Teatron Theater zeigt „Kinder von Damals“ in der Kulturschmiede Arnsberg

kindervondamalsplakatDas Teatron Theater Arnsberg ist ein Juwel in der Kulturlandschaft des Sauerlandes.

Im Blog haben wir über die gelungenen Reise in die 20er und 30er Jahre mit Kurt Tucholsky sowie die eigenwillige Inszenierung von Schillers Kabale und Liebe berichtet.

Kinder von Damals heißt das neueste Theaterprojekt über Kindheitserinnerungen an den Krieg und die Nachkriegszeit des  Teatron Theaters Arnsberg. In der Vorankündigung heißt es:

Zertretet die Gänseblümchen nicht! … die schönen Gänseblümchen, die nichts dafür konnten, dass wir um unser Leben liefen und dass Krieg war und dass die Front immer näher kam…
(aus: Kinder von Damals)

Es ist die Perspektive des Kindes, das den Krieg und die Nachkriegszeit zwar erlebt hat, aber das Erlebte oft nicht in seine kindliche Erfahrungswelt einordnen konnte, die das Theaterprojekt „Kinder von Damals“ in den Mittelpunkt stellt. Sätze tauchen auf wie „An Angst kann ich mich eigentlich nicht erinnern…schon an Bombennächte, die Sirenen, den Bunker… aber Angst?“, oder Fragen, die von den Erwachsenen oft nicht beantwortet wurden, wie „Meine Mutter sagt: Das sind Invaliden. Wo kommen sie nur her, was ist ihnen passiert, warum so viele?“

Zehn Teilnehmer/innen im Alter von 60 bis 74 Jahren haben ihre Erinnerungen an den Krieg und die Nachkriegszeit wieder zum Leben erweckt. Oft brauchte das Mut und brachte Schmerzvolles hervor, aber auch Erstaunen über das Vermögen der Kinder, trotz Bedrohung und Krieg die Geborgenheit in der Familie zu erleben, kindliche Freiräume zu schaffen, in denen auch Spiel und Freude möglich war. Über allem aber stand immer die Frage „Was hat das alles nur mit uns gemacht?“

Zum vollständigen Text geht es auf der Website des Teatron Theaters.

Termine:
28.11.2014 (Premiere) ausverkauft
29.11.2014
30.11.2014
Jeweils 20 Uhr
01.12.2014 um 16:00 Uhr
in der KulturSchmiede Arnsberg

Karten (10 €/ erm. 7 €):
Stadtbüros Arnsberg 02931 893 1143
und Abendkasse KulturSchmiede

Hemingway, Hesse und Huckleberry Finn zu unanständig? In Dallas schon.

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Buchumschläge von „Huckleberry Finn“ und „Song of Solomon“.

Bevor Lehrer im Highland Park School District in Dallas Die Abenteuer des Huckleberry Finn von Mark Twain, The Scarlet Letter von Nathaniel Hawthorne oder In einem andern Land von Ernest Hemingway mit ihren Schülern lesen, holen sie die Erlaubnis der Eltern ein.

Erst wenn diese vorliegt, dürfen die Klassiker der amerikanischen Literatur im Unterricht behandelt werden, berichtete gestern die Dallas Morning News.

Die Vorgeschichte:

Eltern und Großeltern [sic!] hatten sich über Schullektüren empört. Diese enthielten “mature content”, erwachsenen Inhalt, an dem Schüler Anstoß nehmen könnten. Die Eltern und Großeltern von Highland Park kritisierten “Sex scenes, explicit language and references to rape, abortion and abuse”. Zu Deutsch: Sex, allzu deutliche Sprache, Andeutungen von Vergewaltigungen, Abtreibung und Missbrauch.

Empörte Eltern und Großeltern hatten eine Sitzung des Schoolboard, der Schulverwaltung, besucht und dort laut Sexszenen vorgelesen. Sie lasen Textstellen mit homosexuellem Inhalt, Beschreibungen von Kindesmissbrauch und Kapitalismuskritik. Nachdem zusätzlich hunderte Mails an die Schulaufsicht geschickt worden waren, handelte der Superintendent (eine Art Schulminister für einen Schulbezirk).

