Blümchen-Blog, oder was!?

Vor der Haustür: Wiesen-Schaumkraut, hier ohne Kuckucksspeichel (foto: zoom)

April, Mai und Juni sind im Hochsauerland sehr gute Monate, um sich die blühenden Kräuter genauer anzuschauen. Seit der Pandemie habe ich mir angewöhnt, die Blütenpflanzen entlang der Namenlose zwischen Schnickemühle und Silbach zu beobachten.

Von der Pestwurz, Primel, Buschwindröschen zu scharfem Hahnenfuß, kriechendem Günsel, Knoblauchsrauke und Spitz-Wegerich Ende Mai, Anfang Juni. Der Bärlauch ist nun schon fast verblüht und ich warte auf die Massenpaarungen der Feuerwanzen auf den Blütenständen des Wiesenkerbels.

Für die Bestimmungen im Gelände nutze ich kaum noch meine alten Bücher wie den Schmeil-Fitschen oder den BLV Pflanzenführer. Leichter, wenn auch oft nicht ganz exakt, geht es mit den Bestimmungsapps für das Smartphone: PlantNet, Flora Incognita und Obsidentify. Wo die eine App unsicher ist, hilft nicht selten die andere App weiter. Außerdem stehen zu Hause immer noch die Bücher im Regal. Da schaue ich tatsächlich manchmal hinein.

So bin ich auch einem hartnäckigen Denkfehler meinerseits auf die Spur gekommen. Jahrelang habe ich geglaubt, dass der Name Wiesen-Schaumkraut vom Anblick der weißen Blütenmeere auf den Weiden herrühre.

Hätte ich doch genauer hingeschaut und nachgedacht!

Schaumkraut heißt diese Futterpflanze der Raupe des Aurorafalters deshalb, weil an den Pflanzen oft eine weiße, schaumartige Masse, der sogenannte Kuckucksspeichel zu finden ist. Darin leben die Larven der Schaumzikade. Sie sind dort vor Austrocknung und Fressfeinden geschützt [1]. Der Schaum wird durch Einpumpen von Luftbläschen aus der Atemhöhle in eine eiweißhaltige Flüssigkeit, welche die Larven aus dem After abscheiden, erzeugt [2].

Nun, die oben genannten Pflanzen sind nicht die einzig blühenden Kräuter. Geht selber raus und schaut, bevor der August die leuchtenden Farben verdörrt.


[1] R. Düll, H. Kutzelnigg, Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder, 8. Auflage, Wiebelsheim 2016, S. 160

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Wiesen-Schaumkraut

Gute Nacht Kleiner Wiesenknopf

Was da so unordentlich herunterhängt, sind die Staubfäden der männlichen Blüten. (foto: zoom)

Der Kleine Wiesenknopf, auch Kleine Bibernelle oder Pimpinelle genannt, wächst und blüht auf unserem ungemähten Rasen und vielleicht auch auf eurem.

Der zottelige Blütenstand sieht auf den ersten Blick sehr verwirrend aus, aber es ist ganz einfach: oben weibliche, in der Mitte zwittrige und unten männliche Blüten. Bei letzteren hängen schlaff die langen Staubfäden hinunter. Diese Bauart hängt mit der Windblütigkeit zusammen. Damit ist der Kleine Wiesenknopf eine Ausnahme unter den Rosengewächsen (meist Insektenbestäubung).

Der Kleine Wiesenknopf blüht von Mai bis August, seine Früchte – kleine Nüsse – sind im Zeitraum von Juli bis Oktober reif.

Hat er einen Nutzen oder kann er weg?

Die Kleine Bibernelle ist eine alte Salat- und Gewürzpflanze, fester Bestandteil der Hessischen Grünen Soße, mit nussigem Geschmack. Sie wurde früher auch als Hausmittel gegen Husten verwandt. Für den Landwirt oder die Landwirtin ist sie eine wertvolle Futterpflanze und ist ein Rohbodenpionier.

Die Pflanze lebt in Wurzel-Symbiose (Mykorrhiza) mit einem Pilz. Der Pilz besorgt Wasser und Mineralstoffe, der Kleine Wiesenknopf gibt dem Pilz den Zucker, den er mit Hilfe der Fotosynthese produziert. Eine Win-Win-Gemeinschaft.

Die Antwort auf die oben gestellte Frage lautet folglich: Großer Nutzen, kein Schaden, kann nicht weg!

Fotoimpressionen aus dem Sauerland

Ein Multivisionsvortrag von Klaus-Peter Kappest im Sauerland-Museum

Die Landschaftsaufnahmen von Klaus-Peter Kappest sind weit über das Sauerland bekannt (Foto: Klaus-Peter Kappest)

Im Rahmenprogramm zur aktuellen Sonderausstellung WUNDER WALD im Sauerland-Museum in Arnsberg ist der über das Sauerland hinaus bekannte Fotograf Klaus-Peter Kappest zu Gast.  

(Pressemitteilung Hochsauerlandkreis)

Der Wald des Sauerlandes und die Menschen, die mit, in und von ihm leben, interessieren den Fotografen und Autor Klaus-Peter Kappest aus Schmallenberg-Oberkirchen schon seit vielen Jahren ganz besonders.

In seiner Live-Multivision „Unser Wald“ zeigt er nicht nur seine schönsten Waldfotos, sondern erzählt auch spannende Geschichten rund um den Wald, die bei Recherchen für das Sauerländer WOLL-Magazin zusammen gekommen sind.

