Die Maschinerie Amazon im Podcast von Nürnberger Nachrichten und CORRECTIV

Nürnberg, 30. März 2023: Am Freitag, 31. März 2023 erscheint die erste Folge der fünfteiligen Podcast-Serie „Klick Klick Boom – Die Maschine Amazon” der Nürnberger Nachrichten in Kooperation mit CORRECTIV. Den Teaser gibt es schon jetzt auf Spotify, Apple Podcasts und Deezer zu hören.

(Pressemitteilung CORRECTIV)

Die Podcast-Serie ist als Teil der journalistischen Ausbildung ein Projekt der zwölf Volontärinnen und Volontäre des Verlags Nürnberger Presse (VNP). Den gesamten Januar über haben sie an Konzept, Recherche und Umsetzung des Podcasts gearbeitet, der die Maschinerie des Online-Versandhändlers Amazon erklärt. Amazon verspricht bequemes Shopping, ständige Verfügbarkeit und günstigste Preise. Doch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland zahlen dafür einen hohen Preis: Sie berichten von Druck, Überwachung und Ausbeutung in ihrem Alltag.

Bereits im November 2022 hatte CORRECTIV in Zusammenarbeit mit weiteren Medienhäusern in Deutschland – darunter auch die Nürnberger Nachrichten – nach einer deutschlandweiten, siebenmonatigen Recherche Missstände in jedem Schritt der Arbeitskette bei Amazon aufgedeckt. In Mittelfranken befinden sich in Nürnberg, Eggolsheim (Landkreis Forchheim), Pommersfelden (Landkreis Bamberg) und Bayreuth Standorte des Onlineversandhändlers. „Klick Klick Boom – Die Maschine Amazon“ knüpft nun an diese Recherchen an.

Die erste Folge der fünfteiligen Serie erscheint am Freitag, dem 31. März, überall da, wo es Podcasts gibt, sowie bei auf den Seiten von CORRECTIV und den Nürnberger Nachrichten. Danach jeden Freitag.

Den Teaser und alle Folgen finden Sie hier:
Spotify
Apple Podcasts
Deezer

Für die Recherche sprachen die Volontärinnen und Volontäre der Nürnberger Nachrichten mit 18 Protagonisten und Protagonistinnen. Darunter aktuelle und ehemalige Kurier-, LKW-Fahrer und – Fahrerinnen aus Deutschland und Europa, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus Amazon-Logistikzentren, der ehemalige Deutschland-Chef von Amazon, Ralf Kleber, sowie Spitzenpolitiker und -politikerinnen auf Landes- bzw. Bundesebene. Amazon selbst kommt natürlich auch zu Wort. Außerdem geht der Podcast der Frage nach, wie das Konsumverhalten der Menschen mit dem ausbeuterischen System zusammenhängt.

Jakob Baumer, Journalist beim SWR und Grimme-Preis nominiert für seinen Podcast „Breitscheidplatz“, sowie Anne Ramstorf von CORRECTIV berieten das Projekt im Bereich Storytelling. Jonathan Sachse und Miriam Lenz von CORRECTIV leiteten die ursprüngliche Recherche, trugen als Experten zum Podcast bei und übernahmen das Factchecking. Finanziell unterstützt wurde das Projekt von der Initiative „start into media“ im Rahmen der „future skills“-Förderung. Aufnahme und Schnitt fanden in der Hochschule Ansbach statt. Die Volontärs-Verantwortliche Ella Schindler und die Redakteurin und Produktmanagerin Audio Isabella Fischer begleiteten das Projekt von Seiten des VNP.

Verdeckte Gazprom-Lobby in Deutschland

Grafik: Correctiv

Das gemeinnützige Recherchezentrum CORRECTIV legt erstmals ein umfassendes Bild der russischen Lobbyarbeit für Gasimporte nach Deutschland vor: Die Recherche macht ein Netz aus Vereinen, Konferenzen und Gesprächsrunden sichtbar, das Politikerinnen und Politiker mit Lobbyisten zusammenbrachte, um für russische Energie vor allem von Gazprom zu werben. 

