Unsere Erde ist schon lange keine Scheibe mehr. Deshalb: #konservativstattrechts

Patrick Kunkel (CDU), Bürgermeister von Eltville am Rhein. (foto: kunkel)

Meine Partei, die Christlich-Demokratische Union, darf sich meiner Meinung nach niemals mit der AfD zusammen tun. Sobald wir es zulassen, dass sich CDUler mit AfDlern verbünden, müssen wir uns um die freiheitlich-demokratische Grundausrichtung der Union Gedanken machen. Dann geben wir uns als CDU auf.

(Der Beitrag von Patrick Kunkel ist ursprünglich auf Facebook erschienen. Ich kenne Patrick Kunkel als klugen CDU-Politiker von der Plattform Twitter. Dort ist er als https://twitter.com/Patrick_Kunkel unterwegs. Ich halte seinen Text für sehr wichtig.)

Eine Annäherung an die AfD seitens der CDU darf es deshalb niemals geben. Für jeden Konservativen muss allein diese Vorstellung schon ein Graus sein.

Längst hat die AfD ihr Mäntelchen einer Protestpartei, „die denen da in Berlin mal zeigen wird, wo der Hammer hängt“, abgelegt. Die AfD wird immer gefährlicher.

Dabei speist sich die AfD auch aus den Reihen frustrierter Unionsanhänger, die sich bei der AfD eine Aufwertung versprechen. Die AfD verwendet inzwischen ganz offen Worte und Begrifflichkeiten aus dem Dritten Reich; Nazi-Jargon hält so wieder Einzug in unsere Sprache…

Die NeuRechte Bewegung um ihre Gallionsfigur, den radikal NeuRechten AfDler Björn Höcke, macht sich daran, Begriffe wie „Völkisch“ wieder salonfähig zu machen. Ein perfider Höcke ist dabei sehr viel gefährlicher als ein plumper Gauland…

Am rechten Rand der CDU wird inzwischen offen mit AfD-Gedankengut sympathisiert. Man spricht in diesen Kreisen von rechtspopulistisch und nicht mehr von extrem rechts, wenn man über die AfD spricht.

Ich habe auf @Twitter das Hashtag #konservativstattrechts ins Leben gerufen. Ich bin konservativ und nicht rechts.

Als Konservativer möchte ich das, was sich bewährt hat, für die Zukunft bewahren und meine Politik darauf aufbauen. Ein konservatives Fundament ist ein starkes Fundament für eine eigene Politik, die sich offen für die Zukunft mit all ihren Neuerungen zeigt – auch an gesellschaftlichen Neuerungen.

Wer aber rechts ist, der bleibt in der Vergangenheit, die sich für ihn verklären mag und in der er für sich eine Aufwertung sieht, hängen – ein Rechter verstrickt sich in seinem Gedankengefängnis. Er bastelt sich eine einfache Welt aus Gut und Böse, in der er immer der Gute ist.

WICHTIG:
Ich lasse mir meine konservative Grundeinstellung nicht von gefährlichen NeuRechten wegnehmen.
Deshalb kämpfe ich hier auch schon um die Begrifflichkeit.
Wenn sich hier auch schon auf Facebook einige Rechte als „Konservative“ bezeichnen, die jetzt mal der Merkel Contra geben, dann möchte ich laut rufen:
Ihr nehmt mir das Konservative nicht weg.
Ihr seid doch nur rechts und ich bleibe konservativ.

Ich finde, dass sich auch die CDU noch sehr viel stärker gegen jedwede rechte Tendenzen aussprechen muss.
Unsere freiheitlich-demokratische Partei braucht viele Menschen die den Mund aufmachen und bekennen: JA ich bin #konservativstattrechts.

BITTE liked und teilt meinen Text.
Seid konservativ und zeigt den Rechten die Rote Karte !!!

For the Love of Money: Tycoon Donald Trump und „The Apprentice“

Vor über fünf Jahren schrieb Andreas Lichte einen Artikel bei den Ruhrbaronen.

Die Hauptfigur: Donald Trump, ein Zyniker des großen Geldes, der die Menschen auf dem (Medien-)Altar der Geldgier demütigt.

Heute ist dieser Mann der designierte 45. Präsident der USA. Hat sich etwas geändert?

In der Amerikanischen Fernseh-Reality-Show „The Apprentice“ bewerben sich Kandidaten in einem „13-wöchigen Job-Interview“ für einen mit 250.000 US$ dotierten Einjahresvertrag in einem der Unternehmen des Tycoons Donald Trump.

Von Andreas Lichte

Als Titelsong dieser Feier des Kapitalismus wurde „For the love of money“ von „The O’Jays“ ausgewählt. Der Song-Titel stammt aus dem Bibelvers 1 Timothäus 6:10:

„For the love of money is the root of all evil: which while some coveted after, they have erred from the faith, and pierced themselves through with many sorrows“

[„Denn Geldgier ist eine Wurzel alles Übels; danach hat einige gelüstet und sie sind vom Glauben abgeirrt und machen sich selbst viel Schmerzen“]

Aber das lässt man in „The Apprentice“ einfach weg, höre selbst – ab 0:42 Minuten, Zitat:

„I know that money – [Auslassung]

– [Auslassung]

Give me a nickel, brother, can you spare a dime

Money can drive some people out of their minds“

 

Vergleiche den Originaltext der O’Jays:

„I know money is the root of all evil

Do funny things to some people

Give me a nickel, brother can you spare a dime

Money can drive some people out of their minds“

Der Lead-Sänger der O’Jays, Eddie Levert, beschwerte sich einmal, dass in den Jahren seitdem der Song ein Hit wurde, seine Botschaft des Bewusstseins und der Selbstkontrolle in eine des Pro-Götzendienstes verdreht wurde.

So wird alles zu Geld gemacht, selbst die Kritik am Geld. Gibt es ein schlagenderes Beispiel dafür, wie die Protest- und Jugendkultur in der bürgerlichen, kapitalistischen Welt vermarktet wird?

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Eine tanz- tanz- tanzbare! Fassung des songs „For the love of money“ – mit der ursprünglichen kritischen Botschaft:

Money, money, money, money

Money

Money, money, money, money

Money

Money, money, money, money

Money

Some people – got to have it

Some people – really need it – y’all

Use it

Do things, do things, do things – bad things with it

Let me use it

Do things, do things, do things – good things with it

For the love of money

People will steal from their mother

For the love of money

And people will rob their own brother

For the love of money

Just the People can’t even walk the streets

Because they’ll never know

Who in the world they’re gonna meet

For that lean, oh mean

Mean green

Almighty dollar

For the love of money

People will lie – Lord, they will cheat

For the love of money

People don’t care who they hurt or beat

For the love of money

A woman will sell her precious body

For a small piece of paper

It carries a lot of weight

For that lean, mean, mean green

Mean green

Almighty dollar

I know that money is the root of all evil

Do funny things to some people

Give me a nickel, brother can you spare a dime

Money can drive some people out of their minds

For the love of money

(…)

For the love of money

(…)

For the love of money

(…)

People, don’t let money – don’t ever let the money change you

Almighty dollar

Talking about – talking about money

People, don’t let money – don’t ever let the money change you

(…)

Almighty dollar

(…)

Hartmut Traub, Alanus Hochschule und Rudolf Steiner: Jeder Mensch ein Wissenschaftler!

