll.

In diesem Zusammenhang fragte die Fraktion Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW) mit Schreiben vom 08.11.2016 den Landrat:

  1. Welche Informationen haben Sie über das neue Tarifmodell und über die Relationstabelle hinsichtlich der Preisgestaltung im Bereich des HSK und der Nachbarkreise?
  2. Wie soll im WestfalenTarif die Einnahmenaufteilung erfolgen?
  3. Wie hoch war der jährliche Zuschuss (bzw. Verlustabdeckung) je Einwohner zum Betriebsverlust der RLG seit 2013, getrennt für die Kreise HSK und Soest?
  4. Wie hoch (in Jahres-Kilometern) sind die jährlich in den beiden Kreisen erbrachten Verkehrsleistungen der RLG?
  5. Welche Anteile an allen im Nahverkehr erzielten jährlichen Einnahmen erhielt / erhält die RLG in den Kreisen HSK und Soest in den Jahren seit 2013?
    Welche Anteile erhielten / erhalten BRS und DB?
  6. Wie hoch waren die jährlichen Zahlungen der RLG an die WVG in den Jahren seit 2013?
  7. Welche Gründe gibt es dafür, dass im HSK teilweise deutlich höhere Fahrpreise je Kilometer zu zahlen sind als im ebenfalls von der RLG versorgten Kreis Soest, denn dort werden für gleiche Entfernungen teilweise geringere Preisstufen berechnet als im HSK?

Wir werden berichten.

Sicherheitslücke bei der Bahn: Firmenkundendaten frei im Netz verfügbar.

Screenshot aus dem Beispieldatensatz (Simon Wörpel (correctiv.ruhr))
Screenshot aus dem Beispieldatensatz (Simon Wörpel (correctiv.ruhr))
Eine Online-Sicherheitslücke offenbart, wie wenig sich die Deutsche Bahn um die Daten ihrer Kunden kümmert.

Nicht nur auf der Schiene fällt die Bahn regelmäßig mit maroder Infrastruktur auf. Auch im Internet ist die Technik teilweise von gestern. Wir haben eine Sicherheitslücke entdeckt, über die Daten von Firmenkunden leicht auszuspähen sind.

Von Simon Wörpel (correctiv.ruhr)

Das Daten-Leck befindet sich im Geschäftskunden-Bereich. Hier wickeln weit über zweihunderttausend Unternehmen ihre Geschäftsfahrten ab. CORRECTIV.RUHR war in der Lage, innerhalb weniger Minuten über zehntausend Geschäftsadressen von bahn.business-Kunden abzugreifen, ohne dafür eine Passwort-Sperre oder andere Sicherheits-Barrieren knacken zu müssen.

Wir haben uns diesen Beispieldatensatz von 10.139 Unternehmen und Organisationen genauer angeschaut, um die Lücke bewerten zu können. Von Elterninitiativen an Schulen über Mittelständler bis hin zu Konzernen, Landesministerien und politischen Fraktionen ist alles dabei. Außer ihrer Rechnungsadresse haben viele Geschäftskunden auch die Namen von entsprechenden Ansprechpartnern der Bahn anvertraut. Oder detaillierte Angaben über die Lage der jeweils zuständigen Abteilungen oder Büros, so zum Beispiel „2.OG Raum 2.13“ bei einer Firma aus Baden-Württemberg. Auch ausländische Firmen, vorzugsweise aus China, sind in unserem Beispieldatensatz zu finden.

Solche Daten dürften vor allem für Werbetreibende und die Konkurrenz im Mobilitätssektor interessant sein, da ziemlich klar ist, was man diesen Firmen verkaufen kann: Billigere Geschäftsreisen als bei der Bahn. Aber auch Kriminelle könnten die detaillierten Kontaktinformationen nutzen, um Briefe im Namen einer Firma zu verschicken und so „Social Engineering“ zu betreiben. Weiter könnten sie versuchen, mit den Informationen Fahrkarten über die Namen der Unternehmen zu buchen.

Unabhängig davon, ob und wie die Daten missbraucht werden könnten – allein, dass sie bei einem internationalen Konzern wie der Bahn so einfach zu bekommen sind, ist überaus bedenklich.