(Presssemitteilung Correctiv)

Es geht um gesponserte Musikfestivals, Gesprächsforen und letztlich um die offene Vereinnahmung von Spitzenpolitikern – und einer Landeschefin. Mit dem Ergebnis, dass rund die Hälfte des in Deutschland importierten Gases aus Russland stammte. 

Vertreter russischer Firmen und des russischen Staates gründeten auch mit Hilfe von deutschen Politikern der SPD und CDU und deutscher Anwälte eine Fülle von ähnlich klingenden Vereinen und Foren, etwa das Deutsch Russische Rohstoff-Forum, die Deutsch Russische Rohstoff-Konferenz, das Deutsch-Russische Forum. Die Anzahl täuscht darüber hinweg, dass sich immer wieder dieselben Interessenvertreter und Politiker treffen, zu großer Mehrzahl Männer. 
 
Auch der Leipziger Energiekonzern VNG, der inzwischen Staatshilfen beantragen musste, hat mehrere prorussische Lobbyorganisationen betrieben, die sich für deutsch-russische Beziehungen im Energiesektor einsetzten. VNG-Vertreter besetzten Positionen in Vereinen und Konferenzen, ohne dass der Bezug zum Konzern offensichtlich gewesen wäre. VNG bezog bislang sein Gas vor allem aus Russland.

Viele Protagonisten wie Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder sind bereits bekannt. Neu sind die Personen, die aus der zweiten Reihe heraus die russische Lobbyarbeit orchestrierten. Eine wichtige Figur ist etwa Heino Wiese: Der SPD-Mann war als Wahlkampfleiter von Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel eng mit beiden verbunden, später dann Bundestagsabgeordneter. Nach seiner Zeit im Bundestag wurde er in Hannover zum russischen Honorarkonsul ernannt.

Nach CORRECTIV-Recherchen vereinnahmte das Netzwerk auch gemeinnützige Organisationen. Etwa die zweifelhafte Gesprächsrunde der „deutsch-russischen Zukunftsforen“, die regelmäßig auf Schloss Wackerbarth bei Dresden abgehalten wurde. Gegründet 2008 von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und unterstützt vom Leipziger Gaslieferanten VNG, treffen sich auch hier regelmäßig Vertreter der russischen Gasinteressen mit der Politik. Die Adenauer-Stiftung erklärt auf CORRECTIV-Anfrage, sie habe noch bis zum erneuten Überfall Russlands auf die Ukraine „Gesprächsfäden unter schwierigsten Bedingungen beibehalten und eigene Positionen verdeutlichen wollen“.

Diese Recherche ist ein Auftakt: CORRECTIV wird das enge Russland-Netzwerk weiter analysieren. Die Recherche entstand in Zusammenarbeit mit dem Policy Network Analytics (PNA), einer privaten Initiative für Transparenz in der Politik.

Die ganze Recherche lesen Sie unter folgendem Link: https://correctiv.org/?p=124179

„Wir haben einen Plan, wie wir Politiker loswerden“ – Wie Corona-Leugner ein Netzwerk in Europa aufbauten 

Abbildung: Screenshot Correctiv

CORRECTIV. Faktencheck und Maldita zeichnen die Internationalisierung des Netzwerks seit Pandemie-Beginn von Deutschland über Spanien bis Ungarn nach.

Essen, 6. April 2022. Seit Beginn der Pandemie hat sich die Corona-Leugner-Szene europaweit vernetzt, um sich den sogenannten Eliten entgegenzustellen, die Pandemie zu verharmlosen und die verloren geglaubte Freiheit wieder zu erkämpfen. Vor allem der Deutsche Heiko Schöning fällt als Treiber dieser Vernetzungsbemühungen auf. 

Die Faktencheck-Redaktion des Recherchezentrums CORRECTIV hat in einer monatelangen Recherche gemeinsam mit der spanischen Faktencheck-Organisation Maldita dokumentiert, wie sich die Corona-Leugner seit Frühjahr 2020 international vernetzt haben, wo sie sich trafen und wer sie sind. Es zeigt sich: Hinter harmlos klingenden Leitsprüchen wie „We don’t want this new normal, we want a better normal“ steckt ein umfassendes Verschwörungsweltbild. 