Superintendent Dawson Orr setzte sieben Titel auf den Index, darunter auch Siddhartha von Hermann Hesse. Hier die vollständige Liste:

  • „The Glass Castle: A Memoir“ von Jeannette Walls
  • „The Art of Racing in the Rain“ von Garth Stein
  • „The Working Poor: Invisible in America“ von David K. Shipler
  • „Siddhartha“ von Hermann Hesse
  • „The Absolutely True Diary of a Part-Time Indian“ von Sherman Alexie
  • „An Abundance of Katherines“ von John Green
  • „Song of Solomon“ von Toni Morrison

Nach einem Proteststurm von Schülern und Eltern, in den sich auch die Pulitzer Preis Siegerin Toni Morrison einmischte, zog Orr seine Entscheidung zurück.

Die Liste werde überprüft und die Lehrer sichern sich nun offenbar ab, indem sie die Erlaubnis der Eltern einholen. Und so taucht wieder ein alter Bekannter auf: Mark Twain mit seinem Südstaatenroman Huckleberry Finn. Seit Erscheinen des Buches 1884 ist die großartige Abenteuergeschichte  immer wieder indiziert worden – und auch im Jahr 2014 darf sie in den USA nur mit Einschränkungen gelesen werden.

Geschenktipp zu Weihnachten: Deluxe-Socken von Falke

Falke
Falke kann mehr als unterschiedliche linke und rechte Sportsocken herstellen – Schaufensterdekoration bei Karstadt in Hamburg, Weihnachten 2013 (foto: chris)

Suchen Sie noch oder schon ein Geschenk für Ihren Mann, der sich immer alles selbst kauft, am liebsten direkt vorm Geburtstag oder am Tag vor Weihnachten?

Oder haben Sie noch keine Idee, was Sie Ihrem Vater, Schwiegervater oder vielleicht dem erwachsenen Sohn schenken können? Außerdem möchte sie ein Produkt aus der Region erwerben? Hier unser Tipp:

Die neuen Deluxe-Socken von Falke, der Sauerländer Strumpffirma aus Schmallenberg.

Die Herrensocken wirken zunächst sehr schlicht, allerdings sind sie werksseitig in einer Holzkiste verpackt, werden ausschließlich bei Selfridges in London verkauft und in limitierter Auflage angeboten. Es gibt lediglich zehn Paare. Limitierte Socken, das ist doch was. Verkaufspreis, das soll hier nicht verschwiegen werden: £495

Die Socken wurden der Londoner Presse vorgestellt. Der Luxussockenliebhaber des Guardian Dean Kissick war zu dieser PR-Veranstaltung Falkes im Warenhaus Selfridges eingeladen und berichtet in der heutigen Onlineausgabe der britischen Zeitung, wie er Falkes neue Luxussocken kennenlernen durfte.

Dean Kissick treibt die Frage um, ob die Ware den Preis von £495 rechtfertige. Zunächst riecht er an den Socken „und sie riechen erstaunlich, hölzern wie Zedernwald, wie eine Bergwiese in den Anden, wo sie vielleicht herkamen. Ich glaube, ich kann einen Anflug von Kamel oder Lama entdecken und wahrscheinlich habe ich mir das nur eingebildet. An superteuren Luxussocken zu riechen ist anmaßend und eigenartig, aber in dem ruhigen Ambiente einer PR-Veranstaltung mehr oder weniger akzeptabel.“

Die Socken fühlen sich weich an, sehr weich. Aber, so denkt sich Kissick, eigentlich könnten sie noch ein wenig weicher sein und noch etwas goldener aussehen – bei dem Preis.

Am besten gefällt Kissick, dass diese Socken Vicuña sind, das Nationaltier Perus, welches in den hochgelegenen Pässen der Anden lebe. Das Vicuña sei das Lama des Denkenden, es sei niemals domestiziert worden, immer würde es fliehen. Vicuñas durchstreifen die Berge und können nur alle paar Jahre geschoren werden. Ihre Schur sei somit sehr nachhaltig.

Gelegentlich sollen sie in einem archaischen Hochzeitsritual verehrt werden, bei dem zwei Tiere das Blut des jeweils anderen Tieres trinken müsse. Anschließend werden die Tiere, so Kissick, wieder in die Wildnis entlassen.