Die Lücke ist technisch banal: Bahn.business-Kunden erhalten einen speziellen Link, über den sich ihre Mitarbeiter als „Selbstbucher“ registrieren können. Die gekauften Tickets werden dann direkt über die Firma abgerechnet. Dieser Link hat in seiner Adresse einen Parameter namens „firmenid“, der jedem Kunden eine eigene Nummer zuweist. Ändert man diesen Parameter, erhält man die Eingabemaske für eine andere Firma – mit vorausgefüllter Rechnungsadresse und oftmals auch mit einem Ansprechpartner oder weiteren Details aus dem Geschäftsbetrieb der betroffenen Firma.

Das Späh-Programm, das diese Abfrage sehr einfach automatisiert und die Daten in eine auswertbare Tabelle umwandelt, konnten wir in wenigen Minuten schreiben. Es hat 11 Zeilen und 799 Zeichen (inklusive Leerzeichen). Die Datenabfrage selbst dauerte für die über 10.000 Adressen lediglich 45 Minuten.

Wir haben die Bahn um eine Stellungnahme gebeten. Bis Redaktionsschluss lag diese nicht vor.

In den vergangenen Monaten ist die Bahn schon öfter negativ aufgefallen. Vor zwei Wochen legte ein Mitglied des Chaos Computer Clubs (CCC) in Hannover eine gravierende Sicherheitslücke im neuen WLan-Netz der ICE-Züge offen. Die Bahn reagierte überraschend schnell.

Disclaimer: Wir haben den Beispieldatensatz nach Abschluss der Recherche vernichtet.

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Simon Wörpel ist Redakteur bei CORRECTIV.RUHR. Die Redaktion finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Ihr Anspruch: Missstände aufdecken und unvoreingenommen darüber berichten. Wenn Sie CORRECTIV.RUHR unterstützen möchten, werden Sie Fördermitglied des Recherchenzentrums correctiv.org. Informationen finden Sie unter correctiv.org

Travemünde-Lübeck-Travemünde

Irgendwo in der Pampa zwischen Travemünde und Lübeck. (foto: zoom)
Irgendwo in der Pampa zwischen Travemünde und Lübeck. (foto: zoom)

Ich weiß überhaupt nicht, aus welchen Gründen ich bislang noch nicht auf die Idee gekommen war, von Travemünde bis Lübeck mit dem Rad -statt mit dem Zug- zu fahren.

Vielleicht war es das Trauma einer Radtour nach Schweden. Wir mussten damals, und „damals“ heißt Jahrzehnte her, die Fähre erreichen und sind von Hamburg kommend immer entlang der Hauptstraßen gebrettert.

Heute hatte ich Zeit und Muße und bin mit einem schlecht sitzenden Rad einfach den grünen Radwegweisern (Nebenstrecke) vom REWE in Travemünde nach Lübeck gefolgt.

Meine Google-Maps-Tante hatte ich zwar vorsorglich „ON“, aber die Schilder waren mehr als ausreichend. Es ging durch Feld und Flur, über ruhige Nebenstraßen, solide Feldwege, Pappelalleen, entlang der Bahn und am Schluss durch das Lübecker Industriegebiet zum Holstentor.

Zum Bummeln in der Lübecker Innenstadt habe ich das Rad an einem Baum in Bahnhofsnähe angeschlossen, was übrigens nicht so einfach ist, da im Umkreis des Bahnhofs sämtliche Fahrradstellplätze und Bäume belegt waren, und ich spreche hier von Hunderten von Rädern. Die machen da so „Park und Ride“, wie wir am Olsberger Bahnhof mit unseren Autos. Ist halt kein Sauerland hier oben. Die Autofahrer sind allerdings ebenfalls keine Engel, aber das ist ein anderes Thema.

In Lübeck haben wir dann vor allen Dingen den Naiv-Thriller „Inferno“ geguckt. Dan Brown/Tom Hanks. Wir können jetzt mitreden. Wie? Anderes Thema! Einkaufen, Buchladen, Kaffee trinken … geht alles.

Eine Stunde + x vor Sonnenuntergang habe ich mich wieder retour bewegt. Google hat das aufgezeichnet. Das Fahrrad unseres Vermieters hat einen Reifen-Dynamo. Aber er funktionierte leidlich und so traf ich durchgeschwitzt vor dem mit dem Zug fahrenden Rest der Gruppe im Dunklen am Restaurant in Travemünde ein. Das Restaurant „Luzifer“ – ein weiteres Thema.