Alanus2016082101Die anthroposophische „Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft“ kämpft um eine Anerkennung der „Waldorfpädagogik“ als Erziehungs-„Wissenschaft“[1]. Dazu muß zunächst für Rudolf Steiner, Begründer der „Anthroposophie“ und Waldorfschulen, ein neues, positives und neutrales Image erschaffen werden: weg vom „verstörenden“ Esoteriker Steiner, hin zum bedeutenden Philosophen Steiner[2]. Hartmut Traub, Lehrbeauftragter der Alanus Hochschule, hielt dazu im Mai 2016 einen Vortrag, in dem er Steiner wie gewünscht „wissenschaftlich-philosophisches Denken“ bescheinigt.

(Der Beitrag von Andreas Lichte ist zuerst auf der Website des hpd erschienen.)

In seinem Vortrag „Wissenschaft, Mythos und andere unproduktive Etikettierungen …“ zitiert Hartmut Traub auf 15 Seiten nicht ein einziges Mal Rudolf Steiner, und das, obwohl er Steiners „Anthroposophie“ die einzigartige Eigenschaft zuspricht, Mythos und Wissenschaft in sich zu vereinen, Zitat Traub, Seite 7:

„Der vermeintlich mythologische Charakter der Anthroposophie ist danach die veranschaulichende, didaktisch methodologisch explorierte Weiterentwicklung des philosophischen Denkens, das selbst in der ‘Hochphase’ der Anthroposophie sein mythologiekritisches Potential nicht verliert (Traub 2014, S. 149ff.).

Das Mythologische wird bei Steiner somit weder reflexiv verwissenschaftlicht, noch verhüllt es das wissenschaftliche Denken, sondern dem Mythologischen ist das wissenschaftlich-philosophische Denken explizit immanent. Und das heißt, die Anthroposophie ist ihrem Wesen und Anspruch nach kein mythologisches Denken, und schon gar keine Rückkehr zum Mythos, sondern die weiterentwickelte, veranschaulichte und methodologisch didaktisierte Philosophie Rudolf Steiners.“

Unterstützer der Anthroposophie wie Hartmut Traub vermeiden, Rudolf Steiner selber sprechen zu lassen, es sei denn, in kurzen, sinnentstellenden Zitaten.

Wo ist in Steiners Aussagen das  „wissenschaftlich-philosophische Denken“, die „weiterentwickelte, veranschaulichte und methodologisch didaktisierte Philosophie Rudolf Steiners“?

Um zu konkretisieren, wie weit sich Hartmut Traubs Interpretation von Rudolf Steiner entfernt, hören wir, was Steiner wirklich selber sagt, ein für ihn typisches Zitat:

„(…) Und so kann man sagen: Die Weißen können überallhin, können heute sogar nach Amerika hinüber. Alles dasjenige, was an weißer Bevölkerung in Amerika ist, das ist ja von Europa gekommen. Da kommt also das Weiße hinein in die amerikanischen Gegenden. Aber es geschieht ja etwas mit dem Menschen, wenn er von Europa, wo er dazu natürlich gebildet ist, daß er alles im Innern entwickelt, nach Amerika hinüberkommt. Da ist es so, daß gewissermaßen schon etwas sein Hinterhirn in Anspruch genommen werden muß. In Europa, sehen Sie, hat er als Europäer hauptsächlich das Vorderhirn in Anspruch genommen. Nun, in Amerika, da gedeihen diejenigen, die eigentlich zugrunde gehende Neger einmal waren, das heißt sie gedeihen nicht, sie gehen zugrunde, die Indianer. Wenn man dahin kommt, da ist eigentlich immer ein Kampf zwischen Vorderhirn und Hinterhirn im Kopf. Es ist das Eigentümliche, daß wenn eine Familie nach Amerika zieht, sich niederläßt, dann bekommen die Leute, die aus dieser Familie hervorgehen, immer etwas längere Arme. Die Arme werden länger. Die Beine wachsen auch etwas mehr, wenn der Europäer in Amerika sich ansiedelt, nicht bei ihm selber natürlich, aber bei seinen Nachkommen. Das kommt davon, weil die Geschichte mehr durch das Mittelhirn hindurch nach dem Hinterhirn sich hinzieht, wenn man als Europäer nach Amerika kommt. (…)“[3]

„Typisch“ an der oben vorstellten Textpassage ist, dass Rudolf Steiner seine Zuhörer bzw. Leser mit „unerhörten“ geistigen Tatsachen überrascht. Das kann Steiner, da er Einblick in die „Akasha-Chronik“, ein geistiges Weltengedächtnis in der „Ätherwelt“ („akasha“, Sanskrit: Äther) hat. In dieser „Chronik“ seien alle Ereignisse der Geschichte, alle Taten, Worte und Gedanken der Menschheit enthalten, die dem „Geistesforscher“ – also ihm selber – zur Verfügung stünden. Steiner sagt über seine Rolle als „Seher“: „Meinen Schauungen in der geistigen Welt hat man immer wieder entgegengehalten, sie seien veränderte Wiedergaben dessen, was im Laufe älterer Zeit an Vorstellungen der Menschen über die Geist-Welt hervorgetreten ist (…) Meine Erkenntnisse des Geistigen, dessen bin ich mir voll bewusst, sind Ergebnisse eigenen Schauens“[4]. Und: „Das müssen wir uns immer wiederum vor die Seele stellen, dass wir nicht aus Urkunden schöpfen, sondern dass wir schöpfen aus der geistigen Forschung selbst und dass wir dasjenige, was aus der Geistesforschung geschöpft wird, in den Urkunden wieder aufsuchen (…) Was heute erforscht werden kann ohne eine historische Urkunde, das ist die Quelle für das anthroposophische Erkennen“[5].

