Umleitung: von der Elbphilharmonie über die Hate-Economy zur Beichte eines Abo-Nomaden

Die Elbphilharmonie am 29. Dezember 2016 (foto: zoom)

Eröffnung der Elbphilharmonie: Lob und Häme im Netz für den Musiktempel … stuttgarternachrichten

Nicht mit Todenhöfer: Warum Martin Krauss nach 26 Jahren nicht mehr für die Wochenzeitung schreiben wird … juedischeallgemeine

Köln – Böller, Sekt und ein Kessel Buntes: erhebliche Kritik an der Festsetzung vermeintlicher Nordafrikaner. Deutsch-Maghrebiner befürchten eine Stigmatisierung … jungleworld

Hate-Economy: So funktionieren populistische Medien … wuv

Steinbach verlässt die CDU: aus Protest gegen die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel. Steinbach ist Sprecherin für Menschenrechte ihrer Fraktion und gehört dem CDU-Bundesvorstand an … nd

Konferenz in Koblenz: Rechtspopulisten sperren Journalisten aus … tagesspiegel

Amri, Jäger und Prantls Plan: Sollte NRW-Ministerpräsidentin Kraft der Ansicht sein, ihr Innenminister Jäger habe im Fall des Terroristen Amri alles richtig gemacht, sollte sie den kurzen Kommentar des Journalisten und Juristen Prantl (Süddeutsche Zeitung) vom 12. Januar lesen … postvonhorn

Flüchtlinge und innere Sicherheit: Plädoyer für Recht und Ordnung … jurga

Ohne Schutz gegen Gleichgültigkeit und Kälte: Tausende Flüchtlinge sitzen auf der Balkanroute in Südeuropa fest. Von der Politik vergessen, sind sie im Winter der Kälte oft schutzlos ausgesetzt, es gibt bereits Tote … zeit

Projekt Historische Orte – das Brandenburger Tor: Über Twitter (@historische Orte) aufmerksam geworden bin ich kürzlich auf ein schönes neues Projekt einer Lernplattform im Internet, die unter dem verheißungsvollen Titel „segu – selbstgesteuert entwickelnder Geschichtsunterricht“ firmiert … scilogs

Ein Update für PlanetHistory: Es war mal wieder an der Zeit, Planet History zu aktualisieren. Folgende Blogs wurden neu aufgenommen … schmalenstroer

Wertneutralität? Die Verdrängung der Gretchenfrage: “Diskutiert die Frage, warum insbesondere die einfachen Leute für die Lehren von Ketzern anfällig waren”, ist in einem aktuell in Bayern zugelassenen Schulgeschichtsbuch zum Thema ‘Reformation’ als Aufgabe zu lesen. Ketzer ohne Anführungszeichen. Und der Pöbel als potentielle Bedrohung … publicHistory

netzpolitik.org klagt vor Verfassungsgericht gegen Einschränkung der Pressefreiheit: Investigative Recherchen, die auf Leaks aufbauen, sind zum strafrechtlichen Minenfeld geworden. Schuld daran ist der Paragraph gegen Datenhehlerei, der versteckt mit der Vorratsdatenspeicherung eingeführt wurde … netzpolitik

„Verschonen Sie mich mit Ihrer Inkompetenz“: Grußwort des Hagener Intendanten Norbert Hilchenbach beim Neujahrsempfang des Theaterfördervereins am 8. Januar … doppelwacholder

Beichte eines Abo-Nomaden: Von Mietnomaden hat man schon Übles gehört. Sie ziehen weiter und weiter, stets Chaos und womöglich Müllberge hinterlassend … revierpassagen

Erdogans Integrationsblocker

Die UETD – eine echte Alternative für Deutschland


Die UETD war einer der Organisatoren der Pro-Erdogan-Demo Ende Juli 2016 in Köln. (Quelle: Correctiv.Ruhr)

Todesstrafe, offener Antisemitismus, die Verstrickung von Religion und Politik, dazu unverhohlene Propaganda-Arbeit für den türkischen Präsidenten und die Macht zehntausende Menschen auf deutschen Straßen zu versammeln. Die UETD, die Union Europäisch-Türkischer Demokraten, gehört zu Erdoğans wichtigsten Propaganda-Instrumenten in Europa. Gleich über zwei Parteien könnte sie im Mai ihren Einfluss auch im nordrhein-westfälischen Landtag geltend machen. Wie schafft es diese Organisation trotz ihrer Entgleisungen in der Öffentlichkeit das Gesicht zu wahren?

Von Hüysein Topel (correctiv.ruhr)

Mein Name ist Hüysein Topel. Ich bin Deutsch-Türke, Journalist und lebe in Solingen. Reporter, die sich in beiden Welten – der türkischen wie der deutschen – bewegen können, gibt es nicht allzu viele. Nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei in diesem Sommer hatte ich also viel zu tun.

Meine Geschichte beginnt mit einem Telefonanruf der Funke Mediengruppe am 10. August 2016. Ich wurde zu den Auswirkungen des Putschversuches auf die türkische Community in Deutschland befragt. Ich antwortete ehrlich. Sprach über den Triumph Erdoğans und die immer lauter werdenden Forderungen nach der Todesstrafe in der Türkei.

Und so geriet ich in einen Konflikt mit einer der wichtigsten Organisationen, die Erdoğans Einfluss in Europa sichern: der UETD, der Union Europäisch-Türkischer Demokraten.

Was ist die UETD?

Erdoğan und die UETD haben eine lange, gemeinsame Geschichte. Die Union Europäisch Türkischer Demokraten wurde als Verein im Jahr 2004, also bereits in seinem zweiten Amtsjahr als damaliger Ministerpräsident, ins Leben gerufen. Die Ausrichtung der UETD ist stark von Erdoğans Geist und Ansichten geprägt. Von Anfang an gilt er als Förderer des Vereins.

Aber auch wenn es diesen Verein seit Jahren schon gab, war dessen Bekanntheitsgrad lange überschaubar. Bis zum Jahr 2013. Innerhalb kürzester Zeit schaffte es ab da der Verein seinen Einfluss und seine Stellung in Europa auszubauen und so zu einer der wichtigsten Stimmen der türkischen Bevölkerung in ganz Deutschland zu werden. Besonders aktiv zeigt sich die UETD immer wieder mit ihren Ortsvereinen im Ruhrgebiet.

