Grüne Debatte: Macht, Parteien und Karrieristen. Die „Fast-alles-ist-möglich-Partei“.

gruene_logoVorbemerkung:

Der folgende Beitrag von Sebastian Beer (Oldenburg) ist ursprünglich auf einer Diskussionsliste der (linken) Grünen erschienen. Er schildert lebendig das Milieu und die Politikmechanismen in Oldenburg. Besonders eindringlich und anschaulich ist die Schilderung und Deutung, wie Karrieristen in kleinen Parteien mit hohen Stimmergebnissen bei Wahlen aufgrund der dünnen Personaldecke befördert werden.

Es geht mir nicht darum, hämisch mit dem Finger auf die Grünen zu zeigen. Ich denke vielmehr, dass sich ähnliche Entwicklungen auch in anderen Parteien abspielen, abgespielt haben und weiterhin abspielen werden. Die Diederich Heßlings sind überall, wo Macht, Vorteil und Karriere locken.

Die Fast-Alles ist-möglich Partei

von Sebastian Beer

Sicherlich zählt Oldenburg i.O. nicht zu den Ballungsräumen, ist aber mit seinen 161.000 Einwohnern das „Oberzentrum“ im Nord-Westen und umgeben von ländlichen Strukturen. Als ehemalige Bezirksregierungs- und jetzige Universitätsstadt bietet es aber eine gewisse Milieuzusammensetzung, die unter anderem dazu führt, dass wir mit unseren Wahlergebnissen zu den Grünen Hochburgen bei den Großstädten zählen. Soviel zum Rahmen.

CDU, Machtschnuppern und Pöstchensuche

Wir hatten für gar zwei Monate eine Zusammenarbeit im Rat mit der CDU, die zum einen von Parteilinken wegen einer Verhinderung eines Großbauprojektes unterstützt wurde, von einigen war das eher nebensächlich, ging es doch um Machtschnuppern und Pöstchensuche. Kaum waren wichtigen Posten verteilt, schwenkte die CDU um und wir kündigten die Zusammenarbeit auf.

Knackpunkt wechselnde Mehrheiten

Nun haben wir wechselnde Mehrheiten, wobei es CDU 13, SPD 16 und wir 11 Ratsleute von insgesamt 50 haben. 3 FDPler, ein WFOler, 4 Linke und 2 FW runden das ab. Plus CDU-aufgestellter OB Schwandner, der in BaWü und Bremen als damals noch Grüner schon sein Unwesen trieb. Ihr könnt Euch verschiedenste Mehrheiten errechnen – und das könnte bei uns zum Knackpunkt werden.

Hohes Wahlergebnis – wenig qualifizierte Leute

Wir haben als Stadtverband 180 Mitglieder und können unseren hohen Wahlergebnis mit qualifiziertem beziehungsweise kandidaturbereitem Personal nicht Rechnung tragen, so dass es auch Leute in Positionen schaffen, denen es in erster Linie um die Befriedigung eigener Geltungsansprüche geht.

Aufgrund der wechselnden Mehrheiten, ist Bewegung im Pöstchenverteilen gekommen, so dass Hinterzimmergespräche zugenommen haben. Nun liegt der Hase bei uns hier im Pfeffer: Jene mit dem überbordenen Geltungsanspruch haben nicht die Überzeugung, Transparenz herstellen zu müssen, empfinden Mitgliederversammlungen zu wichtigen Entscheidungen im Rat als böses Werkzeug der bei uns mittlerweile wieder erstarkten linksorientierten Parteibasis und des Parteivorstandes.

Fehlendes Rückgrat

Der Wert eines Mitgliederbeschlusses an sich wird bei einigen, die das Liebkind aller sein wollen und denen es an Rückgrat fehlt, da sie auch keine höheren Prinzipien haben, schon lange nicht mehr gesehen. Sie sehen gar nicht mehr die Möglichkeit dank besserer Argumente einen MV Beschluss in ihrem Interesse herbeizuführen, sagen ganz offen – sobald man für eine MV in der Fraktion plädiert, dass man ja damit nur das Projekt verhindern wolle. So wird im selben Atemzug zugegeben, dass man die Basisdemokratie ausschalten will, um die Zustimmung allein aufgrund der Mehrheitsverhältnisse innerhalb der Fraktion herbeizuführen.