Termin: Dienstag, 6. Juni, 18 Uhr
Veranstaltungsort: Blaues Haus des Sauerland-Museums, Alter Markt 30
Eintritt: 6 €

Weitere Informationen und Anmeldungen telefonisch unter 02931/94-4444, per E-Mail an sauerlandmuseum(at)hochsauerlandkreis.de oder auf der Homepage www.sauerland-museum.de

Verschoben: Neuer Erörterungstermin für Windenergieanlagen in Winterberg-Altenfeld am 24. August 2023

Großplakat an der Durchgangsstraße: Einige Altenfelder*innen fürchten das Todesurteil für ihr Dorf durch Windenergieanlagen. (archivfoto: zoom)

Wegen der hohen Zahl von Einwendungen wird der Erörterungstermin für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen in Winterberg-Altenfeld vom 20. Juni auf Donnerstag, 24. August, verschoben.

(Pressemitteilung HSK)

Allein der Verein für Umwelt- und Naturschutz Schmallenberg hat über 1.000 Einwendungen an den Hochsauerlandkreis übergeben.

Antragsteller ist die Energiekontor AG. Die Erörterung beginnt am 24. August um 10 Uhr im Großen Sitzungssaal „Sauerland“ des Kreishauses Meschede, Steinstraße 27.

Der Hochsauerlandkreis weist darauf hin, dass keine Eingangsbestätigungen für die Einwendungen verschickt werden.

„Der Klimawandel ist die größte Herausforderung für die Menschheit“ – neuer Sachstandsbericht zu Klimawandel und Gesundheit erschienen

Pflaster-Graffito (Symbolbild: zoom)

Mehr Hitzetote, neue und vermehrt auftretende Infektionskrankheiten, erhöhte Allergiebelastung, Zunahme von Antibiotikaresistenzen, mehr Lungenerkrankungen als Folge zunehmender Feinstaubbelastung, mehr Hautkrebs durch erhöhte UV-Strahlung – das sind einige der negativen Folgen des Klimawandels für die Gesundheit der Bevölkerung.

(Pressemitteilung des Robert Koch-Instituts)

Ein neuer Bericht, der unter Federführung des Robert Koch-Instituts (RKI) entstanden ist, gibt einen Überblick zu den gesundheitlichen Folgen durch den Klimawandel und Möglichkeiten, ihnen entgegenzutreten. Die Koordination der Publikation erfolgt im Rahmen des Projekts „KlimGesundAkt“, das durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert wird.

„Der Klimawandel ist die größte Herausforderung für die Menschheit, er bedroht unsere Lebensgrundlage und somit unsere sichere Zukunft“, so beginnen die Leiterinnen und Leiter von Behörden in Deutschland, die an Public-Health-Themen arbeiten, ihr Editorial zum neuen Bericht. Die Editorial-Autoren kommen aus elf Einrichtungen: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Bundesamt für Naturschutz, Bundesamt für Strahlenschutz, Bundesinstitut für Risikobewertung, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Bundesanstalt für Gewässerkunde, Deutscher Wetterdienst, Friedrich-Loeffler-Institut, Thünen-Institut, Umweltbundesamt sowie RKI. Insgesamt gibt es mehr als 90 Autorinnen und Autoren aus über 30 Forschungseinrichtungen und Behörden. Der Bericht erscheint als Beitragsreihe in drei Ausgaben des Journal of Health Monitoring, der erste Teil am 1.6. in der Ausgabe S3/2023.

Schwerpunkt der ersten Ausgabe ist der Einfluss des Klimawandels auf Infektionskrankheiten. Themen sind Vektor- und Nagetier-assoziierte Infektionen, wasserbürtige Infektionen und Intoxikationen, lebensmittelassoziierte Infektionen und Intoxikationen sowie Antibiotikaresistenzen. Ein einleitender Beitrag umreißt das gesamte im Sachstandsbericht behandelte Themenfeld Klimawandel und Gesundheit. Die zweite Ausgabe des Berichts fokussiert im 3. Quartal auf nicht-übertragbare Erkrankungen, die etwa durch Hitze und andere Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen vermittelt werden können, auf den Einfluss des Klimawandels auf allergische Erkrankungen, die Folgen veränderter UV-Strahlung oder höherer Luftschadstoffbelastungen sowie die Folgen des Klimawandels auf die psychische Gesundheit. Die dritte Ausgabe, die im 4. Quartal erscheint, untersucht die gesundheitliche Chancengleichheit im Hinblick auf Auswirkungen des Klimawandels, die Bedeutung der zielgruppenspezifischen Klimawandelkommunikation und formuliert den Handlungsbedarf auf Basis der in den anderen Beiträgen formulierten Handlungsempfehlungen.

„Neben verschiedenen themenspezifischen Handlungsempfehlungen haben alle Beiträge eines gemeinsam: Sie weisen auf einen anhaltend hohen Forschungsbedarf hin. Auch erweitertes Monitoring vieler gesundheitlicher Auswirkungen des Klimawandels wird empfohlen“, so das Resüme der Editorial-Autorinnen und Autoren. Der Klimawandel betrifft viele weitere Handlungsfelder, die mit gesundheitsbezogenen Aspekten zusammenhängen, z.B. das Bauwesen oder die Stadt- und Raumentwicklung. „Daher erfordern gesundheitssensibler Klimaschutz und Klimawandelanpassung eine intersektorale Zusammenarbeit und den Austausch verschiedener Akteurinnen und Akteure im Sinne von One Health und Health in All Policies“, betonen die Autorinnen und Autoren des Editorials und haben dazu passend die Überschrift formuliert: „Gemeinsam können wir den Auswirkungen des Klimawandels begegnen“.