Das „anthroposophische Erkennen“ bezeichnet Steiner selber als „Okkultismus“:

„Nun glaubt die Wissenschaft, daß das Herz eine Art von Pumpe ist. Das ist eine groteske phantastische Vorstellung. Niemals hat der Okkultismus eine solch phantastische Behauptung aufgestellt wie der heutige Materialismus. Das, was die bewegende Kraft des Blutes ist, sind die Gefühle der Seele. Die Seele treibt das Blut, und das Herz bewegt sich, weil es vom Blute getrieben wird. Also genau das Umgekehrte ist wahr von dem, was die materialistische Wissenschaft sagt.“[6]

Das Prinzip, jedem bekannte – auch wissenschaftlich anerkannte –Tatsachen als „falsch“ hinzustellen, um das genaue Gegenteil als „wahr“ zu erklären, zieht sich wie ein roter Faden durch Rudolf Steiners Werk. Falls es Steiners Ziel war, sein Publikum durch seine „Originalität“ zu verblüffen, so ist ihm das zweifellos gelungen. Wirkliche Anerkennung bekam dafür aber erst der Steiner-Plagiator Joseph Beuys mit seinem in die (Kunst-) Geschichte eingegangenen Zitat „Ich denke sowieso mit dem Knie“.

Dieses vermeintlich originelle Zitat Beuys’ geht auf Rudolf Steiners anthroposophische Deutung des Denkvorganges zurück, Zitat Steiner: „Das Schließen, das Schlüsse bilden, hängt nun zusammen mit den Beinen und Füßen. Natürlich werden Sie heute ausgelacht, wenn Sie einem Psychologen sagen, man schließt mit den Beinen, mit den Füßen, aber das letztere ist doch die Wahrheit …“[7] In meinem Artikel „Gegenteil-Tag, 365 Tage im Jahr“ findet sich dazu eine ausführlichere Herleitung.

Wenn Steiner sich selber vehement von der „materialistischen“ Wissenschaft abgrenzt, die Anthroposophie offensichtlich gegen elementare Prinzipien der wissenschaftlichen Methode verstößt – wie stellt man „Intersubjektivität“ bei einem Hellseher her? –, ist es von Hartmut Traub und der Alanus Hochschule doch sehr gewagt, Rudolf Steiner „Wissenschaftlichkeit“ zu bescheinigen. Aber wenn es nur um Image und Reputation geht, könnte man sich doch auch hier auf den Groß-Künstler Joseph Beuys beziehen, der sagte ja bekanntlich: „Jeder Mensch ein Künstler“. Mein Vorschlag, als neues Motto für die Alanus Hochschule:

„Jeder Mensch ein Wissenschaftler!“. Dann auch Rudolf Steiner.

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[1] siehe dazu: „Waldorf heute: Vom ‘Eingeweihtenwissen’ zum ‘akademischen Diskurs’? Ein Interview mit Jost Schieren“ – „Waldorfblog“, 21. März 2016

und meine Kritik von Jost Schierens Interview mit dem Waldorfblog: „Prof. Jost Schieren, Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft: Der Waldorf-Werber“

[2] siehe dazu auch: „Christian Clements ‘kritische Ausgabe der Schriften Rudolf Steiners’ (SKA): Des Steiners neue Kleider“

[3] Rudolf Steiner, „Vom Leben des Menschen und der Erde – Über das Wesen des Christentums“, GA 349, Dritter Vortrag, Dornach, 3. März 1923, Seite 58

[4] Rudolf Steiner, „Geheimwissenschaft im Umriss“, GA 13, Rudolf Steiner Verlag, Dornach, Vorrede zur 16.–20. Auflage, Seite 29f.

[5] Rudolf Steiner, „Das Lukas-Evangelium“, GA 114, Rudolf Steiner Verlag, Dornach, Seite 22 und Seite 20

[6] Rudolf Steiner, „Die Theosophie des Rosenkreuzers“, GA 99, Rudolf Steiner Verlag, Dornach – Dreizehnter Vortrag, 5. Juni 1907, Seite 148

[7] Rudolf Steiner, „Menschenerkenntnis und Unterrichtsgestaltung“, GA 302, Rudolf Steiner Verlag, Dornach, Taschenbuchausgabe 1996 – Zweiter Vortrag, Stuttgart, 13. Juni 1921, Seite 29f.

Das liberale Bürgertum lässt schießen. Die Harburger Reichstags-Stichwahl am 17. August 1878 und ihr blutiges Ende

(1) August Grumbrecht 1811 – 1883: Nationalliberaler Frontmann der industriellen Interessen des Harburger Bürgertums


Verlust der politischen Macht – das ist die Kulisse, in der die herrschenden Eliten in Deutschland die Nerven verlieren und zur Gewalt greifen. Es folgen dann aufeinander parlamentarische und exekutive Rechtsentwicklung, Straßengewalt, Verfassungsbruch, Polizeiwillkür und juristische Verfolgung in unvorhergesehenem Ausmaß und atemberaubender Geschwindigkeit. So geschehen 1878 und 1932/33. Dass heute eine ähnliche Entwicklung möglich ist, wollen erst wenige erkennen.

(Der Gastbeitrag von Dr. Christian Gotthardt ist zuerst auf der Lokalgeschichts-Website „harbuch“ erschienen.)

Vorgeschichte

Ein nach demokratischen Grundsätzen gewähltes Parlament gab es in Deutschland erst seit der Bismarckschen Reichseinigung, als Norddeutscher Reichstag seit 1867 und als Deutscher Reichstag seit 1871. Wie demokratisch das damalige allgemeine, gleiche und direkte Männerwahlrecht und seine Handhabung wirklich waren, ist ein Thema für sich und soll hier nicht weiter beleuchtet werden.[1] Nur soviel: Bismarck konnte in seiner Zeit als Gesandter des preußischen Königs in Paris lernen, wie virtuos der französische Wahlkaiser Louis Bonaparte III. das allgemeine Wahlrecht nutzte, um sein Regime und die Macht der alten Eliten zu erhalten. Bismarck tat es ihm nach: Der deutsche Reichstag Baujahr 1871 wurde zum Instrument der deutschen Kaisermacht des preußischen Hofes. Vor allem diente er der politischen Verzwergung dessen notwendigen Bündnispartners, des wirtschaftlichen Riesens Bürgertum. Bismarcks Kalkül dabei: Wenn Volkes Stimme zählt, wird die traditionalistische und nationalistische Massenmobilisierung der Landbevölkerung durch Regierung und Adel dem bürgerlichen Liberalismus als der unsympathischen politischen Vertretung des egoistischen Unternehmertums stets den Rang ablaufen.

Die Arbeiterbewegung (deren universale historische Bedeutung der geniale Taktiker Bismarck eigenartigerweise nie begriffen hat) durchkreuzte dieses Kalkül. Nach der Vereinigung der lassalleanischen und marxistischen Gruppierungen auf dem Gothaer Parteitag 1875 erfuhr die dort aus der Taufe gehobene „Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands“ (SAPD) einen unaufhaltsamen Aufstieg. Die Versuche des mit Bismarck verbündeten nationalliberalen Besitzbürgertums, „kleine Leute“ als politisches Fußvolk an sich zu binden, mussten nun endgültig als gescheitert gelten: Die in den 1860er Jahren gegründeten Bildungs- und Konsumvereine, die „gelben“, also unternehmerfreundlichen Gewerkschaften, die nach dem Krieg 1870/71 herangezüchteten nationalistischen Kriegervereine hielten die wachsende Proletariermasse nicht mehr von der Partei und den Gewerkschaften der Sozialdemokratie fern.