Vor 2013 konnte die UETD kaum auf eine eigene Basis zurückgreifen, stattdessen fand sie symbiotisch bei alteingesessenen türkischen Vereinen und Verbänden Unterschlupf. Ihren Zweck beschreibt die UETD so. Sie will „das politische, soziale und kulturelle Engagement der Türken in der Europäischen Union, bei dem (…) der Integrationsprozess in die europäische Gesellschaft im Vordergrund stehe, fördern.“

Wie vieles bei der UETD wirkt dieses Ziel auf den ersten Blick gut. Doch der Verein beherrscht das Spiel zwischen den Lebenswelten. In deutscher Umgebung zeigt er sich offen und verständlich. So erscheint er nach außen. Ganz anders agiert er nach innen. In die türkische Lebenswelt. Hier ist er aggressiv und nationalistisch. Aber fangen wir vorne an.

Wie konnte die UETD plötzlich derartigen Einfluss erlangen?

Zunächst einmal hat die UETD die Nähe zum religiösen Leben vieler Türken gesucht – und häufig auch gefunden. Der kleine Erdoğan-treue Verein mit den großen Ambitionen wurde in vielen DITIB-Ortsvereinen, also Niederlassungen der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, mit offenen Armen empfangen. Sie bekam Räume und konnte auf die Infrastruktur der Moscheen zurückgreifen. Aber auch bei den nationalistischen Türken der ATIB und der internationalen islamischen Bewegung Milli Görüs fand die UETD Unterschlupf. Milli Görüs steht unter anderem in NRW wegen antisemitischer und verfassungsfeindlicher Einstellungen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. So bekam die UETD eine Bühne für ihre Arbeit und Veranstaltungsorte für Redner und Informationsabende.

Fragwürdige Redner: der Agitator

Doch gerade die Unterstützung durch die DITIB-Moscheen entwickelte sich zum Problem. Während die DITIB-Zentrale öffentlich von politischen Einflüssen Abstand nahm, scheinen sich viele ihrer Ortsvereine der Vorstellung politischer Zurückhaltung zu widersetzen und gewähren der UETD in etlichen DITIB-Moscheen freien Zugang. Das ist einfach möglich. Jede DITIB-Moschee ist ein eigenständiger Verein, mit eigener Vorstandsspitze und damit nur bedingt an die DITIB-Zentrale gebunden. deren Einfluss ist beschränkt.

Da die meisten Vorstände mit der AKP, der türkischen Regierungspartei von Erdoğan, sympathisieren, hat auch die UETD mit ihren Rednern in den DITIB-Moscheen gute Chancen auf offene Ohren zu treffen.

Metin Külünk zum Beispiel, AKP-Abgeordneter und enger Vertrauter Erdoğans, von AKP-Fans in Deutschland auch gern als „der große Bruder Europas“ bezeichnet, ist Dauergast der UETD, häufig in DITIB-Moscheen. In Gelsenkirchen; in der Moschee am Freistuhl 14. In Gelsenkirchen, in der DITIB Mescid-i Aksaa Moschee. In Mülheim-Styrum, in der DITIB Ulu Moschee. In Dortmund, in der DITIB-Zentralmoschee.

Külünk weiß, sehr bewusst die Religion für den Staat zu nutzen. So forderte er 2015 die DITIB-Gemeinden in Deutschland auf, Wahlurnen aufzustellen, um konservativen Wählern Raum zu geben. Immer wieder versuchte er auch, Funktionäre der DITIB zu Stellungnahmen bei öffentlichen Diskussionen im Sinne der türkischen Regierung zu bewegen. Sie sollten zum Beispiel in der Causa Böhmermann öffentlich Strafanzeige erstatten.

Der AKP-Abgeordnete Metin Külünk fordert DITIB-Mitglieder auf, gegen das ZDF und damit den Satiriker Böhmermann Strafanzeige zu stellen. (Quelle: Screenshot Hüseyin Topel)

Külünk hat in den vergangenen Jahren oft gezielt Hetze und Missgunst zwischen den deutschen und türkischen Gemeinden gesät. Nach den jüngsten deutschen Reaktionen auf die Verhaftung von prokurdischen HDP-Abgeordneten in der Türkei, postete er: „Deutschland macht einen Fehler! Wegen dieser Feindseligkeit sollten deutsche Stiftungen in der Türkei geschlossen werden. Deutschland macht einen Fehler! Wegen dieser Feindseligkeit werden unsere in Deutschland lebenden Geschwister ihre Gelder von den deutschen Banken abziehen.“

Fragwürdige Redner: Ex-Grüner, Ex-SPD, Ex-AKP

Aber auch andere AKP-Politiker treten für die UETD in Moscheen auf und stellen den türkischen Muslimen ihre Weltanschauung dar. Für den 19. November hatte die UETD zu einer Veranstaltung mit Ozan Ceyhun, einem deutschen Politiker, AKP-Berater und gescheitertem AKP-Kandidaten, eingeladen. Das Thema: „Die neue Türkei nach dem Putschversuch“. Auf dem Veranstaltungsplakat ist die Äußere Aumühlstraße 11 in Würzburg angegeben; dieses Mal die Adresse des Türkisch-Islamischen Kulturvereins in Würzburg und damit eine weitere DITIB-Moschee.

Der Politiker Ozan Ceyhun tritt bei einer Veranstaltung der UETD in einer DITIB-Moschee auf. (Quelle: Screenshot Hüseyin Topel)

Eine Veranstaltung am 20. November in Ludwigshafen zum selben Thema konnte nicht wie angekündigt stattfinden, weil es angebliche PKK-Drohungen gab. Ozan Ceyhun sagte laut der türkischen Regierungszeitung Sabah: „Das ist ein Skandal von Deutschland. (…) Wäre es ein Deutscher Redner, hätte man einfach die Polizei alarmiert und die hätten jegliche Präventionsmaßnahme unternommen.“

Mit nationalistischen Äußerungen und Tweets fällt Ceyhun immer wieder auf. Der Ex-Grünen- und Ex-SPD-Politiker, der 2015 als Kandidat der AKP für das türkische Parlament antrat, warf Bundespräsident Joachim Gauck „billiges Heldentum“ vor, nachdem dieser bei einem Besuch 2015 in der Türkei die Einschränkung von Grundrechten kritisiert hatte. „Er hätte das nicht in der Öffentlichkeit tun dürfen“, sagte Ceyhun und demonstrierte damit sein Verständnis von Demokratie.

Das Versteckspiel

Das Versteckspiel der DITIB auf den UETD-Plakaten ist vermutlich der Versuch, die Religionsgemeinschaft aus unangenehmen Schlagzeilen und Diskussionen herauszuhalten. Zuletzt hatte die DITIB mit dem Vorwurf, ein weiteres türkisches Regierungsorgan zu sein, große Schwierigkeiten. Vor allem die jüngste Enthüllung der regierungskritischen türkischen Zeitung Cumhuriyet, dass Imame der DITIB auch in Deutschland als Spitzel des türkischen Staates arbeiten und gezielt Andersdenkende ausspionieren und denunzieren, dramatisiert die Lage der DITIB.

