Ein Spaziergang durch Nord-Holland: Danzig, Mutter, Graffiti und der Mord an Halit Yozgat

Ich werde in meinem Leben nicht mehr durch diese Tür gehen. (foto: zoom)

Als ich vor der Tür zur Kneipe „Mutter“ im Kasseler Stadtteil Nord-Holland stand, wusste ich, dass ich in meinem Leben nicht mehr durch diese Tür gehen werde. Das Alter der Schamlosigkeit ist vorbei.

Die unmittelbare Assoziation war Danzig und ihr brachialer Song „Mother“. Ob das alles zusammenhängt, weiß ich nicht, denn ich gehe nicht durch diese Tür und so stelle ich mir vor, dass allabendlich in der Bunsenstraße das Lied vor grölenden, Schnaps-trunkenen männlichen Spätpubertanten aus scheppernden Lautsprechern ertönt – als Ritual um 4 Uhr morgens.

https://www.youtube.com/watch?v=Q7KLdET1lBM
 
 
Wie dem auch sei, das sozial-schwache Viertel zwischen der Universität am Hopla und dem Hauptfriedhof wird in den nächsten Jahren geduldig auf seine Gentrifizierung warten.

Graffiti sind die Vorboten. Cool?

Graffiti am Nordstadtpark. (foto: zoom)

Auf dem Rückweg wurde ich an Halit Yozgat (* 1985 in Kassel; † 6. April 2006 ebenda) erinnert. Er war das neunte und letzte Todesopfer der Mordserie, die in den Jahren 2000 bis 2006 in deutschen Großstädten durch die rechtsextreme Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) verübt wurde.

Initiativen fordern: Holländische Straße zu Halitstraße umbenennen! (foto: zoom)

Halit Yozgat wurde in seinem Internetcafé im Kasseler Stadtteil Nord-Holland durch zwei gezielte Pistolenschüsse in den Kopf ermordet.

Zur Tatzeit war Andreas Temme, ein Mitarbeiter des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz, anwesend, der zeitweise als Mordverdächtiger galt und festgenommen wurde. Sein Telefon wurde von der Polizei überwacht. Abgehörte Gespräche wurden erst ab 2015 öffentlich bekannt, die Ermittlungen führten bis zur Aufdeckung des NSU im November 2011 ins Leere.

Trotz der weiteren Ermittlungen gegen Temme, mehrfacher Vernehmungen von ihm als Zeugen im Münchener NSU-Prozess und in verschiedenen parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, dem Eintreffen von Yozgats Vater kurz nach der Tat und der sekundengenauen Rekonstruktion des Tathergangs durch die Polizei ist der Anschlag bis heute nicht geklärt.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Halit_Yozgat

Wie weit ist der Weg vom Mord an Halit Yozgat 2006 zum Mord an Walter Lübcke 2019?

Walter Lübcke (* 22. August 1953 in Bad Wildungen; † 2. Juni 2019 in Wolfhagen-Istha) war ein deutscher Politiker. Er gehörte der hessischen CDU an, war Abgeordneter des Hessischen Landtags und von 2009 bis zu seinem Tod Regierungspräsident im Regierungsbezirk Kassel. 2015 wurde er durch sein Engagement für Flüchtlinge und seinen Widerspruch gegen Pegida-Anhänger deutschlandweit bekannt.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_L%C3%BCbcke

Die Nazi-Netzwerke in Kassel wären ein weiteres Thema. Die Stadt beunruhigt mich.

Umleitung: Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen …

Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein, so wie gestern Abend am Kuhlenberg. (foto: zoom)

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Kassel hat ein Problem: Der Obelisk, die Nazis, die Morde und eine schwächelnde Zivilgesellschaft

Nach der Vertreibung vom Königsplatz hat der Obelisk an der Treppenstraße seine neue Heimat gefunden. (foto: zoom)

Kassel hat ein Problem mit Nazis. Kassel zeigt kein Rückgrat gegen Rechte.

Als ich den Obelisken im August 2017 zum ersten Mal sah, war ich von Kassel begeistert. Genau das, so dachte ich, ist die Botschaft, die die Stadt des neunten NSU-Mordes (Halit Yozgat, † 6. April 2006) in einer Zeit großer Fremdenfeindlichkeit, inmitten der sogenannten „Flüchtlingskrise“, aussenden sollte „I was a Stranger and you took me in“.

Auf Druck der AfD wurde der Obelisk des Dokumenta-Künstlers Olu Oguibe im Oktober vergangenen Jahres von der Stadt auf den Bauhof geschafft und dort eingemottet.

Es hat mich entsetzt, wie leicht eine Mehrheit aus SPD, CDU und AfD den Abbau beschlossen hatte.

Lange Zeit blieb ungewiss, was aus dem Kunstwerk mit der Inschrift „Ich war ein Fremdling und ihr habt mich beherbergt“ werden würde.

Seit April diesen Jahres hat der Obelisk eine neue Heimat gefunden – die Treppenstraße. 

Sogleich hat er dort neue Feinde gefunden: Das Kunstwerk stehe an einer Stelle, an der schon die Nazis einen Obelisken geplant hätten. Zwei in einem Artikel der HNA namentlich genannte Experten kritisieren, Oguibes Kunstwerk – das an die Menschlichkeit appelliert -, stehe nun an einem Punkt, an dem die NS-Diktatur ihren absoluten Machtanspruch symbolisieren wollte.