 

Die Nationalliberalen verloren den Massenanhang, die Sozialdemokraten gewannen ihn. Wenn auch die Stimmen für die SAPD nur in einem beschränkten Umfang in Parlamentssitze mündeten – viele gingen bei der herrschenden Mehrheitswahl „verloren“, wenn Industriestädte geschickt mit ländlichen Regionen „verschnitten“ waren – so war doch der Trend deutlich und offenbar unumkehrbar.

Diese Entwicklung bedrohte Bismarck ebenso wie die Liberalen. Die Möglichkeit einer Addition der anwachsenden unabhängigen Volksstimme mit den traditionellen Bismarckgegnern (Partikularisten, Katholiken, Linksliberale) bei gleichzeitigem Abschmelzen der Nationalliberalen nagte an der Mehrheit des Regierungslagers. Für die mit Bismarck verbündeten Nationalliberalen ging es um das politische Überleben an sich. Zwar konnten sie im Schonraum des preußischen 3-Klassen-Wahlrechts ihre Vorherrschaft in den Städten und Landesparlamenten noch bewahren. Aber gegnerische Wahlbündnisse auf Wahlkreisebene könnten bei Reichstagswahlen schnell die gesamte Fraktion liquidieren.

 

 

Nun zu Harburg. Die Stadt war eine der Keimzellen der deutschen Arbeiterbewegung, mit dem Tischler Theodor York stellte sie einen ihrer damals bekanntesten und wirkungsmächtigsten Funktionäre. Die SAPD konnte im 17. Reichstagswahlkreis (Harburg Stadt und Land) ihren Stimmanteil auf lange Sicht ausweiten. Zwar waren Rückschläge dabei nicht zu vermeiden gewesen, die 1871er Wahl fand im Taumel des Sieges über Frankreich statt, und bei der 1874er Wahl wurden die Sozialisten durch Wahlfälschung vermutlich um rund 1000 Stimmen betrogen.[2]

 

(2) Theodor York 1830 – 1875: ADAV-Gründer 1863, SDAP-Gründer 1869, SAPD-Gründer 1875, Theoretiker und Praktiker der ersten deutschen Gewerkschaften

 

Der dennoch realisierte Vormarsch der Sozialisten hatte bis 1877 den Vorsprung des bürgerlichen Kandidaten, des nationalliberalen Harburger Oberbürgermeisters August Grumbrecht, deutlich geschmälert, wenn auch noch nicht bedroht. Dieser war ein erfahrener liberaler Parlamentarier und strategischer Interessenvertreter des Besitzbürgertums. Er war Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, der Hannoverschen Ständeversammlung 1850 – 1852 und 1864 – 1879, des Hannoverschen Provinziallandtags 1867 – 1882, des Preußischen Landtags 1867 – 1882 und des Norddeutschen/ Deutschen Reichstags 1967 – 1878.[3]

Grumbrecht sah sich nach der Reichstagswahl 1877 veranlasst, selbstbewusst und selbstzufrieden festzustellen: „Die Tage der Welfenpartei sind jedenfalls gezählt. Wir wünschten sehr, das wir dasselbe auch von der social-demokratischen behaupten könnten.“

Im Laufe des Jahres 1878 aber wendete sich das Blatt. Bismarck, seit längerem entschlossen, die Sozialdemokratie durch schärfste Repression schlichtweg auszulöschen, nutzte die beiden Attentate auf den deutschen Kaiser und preußischen König Friedrich Wilhelm I (durch Hödel im Mai und Nobiling im Juni). Er ließ kurzerhand den 1877 gewählten Reichstag auflösen und sorgte für die programmatische Durchsetzung eines „Sozialistengesetzes“ im vermuteten künftigen Regierungslager. Dem sprangen wieder die Nationalliberalen bei, zumal sie eine Schwächung ihrer Position infolge der Neuwahlen befürchteten; sie neigten nun auch zu einem Verbotsgesetz. Eindeutig dagegen erklärten sich die Kandidaten der oppositionellen hannoverschen Welfenpartei, die aufgrund ihrer Preußenfeindschaft und ihrer Anhänglichkeit an das (1866 durch Eroberungskrieg von Preußen entmachtete) hannoversche Königshaus gerade in den ländlichen Regionen des Harburger Wahlkreises viele Anhänger hatte. Tatsächlich lag der Welfenkandidat Graf Grote[4] im ersten Wahlgang am 30. Juli 1878 so dicht hinter Grumbrecht, dass dieser die absolute Mehrheit und damit das Mandat verfehlte. Als nun die SAPD ihre Anhänger dazu aufrief, in der Stichwahl am 17.8.1878 den Sozialistengesetz-Gegner der Welfenpartei zu wählen, wurde es für Grumbrecht richtig eng.

 

(3) Adolf von Grote 1830 – 1898

 

Der Wahltag

Unter dem verharmlosenden Titel „Die Ruhestörungen in Harburg“ berichtete die preußische Provinzial Correspondenz, ein Sprachrohr Bismarcks, vom Wahltag:

„Die am 17. d. Mts. in Harburg vollzogene Stichwahl zwischen dem Kandidaten der nationalliberalen Partei Ober-Bürgermeister Grumbrecht und dem Kandidaten der partikularistischen Partei Grafen Grote hat bedauerliche Ausschreitungen im Gefolge gehabt. Wie der »Reichs- und Staats-Anzeiger« meldet, sammelte sich am Abend des Wahltages, nachdem bekannt geworden war, daß der Kandidat der partikularistischen Partei, mit welcher sich hierbei die sozialdemokratischen Elemente vereinigt hatten, eine erhebliche Majorität erzielt habe, eine Volksmenge vor dem Lokal, in welchem das Blatt der partikularistischen Partei verlegt wird,[5] unter Hochrufen auf den Prinzen Ernst August, sowie auf den erwählten Abgeordneten und das Blatt der Partei.

Die anwachsende Menschenmenge zog dann nach dem Sande – einem freien Platze im Mittelpunkte der Stadt – wo vor der Wohnung des Gegenkandidaten [Grumbrecht, Sand 2], sowie vor dem auf demselben Platze belegenen Hause des Herausgebers der nationalliberalen »Harburger Anzeigen und Nachrichten« [Lühmann, Sand 25] tumultuarische Auftritte stattfanden. Die Fenster des letztgenannten Hauses wurden durch Steinwürfe zertrümmert und gegen die Polizeibeamten, welche Ruhe zu stiften suchten, Steine geschleudert. Die Versuche einer gütlichen Einwirkung auf die Menge von Seiten des Chefs der Polizeibehörde blieben ohne Erfolg.