Weitere Informationen

www.rki.de/klimabericht

Ich wünsche euch ein ruhiges Pfingstwochenende

Das gemischte Paar (Kanadagans, Graugans) schützt bislang erfolgreich seine fünf Gössel. (foto: zoom)

Das verlängerte Pfingstwochenende ist kein Grund in Freizeitstress auszubrechen. Nachlesen, wo man in Winterberg und Umgebung unbedingt hinfahren sollte und dann – genau diese Orte meiden.

Ein paar Bücher, der Wald vor der Tür, der Weg entlang der Namenlose nach Silbach reichen aus.

Alle paar Tage nachschauen, was am „Gänseteich“ los ist. Leben die fünf Küken noch? Ja, das tun sie. Enten zu Besuch und zwei wildfremde Kanadagänse auf Stippvisite. Der Graugans-Ganter scheint sich um den Nachwuchs zu kümmern. Muss er das überhaupt? Er ist jedenfalls kleiner als die kräftige Kanadagans-Mutter. Wer beschützt hier wen?

Die Schmeißfliege irritiert mich. Sie hat zu viele Augen.

Genau hingeschaut: es sind zwei (foto: zoom)

Immer, wenn ich das Makro-Objektiv bewusst zu Hause lasse – die Gänse sind ja groß genug – gibt es Kleinigkeiten zu sehen, für die die Qualität des Alltags-Zoom nicht ausreicht. Zuerst hatte ich mich gewundert, warum die Schmeißfliege nicht wegfliegt, aber dann habe ich die Brille gerade gerückt und vier Augen gezählt. Schon das 35 mm Festbrennweiten-Objektiv hätte eine schärfere Abbildung ermöglicht.

Die Bank an der Namenlose erscheint ziemlich unbequem und – oh, Wunder – sie ist es auch.

Bank an der Namenlose (foto: zoom)

Wenn man sich nicht anlehnt und die Ellbogen auf die Oberschenkel stützt, kann man trotzdem bequem auf der Bank ausruhen, auf das fließende Wasser schauen und den Gedanken nachhängen.

Die Namenlose zwischen Silbach und Siedlinghausen (foto: zoom)

Solange jedenfalls, bis sich die Ellbogen tief genug in den Muskel gebohrt haben.

Auf dem Weg nach Hause, in der Nähe der Schnickemühle, sonnte sich eine Blindschleiche auf dem warmen Schotter; es war die erste Schleiche, die ich in diesem Jahr gesehen habe.

Blindschleiche in der Nähe der Schnickemühle (foto: zoom)

Jetzt fehlt nach dem kläglichen Spiel des BVB am gestrigen Nachmittag nur noch ein Motiv mit ordentlichem Gelb und dem sprechenden Namen Sumpfdotterblume.

Die Sumpfdotterblume habe ich abends gefunden.

Zu Pfingsten habe ich meinen agnostischen Blick gen Himmel gerichtet. Kein Geist nirgends, dafür ein Strommast.

Strommast zwischen Winterberg und Silbach (foto: zoom)

Ich wünsche allen Leser*innen ein entspanntes Pfingstwochenende. Macht euch keinen Stress.

Zwei Windenergieanlagen in Remblinghausen genehmigt

Eines von vier Windrädern auf der Anhöhe bei Einhaus oberhalb von Remblinghausen (archivfoto: zoom)

Der Hochsauerlandkreis hat der Windpark Remblinghausen GmbH & Co. KG die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen vom Typ Nordex N163/5.x in Meschede-Remblinghausen erteilt.

(Pressemitteilung HSK)

Der Genehmigungsbescheid und die dazugehörigen Unterlagen liegen in der Zeit von Freitag, 26. Mai, bis Freitag, 9. Juni, bei den folgenden Stellen aus und können dort während der angegebenen Zeiten eingesehen werden:

Stadtverwaltung Meschede

Technisches Rathaus

Zimmer 106b, Sophienweg 3, 59872 Meschede

Montag, Dienstag und Freitag von 8 Uhr bis 12 Uhr, sowie

Donnerstag von 13 Uhr bis 17 Uhr

Hochsauerlandkreis als Genehmigungsbehörde:

Untere Umweltschutzbehörde/Immissionsschutz

Zimmer 235, Am Rothaarsteig 1, 59929 Brilon

Montag bis Freitag von 8.30 Uhr bis 12 Uhr, sowie

Montag, Mittwoch und Donnerstag von 14 Uhr bis 15.30 und

Dienstag von 14 Uhr bis 17 Uhr

oder nach telefonischer Vereinbarung unter 02961/94-3211.

Darüber hinaus kann der Genehmigungsbescheid in dieser Zeit im Internet unter www.hochsauerlandkreis.de (Startseite unten: Kachel Bekanntmachungen der Unteren Umweltschutzbehörde und Unteren Bauaufsichtsbehörde) und über das UVP-Portal des Landes Nordrhein-Westfalen unter www.uvp-verbund.de/startseite eingesehen werden.

Vor der Linse: Wiesen-Fuchsschwanz

In der Ruhraue in Bigge-Olsberg. Ist das der Wiesenfuchsschwanz? (foto: zoom)

Wenn ich etwas überhaupt nicht mag, dann ist es „Gräser bestimmen“. Dabei sind wir vom Gedeihen der Gräser hochgradig abhängig. Weizen, Roggen, Hafer, Gerste – Mehl, Brot und Bier; alles für die Ernährung.