Bei dem Tier soll es sich um die Wiedergeburt eines jungen, wunderschönen Mädchens handeln, welches von einem alten, hässlichen König verführt wurde und dafür ein Goldenes Flies erhalten habe. Früher durften nur die Königliche Familie Vicuña tragen, aber nun sei die Wolle eben bei Selfridges erhältlich.

Der pragmatische Brite Dean Kissick hält diese Deutsch-Peruanische Frivolität für zu teuer. Aber der hohe Preis sei vermutlich der Punkt.

Sein Rat an die Leser: Sollte es jemand in Ihrem Leben verdienen, wie ein Inkakönig behandelt zu werden, dann sei ein Paar Socken sehr viel akzeptabler als beispielsweise ein Menschenopfer, denn:

“They are nice socks, and vicuña are very cool animals”.

Kommentar: Nationaler IT-Gipfel verheißt für Schulen und Bildung nichts Gutes

BildungsgipfelGestern schallerte mir Sigmar Gabriel aus dem Radio entgegen. Er sprach auf dem „Nationalen IT-Gipfel“ in Hamburg. Es ist schon kurios, einen Gipfel zur Informationstechnologie in Zeiten der Globalisierung „national“ zu nennen.

Deutschland müsse nun, so der Wirtschaftsminister von der SPD, bei der vierten, der digitalen industriellen Revolution eine führende Rolle übernehmen. – Warum eigentlich und warum gerade Deutschland?

Wenn ein Minister derart vollmundig eine Führungsrolle für sein Land fordert, dann stellt sich neben der Frage nach seinen Motiven auch die Frage nach den Mitteln.

Der NDR berichtet „…bis zum Jahr 2017 (werde) fast eine halbe Milliarde Euro an Fördermitteln bereitgestellt.“

Das hört sich prima an. Wer ein Land technisch nach vorn bringen will, wird sicher unten anfangen, in den Schulen. Er wird flächendeckenden Informatikunterricht einführen, zeitgemäße Ausstattung von Klassenräumen und moderne Lehrerarbeitsplätze finanzieren.

Auch der Minister hält die Schulen für wichtig und wünscht sich, „dass die digitale Kompetenz ganz oben auf den Lehrplänen in den Schulen und Universitäten steht“.

Gut, schreiben wir „digitale Kompetenz“ oben auf die Lehrpläne und klopfen uns auf die Schulter. Damit ist jedoch noch kein Beamer angeschraubt, kein WLAN installiert und keine Fortbildung finanziert.

Und was wünschen sich führende Wirtschaftsvertreter und Politiker sonst noch für die Schulen?

„Die Vermittlung von unternehmerischem Denken sollte mit flächendeckenden Bildungsangeboten bereits in der Schule beginnen und durch entsprechende Veranstaltungen an den Hochschulen ergänzt werden“, heißt es in einer Hamburger Erklärung.

Das verwundert, denn eben ging es noch um Informationstechnologie und 4. Industrielle Revolution – und nun soll plötzlich „unternehmerisches Denken“ vermittelt werden. Wie soll das aussehen? Börsenspiele und Gründungen von Schulfirmen statt Verbesserung der Ausstattungen in den Schulen des Landes?

Wer den Begriff „Schule“ im Maßnahmenpaket sucht, findet allenfalls die Erwähnung von „Berufsschulen“, deren Ausbildungsordnung „auf neue Inhalte und Anforderungen untersucht und bei Bedarf modernisiert“ werden soll.

Was bleibt? Vermutlich wieder nur Börsenspiele statt Bildung. Kompetenzen im Lehrplan statt Computer im Klassenraum. Unternehmerisches Denken statt kritischem Denken.

Übrigens: die Analyse politischer Reden wird in Nordrhein-Westfalen im Leistungskurs Deutsch nicht mehr behandelt. Das ist nur konsequent.

Sauerlandkurier schlachtet Kritiker und diffamiert Diskussion über sexistisches Plakat

Am 12. Oktober 2014 erschien im Sauerlandkurier ein Artikel des Chefredakteurs des anzeigenfinanzierten Blattes unter dem Titel: “Streit um Satire – Erregter Bad Fredeburger schaltet sogar Alice Schwarzer ein”.