(4) Der Sand um 1902. Das Rathaus mit der Wohnung des Oberbürgermeisters im 1. Stock stand links unten außerhalb des Bildes etwa auf der Höhe des Betrachters. Die Redaktion der Hamburger Anzeigen und Nachrichten befand sich schräg gegenüber, links oben halb verdeckt durch den ersten Baum rechts

 

Dieser requirirte daher das von der zum Manöver ausgerückten Garnison zurückgelassene nur 10 Mann starke Militärkommando und ließ die Feuerwehr alarmiren, welche gegen 11 Uhr Abends versammelt war und am oberen Theile des Sandes neben den Polizei- und Militärmannschaften Aufstellung nahm. Der Versuch, die Volksmenge durch die Wasserstrahlen einer Feuerspritze auseinander zu treiben, blieb ohne Wirkung. Nachdem die tumultuirende Menge wiederholt vergeblich zum Auseinandergehen aufgefordert worden war, rückten Feuerwehr, Polizeimannschaft und Militär mit blanker Waffe und gefälltem Gewehr gegen die Menge vor, welche zurückgedrängt wurde, bis aus einer vom Platze sich abzweigenden Querstraße, an deren Eingange neben einem Neubau ein großer Haufe von Mauersteinen lag, Militär und Feuerwehr mit Steinwürfen empfangen wurden. Auf diese Weise angegriffen, gab das Militär zunächst hoch, dann scharf Feuer. Es gelang darauf, den Platz vollständig zu säubern und die in angrenzenden Straßen gemachten Versuche zu neuen Ansammlungen zu verhindern. Noch vor Tagesanbruch war die Ruhe wieder hergestellt und ist seitdem nicht wieder gestört worden.

Um 8 Uhr früh rückte das in Harburg garnisonirende Bataillon, welches zur Herbstübung nach der Umgegend von Buxtehude ausmarschirt und dort in der Nacht alarmirt worden war, in die Stadt ein. Einige Mitglieder der Feuerwehr, einige Polizeibeamte und ein Gensdarm sind durch Steinwürfe kontusionirt. Von den Tumultuanten ist ein Arbeiter getödtet, zwei andere sind in Folge der erhaltenen Verletzungen am folgenden Tage gestorben, während 19 mehr oder weniger schwer Verwundete sich in ärztlicher Behandlung befinden. Es haben zahlreiche Verhaftungen stattgefunden und die strafgerichtliche Untersuchung ist im Gange.“[6]

 

Interessenkonflikte im Regierungslager

Die Harburger Nationalliberalen hatten sich mit dieser brutalen Reaktion auf eine mehr oder weniger harmlose Volksdemonstration selbst ein politisches Armutszeugnis ausgestellt. Ihre Möglichkeiten, das Ereignis im Nachhinein noch weiter zu dramatisieren und zu skandalisieren, waren angesichts der Faktenlage und der tragischen Menschenopfer sehr gering. Daher strebten sie danach, das Ganze möglichst schnell dem Vergessen zu überantworten.

Bismarck sah dies anders. Der „Harburger Aufruhr“, wozu der Vorgang in seiner Darstellung wurde, gab ihm die Gelegenheit, die staatspolitische Gefährlichkeit der hannoverschen Partikularisten (hinter denen England stehe) und der umstürzlerischen Sozialisten auf einen Schlag und am gleichen Beispiel zu belegen. Daher auch die reichsweite Erwähnung dieser lokalen Vorgänge in einer seiner Hauspostillen. Möglicherweise hatte das Thema für ihn auch eine militärische Dimension, da er es zur Desavouierung der zahlreichen in der sächsischen Landesarmee dienenden ehemals hannoverschen Offiziere nutzen konnte.[7]

 

Das politische Ergebnis

Der Welfe Graf Grote gewann die Wahl mit 51,5 %. Er behielt seinen Sitz nur für eine Legislaturperiode, als (lutherischer) Hospitant in der Fraktion des katholischen Zentrums – ob zum Nutzen der Sozialdemokratie, sei dahingestellt. Grumbrecht verlor seinen Sitz im Reichstag, und zwar endgültig – er starb 1883. Bismarck konnte im neugewählten Reichstag schon im Oktober 1878 das Sozialistengesetz mit 221 gegen 149 Stimmen durchbringen.[8]

Die Harburger SAPD wurde in der Folge als Parteiorganisation zerschlagen bzw. gezwungen, sich illegal neu zu formieren. Ihr Leiter blieb zunächst der um 1850 geborene Maschinenbauer, später Zigarrenarbeiter und Gastwirt David Steffens (Lange Straße Nr. 9), der in dieser Funktion seit Theodor Yorks Tod 1875 amtierte. 1880 war Steffens unter den Delegierten des konspirativen SAPD-Parteitags im schweizerischen Wyden. Unter steter Polizeiüberwachung stehend,[9] sah er sich bald zur Auswanderung gezwungen. Anfang Februar 1881 bestieg er mit Ehefrau Caroline und den beiden Kindern August und Anna die „Frisia“ in Richtung New York.[10] Das weitere Schicksal der Familie ist unbekannt.

Die Leitung der örtlichen Partei übernahm – vermutlich unmittelbar nach der Abreise Steffens – der Schuhmacher Heinrich Baerer. Er wurde auch Delegierter auf dem nächsten konspirativen Parteitag 1883 in Kopenhagen. Als bekannte Harburger Persönlichkeit wurde er bereits Anfang Januar 1885 aus der Stadt verbannt und lebte bis zum Fall des Sozialistengesetzes mit seiner Familie in Hannover.[11] Der Nachfolger Grumbrechts im Amt des Harburger Oberbürgermeisters, Wilhelm Schorcht, ein Anhänger der Welfenpartei,[12] unterstützte die Familie finanziell, bis der Vater eine wirtschaftliche Basis gefunden hatte.[13] Er soll Baerer bei der Abreise gesagt haben,: „Ich kann nichts dafür. Wenn ich etwas zu sagen hätte, wären Sie nicht ausgewiesen, da ich nur Gutes von Ihnen weiß.“ Gemeinsam mit Baerer war auch der Harburger Korbmachergeselle Friedrich Wilhelm Schellenberg verbannt worden.[14] Schellenberg wurde am 19.9.1856 in Bitterfeld geboren. Er zog mit Ehefrau und Kind von Wilstorf nach Buchau bei Magdeburg.[15]

 

(5) Heinrich Baerer 1842 – 1913: der Bebel Harburgs

 