Das nordrhein-westfälische Innenministerium hatte bereits im September dieses Jahres seine Kooperation mit der Religionsgemeinschaft beendet. Grund waren „unterschiedliche Auffassungen über die inhaltliche Ausrichtung“ eines Comics in einem Präventionsprogramm für Jugendliche, wie es in einer Mitteilung des Innenministeriums heißt. Im Comic wurde der „Märtyrertod verherrlicht“. Auch nach Aufforderung war die DITIB nicht bereit, sich von diesen Inhalten klar zu distanzieren.

Fragwürdige Redner: Der Holocaust-Leugner

Mindestens ebenso bedenklich wie diese Verstrickungen ist auch das Verhältnis der UETD zu türkischen Journalisten mit antisemitischer Einstellung. Die UETD Stuttgart veranstaltete im Mai 2016 ein Seminar mit dem Redner Abdurrahman Dilipak. Dilipak schreibt für regierungsnahe Medien der Türkei, etwa für die Tageszeitung Yeni Akit, die in Deutschland wegen volksverhetzender Artikel seit 2005 verboten ist. Auslöser waren Aufmacher in der Zeitung wie „Hitler hatte Recht“, „Die Zionisten haben Deutschland in der Zange“ oder „Die 2. Nazi-Periode“.

In genau dieser Zeitung schrieb Abdurrahman Dilipak im Oktober 2015 einen Artikel, dessen Titel lautete: „Ja; Hitler wollte die Juden nicht vernichten“.

2015 titelte die Tageszeitung Yeni Akit „Ja; Hitler wollte die Juden nicht vernichten“. Der Autor: Abdurrahman Dilipak. (Quelle: Screenshot Correctiv.Ruhr)

Dilipak erklärte in dem Bericht, Benjamin Netanyahu hätte auf dem 37. Zionistischen Weltkongress gesagt, Adolf Hitler hatte die Juden nicht vernichten wollen, sondern lediglich ins Exil treiben. Erst der Großimam von Palästina hätte ihn angestiftet, die Juden zu verbrennen. Hitler sei selbst ein Jude gewesen, schrieb Dilipak weiter. Zwar habe es einige Alibi Morde gegeben, aber die Zahlen wurden bewusst übertrieben, damit die große jüdische Gemeinschaft Angst bekommt, um Richtung Palästina aufzubrechen. Dilipak schrieb in seinem Beitrag, Netanyahu habe diese Sichtweise auf den Holocaust bestätigt.

Die Rolle der UETD in Deutschland

Die UETD ist in Deutschland für etliche Erdoğan-Veranstaltungen verantwortlich. Ihre Vertreter und Vorstandsmitglieder organisieren Busse, um Wähler bei Abstimmungen an die Urnen in Konsulaten zu bringen. Die Fahrten starten oft vor Moscheen, um möglichst viele Gemeindemitglieder zum Urnengang zu mobilisieren.

Die UETD rühmt sich, die türkische Gemeinschaften in Deutschland mehr oder weniger geschlossen zu vertreten. Auch für die Kölner Kundgebung gegen den gescheiterten Putsch Ende Juli ist zu einem großen Teil auf die Organisationskraft der UETD zurückzuführen.

Die UETD und die Todesstrafe

Auf dieser Demonstration in Köln wurden immer wieder Rufe nach der Todesstrafe laut.

„BEI GOTT, WIR WOLLEN DIE TODESSTRAFE!!!“ lautet der letzte Satz dieses Facebook-Posts des UETD-Ortsvereins Ruhr. (Quelle: Screenshot Correctiv.Ruhr)

Die Deutsch-Türken sind wichtig für Erdoğan. legen sehr großen Wert auf Erdoğans Worte. Erdoğan weiß Reden und Wahlkämpfe zu führen. Er hat alle Entscheidungen, bei denen er höchstpersönlich aufgetreten ist, gewonnen und konsequent Stimmenzuwachs gefeiert. Heute, als Staatspräsident der Türkei im Ausnahmezustand, ist Erdoğan an den Zenit seiner Popularität gelangt. Die deutsche Gemeinschaft trägt seinen Anteil daran: In wankelmütigen Zeiten waren die Türken in Deutschland und Europa immer eine Art Rettungsring für das türkische Staatsoberhaupt. Mit den unglaublichen Wahlergebnissen (um die 60% bei den Parlamentswahlen in der Türkei im November 2015 für Erdoğans AKP aus Deutschland) hat er die ohnehin einseitigen Verhältnisse in der türkischen Politik noch weiter zu seinen Gunsten gedreht.

Zu dieser Zeit sprach mich ein Kollege der Funke Mediengruppe an und bat mich um ein Interview.

Für mich drängt sich die Frage auf, warum Politiker der Türkei so viel näher an die Türken unterschiedlichster Generationen in Deutschland herantreten können, als es hiesige Politiker schaffen.

Gescheiterte Integration

Die Türken in Deutschland wurden jahrelang von einer schlechten Integrationspolitik offensichtlich ignoriert, oft sogar benachteiligt. Sie wurden teilweise ausgegrenzt und diskriminiert. Ob Tatsache oder gefühlte Wahrheit, das hat die Zugehörigkeitsgefühle vieler Türken zu Deutschland gehemmt.

Hinzu kommt die Wahrnehmung aus der Heimat: Die Türken in Deutschland wurden durch die Türken in ihrer Heimat mehr als Devisenmännchen der Deutschen betrachtet. Für die Türkei-Türken waren sie keine vollwertigen Türken, und dieses Gefühl war für die meisten Türken in Deutschland zermürbend. Dann tauchte Erdoğan auf; ein charismatischer Leader, der die Türken in Deutschland wertzuschätzen schien, sie immer wieder besuchte und sich um ihre Sorgen kümmerte. „Integriert Euch, aber lasst Euch ja nicht assimilieren!“, dieser Satz des türkischen Staatsoberhauptes heizte an und prägte die Debatte um die Türken in Deutschland nachhaltig. Bei der Kölner Kundgebung gegen den Putschversuch in der Türkei skandierten Tausende Türken, die meisten in Deutschland aufgewachsen und sozialisiert, „Erdoğan ist unser Präsident!“

Parallele Lebenswelten

Ich halte das für bedenklich – kollidieren doch so westliche Werte mit dem erstarkenden Fundamentalismus in der Türkei. Seit Erdoğan nach dem gescheiterten Putschversuch von der Todesstrafe sprach und zudem erklärte, dass es der Wille seines Volkes sei, zeigen sich in den Nutzerprofilen AKP-treuer Deutsch-Türken immer häufiger Postings und Kommentare für die Wiedereinführung der Todesstrafe. Auch an der UETD zieht diese Welle nicht einfach so vorbei. Obwohl Repräsentanten des Vereins bemüht sind, sich der deutschen Öffentlichkeit als eloquent, moderat, äußerst demokratisch und der Todesstrafe natürlich ablehnend zu inszenieren, sieht ihre parallele Lebenswelt in türkischer Ausführung völlig anders aus.