In dem als Artikel verkleideten Kommentar findet sich der Stein des Anstoßes: das Plakat zur Walpurgisparty Arpe. Die Darstellung: eine weitgehend unbekleideten Frau, die sich am Hexenbesen rekelt, Teufelshörner trägt und dem Betrachter aggressiv die gespaltene Zunge entgegen streckt. Sie sieht zudem ziemlich verschlammt aus, halt so wie sich Männer Frauen vorstellen, die gerade aus der Hölle kommen.

Unter dem Plakat steht: „Dieses Plakat erregte den Unmut eines selbsternannten Bürgerreporters – er schaltete Alice Schwarzer und den Werberat ein.“

Das Plakat zur Walpurgisnacht in Arpe ist das eine: Es ist frauenfeindlich und damit für Karnevalsgesellschaften im Sauerland nichts Ungewöhnliches. Ebenfalls nicht ungewöhnlich ist die fehlende Sensibilität für sexistische Darstellungen.

So werden im Artikel die Organisatoren der Feier mit den Worten zitiert: „Wir haben inzwischen auch mit vielen Frauen über das Thema gesprochen, keine einzige hat sich durch die bildliche Darstellung auf dem Plakat diskriminiert gefühlt.“ – Diese Bemerkung sagt vermutlich mehr über die Mentalität in Arpe als über den frauenfeindlichen Charakter des Plakats aus.

Doch nun kommt der Chefredakteur des Sauerlandkurier Thorsten-Eric Sendler zum Zuge: Einen „erregter Bad Fredeburger“ habe das „von einem Fachmann“ entworfene Plakat „auf die Barrikaden“ gebracht.

Der „selbsternannte Bürgerreporter“ (hat der Mann sich wirklich als „Bürgerreporter“ bezeichnet, oder legt Sendler ihm dies in den Mund, um ihn zu diskreditieren?) habe, so Sendler, „seit geraumer Zeit nimmermüde mit seinen Texten zu allen möglichen Themen die Leserbriefspalten der Zeitungen“ gefüllt.

Der „Bürgerreporter“ habe, neben „diversen Zeitungen und Zeitschriften“ (explizit genannt wird hier keine einzige) auch Alice Schwarzer und der Werberat kontaktiert und einen „Feldzug“ geführt.

Nachdem die Karnevalsgesellschaften Arpe erklärte, sie werde das Plakat „des lieben Frieden willens“ nicht weiter verwenden, werde der Werberat den Vorgang nicht weiter untersuchen.

Der Bad Fredeburger kritisiert, so die Aussage Sendlers, dass die Hexenverfolgung durch das Plakat verharmlost werde und er habe einen Vergleich zur Judenverfolgung gezogen.

Hier nun schrien die Karnevalisten auf, die Kritik sei eine„absolute Frechheit“ und „geschmacklos“. Man werde in die rechte Ecke gesteckt und der Verein prüfe „ob er den sogenannten Bürgerreporter auf Schadensersatz und Rufschädigung verklagen kann“.

Sendler ergreift in seinem Kommentar eindeutig Partei. Er lässt den Karnevalisten breiten Raum, um ihr Plakat erneut zu rechtfertigen ( „eindeutig … von der der Geschichte losgelöste, zeitgemäße Interpretation des Hexenthemas“), um ihr eigenartiges Frauenbild, ihr merkwürdiges Geschichtesverständnis („…jedem klar denkenden Menschen muss eigentlich bewusst sein, dass das mit den Hexenverbrennungen in früheren Jahrhunderten nicht das Geringste zu tun hat.“) und ihren interessanten Satirebegriff darzulegen („Satire ist in der heutigen Zeit fast überall als Darstellungsform anzutreffen. Wer abends über die Privatkanäle zappt oder Magazine durchblättert, wird zuhauf fündig“). Ich vermute, die Karnevalisten verwechseln Satire mit Pornografie – und der Chefredakteur spielt mit.