Bevor ich mich durch einschlägige Bücher quäle, nutze ich Bestimmungsapps auf dem Smartphone: PlantNet, Flora Incognita oder Obsidentify; falls die Vögel zwitschern und singen: BirdNET.

Hier geht es nicht um Tiere, sondern um scheinbar unspektakuläre Gräser, und zwar Süßgräser.

Die einzelne Graspflanze ist nicht so aufregend wie ein Kraut mit prächtigem, bunten Blütenstand. Sie muss es auch nicht sein, denn ihre unscheinbaren Blüten verbreiten ihre Pollen per Windbestäubung. Sie sind nicht auf das Anlocken von Insekten angewiesen. Die Allergiker*innen unter uns haben an dieser Art der Fortpflanzung keine Freude, sondern mindestens ein laufende Nase und verquollene Augen. Die Blütezeit des Fuchsschwanzes ist von Mai bis Juni.

Die Früchte der Süßgräser, zu denen der Fuchsschwanz zählt, sind 1-blütige Ährchen (Spelzfrüchte). Die Hüllspelzen dienen als Flugapparat. Die Verbreitung erfolgt zufällig (Ballonflieger), aber auch durch Tiere (Anhaftung). Die Früchte von Alopecurus pratensis reifen im Zeitraum Juli – Oktober.

Alopecurus pratensis (gr. alopex = Fuchs, lat. pratensis = Wiesen-) wächst auf nährstoffreichen Wiesen. Durch Überdüngung verdrängt er die „Normalwiesen“. Er wird häufig als Futtergras kultiviert. [1]

Süßgräser zählen zu den ältesten Nutzpflanzen des Menschen. Sie sind lebenswichtig für unsere Ernährung. Weizen, Hafer, Roggen, Mais, Gerste und Reis gehören zu dieser großen Pflanzenfamilie. Heute sind Süßgräser die Basis der Ernährung der gesamten Weltbevölkerung – ob als Getreide oder als Futterpflanzen für das Vieh. [2]

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[1] R. Düll, H. Kutzenigg, Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder, Quelle & Meyer, Wiebelsheim, 8. Auflage 2016, S. 66/67

[2] https://kiwithek.wien/index.php/Gr%C3%A4ser

Nach dem Gewitter – weiter Blick, kleine Tiere und der Löwenzahn

Nach dem Gewitter habe ich den Blick Richtung Olsberg genossen. (foto: zoom)

Die Nachteile des heutigen Gewitterwetters beiseite lassend, konnte ich mich über den Blick aus dem Fenster nach Blitz, Donner und Regen nicht beklagen. Kein langweiliges Sommerwetter mit dem ewigen blauen Himmel, sondern interessante Wolken und schönes Licht.

Sehr wohl gefühlt haben sich die verschiedenen Schneckenarten rund ums Haus, am auffälligsten die Weinbergschnecke, die Wegschnecke und die Hain-Bänderschnecke, alle in einem gewaltigen Plural.

Eine von vielen Weinbergschnecken, hier beim Raspeln über die Wegplatten vor der Haustür. (foto: zoom)

Was macht ihr mit den Schnecken im Garten? Ich lasse sie gewähren, der Kampf wäre sowieso aussichtslos. Und wenn sie die Erbeeren auffressen? Dann fressen sie halt die Erdbeeren auf. Letztes Jahr ist noch genug für uns übrig geblieben.

Der Löwenzahn hat die Saison in den meisten Gegenden beendet.

Jeder der kleinen Fallschirme ist eine Frucht. (foto: zoom)

Beim Löwenzahn habe ich noch keinen Modus des Zusammenlebens gefunden. Auf der Wiese lasse ich ihn gewähren. Bei Beeten rupfe ich halbherzig, ebenso nachlässig kratze ich ihn aus den Pflasterritzen. Das leuchtende Gelb der Blütenstände gefällt mir besser als die immer mehr in Mode gekommenen gelben Narzissen, die viel zu früh im Jahr erscheinen, kaum von Insekten besucht werden und irgendwie keinen Zusammenhang zum Rest der Natur erkennen lassen. Wenn ich mich zwischen Löwenzahn und Narzissen entscheiden müsste, wäre ersterer mein Favorit.

Der kleine Käfer sieht bei genauerer Betrachtung etwas gerupft aus.

Der Rotschwarze Weichkäfer kopfüber am Grasstängel (foto: zoom)

Diesen Rotschwarzen Weichkäfer habe ich mit dem Smartphone aufgenommen. Der Unterschied zu den anderen Bildern ist meiner Meinung nach gut zu sehen. Zu irgendetwas müssen die großen Kameras ja gut sein.

Globale Erwärmung verläuft weiter dramatisch

Klimapolitik wird von Ideologien geleitet und scheitert an wachstumsgetriebenen Partikularinteressen

Im Sommer 2022 sind nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts etwa 4.500 Menschen infolge von Hitze in Deutschland verstorben. Pflasterbeschriftung (archivfoto: zoom))

Mehr als 400 Politiker, Wissenschaftler, Vertreter aus Religion und Gesellschaft hatten Olaf Scholz im April in einem offenen Brief zu mehr Klimaschutz aufgefordert. „Je länger wir zögern, so der gemeinsame Wortlaut, desto drastischer sind die Konsequenzen unseres Abwartens. Wir gehören zur letzten Generation, die aufhalten kann, was uns droht, natürlich der globale Verlust unserer Kontrolle über die menschengemachte Klimakrise. Klima ist kein Thema, sondern eine parteiübergreifende, staatstragende und historisch beispiellose Aufgabe. Die Anpassung der Infrastruktur ist eine Mammutaufgabe.“

Laut Weltklimarat IPCC hat Deutschland seine Klimaziele eindeutig verfehlt. Sollen diese bis 2030 noch erreicht werden, muß die Minderungsrate der CO2-Emissionen 6 % pro Jahr betragen. Seit 2010 waren es im Schnitt jedoch nicht einmal 2 %. Außerdem müßte der ökologische Fußabdruck pro Bürger von derzeit 11 auf 2 Tonnen im Jahr gesenkt werden. Die Hiobsbotschaften der Klimatologen reißen unterdessen nicht ab; deren alarmierende Daten lassen der Menschheit keine Zeit mehr.