Die Corona-Leugner-Szene vernetzt sich auf Konferenzen, Demonstrationen und „Untersuchungsausschüssen“

Die Journalistinnen und Journalisten von CORRECTIV.Faktencheck und Maldita analysierten Telegram- und Video-Kanäle bis Februar 2022. Sie fanden mehr als 30 Veranstaltungen, auf denen sich Corona-Leugner wie Heiko Schöning, die Professorin Dolores Cahill oder die spanische Ärztin Natalia Prego austauschten.

Bei Treffen in Spanien, Großbritannien, Ungarn oder Schweden betonen die Beteiligten, eine große, weltweite Vereinigung zu sein. Doch beim genauen Blick reduzieren sich die Hauptprotagonistinnen und -protagonisten auf eine Handvoll Menschen. Sie inszenieren sich gekonnt in Sozialen Netzwerken und erreichen damit teilweise eine große Öffentlichkeit. 

Josef Holnburger, Geschäftsführer des Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) schätzt, dass die Bemühungen der unterschiedlichen Akteure im Jahr 2021 am erfolgreichsten waren. Weil es in vielen Ländern eine Rücknahme von Corona-Maßnahmen gab, habe die Bewegung jedoch an Schwung verloren, so Holnburger. Doch die geschaffenen Strukturen können jederzeit reaktiviert werden.

Die deutsche und spanische Recherche finden Sie unter folgenden Links: 

Wie die Corona-Leugner ein Netzwerk in Europa aufbauten (CORRECTIV)

La red europea de los corona-negacionistas: sus conexiones y su ‚modus operandi‘ entre España y Alemania (Maldita)

Offener Brief an YouTube: Faktencheck-Organisationen aus der ganzen Welt fordern wirksame Maßnahmen gegen grassierende Desinformation

Essen, 11. Januar 2022. Mehr als 80 professionelle Faktencheck-Organisationen aus über 40 Ländern schicken heute, den 12. Januar, einen offenen Brief an die Chefin von YouTube, Susan Wojcicki.

(Pressemitteilung Correctiv)

In dem Brief fordern sie Wojcicki auf, mindestens vier Schritte zu unternehmen, damit das Unternehmen nicht mehr „einer der wichtigsten weltweiten Kanäle für Online-Desinformation und Fehlinformationen“ ist.

Zu den Organisationen, die den offenen Brief unterschrieben haben, gehören neben CORRECTIV.Faktencheck unter anderem die britischen Faktenchecker von Full Fact, Lupa aus Brasilien, Maldita aus Spanien, Africa Check sowie das Faktencheck-Team der Washington Post.

Die Faktencheck-Organisationen führen in ihrem Schreiben Beispiele für YouTube-Videos aus verschiedenen Ländern auf, die im realen Leben echten Schaden angerichtet haben, ohne dass die aktuellen Unternehmensrichtlinien gegriffen haben. Für die Faktencheck-Community sind dies nur einige Beweise dafür, dass die von YouTube eingeführten Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformation „unzureichend“ sind und „nicht funktionieren“. 

Die Faktencheck-Organisationen betonen, dass die Situation in nicht-englischsprachigen Ländern und im globalen Süden, wo die Richtlinien weniger effizient umgesetzt werden, noch schlimmer ist. 

Im Brief stellen die Faktencheck-Organisationen vier Forderungen an die Chefin von YouTube:

  1. Ein transparenter Umgang in Bezug auf die Verbreitung von Desinformationen auf der Plattform und die öffentliche Bekanntmachung von Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformation.
  2. Konzentration auf die Bereitstellung von Kontext statt auf das Löschen von Videos. Dies kann durch eine sinnvolle und strukturierte Zusammenarbeit mit Faktencheck-Organisationen und durch Investitionen in deren Arbeit erreicht werden.
  3. Maßnahmen gegen Wiederholungstäter, die Inhalte produzieren, die ständig als Desinformation gekennzeichnet sind, und Unterbindung, dass ihre Videos von den Algorithmen des Unternehmens empfohlen oder gefördert werden.
  4. Ausweitung dieser Bemühungen auf andere Sprachen als Englisch und Bereitstellung von länder- und sprachspezifischen Daten sowie von effektiven Transkriptionsdiensten.