Dem Journalisten des Sauerlandkuriers ist vorzuwerfen:

1. Er hebt eine sexistische und frauenfeindliche Darstellung in sein Blatt und verbreitet sie kritiklos.
2. Er macht die Angelegenheit der Karnevalsgesellschaften Arpe zu seiner eigenen Sache, indem er vermeintlich neutral die dort vertretenen Positionen abdruckt.
3. Er diffamiert kritische Zeitgenossen, indem er sie nicht als Personen, Menschen, Bürger, sondern wiederholt als „sogenannten Bürgerreporter“ bezeichnet. Er stellt deren Kritik als emotional motiviert, grundlos, unvernünftig, frech und geschmacklos dar.
4. Er versucht mit diesem Artikel jede Kritik und jeden Auseinandersetzung über ein durchaus zu kritisierendes Plakat auszuschalten.
5. Der Kritiker in Bad Fredeburg, von dem anzunehmen ist, dass er vor Ort bekannt ist, wird persönlich angegriffen, er wird an den Pranger gestellt. Der Streit um ein Karnevalsplakat wird zu einer persönlichen Abrechnung. Es geht nicht mehr um die Sache, sondern um die Person. Fraglich, ob eine derartige Auslegung der Pressefreiheit presserechtlich gedeckt ist.

*** In einem am selben Tag in Der Westen erschienen Artikel zum selben Thema wird der Fredeburger namentlich genannt, die Zeitung hat ihn befragt und seine Argumente ebenso genannt wie die Position des Karnevalisten. Es geht also offenbar auch ganz anders. ***

„Parteispenden beschädigen die Demokratie“, meint der Ökonom Warwick Smith

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Die Verlockungen des Geldes, hier in einer englischen Spielhalle. (foto: chris)

Der folgende Kommentar des australischen Ökonomen Warwick Smith von der Universität Melbourne erschien in der britischen Zeitung The Guardian auf Englisch. Wir geben die wesentlichen Gedanken und Argumente wieder. Smith veranschaulicht seine Überlegungen mit Beispielen aus der australischen Politik, welche im Originaltext nachzulesen sind.

Unternehmen haben nichts zu verschenken. Wenn sie es doch tun, dann erwarten sie eine Gegenleistung. Es gebe ein – meist stillschweigendes – Einverständnis, dass große Firmen mit Hilfe von Parteispenden Zugang zur Politik, vorteilhafte Berücksichtigung bei politischen Entscheidungen und der Gesetzgebung erhalten. Warum, so fragt Warwick Smith, sollten Unternehmen, die nach Profiten streben, sonst Geld spenden?

Viele Firmen würden gleichzeitig an beide politischen Lager zahlen, was in allen Demokratien geschehe.

Daran wird deutlich, dass es bei Spenden an beide Seiten nicht darum gehen kann, einer Partei zum Sieg zu verhelfen. Es handele sich vielmehr um eine Drohung: „Wenn ihr uns nicht gut behandelt, werden wir den anderen beim nächsten Mal mehr Geld geben.“

Haben beide Parteien dieselbe Position in einer Frage, so verschwindet mit Hilfe der Parteispenden das Thema aus dem Blick der Öffentlichkeit. Dies geschehe im Interesse der Firmen, die nicht an einer Veränderung der Politik im Sinne der Wähler interessiert seien. Wahlkampfthemen werden nur die Politikfelder, auf denen die Parteien unterschiedliche Positionen haben. Alle anderen Themen spielen keine Rolle.

In entwickelten Demokratien, so Smith, sind die Unterschiede zwischen den großen Parteien in Bezug auf politische Ideologie und politische und insbesondere ökonomische Fragen minimal. Im Wahlkampf werden die wenigen Unterschiede hervorgehoben und aufgebauscht, so dass Parteien scheinbar völlig unterschiedlich Positionen haben.

Spenden dienten somit dazu, bestimmte politische und ökonomische Fragen aus dem gesellschaftlichen Diskurs herauszuhalten.

Eine weiterer Effekt: die Spenden benachteiligen kleine Parteien, insbesondere Parteien, die versuchen, politische Fragen in die öffentliche Diskussion zu bringen, die den wirtschaftlichen Eliten unbequem sind.

Faktisch bedeutet eine von Spenden getriebene Politik, dass nur die Politikfelder leidenschaftlich und kontrovers diskutiert werden, die den wohlhabenden Eliten herzlich egal sind wie beispielsweise Abtreibung oder gleichgeschlechtliche Ehe. Spuren von gesellschaftlichen Differenzen bestehen weiter durch konkurrierende Unternehmen, Arbeitgeber- Arbeitnehmerbeziehungen und in Bezug auf das Sozialsystem.