Die Führung der Harburger Sozialisten ging im Anschluss an diese Ausweisungen an den Harburger Klempner und Gastwirt Friedrich Louis August Renz (geboren 1855) über, der die Ortsgruppe dann auf dem nächsten Parteitag 1888 in St. Gallen vertrat.[16]

In diesen Jahren war die Struktur der Partei grundlegend verändert und auf die Besonderheiten des Sozialistengesetzes ausgerichtet worden. Da dies die Parteiarbeit generell unter Strafe stellte, die Kandidatur sozialistischer Persönlichkeiten aber nicht automatisch untersagte, gab sich die Partei die Form unabhängiger, miteinander nicht verbundener Wahlkomitees. Eine Spitzelmeldung aus Harburg an die Politische Polizei in Hamburg berichtete 1885, an der Spitze des Harburger Komitees stehe nun der Former Friedrich Seitz, die Kassierung versehe der Korbmacher Johannes Hinze. Weitere Mitglieder des Führungskreises seien der Schneider Heinrich Dubber, der Arbeiter Johann Zobel, der Korbmacher Daustein sowie ein nicht näher benannter Peters. Die Anleitung erfolge von Hamburg aus durch den „Bezirksführer“ im Wahlkreis Hamburg Petersen.[17]

Diese Angaben des Spitzels sind nicht näher belegbar, aber zumindest nicht unglaubwürdig. Eine Anleitung der Harburger Wahlagitationen von Hamburg aus, also aus einem anderen Wahlkreis, erscheint insofern plausibel, weil Harburg die einzige sozialistische Hochburg im ländlichen 17. hannoverschen Wahlkreis war und nur Hamburg eine noch größere politische Autorität hatte. Von den genannten Personen sind mindestens Dubber und Hinze nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes im Jahr 1890 als führende Parteimitglieder in Erscheinung getreten.

 

Ein Nachspiel

Grumbrecht und seine Parteifreunde erwiesen sich auch lange nach ihrer politischen Niederlage als sehr schlechte Verlierer. Sie legten unter Verweis auf mehrere angeblich vorgefallene Wahlmanipulationen von Amtsträgern zu Gunsten Grotes einen Protest gegen das Wahlergebnis ein, der die Wahlprüfungskommission des Reichstags bis 1880 beschäftigte. Aus diesem Vorgang geht allerdings hervor, dass auch den Nationalliberalen selbst Manipulationen vorgeworfen wurden. So habe die gerichtliche Feststellung der Ereignisse am Wahlabend ergeben, dass die Unruhen keineswegs von den örtlichen Vertretern der Welfenpartei, sondern von Fabrik- und Eisenbahnarbeitern ausgelöst worden waren, die unter Aufsicht ihrer Vorgesetzten für Grumbrecht stimmen sollten.[18] Der Wahltag war ein Sonnabend und selbstverständlich nicht arbeitsfrei.

 

Anmerkungen

[1] Gotthardt, Christian: Demokratie nach Gutsherrenart, in: Praxis Geschichte 5/95, S. 17 – 22.

[2] Gotthardt, Christian: Pyrrhussiege und glänzende Niederlagen. Die Kämpfe zwischen Liberalen und Sozialisten in den ersten Reichstagswahlen 1867 bis 1878 in Harburg, in: Ellermeyer/ Richter/ Stegmann: Harburg. Von der Burg zur Industriestadt, Harburg 1988, S. 206 – 218.

[3] Vgl. http://zhsf.gesis.org/ParlamentarierPortal/biorabkr_db/biorabkr_db.php?id=854, 26.5.2016.

[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_von_Grote, 18.6.2016.

[5] Der „Courier an der Unterelbe“ des Buchdruckers Heinrich Wendt in der Mühlenstraße 27, heute Schlossmühlendamm.

[6] Provinzial-Correspondenz v. 28. August 1878. Die Zahl der Toten erhöhte sich auf vier, als einer der verhafteten Arbeiter sich in der Zelle erhängte; Truels, Max: Geschriebene Harburgensien, Harburg 1986, S. 89.

[7] Maatz, Helmut: Bismarck und Hannover, Hildesheim 1970.

[8] http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt3_k4_bsb00018398_00000.html, 16.6.2016

[9] Staatsarchiv Hamburg (StAH) S 200 David Steffens.

[10] StAH 331-3 Nr. 5200.

[11] Groschek, Iris: „Dem Kämpfer für des Volkes Rechte.“ Heinrich Baerer und die Harburger SPD, Harburg 2013.

[12] Truels 1986, S. 89.

[13] Groschek 2013.

[14] Thümmler, Heinzpeter: Sozialistengesetz § 28, Berlin 1979, S. 66.

[15] Staatsarchiv Stade Rep. 74 Harsefeld Nr. 1789.

[16] Henze, Willibald: Die Delegierten der Parteikongresse der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands unter dem Sozialistengesetz, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 8/1980, S. 365 ff.

[17] StAH 331-3 Nr. 5149/ 294.

[18] http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt3_k4_bsb00018408_00568.html, 16.6.2016.

 

Bildnachweis

(1) Hof-Photograf Hermann Günther, Berlin; Helms-Museum

(2) Gedenkkarte, um 1875; Internationales Institut für Sozialgeschichte, Amsterdam

(3) Photographie von Leopold Haase & Comp., Berlin, um 1878; Privates Photoalbum Ludwig Freiherr von Aretin (1845-1882); Artikel Adolf Graf v. Grote, https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_von_Grote, 16.6.2016

(4) Zeitgenössische Ansichtskarte „Harburg Sand“, 1902; Helms- Museum

(5) Gedenkkarte, um 1900; 100 Jahre SPD Harburg

Doch Hauptsache, der Rubel rollt… Ein Kommentar zu der Gerichtsentscheidung über das Kükenschreddern des OVG Münster

kuekenschreddern2010525Seit letzter Woche Freitag ist es also offiziell. Durch das Stattgeben einer Klage von zwei Geflügelzüchtern aus NRW bleibt das millionenfache Schreddern bzw. Vergasen von männlichen Küken offiziell legal.

(Ein Gastbeitrag von Raik Häger)

Alleine im Jahre 2015 fielen rund 48 Millionen männliche Küken in Deutschland dieser gängigen Praxis zum Opfer. Doch ist diese überhaupt mit dem Tierschutzgesetz vereinbar? Laut dem OVG Münster anscheinend schon. Die Begründung lautet, dass die Aufzucht der männlichen Küken für die Brütereien unrentabel sei.

Weitergehend würde ich gerne die Frage erörtern, wie dieses Urteil einzuschätzen ist.

Paragraph 17 des Tierschutzgesetzes lautet: „ Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer […] ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet […]“

Soweit ist diese Vorschrift ein klar formulierter Satz und man könnte auf den ersten Blick durchaus meinen, dass durch den oben zitierten Paragraphen das Kükenschreddern ohne große Diskussion als absolut inkompatibel mit dem Tierschutzgesetz zu verstehen ist.