Die Faktencheck-Organisationen weisen die Versuche von YouTube zurück, die Debatte als eine ausschließliche Wahl zwischen dem Löschen oder Nicht-Löschen von Videos darzustellen. Sie erinnern das Unternehmen an die mittlerweile verfügbaren Nachweise für die Wirksamkeit zusätzlicher, geprüfter Informationen, anstatt Videos einfach verschwinden zu lassen. Diese Lösung, so die Unterzeichnenden des Schreibens, „wahrt die Meinungsfreiheit und mindert gleichzeitig das Risiko einer Beschädigung von Leben, Gesundheit, Sicherheit und demokratischen Prozessen“.

In ihrer Mitteilung an Wojcicki drückten die Unterzeichnenden ihre Bereitschaft aus, mit YouTube zusammenzuarbeiten, um diese Forderungen umzusetzen und „YouTube zu einer Plattform zu machen, die wirklich ihr Bestes tut, um zu verhindern, dass Desinformation und Fehlinformation gegen ihre Nutzer und die Gesellschaft insgesamt eingesetzt werden“. 

In einem Treffen mit Wojcicki planen die Faktencheck-Organisationen, die in dem Schreiben angesprochene Problematik zu erörtern.

Lesen Sie hier den offenen Brief.

ZDF/ARTE zeigt Einblicke in die investigativen Recherchen von CORRECTIV

AUF DER SPUR DES GELDES ist der erste Dokumentarfilm, der die investigativen Journalistinnen und Journalisten von CORRECTIV bei ihrer Arbeit begleitet.

(Pressemitteilung Correktiv)

Die Regisseurinnen Susanne Binninger und Britt Beyer haben das Investigativ-Team des vielfach ausgezeichneten Recherchezentrums CORRECTIV über mehrere Monate begleitet. Der ZDF/ARTE Dokumentarfilm AUF DER SPUR DES GELDES zeigt, wie die Reporterinnen und Reporter in langwierigen Recherchen illegalen Machenschaften, verborgenen Netzwerken und dem Einfluss von anonymen Geldgebern nachspüren. Der Film zeichnet die Wege von zwei Recherchen nach, die in letzter Zeit für Aufmerksamkeit sorgten: Die internationalen Enthüllungen rund um den Cum-Ex-Steuerraub und der AfD-Spendenskandal, der ein immer größeres Ausmaß annimmt. 

Wenn Behörden versagen oder untätig sind, bleiben die Reporterinnen und Reporter weiter dran. Dafür nutzen sie moderne Recherchetechniken, wie die journalistische Datenanalyse oder die Crowd-Recherche im Netz, mit denen sie Bürgerinnen und Bürger um Mithilfe bitten. Bei allen Recherchen steht kollaboratives Arbeiten mit internationalen und nationalen Medienpartnern und die Stärke des Teams im Fokus. 

Investigativ, vernetzt, bürgernah – anhand zweier Recherchen zeigt der Dokumentarfilm, was die Arbeit von CORRECTIV ausmacht

2018 hat CORRECTIV zusammen mit 18 Medienpartnern aus zwölf Ländern die CumEx Files veröffentlicht und so maßgeblich zur Enthüllung des größten Steuerraubs in der europäischen Geschichte beigetragen. Jetzt zeigt AUF DER SPUR DES GELDES, wie CORRECTIV erneut in kürzester Zeit ein Netzwerk von 30 Journalistinnen und Journalisten aus fünf Kontinenten zusammenbringt, darunter sind Medien wie Le Monde und BBC. Sie wollen beweisen, dass den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin Steuergelder in Milliardenhöhe geraubt werden. Nicht nur in Europa, sondern weltweit. Für CumEx-Files 2.0 begleiten die Zuschauerinnen und Zuschauer das Recherche-Team unter anderem nach Dubai, wo sie mit einem der wichtigsten Player des globalen Finanzbetrugs sprechen. 