2022 war das zweitwärmste Jahr in Europa, der Sommer sogar der heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Zum 8. Mal lagen die Temperaturen um mehr als 1 Grad über dem vorindustriellen Niveau (Quelle: Copernicus Climate Change Service).Weltweit stiegen die CO2-Konzentrationen seit der ersten Klimakonferenz um 60 %. Im November 2022 hatten wir die 27. Konferenz! Das Jahr 2020 ist nach Angaben des IPCC das wahrscheinlich wärmste Jahrzehnt seit der letzten Zwischeneiszeit vor ca. 125.000 Jahren.

Die Zahl der Hitzetage in Deutschland hat sich verdreifacht. Und in Italien registriert man heute 5-mal so viele Extrem-Wetterereignisse wie noch vor 10 Jahren. Extreme Hitzewellen erfassen einen immer größeren Teil der Erdoberfläche, ebenso Starkregenereignisse, auf die z. B. Deutschland überhaupt nicht vorbereitet ist.

Frankreich, die Schweiz und Norditalien erlebten bereits im Frühjahrsmonat März d. J. eine nie da gewesene Dürre in Verbindung mit hohen Temperaturen. Und Südspanien stöhnte im April unter einer Gluthitze von 35 bis 39 Grad C. Dann meldet Norditalien jetzt, Mitte Mai schwere Überschwemmungen. Ein Extrem löst das andere ab – binnen kurzer Zeit.

Das Mittelmeer wies im August letzten Jahres eine Temperatur von 30 Grad auf; es erwärmt sich schneller als andere Meere.

Und aus Indien wurde im April 2022 die Rekordtemperatur von über 50 Grad gemessen. Auch das unter Touristen so berühmte Death Valley in den USA meldete einen neuen Hitzerekord von 53 Grad Celsius.

Kaum Schnee, wenig Regen: So präsentierte sich der Winter 2022/23 in den Alpen. 5 Kubikkilometer Gletschereis sind in diesem europäischen Zentralgebirge bisher abgeschmolzen; das entspricht etwa 3 Millionen wassergefüllter Badewannen. 10 – 100 cm beträgt der jährliche Gletscherrückgang. Bis 2100 wird auch von den großen Eisströmen nur noch die Hälfte übrig geblieben sein. Und bereits 40 Jahre früher werden die meisten Gletscher Österreichs der Vergangenheit angehören.

215.000 Gletscher gibt es weltweit, über 5.000 davon in den Alpen. Dort haben sie seit 1850 2/3 ihres Volumens verloren.

Über 90 Mio. Menschen hängen am Tropf der Wasservorräte aus den alpinen Gletschern, die große Ströme und deren Nebenflüsse speisen.

Düstere Aussichten: Wenn es heiß und trocken ist (in den Monaten Juli und August), steht kein Wasser zur Verfügung. Die Kühlung von Industrieanlagen wird zum ernsten Problem. Der italienische Fluß Po trocknet aus, wie schon in den letzten Jahren. Landwirtschaftliche Bewässerung ist nicht mehr möglich. Davon sind z. B. Reispflanzen betroffen.

Hochaktuell ist diese Meldung, welche gestern, am 18. Mai, das Fernsehen veröffentlichte. Danach verlieren mehr als die Hälfte der weltweit größten Seen Wasser. Dies ergab die Auswertung von Satellitendaten eines internationalen Forschungsteams, nachzulesen im Fachblatt „Science“. Schuld an der Austrocknung ist den Wissenschaftlern zufolge größtenteils der Klimawandel sowie die ungezügelte Wasserentnahme durch den Menschen. Übrigens hat sich der Wasserstand des berühmten Gardasees im Vergleich zum Vorjahreszeitraum halbiert.

Maßlos ist auch die jährliche Wasservergeudung durch Schneekanonen. Der Verbrauch entspricht sage und schreibe dem von 3 Mio. Städten der Größe Münchens! Von den Wassermengen, die der schweizerische Fluß Rhone ins Mittelmeer befördert, stammen 40 % aus Gletschereis (Quelle ZDF).

Feuchtgebiete wie Auenwälder und Moore besitzen überragende Bedeutung für den Klima- und Biodiversitätsschutz, gerade auch in Zeiten des Klimawandels. Sie regulieren den Wasserhaushalt, halten den Grundwasserspiegel auf hohem Niveau und speichern enorme Mengen von dem kostbaren Nass. (Naturschutzgebiet Ruhrtal bei Stockhausen – Foto: Karl Josef Knoppik)

Trinkwasser wird aber auch in Deutschland zunehmend knapp. Nur ein Beispiel: In den Braunkohlerevieren Nordrhein-Westfalens wird Energie im Tagebau gewonnen. Um an die begehrte Kohle zu gelangen, wird Grundwasser im großen Stil abgepumpt. Die Anwohner sind aber auf Gedeih und Verderb von dem kostbaren Lebenselixier abhängig.