Smith weist darauf hin, dass die Geldströme nicht direkt die Politik einer Partei erklären können, aber sie lieferen einen guten Hinweis, wie der sonst so undurchsichtige Prozess aussehe:

Fundraising, gemeinsame Essen von Politikern und Firmenvertretern, bei denen letztere auch mal $10.000 für ein Gedeck zahlen. Banker, Unternehmer und Politiker treffen sich sozial, privat und geschäftlich.

Persönliche Beziehungen sind für Politiker ebenso wichtig wie für uns alle.

In der Mitte sitzen die Lobbyisten und Thinktanks, die öffentliche Rationalisierungen für politische Positionen erfinden, welche den Interessen ihrer Klienten dienen. Lügen sind dann am effektivsten, wenn der Lügner sie glaubt. Der erste Schritt beim überzeugenden Lügen sei, uns von der Lüge zu überzeugen. Das ist die Aufgabe von Thinktanks und Lobbyisten.

Smiths Schlussfolgerung: Dies ist ein komplexes und schmutziges Spiel, bestimmt von Parteispenden, Interessengruppen, persönlichen Ambitionen, Klasse und Macht. Wähler sind Teil dieses Spiels, aber deren Interessen zu vertreten dürfte nicht die höchste Priorität der Politiker sein. Politiker handeln nur dann im Interesse der Wähler, wenn keine reiche oder mächtige Gruppe widerspricht.

Wennemen – Bestwig – Wewelsburg. Das kurze Leben des Juden Günter Ransenberg

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Grab von Günter Ransenberg und seiner Mutter Mathilde auf dem Friedhof in Wennemen. (foto: zoom)

Am 24. Dezember 1926 geboren, wuchs Günter Ransenberg als drittes von sechs Kindern im kleinen sauerländischen Dorf Wennemen bei Meschede auf. Sein Vater Jakob musste den eigenen Metzgereibetrieb aufgrund der judenfeindlichen Nürnberger Rassegesetze aufgeben.

Am 15. April 1942 wurde der gerade fünfzehnjährige Günter im Konzentrationslager Niederhagen in Wewelsburg getötet. „Erhängen auf Anordnung des Reichsführers-SS” heißt es im Sterbebuch.

Günter war eigens zur Hinrichtung nach Wewelsburg gebracht worden. Sein „Verbrechen”?

Bereits als 14-jähriger begann Günter bei einem Tiefbauunternehmen zu arbeiten – der Schulbesuch war jüdischen Kindern seit 1938 untersagt. Günter musste den gelben Stern tragen, der ihn überall als Juden, Staatenlosen und Menschen ohne Rechte brandmarkte.

Anfang März 1942 arbeitete Günter „in einer Arbeitskolonne im Eisenbahnoberbau in der Nähe von Bestwig im Sauerland. In einer Frühstückspause warf er anscheinend in einer Gruppe von etwa gleichaltrigen Arbeitskollegen mit Schneebällen auf vorübergehende Mädchen.”*

Ein kleiner Vorfall, nicht jedoch während der Nazi-Diktatur: noch am gleichen Tag wurde Günter durch die Gestapo verhaftet und anschließend zur Hinrichtung nach Wewelsburg gebracht. Harmlose Schneeballwürfe waren in der Zeit eifriger Gestapo-, SS-Verbrecher eine „Rassenschande”, wenn dabei sogenannte „arische” Mädchen getroffen wurden.

Zwei Wochen nach Günters gewaltsamer Ermordung starb die Mutter an „Herzversagen“. Das Grab von Sohn und Mutter befindet sich auf dem kleinen Friedhof in Wennemen.

Vater Ransenberg wurde wenige Wochen später mit den drei jüngeren Kindern nach Theresienstadt abtransportiert. Die Geburtsurkunden tragen den Vermerk: „Gestorben in Theresienstadt am 1. August 1942.“

Der älteste Sohn Rolf wanderte in die USA aus, der zweitgeborene Friedel überlebte die Nazi-Herrschaft trotz früher Einlieferung ins Konzentrationslager.