„Investigativer Journalismus hat eine enorme Kraft, die für den Schutz der Demokratie unheimlich wichtig ist. Bei CORRECTIV recherchieren wir über lange Zeiträume, tiefgründig und bürgernah. Es freut uns sehr, dass wir nun bei zwei typischen Recherchen über ein Jahr begleitet wurden. Das war spannend und gibt einen guten Einblick in unsere Arbeit“, sagt Simon Kretschmer, Geschäftsführer von CORRECTIV.  

„AUF DER SPUR DES GELDES war eine besondere Herausforderung für uns als Filmemacherinnen. Wir haben parallel gedreht und geschnitten, unter Pandemie- und Geheimhaltungsbedingungen, wollten aber unbedingt so nah und plastisch wie möglich den Arbeitsprozess unserer Protagonistinnen und Protagonisten begleiten und das Ergebnis mit ZDF/ARTE zeitnah veröffentlichen. Recherchen, vor allem investigativer Art, sind ergebnisoffen – es ist nicht selbstverständlich, dass sich Sender auf ein solches Wagnis einlassen“, erläutern die Regisseurinnen Susanne Binninger und Britt Beyer.

Der Film zeigt eindrücklich, wie investigativer Journalismus funktioniert und wie wichtig er für unsere Gesellschaft ist. Die Journalistinnen und Journalisten von CORRECTIV gehen dafür über Jahre einer Sache auf den Grund und beziehen Bürgerinnen und Bürger in ihre Recherchen ein. So auch im Fall der AfD-Spendenaffäre. Mit den Veröffentlichungen von CORRECTIV hat sie eine neue Dimension erreicht, erste Strafzahlungen aufgrund von Enthüllungen durch CORRECTIV und ZDF Frontal wurden bereits verhängt. Doch anonyme Geldgeber haben die AfD mit weit größeren Summen in Millionenhöhe für eigene Wahlkampagnen stark gemacht. Ein zweites Rechercheteam folgt den Hinweisen zu den mutmaßlich illegalen Spenden. Mit Geduld tasten sich die Reporter über Jahre an ihre Quellen ran und nutzen auch die offene Recherche, mit der schließlich ein wichtiger Durchbruch gelingt. 

ARTE zeigt den von CORSO Film produzierten Dokumentarfilm AUF DER SPUR DES GELDES am Dienstag, den 9. November 2021 um 23:25 Uhr.

Der Film ist zudem für 90 Tage in der ARTE-Mediathek abrufbar. Hier können Sie ihn bereits ansehen.

150 Milliarden Euro Schaden durch Cum-Ex & Co – dreifach größer als bekannt.

Logo der Recherche (Bild: Correctiv)

Internationale Recherche „CumEx-Files 2.0“ unter Leitung von CORRECTIV zeigt Schaden in Europa und USA durch unberechtigte Steuererstattungen – Bundesregierung bekommt Betrugsmaschen mit Aktiengeschäften wie Cum-Cum bis heute nicht in den Griff.

Essen, 21. Oktober 2021. Nach neuen Berechnungen beläuft sich der weltweite Schaden durch Cum-Ex, Cum-Cum und vergleichbare Betrugssysteme auf mindestens 150 Milliarden Euro. Darüber hinaus wird erstmals der Schaden geschätzt, der den öffentlichen Kassen durch sogenannte Cum-Fake-Geschäfte, einer Variante der Cum-Ex-Deals, entstanden ist. 

Neben Deutschland und den USA wurden zwischen 2000 und 2020 mindestens zehn europäische Staaten Opfer dieses Steuerraubzugs. Das haben gemeinsame Recherchen von 15 internationalen Medienpartnern ergeben, die das gemeinnützige Recherchezentrum CORRECTIV leitete und an der in Deutschland das ARD-Magazin „Panorama“ beteiligt war.