Dass das Smartphone mit Navi nur 1,5h durchhält, weiß ich inzwischen. Die Powerbank habe ich dann auf dem Rückweg leer gelutscht.

Was ich heute nicht herausgefunden habe, ist, wie ich meine Google-Maps-Historie hier im Blog „embedden“ kann.

Daher hier nur der Screenshot der Tour – hin und zurück 41,7 Kilometer.

Leider weiß ich nicht, wie ich die Tour "embedden" kann. (screenshot: zoom)
Leider weiß ich nicht, wie ich die Tour „embedden“ kann. (screenshot: zoom)

Sauerländer Bürgerliste: Reaktivierung der Röhrtalbahn

roehrtalbahn20161005Seit Jahren schon setzt sich die SBL für die Reaktivierung der Röhrtalbahn zwischen Neheim-Hüsten und Sundern ein. In Sundern gab es nun den Vorschlag, die Trasse in einen Radweg umzuwandeln.

(Der Beitrag ist gestern zuerst auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen.)

Dazu hat der Kreisverband Hochsauerland des Verkehrsclub Deutschland (VCD) Stellung genommen. Einige Auszüge:

Es gibt zwei Äußerungen bzw. Behauptungen, die aufgrund ihrer Unvollständigkeit zu unwahren Aussagen führen:

o Zum einen ist dies die Darstellung, es sei in vielen Gremien in unregelmäßigen Abständen über die Zukunft der Röhrtalbahn diskutiert worden – mit dem Eindruck, dass es dabei bisher kein Ergebnis gegeben hätte. Hier wird die Information unterschlagen, dass die Diskussionen durch Ratsbeschlüsse und Beschlüsse in den anderen Gremien abgeschlossen wurden (s. u.). Es gibt also seit einigen Jahren keinen Schwebezustand mehr, sondern mehrere aufeinander aufbauende politisch verbindliche Aufträge zur Reaktivierung der Röhrtalbahn!

o Zweitens wird behauptet, eine Reaktivierung des SPNV sei heute utopischer denn je. Das genaue Gegenteil ist der Fall! Dies leitet sich aus der reinen Faktenlage ab, die sich folgendermaßen darstellt:
Es ist heute wahrscheinlicher denn je, dass die Röhrtalbahn für den Personenverkehr reaktiviert wird. Dazu hilft ein Blick in die Historie:

– Bald nach dem Jahr 2000 taten sich engagierte Bürger im Rahmen der Lokalen-Agenda-21 – Gruppe zusammen, weil sie das gemeinsame Ziel hatten, die Reaktivierung der Röhrtalbahn für den Personenverkehr voranzutreiben. Es gab und gibt aus dieser Gruppe bis heute zahlreiche Aktionen (neben Sonderfahrten zur Hüstener Kirmes und zu den Weihnachtsmärkten des Landes auch eine Veranstaltungsreihe mit Podiumsdiskussion, die Erstellung eines Fakten-Flyers, regelmäßige Treffen).

– Gegen Ende des letzten Jahrzehnts „reichte“ das bunte Treiben den in der Stadt Sundern Verantwortlichen dann und der Bürgermeister, unterstützt von der CDU-Fraktion, forderte, den Sinn oder Unsinn einer Röhrtalbahnreaktivierung stichhaltig und qualifiziert untersuchen zu lassen. Kurz: Man wollte die Röhrtalbahn aufgrund eines realistischen Gutachtens entweder ablehnen oder befürworten können!

– Damit waren sowohl die Nachbarstadt Arnsberg, der HSK, aber erst recht der für den Schienenpersonennahverkehr in unserer Region zuständige Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Ruhr-Lippe (ZRL) mit Sitz in Unna mit im Boot (Erläuterung: Der ZRL bezahlt den Schienenpersonennahverkehr aus den vom Bund zur Verfügung gestellten „Regionalisierungsmitteln“). Um die Kosten im Rahmen zu halten, wurde zunächst ein reines Infrastrukturgutachten beauftragt. Hintergrund: Züge auf der Röhrtalbahn müssen sich ab Neheim-Hüsten in das Gesamtgefüge der Zugverbindungen auf der Oberen Ruhrtalbahn einfügen können. – Wäre dies schon rein
von den Fahrtzeiten, nötigen Umläufen, Haltepunkten etc. nicht gegeben, wäre die Röhrtalbahn am Ende gewesen. Das Gutachten wurde auch von politischen Vertretern kritisch begleitet. Es erbrachte ein positives Ergebnis. Die Frage, ob eine Reaktivierung auch volkswirtschaftlich sinnvoll ist, war damit noch nicht beantwortet. Dazu bedurfte es der Erstellung einer wesentlich umfangreicheren (und somit auch kostenintensiveren!) Untersuchung nach einem landesweit vorgegebenen einheitlichen Verfahren, der sogenannten Nutzen-Kosten-Analyse.