* Dr. Karl Hüser, Wewelsburg 1933-1945, Kult- und Terrorstätte der SS, Paderborn S. 26.

Bitte lasst Sonderzüge nach Willingen fahren!

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Zug fahren könnte so schön sein. Hier der RE 57 bei Bigge. (foto: johanna)

Willingen erfreut sich weit über die hessischen Grenzen hinaus großer Beliebtheit.

Kegelklubs aus dem Ruhrgebiet strömen regelmäßig in die Kleinstadt an der ostwestfälischen Grenze.

Die meisten Grüppchen und Trüppchen reisen mit dem Zug an, vorzugsweise freitags und gern direkt bis Willingen. Der RE 57, der freitags um 11.41 Uhr Dortmund verlässt, ist der Zug der Wahl.

Im Zug wird getrunken, geraucht, Partymusik schallert aus den Ghettoblastern und die gut gelaunten Gäste unterhalten sich übermäßig laut. Der Zug ist voll oder übervoll. Halt ein Partyzug.

Die Züge sind mit Kameras ausgestattet, der Schaffner kann sehen, was in seinem Zug geschieht. Dennoch interveniert das Zugpersonal nicht. Am mobilen Getränkeausschank gibt es neben Kaffee auch Bier, falls das eigene ausgehen sollte.

Um es klarzustellen: Ich habe nichts gegen Kegelklubs und Kegelwochenenden, von mir aus können alle nach Willingen fahren und dort ein fröhliches Wochenende verbringen.

Allerdings ist es ein Hohn, wenn übereifrige Bahnschaffner in einem Zug Jugendliche über Lautsprecher auffordern, ihre Füße von den Sitzen zu nehmen, während im anderen Zug Erwachsene rauchen und saufen dürfen. (Kotzen sollen sie auch gelegentlich, dann hat der Zug richtig Verspätung, weil erst geputzt werden muss.)

Wenn die Deutsche Bahn es nicht schafft oder nicht schaffen will, in den Zügen nach Willingen ihre Hausordnung durchzusetzen und ein akzeptables Umfeld für die übrigen Bahnkunden – zu denen auch Schulkinder gehören – zu schaffen, dann soll die DB bitte Sonderzüge einsetzen. Das wäre sicher auch im Sinne der Kegelbrüder und -schwestern.

Eine Willingenbesucherin wies richtig darauf hin, dass die Bahn für Fußballfans schließlich auch Sonderzüge einrichtet. Geht also.

CDU, SPD und Grüne gegen „Transparenz-im-Kreistag-Antrag“: Ton- und Filmaufnahmen im Kreistag weiterhin unzulässig

Keine Transparenz in der Provinz? Der Bundestag macht es doch vor. (Bild und Bearbeitung: zoom)
Keine Transparenz in der Provinz? Film- und Ton bleiben im Mescheder Kreistag verboten. (Bild und Bearbeitung: zoom)

Auf der Tagesordnung der Kreistagssitzung am Freitag stand auch ein Antrag der SBL/FW zur Änderung der Geschäftsordnung (siehe auch hier im Blog). Ein ganz spannender Punkt, denn es ging darum, ob zukünftig während des öffentlichen Teils der Kreistagssitzungen Film- und Tonaufnahmen zulässig sind.

(Der Artikel ist zuerst auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen.)

Doch was sollen wir sagen, Sie ahnen es sicher schon? Denn trotz eines Pro-Plädoyers des FDP-Fraktionsvorsitzenden und mündlich vorgetragener Argumente von SBL/FW und Die Linke stimmte die Mehrheit – bestehend aus CDU, SPD und Grünen – gegen den „Transparenz-im-Kreistag-Antrag“. Diese drei Fraktionen interessierten sich nicht dafür, dass sich die Mediennutzung in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren deutlich gewandelt hat.

Beim Bundestag und beim Landtag ist es selbstverständlich, dass Sitzungen im Fernsehen, im Radio und im Internet übertragen werden können, so dass auch die Bürgerinnen und Bürger außerhalb des Sitzungssaals die Gelegenheit haben, das Geschehen zu verfolgen – warum dann nicht im Kreistag? Im HSK wäre diese Option besonders wichtig, weil hier die großen Entfernungen – anders als in einer kreisfreien Stadt mit einem gut erreichbaren Sitzungssaal – und der frühe Sitzungsbeginn (um 15 Uhr) die Teilnahme als Zuhörer noch weiter erschweren.

