Als ich heute Abend um kurz vor 7 das Rhinos in Winterberg betrat, wurden gerade die Stehtische für den offenen politischen Stammtisch der SPD zusammengeschoben. Mehr als 20 interessierte Frauen und Männer, GenossInnen und unorganisierte Bürger*innen drängelten sich um die Gesprächsrunde.
Ich hatte damit gerechnet, in einem muffigen Hinterzimmer mit Einführungsreferat und reglementierter Diskussion zu landen. Alles falsch. Wir saßen mitten im Kneipenleben, umgeben von den normalen Gästen.
Den großen Fragenkatalog „an die Kandidatin“ habe ich stecken lassen und mich mit den Menschen unterhalten, mit denen ich gerade zufällig zusammen hockte.
Links neben mir Fritz Kelm aus Niedersfeld, rechts Christoph Stötzel, Nachbar aus meinem Ort. Frauen saßen ebenfalls am Tisch und nicht nur die eine, wie das Bild suggeriert. Pi mal Daumen ein Viertel weibliche Teilnehmerinnen, aber ich bin ihnen heute nicht nahe genug gekommen, um sie ausfragen zu können.
Zuerst ein alkoholfreies Weizen und dann die Themen.
Die gestrige Ratssitzung: vier Anträge hätte die SPD-Ratsfraktion durchbekommen:
- Klimaschutzziele müssten demnächst bei allen Ratsbeschlüssen mit überprüft werden, so wie es jetzt schon bei der Demografie sei.
- Städtische Gebäude sollen um den Einsatz erneuerbarer Energien gecheckt werden.
- Die oft düsteren Bushaltestellen und Wartehäuschen sollen mit LED-Technik ausgerüstet werden.
- Eine Resolution an das Land sei verabschiedet worden, die Flüchtlingsarbeit vor Ort finanziell angemessen zu unterstützen.
Bewunderung meiner Gesprächspartner für einen CDU-Antrag. Für jedes in Winterberg geborene Kind solle zukünftig ein Baum im Stadtgebiet gepflanzt werden.
Dann das Gespräch über den voraussichtlichen CDU-Bürgermeisterkandidaten und jetzigen Tourismusdirektor Michael Beckmann.
Anerkennung, wie er seinen Job als Verkäufer des Produkts „Tourismus-Destination Winterberg“ erledigt. Aber kann er auch Bürgermeister? Da haben wir lange hin und her diskutiert. Ende offen.
Ich bestelle mir noch eine Flasche Mineralwasser.
Eine Vorteil hätte Beckmann gegenüber Anja Licher-Stahlschmidt. Er sei durch seine Arbeit in der Winterberger Touristik und Wirtschaft GmbH ein seit Jahren bekanntes Gesicht.
Das werde sich, so Ratsmitglied Christoph Stötzel, in den nächsten Wochen und Monaten ändern. Anja werde sich in den Ortsteilen vorstellen und auf den Festen und Veranstaltungen zugegen sein. Danach werde jeder Bürger und jede Bürgerin Anja Licher-Stahlschmidt kennen.
Welche Ziele sie als Bürgermeisterin für Winterberg habe? Das könne ich zuerst auf der Website der SPD nachlesen:
https://spd-winterberg.de/unsere-kandidaten-2020/
Anderthalb Stunden im Rhinos, und anderthalb Stunden links und rechts gequatscht. Eine halbe Stunde davon sind jetzt hier im Blog protokolliert. Den Rest behalte ich für mich. Das muss sich erst einmal setzen. So viele Details. Mir platzt der Kopf.
Im Auto zurück nach Siedlinghausen habe ich mir mit der Hand vor die Stirn geschlagen: Mist! Vergessen, zu fragen, was die GenossInnen von Sigmar Gabriels „Move“ in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank halten.
Während den sechs Neu-Mitgliedern im Ortsverband Winterberg auf dem offenen Stammtisch die roten Parteibücher übergeben werden, reißt der Genosse Gabriel die Partei von oben in die Tiefe.
Wäre ich SPD-Mitglied und mir vor Ort den Ar… abrackern – ich würde heulen.