Verleumderische Aussage

„Im Moment sprechen sich UETD-Repräsentanten beispielsweise für die Todesstrafe aus“, sagte ich in dem Interview mit der Funke Mediengruppe. Die UETD hat daraufhin gegen das Verlagshaus und mich ein einstweiliges Verfügungsverfahrens erwirkt. Sie waren der Meinung, meine Aussage sei verleumderisch und eine falsche Tatsachenbehauptung.

Die UETD und die Todesstrafe? „Das würde das sofortige Aus der EU-Beitrittsverhandlungen bedeuten“, sagte offiziell ein Sprecher des Vereins. Auch wenn die UETD sich gegenüber Zeitungen von der Forderung nach der Todesstrafe zu distanzieren versuchte, teilten viele ihrer Repräsentanten und Ortsvereine in den sozialen Medien diese Forderung, teilten Fotos von Menschen am Galgen – mit der Inschrift „Todesstrafe für Landesverräter“.

Bülent Döger, ein Mitglied des Vorstandes der UETD, schrieb zum Beispiel am 16. Juli – kurz nach dem Putsch – auf Facebook: „Ich bin als Jurist für die Todesstrafe“. Auf seiner Facebookseite teilte am 28. Juli der Ruhrverband der UETD ein Foto mit dem Text:

„Dem in Türksat als Märtyrer gefallenen Ahmet Özsoy 50 und dem Märtyrer Ömer Halisdemir, der dem Putschisten Semih Terzi in den Kopf schoss, sind 30 Patronen aus dem Körper entnommen worden. BEI GOTT, WIR WOLLEN DIE TODESSTRAFE!!!“

Europäische Werte

Nur zwei Beispiele von vielen, mit denen ich meine Äußerung vor Gericht untermauern konnte. Und so urteilte das Landgericht Wuppertal im Oktober, dass meine Sachaussage wahr ist und stellte somit unmissverständlich klar, dass viele Personen in und um die UETD eine Meinung vertreten, die nicht mit den Grundwerten der deutschen und europäischen Demokratie vereinbar sind.

Auffällig ist, dass genau diese und ähnliche Positionen, die mit den universellen Wertvorstellungen und europäischen Standards kollidieren, ausschließlich auf Türkisch kommuniziert werden. Stellt sich die Frage: Wie will die UETD seinem Anspruch, den Integrationsprozess der Türken in die europäische Gesellschaft zu fördern, tatsächlich gerecht werden? Wie kann sie einen Beitrag zur Integration der in Deutschland lebenden Türken in die europäische Gesellschaft zu bewirken, wenn die Geisteshaltung nicht nur den Wertvorstellungen der EU, sondern auch denen der deutsche Verfassung widerspricht?

Alles hat seine Konsequenzen

Meiner Ansicht nach hat ein Journalist die Aufgabe seine Mitmenschen mit Wissen zu beliefern, die sie in ihrem Alltag nicht erreichen können. Genauso ist es auch seine Aufgabe die Menschenrechte und Demokratie zu behüten. Doch mit einer kritischen Haltung ist es derzeit sehr schwierig in der türkischen Gemeinschaft zu leben. Den Hass vieler türkischer Landsleute habe ich bereits auf mich gezogen; viele Verwandte haben sich von mir abgewandt. Es ist nicht so einfach, wenn der eigene Onkel die Blicke auf den Boden richtet und wortlos an einem vorbei zieht. Auch ist für mich eine Reise in die Türkei ausgeschlossen. Nicht einmal bei der Beerdigung meines Großvaters konnte ich dabei sein. Es wäre quasi Selbstmord, sich einem Staat auszuliefern, in dem es kein Recht gibt. All das habe ich mir zuvor leichter vorgestellt, aber ich bereue nichts. Es ist der Preis, den ich in Kauf nehme.

Der direkte Einfluss

Die UETD ist in Deutschland Erdoğans mächtigstes Instrument, ein Verein mit erheblichem Einfluss auf die drei bis vier Millionen große türkische Bevölkerung in Deutschland. Denn während die Konsulate gezwungen sind, sich an internationale Regeln der Diplomatie zu halten, kann Erdoğan durch die UETD direkten Einfluss auf die türkische Bevölkerung in den Kommunen nehmen. Die UETD setzt AKP-Themen, transportiert jegliche Entwicklungen in der Türkei nach Deutschland und definiert die Debatte.

Gleich zu zwei kleinen Parteien, der Allianz Deutscher Demokraten (ADD) und dem Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG-Partei), hat die UETD enge Verbindungen. ADD-Gründer Remzi Aru war Mitglied der UETD und eines ihrer prägenden Gesichter in den deutschen Medien. Auch bei der BIG-Partei – als einer der ersten Migranten-Parteien in Deutschland – gibt es enge personelle Verflechtungen. Wie der Spiegel 2011 berichtete, sollen Spitzenfunktionäre der UETD maßgeblich an der Gründung der Partei beteiligt gewesen sein. Beide Parteien werden voraussichtlich im kommenden Mai zur Landtagswahl in NRW antreten.

Es sieht nicht danach aus, als würde die UETD bald von der Bildfläche verschwinden. Ihre Lebzeit hängt von Erdoğan ab, der seinerseits Schritt für Schritt seine eigene Diktatur errichtet und alle Widersacher einfach einsperrt.

Viel Vergnügen mit der UETD, die eine echte Alternative für Deutschland ist!