Je mehr die anderen Parteien in den Parlamenten an „uns nicht vorbei kommt“, desto stärker wird der Einfluss jener, denen Transparenz Ballast ist.

Verdeckte Absprachen

Wie viel Energie muss beispielsweise ich investieren, um im Gespräch mit Mitgliedern anderer Fraktion herauszubekommen, wo da wieder eine Absprache einiger weniger gelaufen ist, die in die Fraktionen aber ganz anders vermittelt wird und man dort nur irritiert über den eingeschlagenen Kurs ist.

Es geht ums Gegrüßt- und Eingeladenwerden

Wir können unseren Ergebnissen, wie schon gesagt, mit gutem Personal, das die Grundwerte der Partei gar kennt, geschweige denn politisch lebt, nicht Rechnung tragen. So schlüpfen auch aufgrund einer Basis, die allzu oft die Vergehen einiger nicht mitbekommen oder aufgrund der engen Personaldecke bei ihrer Wahl dann wohlwollend ausblenden, jene durch, die nicht einmal andere Werte vertreten, als wir sie uns wünschen! Unsere Auseinandersetzung läuft so gut wie nie bei wichtigen Entscheidungen an anderen Grundpositionen entlang, oft muss man schier nach Argumenten betteln, nein, es geht ums Dabeisein, es geht ums Gegrüßt- und Eingeladenwerden von vermeintlichen städtischen Größen.

Nervraubende Plattitüden

Es raubt einem den letzten Nerv, wenn man bei Millionenprojekten um eine Entscheidung ringt, und die Gegenseite sagt entweder nichts, geht nicht auf die eigenen Argumente ein oder wiederholt sich in Plattitüden wie: „Leute, wie sieht das denn dann aus. Dann stehen wir womöglich allein da. Was schreibt dann die Presse.“ oder „Dann werden wir bei der nächsten Wahl nicht stärkste Fraktion.“

Oder ganz beliebt ohne ein Gegenargument gegen die zahlreichen vorgetragenen Argumente zu bringen: „Die Entscheidung versteht doch keiner.“

Der Glaube daran, es den Bürgerinnen schlüssig erklären zu können, ist oft nicht vorhanden, weil selbst das Vermögen zum Argumentieren fehlt. Ich darf mir sogar Sätze wie „Philosophieren können wir ein anderes Mal.“ anhören, wenn ich versuche grundlegende Fehlannahmen oder Fehlschlüsse in der „Argumentation“ der Gegenseite zu verdeutlichen.

Flucht in die passive Mitgliedschaft

Der Anteil der Akademiker in unseren Reihen hat zwar zugenommen, was aber nicht einhergeht mit dem Grad der Bildung. Etliche Mitglieder wollen schon nicht mehr an Entscheidungen teilnehmen, weil sie die Art des „Argumentierens“ einiger weniger Funktionsträger, auch deren Manieren ganz einfach nicht mehr ertragen können. Die Zeit, Energie und Nerven einen demaskierenden Prozess zu betreiben haben viele nicht. Sie flüchten sich in die passive Mitgliedschaft.

Wir haben eine Prozentgrenze erreicht, die immer wieder dazu führt, dass Entscheidungen von einem etwaigen nächsten Wahlergebnis abhängig gemacht werden. Der Ruf zur lokalen Volkspartei wird lauter. Da reicht oft eine diffuse inhaltliche Ortsbestimmung schon aus, um die sprudelnden Posten zu bekommen.