Laut Dirk Jansen vom BUND NRW benötigen die Bürger gigantische Mengen Trinkwasser. Ihnen bleibt aber nichts davon, weil der größte Teil einfach Richtung Nordsee weggeleitet wird. Eine Wasserverschwendung unvorstellbaren Ausmaßes! Lediglich das übrig gebliebene Nass wird zu einem kleinen Teil genutzt.

Die Menschen hierzulande haben das volle Ausmaß der Umwelt- und Klimakrise offenbar noch nicht begriffen. Es ist leider immer noch so, daß eine Mehrheit der Bevölkerung für konsequenten Klimaschutz nicht gewonnen werden kann. So befürworten rd. 60 % laut einer Umfrage den projektierten Autobahnausbau, wie ihn die FDP möchte; nur 30 % votieren für den Ausbau der Bahn. Die Gesellschaft ist nicht nur in dieser Frage gespalten. Das betrifft auch die Haltung zum Tempolimit. Die Politik ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Sehr viele Menschen sind aus Gleichgültigkeit, mangelndem Interesse und aufgrund von Bildungsdefiziten überhaupt nicht urteilsfähig. Dieser Eindruck entsteht, wenn z. B. Leute auf der Straße zu Ihrer Meinung bezüglich tagesaktueller politischer Themen befragt werden. Wie in der Politik steht innerhalb der Gesellschaft Meinung gegen Meinung, ohne daß die Aussicht bestünde, daß in den entscheidenden Zukunftsfragen ein Grundkonsens über den richtigen Weg erzielt würde.

Auf der anderen Seite ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik in den letzten Jahrzehnten ständig gesunken, auch deshalb, weil die Sorgen und Nöte der Menschen nie wirklich ernst genommen wurden. Zahlreiche Bürger sind schon jetzt überfordert, wissen nicht, wie sie in der derzeitigen Situation über die Runden kommen sollen. Schlimm genug, daß viele Bürgerinnen und Bürge von gesunder Ernährung ausgeschlossen bleiben.. Jahrelang bekamen diese Menschen für ihre Ersparnisse keine Zinsen. Jeder 3. Bundesbürger hat nach neuesten Medienveröffentlichungen nicht genug zum Leben. Und besonders auch für Rentner im hohen Alter ist es schwer, die finanziellen Mittel für die Umsetzung der Maßnahmen aufzubringen, die sich aus den Verpflichtungen des Gebäude-Energiegesetzes der Koalition ergeben. Wer 70 Jahre und älter ist, erhält von seiner Bank keinen Kredit mehr. Die vom Wirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck ausgerufene „Wärmewende“ ist zweifellos nötig.

Allerdings kann man eine so folgenschwere Entscheidung den Leuten nicht einfach so überstülpen. Das grüne Gesetzeswerk ist unzureichend durchdacht. Deshalb ist es mehr als fraglich, ob die Realisierung in der geplanten Form gelingt, zumal die Verhältnisse von Fall zu Fall sehr unterschiedlich gelagert sind. „Manche können auf genügend Rücklagen zugreifen, um die nötige Modernisierung zu bezahlen. Andere haben nichts auf der hohen Kante und erhalten nicht einmal einen Kredit. Hier braucht es dann staatliche Unterstützung“, sagt Antje von Broock vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Und weiter: „ Finanziert werden könnte eine ausgewogene Förderung, die soziale Härten abmildert, z. B. mit der Abschaffung umweltschädlicher Subventionen.“ Schön wäre es. Das könnte viele Probleme lösen, würde aber mit der FDP und auch der SPD sicherlich nicht zu machen sein. Um die erforderlichen Investitionen stemmen zu können, sollen staatliche Beihilfen ausgezahlt werden. Sie ändern aber kaum etwas an dem Grundproblem, nämlich daß die finanziellen Belastungen auf hohem Niveau verbleiben. Daher würde ich eine Vermögensteuer für Großverdiener ins Spiel bringen, um so einkommensschwachen Haushalten unter die Arme zu greifen, damit diese die Umstellung auf erneuerbare Energien und Modernisierung ihrer Heizungsanlagen besser schultern können. Doch auch hier wird Christian Lindner sicherlich Einwände haben.

Unabhängig davon, welche Position man nun zu dem Projekt von R. Habeck einnimmt, ob man es positiv oder negativ beurteilt, prallt der ganze Ärger, die ganze Wut über dieses in der Kritik stehende Gesetz, allein an der Ökopartei ab. Dabei hat Bauministerin Geywitz (SPD) das Gesetz zusammen mit dem Wirtschaftsminister verabschiedet und der Öffentlichkeit präsentiert. In Umfragen haben als Folge davon jedoch nur die Grünen an Zustimmung verloren.

Der selbstherrliche Regierungsstil des Herrn Habeck hat zweifellos auch auf das Ergebnis der Bürgerschaftswahl in Bremen am letzten Sonntag, 14. Mai, durchgeschlagen. Der Stimmenverlust der Grünen von 5,7 Prozent hat seine Ursache aber bestimmt nicht nur in dem beschlossenen Gebäude-Energiegesetz, sondern ebenso in den familiären Verflechtungen innerhalb des Ministeriums Das Wahlresultat im kleinsten Bundesland könnte nach Einschätzung verschiedener Gazetten der Auftakt für weitere Wahlniederlagen der Grünen sein. Im kommenden Jahr werden die Bürger gleich in 5 Bundesländern zur Urne gerufen.