Auch der vom Kreistagsmitglied der Piraten als mildere Lösung eingebrachte und nach dem Antrag der SBL abgestimmte Antrag, Film- und Tonaufnahmen nur dann zuzulassen, wenn zu Beginn der jeweiligen Sitzung ein entsprechender einstimmiger Beschluss vom Kreistag gefasst wurde, bekam keine weiteren Unterstützer.

In der Debatte zu den Anträgen erklärte die CDU-Fraktion, sie brauche keine weitere Berichterstattung aus den Kreistagssitzungen, denn sie sei mit der Presseberichterstattung über die Kreistagssitzungen sehr zufrieden. Wenn man die Berichte in Radio Sauerland hört oder liest, kann man diese Betrachtungsweise der CDU sogar nachvollziehen… Die SPD-Fraktion hatte Sorge, dass sich die “Leisen” im Kreistag dann nicht mehr trauen würden sich zu äußern – und die Grüne Fraktion begründete ihre Ablehnung dieses ‘urgrünen’ Anliegens vorsichtshalber gar nicht.

Bemerkenswert war auch die Sitzungsvorlage der Kreisverwaltung zu diesem Thema. Dort heißt es wörtlich: “Die Regelung steht im Zusammenhang mit dem Recht der Kreistagsmitglieder auf ungestörte Mandatsausübung.” Was bedeutet denn “ungestörte Mandatsausübung”? Dass die Tätigkeit fast nur im Verborgenen stattfindet und die Öffentlichkeit nur aus den wenigen Besuchern der Tribüne im Sitzungssaal bestehen darf?

Wer sich in den Kreistag wählen lässt, muss auch bereit sein, seine politische Tätigkeit transparent auszuüben. Der Sitzungssaal ist ja nicht das eigene Wohnzimmer, wo selbstverständlich der Anspruch auf Schutz der Privatsphäre besteht.

Vielleicht liegt ja der wahre Grund der Ablehnung darin, dass diese drei Fraktionen tatsächlich unbeobachtet bleiben wollen, weil sie Sorge vor negativen Reaktionen ihrer Wählerinnen und Wähler auf die eine oder andere Äußerung oder das Abstimmungsverhalten haben?!

Die SBL hat ein anderes Verständnis von Öffentlichkeit und Transparenz der Kreispolitik. Solange das nicht umsetzbar ist: Fotoaufnahmen sind weiterhin zulässig, und das Recht darauf, vor und nach den Sitzungen Berichte zu schreiben, kann uns auch niemand nehmen.

Keinen Bock mehr auf OBI – ein Kommentar

OBI

Konkurrenz ist gut und belebt das Geschäft. Pleiten von Konkurrenten verbessern die Bedingungen und Spielräume für diejenigen, die übrig bleiben. Dies mag sich auch OBI sagen.

Statt sich auf den Verkauf von Latten, Leisten, Armaturen und Ameisengift zu konzentrieren, scheint OBI nun unsere Sprache und unser Denken verändern zu wollen.

Die in Orange werbende Baumarktkette verkauft “VolksFarbe”: weiße Alpina Innenfarbe, ‚Volk‘ rot, ‚Farbe‘ schwarz unterlegt. Ein Ensemble aus Weiß, Schwarz, Rot. Die Farben des Deutschen Kaiserreichs, des Hakenkreuzes und des WM-Trikots.

Mit BILD, ‚Bild‘ auf rotem Grund und ‚de‘ weiß auf schwarz, werben die Zeitung und der Baumarkt in einer “gemeinsamen Volks-Aktion”.

Inhaltlich ein irrer Schwachsinn, der jedoch, neben der Werbung für die Innenfarbe Alpina, das Wort “Volk” und die Farbkombination schwarz-weiß-rot popularisiert.

Konkurrenz belebt das Geschäft und ich werde bis auf Weiteres einen Bogen um den orangen Baumarkt mit den völkischen Neigungen machen. Es gibt ja noch andere Baumärkte.