Das Problem ist jedoch die Formulierung „ohne vernünftigen Grund“. In der Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland sind solche offenen Formulierungen sehr häufig zu finden. Es handelt sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, welche durch die Rechtsprechung definiert und angepasst werden.

Im Falle des Kükenschredderns ist also davon auszugehen, dass das OVG Münster die fehlende Rentabilität der Aufzucht männlicher Küken als vernünftigen Grund zum Töten der Tiere angesehen und somit definiert hat. Juristisch ist hiermit der Sachverhalt klar definiert.

Jedoch würde ich gerne noch einmal den Sachverhalt ethisch betrachten.

Wenn ich einmal hinüber schwenke auf die Grundrechte, die menschliches Leben inne hat, haben wir in Deutschland (und in der EU / UN) glücklicherweise sehr komplexe und klare Vorstellungen darüber definiert, dass das Leben unantastbar ist, jeder Mensch gewisse Freiheiten hat etc.

Solche Rechte sind für Tiere zwar nicht in der Dogmatik und Komplexität zu finden, jedoch definiert der Paragraph 17 das tierische Leben immerhin als schützenswert. Das riesige Problem ist jedoch der unbestimmte Rechtsbegriff.

So lange von der Rechtsprechung ganz klar der Profit in diesem Land ÜBER das Leben von Lebewesen gestellt wird, könnte ich ganz gemein Fragen, ob hier bewusst solche „Hintertüren“ im Gesetz dafür verwendet werden, um gewisse unbequeme Entscheidungen gegenüber den Züchtern zu umgehen. Für mich persönlich ist das Urteil des OVG Münster ein Unding.

Die Tierzucht scheint im Moment mehr und mehr mit „klassisch“ industriellen Strukturen gleichgesetzt zu werden, in der Profit als höchste Maxime gilt. Diese Tendenz beinhaltet jedoch den schwerwiegenden Denkfehler, dass man nicht mit Objekten, wie z.B. Stahl oder Kunststoff arbeitet, sondern mit Lebewesen.

Ich persönlich wünsche mir ein möglichst schnelles Umdenken!

Pfingstgedanken … Neuenrade (Teil 3)

NeuenradeWordle2016051401„Nach gut einer Woche Diskussion“ über meine ersten Anmerkungen zum Vorgang vom vom 26. April hatte ich mich mit diesem Artikel noch einmal zu Wort gemeldet – „Grundsätzliche Überlegungen…“ – nun ja.

(Ein Gastbeitrag von Dr. Werner Jurga)

Jedenfalls ist eine weitere Woche munterer Streit durch das Land die Kommentarspalten gezogen. So sollte es sein! Ich schwieg währenddessen, und auch dies sollte so sein. Hatte ich das Postulat vorangestellt, dass „eine Diskussion über einen Artikel nicht vom Autor dominiert werden sollte“.

Stefan L.´s Verstörung über meinen vermeintlichen „messianischen Eifer“ hat mir die Kraft gegeben, mein Schweigegelübde immerhin bis jetzt nicht leichtfertig gebrochen zu haben. – Obwohl auch der Frömmste ständig allen möglichen Versuchungen ausgesetzt ist, auch und gerade in den Kommentarzeilen hier. Und ich … ein „messianischer Eiferer“ – Man beachte die historische Konnotation! Man denke an die umständehalber zunächst einmal friedlichen christlichen Missionare damals und die nicht ganz so peacigen, suizidalen Jihadisten heute!

So unterschiedlich die Grundauffassungen in der von uns hier diskutierten Frage der Notwehr auch sein mögen: geeint sind die Mitgliedschaften der beiden Religionsverbreitervereine in ihrer hingebungsvollen Opferbereitschaft. Ohne eine kräftige Portion Todesmut läuft in diesem Job gar nichts. Und wir, halbwegs aufgeklärte Menschen, ob nun leidenschaftslos irgendwie an Gott glaubend oder leidenschaftlich für die Nichtexistenz desselbigen werbend, sagen uns doch: „Bekloppt!“

Missionarische Eiferer – die haben sie doch nicht alle! Wir sagen: das sind Beknackte, das sind Bestusste. Wir sagen nicht: das sind „Besessene“. Wir würden ahnen, aus welcher Zeit dieses Wort stammt. Wir würden die Gefahr spüren, die von derart Besessenen ausgeht spüren. Nun gut, das betrifft uns heutzutage nicht mehr so direkt. Wir sind aufgeklärt, die Oma gar hatte uns den Status „gebildet“ attestiert, wir müssen keine Angst mehr haben.

Na sicher ging der Oma der Arsch auf Grundeis, wenn der Opa auf Arbeit war, und sie im Haus Geräusche hörte. Ich hatte meine Oma lieb. Heute, keine fünfzig Jahre später, aber eine andere Zeit: gebildete Menschen, aufgeklärte Leute, im Internet wird der demokratische Dialog gepflegt. Sehr stilvoll. – Ja okay, nicht immer.

Das wird immer schlimmer, dass frustrierte Trolle da die Landschaft – also den Cyberspace, wie wir heute sagen – verpesten! Schlimme Sache, schon klar. Aber „Besessene“? Da wollen wir mal die Kirche im Dorf lassen. Locker bleiben! Wobei: so richtige Spinner… – gefährlich werden können die schon.

Ich zum Beispiel. Etwa dann, wenn „Notwehr oder Mord?“ gefragt wird. Oder „Opfer oder Täter“. Da könnte ich ganz anders werden! Insofern hat Stefan L. ganz gut daran getan, mich an mein eingangs abgelegtes Schweigegelübde zu erinnern.

Es tut einem Heißsporn wie mir schon ganz gut, von einer innerlich ausgeglichenen Seele wie Stefan L. mal gemahnt zu werden: „Junge, bleib mal locker! Du machst ja all die Leute hier nervös!“ („Irritationen“). Da hat er ja recht, der Stefan. Ja, und er hat auch Recht damit… – peinlich, aber okay, dann gebe ich es halt zu: ich bin Christ. Das hat – auch das stimmt – auch so etwas Missionarisches an sich.

Aber keine Panik, Leute! Im Augenblick passt es zeitlich ganz gut. In unserem Verein – Christenheit, Ihr wisst schon – steht zufälligerweise just dieses Wochenende so ein Hammer Offenbarungserlebnis an. Der Heilige Geist wird erscheinen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Da wäre ich doch blöd, wenn ich mich schon jetzt von Stefan L., dem kleinen Teufel, dazu verführen ließe, ihm mal etwas vorzugeigen, wer hier das Opfer und wer der Täter ist.