Bei einem anderen Thema, der ökologischen Verkehrswende, sind die Grünen abermals vor der FDP in die Knie gegangen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte bekanntlich eine Senkung der CO2-Emissionen angeordnet. „Wenn man jetzt nicht handelt, wird es in 15 Jahren zu spät sein; man hat keine Gestaltungsmöglichkeiten mehr“, heißt es in dem o.g. Brief an den SPD-Bundeskanzler.

Das beschlossene Klimaschutzgesetz verstößt nämlich eindeutig gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dennoch geht es mit der Flächenversiegelung, Asphaltierung und Betonierung der Landschaft munter weiter. Das hat die FDP noch nie interessiert.

Die Liberalen haben erreicht, daß der Verkehrssektor vom Makel des Klimasünders befreit wurde, obwohl die Partei sämtliche Klimaschutzmaßnahmen bis heute sabotiert. Zur Erinnerung: Bündnis 90/Die Grünen hatten sich schon im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen bei den Sondierungsgesprächen dem Druck der FDP gebeugt und auf eine ihrer Kernforderungen, das allgemeine Tempolimit, bedingungslos verzichtet. Denn nicht mehr – wie bisher – muß jeder Fachbereich für sich Treibhausgase so weit wie möglich reduzieren. Nach den vereinbarten Beschlüssen des Koalitionsausschusses im März können sich die einzelnen Ressorts gegenseitig helfen, das anvisierte Klimaziel gemeinsam zu erreichen. Hier verläßt sich einer auf den anderen. Nur ein Punkt war damit nicht mehr verhandelbar: Autos, Luxuslimousinen, LKWs, Motorräder, Mopeds und „Quads“ können weiterhin ungebremst Treibhausgase ausstoßen, während der Rest der Bevölkerung zu umfassenden energetischen Innovationen und Sparmaßnahmen verpflichtet wird. Für die Porsche-Fahrer ändert sich also nichts. Sie können nach wie vor aufs Gaspedal drücken. Die Hauptlast der Energiewende müssen die „kleinen Leute“ tragen. Ob der Bereich Verkehr, wo die CO2-Emissionen seit Jahren ständig steigen, seine Klimaziele krachend verfehlen wird, juckt niemanden.

Und dann sind da noch die Privatjets als Klimakiller unterwegs. In 2022 verzeichnete Deutschland einen Rekordwert von mehr als 94.000 Flugbewegungen. Weitaus mehr als die Hälfte dieser Flüge erstreckte sich über eine Distanz von weniger als 300 Kilometer.

Nebenbei bemerkt: Nur 1 % der Weltbevölkerung verursacht durch häufiges Fliegen mehr als die Hälfte aller Emissionen der kommerziellen Luftfahrt. Ein Milliardär verursacht so viel Treibhausgase wie 1 Millionen nicht reicher Menschen.

Der Bundeskanzler hält sich indes vornehm zurück, bezieht keine Stellung zu dem Dauerstreit zwischen Ökopartei und FDP, als hätte er mit all dem nichts zu tun. Er schaut dem Treiben der FDP untätig zu. Schließlich ist Volker Wissing in seinen Augen ein guter Verkehrsminister. Olaf Scholz ist davon überzeugt, bei den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland gut dazustehen und träumt schon von seiner Wiederwahl im Jahre 2025. Und er vertraut auf die unbedingte Loyalität der Grünen zu seiner Politik.

Das dürfte der Partei von R. Habeck, A. Baerbock und Cem Özdemir kaum schwer fallen. Längst haben sie sich zu einer Wirtschaftspartei gewandelt. Was früher nur den Altparteien zugeschrieben wurde, nämlich Filz, Vetternwirtschaft, Familienklüngel, ist auch bei der Ökopartei längst angekommen. Die Grünen wollten, nachdem sie im Jahre 1983 als Neulinge in den Bundestag eingezogen waren, mit gutem Beispiel vorangehen und immaterielle Werte, wie Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit, wieder zum Maßstab des politischen Handelns machen. Was daraus bis heute geworden ist, sehen wir.

Unterdessen hat der Schwachsinn in der politischen Auseinandersetzung eine neue Dimension erreicht. Das pervertierte Denken nimmt immer groteskere Formen an. So ließ Ricarda Lang, die Bundesvorsitzende der Grünen, nach der Vorstellung des Ergebnisses des Koalitionsausschusses über TV und Presse verlauten: „Wir Grüne verbinden Klimaschutz mit Autobahnbau.“. Offenbar wurde hier versucht, die eigene Niederlage im Streit mit der FDP um einen Autobahnausbau nach Kräften schönzureden. Links und rechts von Fernstraßen sollen laut Beschluß Photovoltaik-Anlagen installiert werden. Als wenn die mit Solarmodulen verbrämte Asphalt- und Betonorgie des Herrn Wissing dadurch ihren Schrecken verlieren würde!

Längst gibt es unter kritischen Verkehrsforschern keinen Zweifel mehr darüber, daß unser Land keine neuen Autobahnen benötigt. Zu bedenken ist außerdem, daß jeder Kilometer neu gebauter Fernstraßen wieder instandgehalten werden muß. Und das verschlingt horrende Kosten.