– Nachdem die generelle Machbarkeit gutachterlich nachgewiesen worden war, wurde sodann – unter Aufwendung erheblicher Geldmittel – eine Nutzen-Kosten-Analyse beauftragt, die wiederum auch von der Lokalpolitik kritisch begleitet wurde (s. o.). Hier werden u. a. mögliche Investitionskosten, Kosten des Betriebes, Fahrgastpotenzial, Einzugsbereiche untersucht. Um es kurz zu machen: In allen möglichen Varianten ergab sich ein erheblicher volkswirtschaftlicher Gewinn bei einer Reaktivierung der Röhrtalbahn. Das war gegen Ende des Jahres 2011.

– DAMIT LAG DIE GEWÜNSCHTE ENTSCHEIDUNGSGRUNDLAGE VOR!

– In der Folge wurden zunächst in den Räten der Städte Arnsberg und Sundern, anschließend im Kreistag, dann im Regionalrat und in der Verbandsversammlung des inzwischen in den NWL (Nahverkehr Westfalen-Lippe) eingegliederten ZRL Beschlüsse gefasst, dass die Röhrtalbahn für den SPNV reaktiviert werden soll. Das ist um das Jahr 2012 herum erfolgt. So hat der Kreistag am 16.12.2011 u.a. die Kreisverwaltung (Zitat:) “beauftragt, die vorliegenden Ergebnisse (Infrastrukturgutachten und Potentialuntersuchung) der Reaktivierung der Röhrtalbahn in den bereits beschlossenen Nahverkehrsplan des NWL einzubringen und eine Beschlussfassung im NWL zeitnah herbeizuführen … In Abstimmung mit dem ZRL/NWL wird sich der Hochsauerlandkreis bei der Fortschreibung der Bedarfspläne des Landes NRW dafür einsetzen, eine Korrektur … bezüglich der Bewertung einer Reaktivierung der Röhrtalbahn zu erwirken.” Hier ist außerdem darauf hinzuweisen, dass in mehreren der erwähnten Gremien absolute CDU-Mehrheiten, mindestens aber entscheidende Stimmanteile, vorgeherrscht haben und bis heute bestehen!

– Aufgrund dieser Beschlüsse ist die Röhrtalbahn nun im ÖPNV-Bedarfsplan enthalten und steht nach unseren Informationen bereits auf Listenplatz vier, wobei die ersten drei Reaktivierungen bereits in verschiedenen Phasen der Umsetzung sind! Demnach ist nach unserem Verständnis die Röhrtalbahn „als nächste dran“. Das ist nur 4 Jahre nach einem derartigen Beschluss ein Riesenerfolg.

Vorschlag 1 zum Thema Röhrtalbahn:
Da die Beschluss- und die Faktenlage offenbar selbst unmittelbar am Verfahren Beteiligten nicht mehr geläufig ist, oder sich durch personelle Wechsel nicht übermittelt hat, ist es (für sämtliche Ratsmitglieder sowie weitere Interessierte) sinnvoll, sich vor der Herbeiführung etwaiger Beschlüsse den Stand der Dinge durch einen oder mehrere im Verfahren kundige Experten (ggf. vom HSK und / oder ZRL/NWL) in einer Ratssitzung darstellen zu lassen. Schließlich gibt es im Sunderner (und Arnsberger) Rat seit der letzten Kommunalwahl viele neue Gesichter in allen Fraktionen.