Link-Liste:
Erdoğan-Gruppierung klagt gegen Journalisten (Deutsch)

Tayyip Erdoğan ist von Anfang an Förderer der Union Europäisch Türkischer Demokraten (UETD). Ihre Ausrichtung ist stark von seinem Geist geprägt. (Türkisch)

Die Satzung der UETD (Deutsch)

Metin Külünk fordert 2015 die DITIB-Gemeinden in Deutschland dazu auf, Wahlurnen aufzustellen. (Türkisch)

Metin Külünk ist gegen das Deutsch-Türkische Verhältnis und listet die Fehler Deutschlands auf. (Türkisch)

Metin Külünk fordert die Schließung der deutschen Stiftungen in der Türkei. (Türkisch)

Metin Külünk fordert DITIB Mitglieder auf gegen das ZDF zu klagen und somit auch gegen den Satiriker Jan Böhmermann. (Türkisch)

Metin Külünk bezeichnet Cem Özdemir als einen Verräter, weil er dir Resolution zum Völkermord an den Armeniern unterschrieben hat. (Türkisch)

Abdurrahman Dilipak relativiert in einem Artikel unter der Überschrift „Ja; ´Hitler wollte die Juden nicht vernichten´” den Holocaust. (Türkisch)

Eine Meldung, eine Zeitung, allerdings in zwei Sprachen mit zwei sehr unterschiedlichen Bewertungen:

Der Vortrag von Ozan Ceyhun wurde nach einer PKK-Drohungen abgesagt. (Deutsch)

Für Deutsche und den Volksverräter Can Dündar hätte man den Vortrag bei Drohungen nicht abgesagt, sondern die Polizei informiert. (Türkisch)

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Der Autor ist Reporter bei CORRECTIV.RUHR. Die Redaktion finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Ihr Anspruch: Missstände aufdecken und unvoreingenommen darüber berichten. Wenn Sie CORRECTIV.RUHR unterstützen möchten, werden Sie Fördermitglied des Recherchenzentrums correctiv.org. Informationen finden Sie unter correctiv.org

Ich müsste mal auf dieses Seminar, dann wären meine Fotos nicht so grottig.

Als ich kürzlich in Hamburg flanierte, sah ich die Krippe der guten FotografInnen. (foto: zoom)

Kurz vor dem Jahresende 2016 bin ich abends mit lieben Menschen durch Hamburg geschlendert und habe ein Schaufenster entdeckt, welches mir alles versprach.

Leica, Erfolg, das Sehen, das Auge, das Bild.

Leider war es schon spät und die Läden hatten geschlossen.

Mir blieb nur noch Zeit, die Badewanne in einem Einrichtungshaus „way above my means“ zu knipsen.

Es muss Menschen geben, die sich in solchen Behältern suhlen.

Wir hatten als Kinder nur eine Zinkwanne, aber viel Spaß.

Wer Geld hat, will auch komische Sachen kaufen, die viel Geld kosten. (foto: zoom)

Guckt selbst: I, Daniel Blake

Abaton Kino: Gleich geht es los. (fotocollage: zoom)

Ken Loach hat mich mit seinen „sozialkritischen“ Filmen von den Studentenzeiten bis heute begleitet. Mal wurden seine Werke im Metropolis, mal im Abaton gezeigt.

In den Hauptkinos selten bis gar nicht.

Wer will sich auch schon das Schicksal der Unterschichten aus linker Weltsicht auf Breitwand angucken? Dieser überhöhte Gestus des guten schlechten Menschen? Trotzkistisches Revoluzzertum? Laienschauspieler eingestreut?

Heute habe ich mir „I, Daniel Blake“ im Abaton Kino in Hamburg angeschaut. Es war ein überraschend guter Film. Auch diesmal ist Ken Loach immer sehr nah dran an den Charakteren, auch diesmal entfaltet er die Message vom guten Menschen im Elend, der sich den Schneid vom System nicht abkaufen lässt.

Ich hatte mir überlegt, ob ich mir einen solchen Film überhaupt anschauen soll. Der Inhalt in Umrissen geht so:

„Danny Blake ist jetzt fast 60. Er hat seine Frau verloren und erholt sich nur langsam von seinem Herzinfarkt. Der Arzt rät ihm, nicht mehr als Zimmermann auf dem Bau zu arbeiten. Also geht Daniel auf’s Amt und trägt seinen Fall vor. Doch was anfangs nicht so schlecht aussieht, wird immer komplizierter. Die Ämter schicken Daniel von Hü nach Hott. Der Mann wird ohne eigenes Zutun zwischen den Instanzen zerrieben.

Daniel gibt nicht auf und wartet Stunden und Tage auf den Ämtern. Dort lernt er auch Katie kennen, eine junge Mutter mit zwei Kindern. Schnell sieht er, da? sie noch schlechter dran ist. Vielleicht hilft es, einen Teil des Wegs gemeinsam zu gehen?

Ken Loach hat nach fünfzig Jahren noch einmal richtig zugelangt. In seinem emotionalsten Film seit langem stellt er das Leben der „kleinen Leute“ in den Mittelpunkt und das in zwei wirklich starken Geschichten. Dafür gab es in Cannes die Goldene Palme.“

Quelle: http://www.abaton.de/index.htm?115183

Das sagt alles und nichts. Eher nichts. Im Film wird die Bürokratie des Arbeitsamts wie ein Kafkaeskes Schloss gezeichnet. Es ist Ken Loach gelungen, die Unbarmherzigkeit der Sozialbürokratie zu entblößen und zu entblöden. Er zeigt, wie Menschen in einem scheinbar funktionierenden unmenschlichen System funktionieren. Ein Tribut an Hannah Arendt?

Gleichzeitig gibt es den guten Menschen, hier Daniel Blake. Er vereinigt in sich viele Eigenschaften, die wir auch gerne hätten. Selbstlosigkeit, Scharfsinn, Empathie, Aufrichtigkeit.

Es kommen vor: Prostitution, Markenklau, das Internet, die Tafel, Mobbing und Shoplifting.

Wie in vielen Filmen von Ken Loach sind die bösen Menschen zwar nicht die Guten, aber besser als wir sie uns vorstellen.

Am Anfang des Films habe ich gelacht, später geschmunzelt, dann zaghaft die Faust gereckt und am Schluss eine Träne vergosssen.

Guckt selbst.

Rund ein Drittel der Beschäftigten in NRW erhielten 2014 kein Weihnachts- oder Urlaubsgeld

Düsseldorf (IT.NRW). Mehr als ein Drittel der 7,5 Millionen Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen bekamen im Jahr 2014 keinerlei Sonderzahlungen oder sonstige Bezüge wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Prämien oder Ähnliches.

Wie Information und Technik Nordrhein-Westfalen als amtliche Statistikstelle des Landes anhand von Ergebnissen der Verdienststrukturerhebung 2014 mitteilt, erhielten die anderen zwei Drittel Jahressonderzahlungen in Höhe von durchschnittlich 4 001 Euro.

Bei der Differenzierung der Empfänger von Sonderzahlungen nach Geschlecht zeigt sich, dass diese Zahlungen bei weiblichen Beschäftigten mit 2 671 Euro etwa halb so hoch waren wie die ihrer männlichen Kollegen (5 114 Euro).

Diese Differenz kommt vor allem dadurch zustande, dass überdurchschnittlich hohe Sonderzahlungen (4 000 Euro und mehr) vor allem an männliche Beschäftigte flossen. Während rund 14 Prozent der weiblichen Beschäftigten sonstige Bezüge in dieser Höhe erhielten, waren es etwa 36 Prozent der Männer.