Der untaugliche Versuch von R. Lang und ihren Parteifreunden, die Zerstörung der Landschaft durch Autobahnen zu romantisieren, indem Photovoltaikanlagen diesseits und jenseits der Asphaltbänder aufgestellt werden, hat der Partei vernichtende Kritik beschert. Prof. Dr. Claudia Kemfert vom DIW, die Olaf Scholz als einen „Klimakatastrophenkanzler“ bezeichnet, kommentiert das wie folgt: „Ein Salatblatt im Burger ist ja auch noch keine Ernährungsumstellung.“ Es ist leider so weit gekommen, daß sich die Grünen lieber selbst verleugnen, als daß sie den Mut hätten, die Koalitionsfrage zu stellen. Reif dafür wäre der Zeitpunkt seit langem.

Würden alle Sektoren ihre Emissionsreduktionen verschleppen wie der deutsche Verkehrssektor, würde sich die Erde um mehr als 3 Grad C erhitzen. Daß bei einem der dunkelsten Kapitel der Politik hierzulande unverändert alles falsch läuft, wird an einem Beispiel deutlich: Das (marode) Schienennetz wächst jährlich um ca. 75 km; das Straßennetz hingegen um 10.000 km. 145 neue Autobahnprojekte sind bundesweit geplant, 66 davon in NRW. Oliver Krischer, Verkehrsminister im einwohnermäßig größten Bundesland, hatte sich den Betonphantasien des Volker Wissing zunächst widersetzt und wollte die einzelnen Projekte erstmal auf den Bedarf hin prüfen. Es dauerte allerdings nur kurze Zeit, bis er verkünden ließ, nun doch zuzustimmen, wenn auch zähneknirschend. Mittlerweile haben sich schon zahlreiche Bürgerinitiativen gegen den Bau neuer Autobahnabschnitte formiert. Wieder einmal erleben wir, daß die Grünen, ob in den Ländern oder im Bund, charakterlos umfallen, wenn es darum geht, unbeugsam und standhaft zu bleiben. An einer Regierungsbeteiligung um jeden Preis festzuhalten, war ihnen stets wichtiger als klare Kante zu zeigen. Wo es Ihnen doch eigentlich unter den Nägeln brennen müßte, ihre Urthemen kompromisslos gegen alle Widerstände durchzufechten.

Aber selbst im Jahre 2023 ist nicht zu erkennen, daß sich irgendein Politiker dazu aufrafft, die umwelt- und klimafreundliche Bahn endlich wieder zum wichtigsten Massenverkehrs- und Transportmittel der Zukunft zu machen.

Das ab 1. Mai gültige 49,– €-Ticket erhält jeder, unabhängig vom Einkommen, also nach dem Gießkannenprinzip. Für Bürger, die finanziell nicht so gut dastehen, ist es zu teuer.

Jens Hilgenberg vom BUND meint dazu: „Damit auch Menschen mit geringem Einkommen die Vorteile des Deutschlandtickets nutzen können, muß es durch ein Sozialticket ergänzt werden. Einige Bundesländer, so Hilgenberg, planen bereits, das Deutschlandticket für bestimmte Gruppen günstiger anzubieten. „Sinnvoller und sozial gerecht wäre es, das ermäßigte Ticket bundesweit für maximal 29 Euro auszugeben, finanziert aus Bundesmitteln. Denn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kostet das Deutschlandticket netto deutlich weniger als 49 Euro, wenn sie die steuerrechtlichen Möglichkeiten nutzen.“

Leider lohnt sich für viele Menschen der Kauf des 49,– €-Tickets insofern nicht, da sie wegen unattraktiver Angebote und schlechter Verbindungen auf dem Land nicht flexibel reagieren können. Daraus ergibt sich die Forderung nach deutlich mehr Geld für Schiene und ÖPNV, damit diese Verkehrsträger ihre Aufgaben in der Fläche optimal leisten können.

Auch bei der LKW-Maut haben sich die Grünen von der FDP über Tisch ziehen lassen. Die Gebühr ist viel zu niedrig angesetzt – und auch schon seit 2 Jahren überfällig. Eigentlich waren hierfür 800,– € vorgesehen. In der jetzigen Form hat die Maut somit keine Lenkungswirkung und wird deshalb auch keine entscheidenden Impulse für die Bahn bringen.

Von Herrn Dr. Wissing kam der Vorschlag, jeden Bürger mit einem 49,–€ Ticket zu belohnen, wenn er sich einen neuen PKW anschafft.

Ich habe eine bessere Idee: Jeder Fahrgast müßte für die Abschaffung seines PKW`s dieses Ticket erhalten, und zwar zu einem darüber hinausgehenden, noch günstigeren Tarif, als wirksamen Anreiz zum Umstieg auf Bahn bzw. ÖPNV. Das wäre eine bedeutender Beitrag zur ökologischen Verkehrswende.

Streitbar, fundamentalistisch, gewaltfrei, prinzipientreu: Lang, lang ist`s her: Früher kämpften die Grünen für ihre Werte und Ideale. Heute beherrschen sie die Sprache der Ökonomen wie aus dem FF. Sie wollen, um es noch mal zu sagen, nur eines: Die Macht erringen, unter wem und mit wem und zu welchen Konditionen, spielt keine Rolle.

So kann es nicht weitergehen. Darum hört mal her, ihr Grünen: Weniger Pathos ist angesagt, stattdessen mehr Ethos. Glaubwürdigkeit hat sich noch immer ausgezahlt. Sie gewinnt man aber nur dadurch, daß man den notwendigen Einsatz zeigt und alle Kräfte für den über Jahrzehnte hinweg wiederholt ausgerufenen radikal-ökologischen Politikwechsel bündelt. Das wäre ein wahrer Segen für dieses Land, seine Menschen, unser aller Zukunft und die demokratische Streitkultur.

Karl Josef Knoppik, 18. Mai 2023