Zum Thema Radwege im Röhrtal:
1) Der VCD hat bereits 2003 ein Konzept für einen durchgängigen Radweg im Röhrtal vorgelegt, welches mehr als einmal auch im politischen Raum in Teilen vorgestellt wurde.
2) Die Stadt Sundern hat ca. im Jahr 2009 den ENTWURF für ein städtisches Radwegenetz vorgelegt, welches naturgemäß auch Abschnitte im Röhrtal enthält.
3) Erst im September 2016 – vor ca. 2 Wochen also – wurde aufgrund einer Anfrage die Situation des Radverkehrs im Rat der Stadt Sundern erläutert, in dem eine Karte aus dem Konzept von 2009 mit Stand Mai 2015 beigefügt war.
Bislang wurden in Sundern keine Beschlüsse herbeigeführt, die – und sei es nur für einzelne Abschnitte des Röhrtals – einen Prüfauftrag an die Verwaltung oder andere Straßenbaulastträger ergeben hätten. Und nun dauert es allen zu lange, bis etwas passiert. Dabei ist man noch nicht einmal den ersten Schritt gegangen.

Vorschlag 2 zum Thema Radwege:

Daher liegt es nahe, den vorliegenden Entwurf für ein städtisches Radwegekonzept (Mai 2016) noch einmal auf den aktuellen Stand zu bringen und dann im Rat zu beschließen – dann hätten die Verwaltung und andere Baulastträger eine solide Handlungsgrundlage.
Abschlussbemerkung: Seit der letzten Sunderner Ratssitzung muss doch allen Beteiligten und Interessierten klar sein: Auch ein „simpler“ Radweg lässt sich nicht schnell bauen.

SOGAR BESCHLOSSENE, DURCHFINANZIERTE UND VERKÜNDETE RADWEGE BRAUCHEN NOCH JAHRE, bis sie fertig gestellt sind. Dafür sind nicht nur alte Beispiele wie Westenfeld-Sundern zu nennen, sondern auch die ganz aktuellen Beispiele Estinghausen-Hövel (schon letztes Jahr verkündet, heute noch nicht einmal begonnen) und Sundern-Amecke (liegt derzeit auch wieder auf Eis).
Der VCD Hochsauerland e. V. steht weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung – das gilt natürlich gegenüber allen Fraktionen und Gruppen.

Ehrenamt-BusfahrerIn fährt ökonomisch attraktive Gäste durch Winterberg. Wer verdient?

Wertschöpfender Mensch in der Loipe (foto: beuermann)
Wertschöpfender Mensch in der Loipe (foto: beuermann)

Ich versuche seit 19 Jahren die Winterberger Politik zu verstehen. Gebt mir noch 19 Jahre und ich erkläre sie euch.

Im Mitteilungsblatt der Stadt Winterberg Nr. 19 [sic!] lese ich auf Seite 3, dass die Winterberger ihr lückenhaftes öffentliches Personennahverkehrsnetz (ÖPNV) durch Bürgerbusse stopfen wollen.

„Neuer Bürgerbus  erschließt bald die Höhendörfer“, heißt es in einem Artikel auf Seite 3. Was noch fehle, seien „ehrenamtliche Fahrerinnen und Fahrer“. Diese benötigten keine besonderen Voraussetzungen. „Er oder sie … sollte mindestens 21 Jahre alt sein und einen Führerschein der Klasse 3 besitzen.“

Auf Seite 8 entwickelt Tourismusdirektor Michael Beckmann „Die unverwechselbare Marke ‚Winterberg'“.

„Ökonomisch attraktive, wertschöpfungsstarke Gäste mit längerer Aufenthaltsdauer“ sollen Winterberg und Hallenberg entdecken, also in der Region möglichst viel Geld ausgeben.

Ich habe nichts dagegen, dass die „Schlüsselakteure“ des Tourismus weiterhin viel Geld und noch mehr Geld verdienen, aber aus welchen Gründen sollen dann andere für umsonst arbeiten?

Wo fängt das an, und wo hört das auf?

BusfahrerIn? Nennen wir jetzt Bürgerbus – kostet nichts.

AltenpflegerIn? Nennen wir ab jetzt Bürgerpflege – kostet nichts.

PolizistIn? Nennen wir ab jetzt Bürgerwehr – kostet nichts. (Aufgepasst! Höchstens unsere Demokratie)

Arzt/Ärztin? Nennen wir Bürgerheiler – kostet nichts.

Dieser Blog – kostet nichts, und das ist gut so.