Zuwachs führt zu Schwächen

Ich sehr es auch so: Die Schwäche der anderen Parteien führt bei uns zu Zuwächsen, die personell wieder dazu führen, dass wir inhaltlich verwässern, dass dadurch der Austausch der Mitgliederschaft in Richtung Diffusität sich verstärkt, und sich der Prozess von Wahl zu Wahl wegen des dann aufgestellten Personal verstärkt.

Dort, wo CDU oder SPD sehr stark sind, bei uns beispielsweise die CDU im ländlichen Geflügel- und Schweinemastgebiet, gibt’s noch soviel Werte-Feindschaft in Richtung Grüne, dass sich das Engagement dort nur hartgesottene Überzeugungstäter für Grün antun.

Ein paradoxer Wunsch

Es klingt paradox: Für unsere Inhalte und Werte und deren Umsetzung ist zu hoffen, dass die anderen Parteien wieder an Stärke gewinnen und uns prozentual so schwächen, dass die Aussicht auf Pöstchen gering ist und so wieder ein personeller Wechsel bei uns einsetzt.

Basisdemokratie – SPD setzt zum Überholen an

Wenn wir nicht aufpassen, überholt uns alsbald in den kleineren und mittleren Großstädten zumindest die SPD in Sachen Basisdemokratie. Bei denen gibt es in diese Richtung ein spürbares Umdenken und Umstrukturieren.

Ich bin gespannt, ob es ähnliche Erfahrungen außerhalb der Metropolen gibt.

PFT = Push Für Trinkwasserpreis? Gewinne sind Privat- oder Firmensache, Verluste und Schäden kompensiert die Allgemeinheit

In meinem BriefkastenPFT = Push Für Trinkwasserpreis? „Gebühr für Wasserzähler wird zum 01.01. 2010 erhöht.“ Das entnahmen die Kunden der Hochsauerlandwasser GmbH kürzlich des Tageszeitung. Den Meschedern kostet ab Januar ihr Zähler “Qn 2,5″ jährlich brutto 145,52 Euro und somit 11,73 Euro mehr als in den Vorjahren. Der Kubikmeterpreis bleibt dagegen wie gehabt bei 1,26 Euro brutto.

Die 2005 gegründete Hochsauerlandwasser GmbH, die Bestwig, Meschede und Olsberg mit Trinkwasser versorgt, begründet die Tariferhöhung vor allem mit „den erheblichen Investitionen in die Trinkwasseraufbereitungsanlagen und das Versorgungsnetz in den drei Kommunen“.

Zurzeit würde das Wasserwerk Stockhausen für rund drei Millionen Euro erweitert, und für 450 000 Euro sei beim Werk Mengesohl Aktivkohlefiltration installiert worden. Die Sauerländer Bürgerliste ist überzeugt, die Hochsauerlandwasser GmbH handelt in Punkto Wasseraufbereitung nach bestem Wissen und Gewissen. Schließlich hat sie – genau wie ihre Kundinnen und Kunden – die PFT-Suppe auszulöffeln, die ihr andere eingefüllt haben.

Böden, Fluss- und Grundwasser im Hochsauerlandkreis und anderenorts sind nach wie vor erheblich mit der Industriechemikalie PFT verseucht. Im Sauerland geht die Giftbelastung vor allem von den zahlreichen Weihnachtsbaumflächen aus, die ja bekanntlich zum Teil erheblich mit PFT „gedüngt“ worden sind.

Die Kreisverwaltung veröffentlichte vor einigen Monaten endlich, aufgrund mehrfacher Nachfragen der Sauerländer Bürgerliste (SBL), wie hoch die Belastung der 55 bisher im HSK ermittelten PFT-Flächen ist. Leider schwieg sich die Verwaltung über die genaue Lage und die Besitzer und Pächter der Weihnachtsbaum- und landwirtschaftlichen Felder aus.

Doch wir wissen, etliche dieser PFT-Areale befinden sich in Bestwig und im Stadtgebiet Meschede, z.B. auch in Wennemen, vermutlich in unmittelbarer Nähe zur Ruhr. Das Wasser der Ruhr wird für die Trinkwassergewinnung genutzt. Und da schließt sich der Kreis zur Hochsauerlandwasser GmbH.