Die Stele solle aus der Sichtachse verschoben werden, dann wäre „die faschistische Axialität“ gebrochen. Dieter Hennicken und Dr. Folckert Lüken-Isberner sind irgendwelcher AfD-Umtriebe unverdächtig, aber was treibt die beiden an?

Mir persönlich erschließt sich ihre Argumentation überhaupt nicht. Wie besser wird denn „die faschistische Axialität“ gebrochen, als durch die Position eines implizit antifaschistischen Kunstwerks in der Sichtachse?

Auf die weitere Diskussion bin ich gespannt.

Eine Stadt, in der mit Walter Lübcke ein CDU-Politiker von einem wahrscheinlich gut vernetzten Nazi-Terroristen kaltblütig unter Jubel und Beifall im Netz ermordet worden ist, muss Rückgrat beweisen und nicht, wie im Oktober 2017 gemeinsame Sache mit der AfD machen.

Erika Steinbach, ehemals CDU und jetzt AfD, hat, so ihr alter Parteikollege Peter Tauber, durch ihre enthemmte Sprache eine Mitschuld am Tod von Walter Lübcke.

Mit der Entgrenzung der Sprache habe die AfD den Weg für die Entgrenzung der Gewalt bereitet„.

Würden die SPD, CDU auch heute noch gemeinsam mit der AfD für die Entfernung des Obelisken vom Königsplatz stimmen? Oder schämen sie sich wenigstens ein bisschen?

Die Perspektive wechseln II: Clear Cut?

Auf einer Wanderung gesehen (foto: zoom)

Am Sonntag war ich im Ort unterwegs. Zeit zum Nachdenken.

Heute habe ich mich in der Freizeit mit dem NSU und dem Nazi-Mord an Walter Lübcke in Istha beschäftigt. Mir ist mein alter kommentierender Beitrag zu den NSU-Morden vom November 2011 eingefallen:

Wo bleibt die Gedenkminute?

https://www.schiebener.net/wordpress/wo-bleibt-die-gedenkminute/

Walter Lübcke hat 2015 sein Epitaph gesprochen:

Am 14. Oktober 2015 fand in Lohfelden bei Kassel eine Bürgerversammlung zur dortigen Erstaufnahmeunterkunft des Landes Hessen statt. Empörten Zwischenrufern, die nach Angaben der HNA zum Teil aus dem Pegida-Umfeld stammten, entgegnete Lübcke, das Zusammenleben in Deutschland beruhe auch auf christlichen Werten wie etwa der Hilfe für Menschen in Not, und ergänzte:

„Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen.“

Im Internet wurde daraufhin in zahlreichen Schreiben Lübckes Rücktritt als Regierungspräsident gefordert. Lübcke erklärte hingegen, bei seiner Aussage bleiben zu wollen – diese sei an „jene gerichtet, die durch Zwischenrufe ihre Verachtung unseres Staates artikuliert oder diesen Schmähungen applaudiert haben“. Er habe mit seiner strittigen Aussage lediglich auf Teile des Publikums reagiert, die die Veranstaltung mit Parolen, wie etwa „Scheiß Staat!“, gestört und Lübcke persönlich beschimpft hätten:

„Ich wollte diese Zwischenrufer darauf hinweisen, dass in diesem Land für jeden und für jede, die diese Werte und die Konsequenzen aus unseren Werten so sehr ablehnen und verachten, die Freiheit besteht, es zu verlassen; im Gegensatz zu solchen Ländern, aus denen Menschen nach Deutschland fliehen, weil sie diese Freiheit dort nicht haben.“

Der rechtspopulistische Schriftsteller Akif Pirinçci bezog sich während einer Pegida-Demonstration am 19. Oktober 2015 in Dresden auf Lübckes Aussage und meinte dazu, die „Macht“ in Deutschland scheine „die Angst und den Respekt vor dem eigenen Volk so restlos abgelegt zu haben, dass man ihm schulterzuckend die Ausreise empfehlen kann, wenn er [sich] gefälligst nicht pariert“. Sie habe zwar auch andere Alternativen, aber „die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb“. Infolge seiner Rede vom 19. Oktober 2015 wurde Pirinçci vom Amtsgericht Dresden wegen Volksverhetzung verurteilt.

Lübcke erhielt im Anschluss an die Bürgerversammlung und an die Pegida-Veranstaltung Morddrohungen und stand zeitweise unter Polizeischutz. Laut Hermann-Josef Klüber, dem stellvertretenden Regierungspräsidenten, erhielt Lübcke unter anderem auch Drohungen von sogenannten Reichsbürgern.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_L%C3%BCbcke

Walter Lübcke wird als großartiger Mensch und Humanist weit über seine(n) Mörder hinauswachsen.

Stephan E. war ein notorischer Straftäter, Nazi, Schläger und jetzt auch Mörder, wohl mit Kontakten bis in die AfD hinein.

https://exif-recherche.org/?p=6218

https://www.youtube.com/watch?v=vcNEZYl9BU0