Gesamtschaden von fast 36 Milliarden Euro allein in Deutschland

Insgesamt ist dem deutschen Fiskus in den Jahren 2000 bis 2020 allein durch Cum-Cum ein Mindestschaden von 28,5 Milliarden Euro entstanden. Ein Team von Wirtschaftswissenschaftlern der Universität Mannheim unter der Leitung von Professor Christoph Spengel hat zudem den Schaden mit ähnlich gelagerten Aktienschäften wie Cum-Ex und sogenannten ADRs errechnet. Zusammen mit der erstmals berechneten neuen Variante, deren Schäden sich in Deutschland seit 2009 auf mindestens 192 Millionen Euro belaufen, kommt das Team um Spengel allein für Deutschland für den Zeitraum 2000 bis 2020 auf einen Gesamtschaden von mindestens 35,9 Milliarden Euro.

Die weltweite Recherche „CumEx-Files 2.0“ zeigt auch, dass die europäischen Aufsichtsbehörden nicht in der Lage sind, den Betrug auf koordinierte Weise einzudämmen. Aus Dokumenten, zu denen die rund 30 an dem Projekt beteiligten Journalistinnen und Journalisten Zugang hatten, geht hervor, dass jedes Land nach seinen eigenen Regeln arbeitet und keine europäische Behörde die Führung übernimmt. Die europäischen Aufsichtsbehörden rechtfertigen sich damit, dass ihnen die Instrumente zur Bekämpfung des Steuerbetruges fehlen, weil sie nicht zuständig seien. Außerdem wüssten die Betrüger, wie sie das System austricksen können, um nicht entdeckt zu werden.

Der Betrug ist wahrscheinlich immer noch möglich. Staatsanwälte, offizielle Stellen, Experten und sogar die Betroffenen bestätigen das. Gegenüber CORRECTIV sagt Spengel: „Alles ist in Deutschland weiterhin möglich. Das glaube ich nicht, das ist so.“

Einer der größten Steuerräuber äußert sich

Erstmals in deutschen Medien äußert sich gegenüber dem ARD-Magazin „Panorama“ für die Recherche zudem einer der größten Steuerräuber der Welt: Sanjay Shah. Er hält sich seit Jahren in Dubai auf. Gegen ihn ermitteln Behörden in Deutschland, Belgien, Luxemburg und Dänemark. Er allein wird für einen Steuerschaden von mehr als einer Milliarde Euro verantwortlich gemacht. „Er ist sicherlich einer, der am meisten Risiko eingegangen ist. Er hat das schon sehr auffällig gemacht, und deswegen ist er auch relativ schnell aufgeflogen“, sagt Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker, die ebenfalls gegen den britischen Staatsbürger ermittelt. 

Gegen Sanjay Shah liegt ein internationaler Haftbefehl vor. Sollte er die Vereinigte Arabische Emirate verlassen, drohen ihm die Festnahme und die Auslieferung. Aber das schreckt den Steuerräuber wenig. „Mein Plan ist es, bald wieder in das Geschäft einzusteigen.“

Zur Recherche: 
Unter dem Namen „CumEx-Files 2.0“ haben sich unter Leitung des Recherchezentrums CORRECTIV 15 Medien aus 15 Ländern zusammengetan, um das ganze Ausmaß des Steuerraubs zu recherchieren. Dazu gehören neben dem ARD-Magazin „Panorama“ auch die BBC aus Großbritannien, Le Monde aus Frankreich oder NBC aus den USA. 

Die Ergebnisse der Recherchen werden auf der Website cumex-files.com zusammengeführt. In den sozialen Medien laufen sie unter dem Hashtag #CumExFiles.

„Panorama“ wird heute Abend (Das Erste, 21:45 Uhr) über das Thema berichten. In dem Beitrag kommt auch die Kölner Oberstaatsanwältin Brorhilker ausführlich zu Wort. Unter ihrer Leitung ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft gegen mehr als 1.000 Beschuldigte. 

Lesen Sie die ganze Recherche unter cumex-files.com.