Allerdings gab es auch am anderen Ende der Skala Unterschiede: Während etwa 51 Prozent der Frauen Sonderzahlungen von weniger als 2 000 Euro erhielten, traf dies auf rund 34 Prozent der Männer zu.

PRESSEMITTEILUNG: Bundesregierung zensiert Aussagen zu Reichtum und Einfluss

LobbyControl: Streichungen im Armuts- und Reichtumsbericht sind einer Demokratie nicht würdig


Berlin, 15.12.2016: Die Bundesregierung hat brisante Passagen aus dem Armuts- und Reichtumsbericht gestrichen. Die Aussagen betreffen vor allem eine Studie mit der Aussage, dass reichere Menschen mehr Gehör in der Politik finden. Auch ein Kapitel über Lobbyismus und Einfluss von Interessenvertretungen wurde gestrichen. Dazu kommentiert Christina Deckwirth vom Verein Lobbycontrol:

„Die Bundesregierung zensiert die unliebsamen Ergebnisse ihrer eigens in Auftrag gegebenen Studie. Das ist Realitätsverweigerung. Die vom Arbeitsministerium in Auftrag gegebene Studie zeigt deutlich: Wer mehr Geld hat, dessen Interessen werden eher von der Politik umgesetzt. Einkommensschwache haben dagegen so gut wie keinen Einfluss. Wenn politische Entscheidungen sich einseitig an den Interessen der Bessergestellten orientieren, gerät das demokratische Gleichheitsgebot ins Wanken. Die Bundesregierung könnte diesen Befund zur Kenntnis nehmen und gegensteuern. Stattdessen greift sie zur Zensur. Das ist einer Demokratie nicht würdig.“

Deckwirth weiter: „Das Thema Reichtum und Lobbyismus wurde vollständig aus dem Bericht gestrichen. Dabei erleben wir immer wieder, dass finanzstarke Akteure politische Entscheidungen zu ihren Gunsten beeinflussen. So hat die Auseinandersetzung um die Erbschaftssteuer gezeigt, wie eine gut organisierte und finanzstarke Lobby von Firmenerben und Superreichen ihre Interessen durchsetzen konnte. Ungleiche Lobbyeinflüsse verhindern ausgewogene Politikentscheidungen und sind so eine Gefahr für die Demokratie. Die Bundesregierung ist offenbar nicht in der Lage, diese Themen in ihrem offiziellen Bericht überhaupt nur zu erwähnen. Das ist problematisch. Gerade in Zeiten wachsender Politik- und Demokratieverdrossenheit sind solche Analysen sehr wichtig. Wir fordern die Bundesregierung auf, diese wichtigen Passagen wieder in den Bericht aufzunehmen.“

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Eine ausführliche LobbyControl-Analyse der gestrichenen Passagen des Armuts- und Reichtunsmberichtes finden sie hier: https://www.lobbycontrol.de/2016/12/armuts-und-reichtumsbericht-bundesregierung-zensiert-unliebsame-studie/

NRW: Rund 2,1 Millionen Menschen erhielten Ende 2015 Leistungen der sozialen Mindestsicherung

Und die einen sind im Dunkeln und die anderen sind im Licht, doch man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht. (grafik: zoom)
Und die einen sind im Dunkeln und die anderen sind im Licht, doch man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht [1]. (grafik: zoom)
Düsseldorf (IT.NRW). Ende 2015 erhielten rund 2,1 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen Leistungen der sozialen Mindestsicherung; das waren neun Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Wie Information und Technik Nordrhein-Westfalen als amtliche Statistikstelle des Landes mitteilt, waren damit zwölf Prozent der Menschen an Rhein und Ruhr auf existenzsichernde finanzielle Hilfen des Staates angewiesen. Ein Jahr zuvor hatten mit 1,96 Millionen noch 11,1 Prozent der Einwohner entsprechende Hilfen bezogen.

Bei den Minderjährigen fiel der Anteil derer, die auf Mindestsicherungsleistungen angewiesen waren, mit 19,7 Prozent zum Jahresende 2015 überdurchschnittlich aus. Ein Jahr zuvor lag die Mindestsicherungsquote der Minderjährigen bei 18,0 Prozent.

Die Gesamtregelleistung nach dem Sozialgesetzbuch II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) war mit rund 1,6 Millionen Hilfeempfängern (+1,9 Prozent gegenüber 2014) auch im vergangenen Jahr die mit Abstand am häufigsten in Anspruch genommene Mindestsicherungsleistung in Nordrhein-Westfalen.

268 000 Personen (+2,1 Prozent) erhielten Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung.

Mit Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wurden 224 000 Menschen unterstützt. Diese Gruppe ist im Vergleich zum Vorjahr mit einem Plus in Höhe von 159,5 Prozent am stärksten gewachsen.

Des Weiteren erhielten rund 39 000 Personen (+8,1 Prozent) Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen.

Die höchsten Mindestsicherungsquoten ermittelten die Statistiker in den Städten Gelsenkirchen (22,1 Prozent) und Essen (18,0 Prozent). In diesen Städten waren mehr als ein Drittel der Minderjährigen auf Mindestsicherungsleistungen angewiesen (Gelsenkirchen: 39,1 Prozent, Essen: 33,2 Prozent). Die niedrigste Mindestsicherungsquote aller 396 Städte und Gemeinden NRWs wies die Gemeinde Schöppingen im Kreis Borken auf. Hier waren 2,6 Prozent der Einwohner und 3,2 Prozent der Minderjährigen auf Mindestsicherungsleistungen angewiesen.

Methodischer Hinweis: Im April 2016 wurde das bisherige Zähl- und Gültigkeitskonzept der Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II durch die Bundesagentur für Arbeit rückwirkend ab Einführung der Statistik im Jahr 2005 revidiert. Bei den hier verwendeten Daten zu den Regelleistungen nach dem SGB II handelt es sich um Daten nach der Revision 2016.

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[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Moritat_von_Mackie_Messer

Schwere Vorwürfe der Sauerländer Bürgerliste: Filz in der Verwaltung und Medien-Zensur

Auf ihrer Website berichtet die Sauerländer Bürgerliste (SBL) über Vorgänge um den Neubau einer Kinder-Tagesstätte Gremien. Es rieche, so die SBL in ihrem Bericht, nach Filz und Zensur im Hochsauerland.