Der Wasserversorger will uns ein möglichst sauberes und von Chemikalien unbelastetes Trinkwasser anbieten. Um die hochgiftige und gesundheitsschädliche Chemikalie PFT aus dem Wasser effektiv zu entfernen, rüstete er die Wasserwerke Mengesohl und Stockhausen mit Aktivkohlefiltern aus. Dafür bezahlen müssen wir die Verbraucher.

Die Namen der Verursacher, also derjenigen die Flächen mit PFT und anderen Umweltgiften und Pestiziden befrachten und somit für einen Teil der Erhöhung des Wasserpreises verantwortlich sind, werden uns von den Behörden nicht genannt.

Warum auch, denn es ist wie es immer ist, Gewinne sind Privat- oder Firmensache, Verluste und Schäden kompensiert die Allgemeinheit.

SPD Winterberg: Originär sozialdemokratische Themen offensiv vertreten

Harald Koch, SPD Silbach
Harald Koch, SPD Silbach

Harald Koch ist neuer Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Winterberg.  Seine Vorstellungen zur künftigen Kommunalpolitik der SPD schildert er im folgenden Gastbeitrag:

Vor einiger Zeit habe ich diesen Blog als Link der Nachdenkseiten entdeckt. Ich finde es gut dass hier Kommunalpolitik interessiert verfolgt wird. Hier ein paar Gedanken zur SPD in der nächsten Zeit in Winterberg.

In den kommenden Jahren werden in Winterberg wichtige Weichen für die Zukunft gestellt. Das Kurparkprojekt nimmt konkrete Formen an, die Umwandlung der Tourist Information in eine andere Geschäftsform steht bevor. Als weitere Herausforderung sehe ich den Ausbau des Bremberg als Nordic-Activ Zentrum mit seinen verschiedenen Angeboten einschließlich der Betonsanierung von Sprungschanze und Bobbahn.

Diese Projekte bedürfen meines Erachtens einer sehr genauen Prüfung und Bewertung, wie bei der Umsetzung dieser Vorhaben sich die finanziellen Möglichkeiten der Stadt dann tatsächlich sind, ist nach meinem Dafürhalten im Moment eher offen.

Sieht man sich die Politik der neuen Bundesregierung an, so scheinen die Gedanken an eine solide Haushaltspolitik verflogen. Stattdessen werden dort Geschenke verteilt, die über Schulden und Umlagen finanziert werden, zu Lasten der Länder, was bedeutet das auch die Mittel für die Kommunen demnächst weniger sprudeln. Ob dann die Projekte ohne Neuverschuldung umzusetzen sind, wage ich zu bezweifeln.

Für uns in der SPD Fraktion bedeutet diese Situation aber die Möglichkeit sich zu einer kommunalen Oppositionspartei zu entwickeln, indem wir unsere inhaltlichen Positionen schärfen.

Damit meine ich beispielsweise kein Verkauf von Ressourcen die für die Gemeinde wichtig sind. Aber auch die Ausbaukonzepte wie zum Beispiel die Weiterentwicklung des Landal Projekts – ich erinnere mich noch sehr gut daran wie eilig der Bürgermeister die Entscheidung vor 5 Jahren machte – ist meiner Meinung nach eher kritisch zu begleiten.

Der ungezügelte Ausbau der touristischen Infrastruktur und die damit verbundenen Verpflichtungen sind ein paar Gedanken wert und so weiter und so weiter.

Deutlich möchte ich sagen ich bin nicht gegen diese Projekte – aber sie müssen sozialverträglich, ökologisch verantwortungsvoll und wirtschaftlich sein. Sie sollten den Bürgern dieser Stadt, auch denen in den Dörfern, zugute kommen und nicht zu mehr Belastungen Einschränkungen und Verpflichtungen führen.

Diese an originär sozialdemokratischen Themen orientierte Haltung wollen wir offensiv vertreten.