Hier der Bericht, wie er (Stand 28.11.2016 7:05) gestern auf der Website der SBL erschienen ist:

Unsere Story beginnt am 16.06.2016 bei der Sitzung des Kreisjugendhilfeausschusses (KJHA) in Meschede. Auf der Tagesordnung stand der unverdächtige Tagesordnungspunkt “Kindergartensituation in Brilon”. Doch bei Aufruf dieses Punktes stellte sich heraus, dass es nicht nur allgemein um das Kita-Angebot in Brilon ging, sondern dass ein einziger potentieller Träger eingeladen worden war, im Ausschuss sein Konzept für eine neue Kita vorzustellen. Präsentiert wurden konkrete Bauzeichnungen für einen 4gruppigen Neubau mit ca. 1.200 qm Fläche. Zwischen dem Kreisvorstand dieses Verbandes und der CDU gibt es enge Verflechtungen…

Andere potentielle Träger wussten davon nichts und hatten daher keine Gelegenheit gehabt, selbst einen Vortrag für den KJHA vorzubereiten.

Dies führte zu Missfallen im Ausschuss. Daher wurde vereinbart, die Beratung in der nächsten Sitzung des KJHA fortzusetzen, dann auch mit der Gelegenheit für andere potentielle Träger, ihre Konzepte vorzustellen.

Die nächste Sitzung des KJHA sollte jedoch erst im September stattfinden. Da jedoch zum 30.08.2016 die reguläre Antragsfrist für Bundes- und Landesmittel zur Förderung neuer Kita-Plätze auslief, beantragte kurz darauf die SBL/FW-Fraktion, den KJHA noch im August tagen zu lassen. Diese Sitzung fand dann am 24.08.2016 statt.

In der Zwischenzeit hatte es jedoch in der Briloner Kommunalpolitik weitere ungewöhnliche Ereignisse gegeben. Ein bisher für eine Kita vorgesehenes Grundstück wurde auf Vorschlag der Stadtverwaltung in Wohnbauland umgewandelt, stand also nicht mehr zur Verfügung. Für ein weiteres, von einem anderen Kita-Träger gewünschtes, freies und gut gelegenes Grundstück lehnte der Ausschuss für Planen und Bauen in seiner Sitzung am 03.08.2016 die planerische Freigabe für den Bau einer Kita ab. Die Begründung aus der CDU-Fraktion: Durch eine Kita würde der Wert der Nachbargrundstücke sinken (kein Witz!!). Dabei sind Kitas selten abends, nachts und an Wochenenden in Betrieb, und die Geruchs- und Lärmemissionen halten sich in sehr engen Grenzen…

Weitere von der Bürgerliste ins Spiel gebrachte Grundstücke waren nach Behauptungen der Stadtverwaltung angeblich ungeeignet: Ein zentral gelegenes Grundstück im kommunalen Eigentum wegen Hochwassergefahr ??? (dabei liegt die Briloner Kernstadt auf einer Hochebene, und der nächste Fluss ist mehrere Kilometer entfernt). Und bei einem anderen städtischen Grundstück würde die Bauleitplanung angeblich zwei Jahre dauern… (so langsam kann selbst eine öffentliche Verwaltung nicht sein!)

Also blieb nur ein Träger für den Neubau übrig, denn nur dieser Träger hatte ein Grundstück zur Verfügung. Dort befinden sich zwar reichlich Altlasten aus Schwermetallen, es gibt keinen Gehweg auf der Straßenseite dieses Grundstücks, aber vor allem nachmittags sehr viel Straßenverkehr durch mehrere benachbarte große Einkaufsläden, und Familien wohnen nicht in der Nähe… Aber es war halt der “richtige” und einzige verbliebene potentielle Träger, so dass der KJHA am 24.08. seine Zustimmung beschloss. Nun ging es sehr zügig, denn die Bauarbeiten starteten nach weniger als einem Monat Wochen. Die Briloner Stadtverwaltung scheint diese Baugenehmigung innerhalb von wenigen Stunden nach Eingang des Bauantrags erteilt zu haben…

Doch die Story geht noch weiter. Der CDU-nahe Träger, der den Zuschlag erhielt, baut zwar die neue Kita, betreibt sie aber nicht selbst. Dafür wurde eine 100%ige Tochtergesellschaft gegründet, die denselben Geschäftsführer hat wie der Verband. Da der künftige Betreiber das Gebäude der Kita nicht selbst baut, kann er auch keine Zuschüsse zu den Investitionskosten beantragen. Stattdessen zahlt die neue Betreibergesellschaft künftig Miete an den Mutter-Verband. Und diese Miete erhöht die Betriebskosten. Die bleiben aber nicht beim Betreiber hängen, denn 36% trägt das Land und 55% der Kreis. Die restlichen 9% Eigenanteil erstattet in Brilon normalerweise die Stadt an den Träger, so dass eine volle Refinanzierung erfolgt. Ein einträgliches Geschäft…

Der Sozialausschuss der Stadt Brilon sollte in seiner Sitzung am 22.11.2016 den Zuschuss beschließen. Doch nun stockte es. Denn die Bürgerliste deckte in der Sitzung die unnötigen Mehrkosten durch den Deal mit den Mietzahlungen statt der Zuschüsse auf. Der Ausschuss beschloss nach längerer Diskussion mit großer Mehrheit, jetzt nicht zu entscheiden und das Thema im nächsten Jahr wieder aufzugreifen, wenn mehr Transparenz über die Kosten bestünde.

In der Sitzung des Sozialausschusses behauptete der gemeinsame Geschäftsführer von Mutterverband und Tochtergesellschaft, auf die Beantragung von Fördermitteln hätte verzichtet werden müssen, weil die Ende August schon vollständig vergeben waren. Doch das ist weit entfernt von der Wahrheit. Das diesjährige Förderprogramm wird gespeist aus den eingesparten Mitteln des gescheiterten Betreuungsgeldes. 100 Mio Euro stellt das Land NRW für neue Kita-Plätze für über 3jährige Kinder insgesamt zur Verfügung, mehr als je zuvor. Es gibt bis zu 20.000 Euro je neuem Platz. Für das Kreisgebiet war ein Volumen von insgesamt 1,43 Mio Euro sicher, davon knapp 700.000 Euro für das Kreisjugendamt (KJA) und etwa derselbe Betrag für die 3 städtischen Jugendämter. Bewilligt werden die Mittel vom Landesjugendamt. Von den Mitteln für das KJA des HSK waren sogar am 22.11. – dem Tag der Ausschusssitzung – noch etwa 240.000 Euro frei. Hinzu kommen nach einer aktuellen Auskunft des Landesjugendamtes noch erhebliche Reste aus anderen Jugendamtsbezirken. Und für die neuen Plätze für die unter 3jährigen Kinder gilt ein eigenes Programm, auch mit bis zu 20.000 Euro je neuem Platz. Hier sind jetzt noch reichlich Mittel vorhanden. Der Träger könnte also sogar jetzt noch einen Antrag auf Investitionsfördermittel stellen und mindestens 700.000 Euro an Zuschüssen erwarten, vielleicht auch viel mehr.

Doch durch das von Kreis- und Stadtverwaltung protegierte Investoren- und Vermietungsmodell für diesen Träger fallen erhebliche Mehrkosten für die kommunalen Kassen an. Die Monatsmiete für die neue Kita könnte schätzungsweise bei etwa 7.500 Euro liegen, macht im Jahr 90.000 Euro. Daraus ergeben sich pro Jahr ca. 8.000 Euro Mehrkosten für die Stadt und ca. 50.000 Euro Mehrkosten für den Kreis, die ebenfalls über die Jugendamtsumlage aus den Gemeinden bezahlt werden müssen. Das Kreisjugendamt hat gegenüber diesem Träger eine 20jährige Mietausfallgarantie abgegeben. Bei Betrachtung über diese 20 Jahre subventionieren die Kommunen diesen Träger nach dieser Schätzung mit etwa 1,16 Mio Euro. Das wäre nicht der Fall, wenn der Träger die ihm zustehenden Investitionsmittel beantragen würde und daher keine Miete anfallen würde.

In die sehr enge Kooperation zwischen einem Träger und Teilen der Verwaltungen und Teilen der Politik scheint auch die Lokalpresse einbezogen zu sein. Sie war nicht in der Sitzung des Sozialausschusses anwesend, veröffentlichte aber 2 Tage später einen schlecht recherchierten Bericht, mit falschen und unvollständigen Angaben, vermutlich gespeist von dem in der Sitzung kritisierten Träger. Ein sachlicher Kommentar mit einigen Fakten, den daraufhin ein Mitglied der Bürgerliste unter “www.derwesten.de” zu diesem Artikel schrieb, wurde nach wenigen Stunden vom Administrator gelöscht. Am Schreibstil des Kommentars kann es nicht gelegen haben. So etwas wurde auch schon mal als Zensur betrachtet…

Die Story könnte noch weiter gehen!

Umleitung: Polit-Theater Autobahn? SPD im Revier wählen? Maskulinismus an der Macht, Snowden, USB-Killer, soziale Schieflage bei der AfD und mehr …

Manchmal muss man wieder aufpumpen. Hier am Hennesee bei Meschede. (foto: zoom)
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Vereinsauflösung: Außerordentliche Mitgliederversammlung des 1. FC Köln – Fanclub Brilon 12/01 e.V.

Die folgende Einladung fand ich heute in meinem E-Mail Eingangskorb. Der Briloner Fanclub des 1. FC Köln löst sich auf. Grund ist nach meinen Informationen das mangelnde Engagement der Mitglieder für den Verein. Da ich die Pressemitteilungen des Vereins immer brav veröffentlicht habe, soll auch diese traurige Meldung ihren Platz bekommen:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich darf Ihnen mit heutigem Schreiben anzeigen, dass der 1. FC Köln – Fanclub Brilon 12/01 e.V. zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung für Samstag, den 03. Dezember 2016 um 17.30 Uhr in die Begegnungsstätte der Arbeiterwohlfahrt, Altenbürener Str. 22, 59929 Brilon einberuft und über eine Vereinsauflösung gemäß nachgenannter Tagesordnung befinden wird.

Wie in der Satzung festgelegt, ist die Mitgliederversammlung durch postalische Zustellung und durch Veröffentlichung in den Briloner Medien wie folgt einzuberufen:

– Briloner Anzeiger
– Sauerlandkurier
– Westfalenpost

In diesem Zusammenhang darf ich Sie freundlich um Bekanntgabe dieser Sitzung in Ihren jeweiligen Medien bitten!

Auf Grundlage v. § 16 der Vereinssatzung v. 07. Dezember 2002 soll über die Vereinsauflösung des v.g. Vereins / Fanclubs und die Bestellung der Liquidatoren zum Auflösungsprozess beraten und abgestimmt werden.

Wie bei Gründung satzungsgemäß festgelegt, fließt das verbleibende Vereinsvermögen zu 100 % an die Jugendabteilung des 1. FC Köln 01/07 e.V. zur Förderung selbiger an den Hauptverein. (s. § 16 d. Satzung)

I. Begrüßung und Feststellung der ordnungsgemäßen Ladung und der Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung

II. Aussprache und die Möglichkeit, die Auflösung durch die Wahl eines neuen Vorstandes abzuwenden

III. Bericht des Vorstandes über Art und Weise der Auflösung und Liquidation des Vereins

IV. Vorschlag auf Satzungsänderung gem. § 15 d. Satzung v. 07.12.2002

im Bezug auf dortig getroffener Quorenreglung n. §16 zur Vereinsauflösung.

V. Auflösung des Vereins

Die Mitgliederversammlung möge beschließen:

Die Mitgliederversammlung beschließt wie in § 16 d. Satzung v. 07. Dezember 2002 formal vorgesehen, dass die Mittelverwendung wie entsprechend zu Gunsten der Jugendabteilung des 1. FC Köln 01 / 07 e.V. zu verwenden sind.

Ferner beschließt die Mitgliederversammlung gem. Beschlusses und unter Einhaltung der notwendigen ¾ Mehrheit der erschienen Mitgliederversammlung die Auflösung des Vereins / Fanclubs zum 31.12.2016.

VI. Beratung und Beschlussfassung über die Bestellung von Liquidatoren und deren Aufgabenkreis

Die Mitgliederversammlung möge beschließen:

1) Zu Liquidatoren zur Abwicklung der Auflösung des Vereins werden bestellt:

Herr/Frau ………………………………………………….
(Name, Vorname, Geb. Datum, Adresse, Beruf)

Herr/Frau ………………………………………………….
(Name, Vorname, Geb. Datum, Adresse, Beruf)

Beide Liquidatoren sind alleine vertretungsberechtigt.

2) Aufgabe der Liquidatoren sind ( § 49 II BGB): die laufenden Geschäfte zu beendigen die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen, die Gläubiger zu befriedigen und den Überschuss den Anfall berechtigten auszuantworten. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen. Die Einziehung der Forderungen sowie die Umsetzung des übrigen Vermögens in Geld darf unterbleiben, soweit diese Maßregeln nicht zur Befriedigung der Gläubiger oder zur Verteilung des Überschusses unter die Anfallberechtigten erforderlich sind.

VII. Verschiedenes

Ich bitte um vollzähliges und pünktliches Erscheinen.
Mit freundlichen Grüßen

1. FC Köln – Fanclub Brilon 12/01 e.V.

Ralf Wiegelmann
Präsident