Ich werde an Pfingsten zunächst einmal die Heilig-Geist-Erleuchtung tief einwirken lassen, und erst danach dem Auftrag des Herrn folgen und seine frohe Botschaft in dieselbige hinausposaunen. In die ganze Welt, schwerpunktmäßig ins Sauerland, beginnend in seinem Brennpunkt, im zoom.

Die Pfingstbotschaft: „Fürchtet Euch nicht!“ Habt keine Angst, Ihr kleinen Scheißer! Ja Herrgott, ich weiß, dass das Diesseits nicht das Paradies ist! Ja, wir werden alles mal Opfer. Wir alle sind Täter. Erbsünde – schon mal gehört?! Ach ja, ach so: Quatsch! – Alles gehopst wie gesprungen? Alles eine große Soße allgemein-unverbindlicher Unverantwortlichkeit? Nein Leute, nein Stefan L., so meine ich das ja nun auch wieder nicht. Da fühle ich mich missverstanden. Aber Sie wissen ja: mein Schweigegelübde, Ihr Schweigegebot an mich… – es folgen weitere Tage der Frömmigkeit.

Ich wünsche allen frohe Pfingsten und grüße mit dem Wort des Herrn: Lasst auch mal die Philosophen und geht besser einen schwofen!

Werner Jurga

Grundsätzliche Überlegungen nach gut einer Woche Diskussion: Neuenrade. Notwehr oder … ? – (Teil 2)

NotwehrWordle201605077. Mai 2016. Zunächst einmal bitte ich um Verständnis, dass ich mich erst jetzt, nach einer Woche, äußere. Prinzipiell finde ich nämlich, dass die Diskussion über einen Artikel nicht vom Autor dominiert werden sollte.

(Ein Gastbeitrag von Dr. Werner Jurga)

Ja, ich weiß: ich habe bereits einen Kommentar abgegeben – dabei handelte es sich aber eher um eine kurze und entsprechend schnoddrige Bemerkung zum Eröffnungsbeitrag von Meier, von dem ich mich in seiner unbedarften Mischung aus Aggressivität und Naivität wohl provoziert sah. Fortan gelobte ich mir mehr Zurückhaltung. Nun hat mich aber der Webmaster höchstpersönlich gebeten, „zu der Einschätzung Notwehr-Vorsatz vielleicht noch mal etwas zu sagen“.

Damit hatte zoom mich ein wenig auf dem falschen Fuß erwischt, und zwar aus zwei Gründen. Es handelt sich nämlich, auch wenn mir dies mancher unterstellen mag, keineswegs eine taktisch motivierte, aber letztlich doch konsequenzenlose Selbstdistanzierung, wenn ich voranstelle, dass „die Unschuldsvermutung gilt. Niemandem steht es an, auch mir nicht, öffentlich in die Rolle des Richters schlüpfen.“ Das ist der erste Grund. Ich räume ein, er sieht auf den ersten Blick vorgeschoben aus, weil dann ein ganzer Absatz folgt, der diesem vornehmen Anspruch nicht gerecht zu werden scheint. Er beginnt mit dem deutlich Satz: „Das, was in der Nacht von Montag auf Dienstag im sauerländischen Neuenrade passiert ist, war keine Notwehr…“ und endet mit der Schlussfolgerung, dass „…die Staatsanwaltschaft Hamm wegen Mord ermitteln (müsste)“.

Ich fühle mich ein wenig auf dem falschen Fuß erwischt, weil hier ja wirklich ein Widerspruch vorliegt. Kein nur scheinbarer Widerspruch, sondern ein echter. Wer nun den Verdacht hegen sollte, ich wolle mich aus dieser misslichen Lage mit einem dialektischen Taschenspielertrick rauswinden, dem kann ich versichern, dass dem nicht so ist. Glaubhaft, wie ich finde. Kann ich doch immerhin darauf verweisen, dass ich mich diesem hier auftretenden Problem schon vor einigen Jahren grundsätzlich, wenn auch in einem anderem Zusammenhang, gewidmet hatte. Der Beitrag trug den Titel „Sex and Drugs and Rock and Roll“ und erschien in der bemerkenswerten Online-Zeitschrift Das Blättchen, die es erfreulicherweise noch heute gibt.

Es geht um die Frage, ob das Gebot der Unschuldsvermutung einem Verbot gleichkommt, Schuld auch nur zu vermuten. Anders gefragt: wen bindet das Gebot der Unschuldsvermutung? Die Staatsanwaltschaften offenbar nicht; sonst käme ja nie eine Anklage zustande. Die Gerichte eigentlich schon… – oder aber gilt für die Strafkammern zu Beginn des Verfahrens ein Neutralitätsgebot, haben sie am Start also überhaupt nichts zu mutmaßen? Juristische Feinsinnigkeiten, um die es hier aber nicht gehen soll. Tatsächlich soll es nämlich nicht um die Justiz gehen, sondern um die Meinungsmacher, um die heutzutage recht ausdifferenzierte Medienlandschaft. Und zum Beispiel auch um die Politiker, die aus anderen, aber doch ähnlichen Motiven heraus danach streben, einen mit Volkes Stimme harmonierenden Ton zu treffen.

Sind also die Meinungsmacher im Grunde eigentlich gar keine, sondern eher im Gegenteil von ökonomischen bzw. wahlpolitischen Zwängen Getriebene, die einer Volksmeinung hinterherhecheln, die sich gleichsam naturwüchsig gebildet hat und stets aufs Neue bildet? Einem „gesunden Menschenverstand“, wie man das beispielsweise bei der AfD so nennt, auf die umständehalber noch die Rede kommen wird. Andererseits werden in öffentlichen Debatten immer wieder „Vorverurteilungen“ beklagt – häufig genug, wie ich finde, zu Recht. Eine Vorverurteilung ist das Gegenteil der gebotenen Unschuldsvermutung, gehört sich also nicht – das wusste und weiß auch heute noch jeder. Vorverurteilungen erfolgen aus den Reihen der Erzieher, um den zu Erziehenden, also dem vermeintlich dummen Volk, das aber andererseits im Grunde mit einem gesunden Menschenverstand ausgestattet ist, ein „sozial wünschenswertes“ Denken und Fühlen anzutrainieren.

So weit, so klar, so einfach. So ließe sich fragen, ob eine Schuldvermutung in jedem Fall in eine Vorverurteilung münden muss. Ich räume ein, dass mein Text vom 29. April zumindest Wege skizziert, wohin der Gedankenfluss münden könnte. Aber deshalb allein muss es nicht so laufen. Ich habe, etwa den konkreten Fall von Neuenrade betreffend, eine Schuldvermutung. Mehr noch: ich bin – auf Basis der nachzulesenden unbestreitbaren Fakten – davon überzeugt, dass der Hauseigentümer, der in besagter Nacht zum Todesschützen wurde, Schuld auf sich geladen hat. Doch diese unbestreitbaren Fakten reichen weder aus, die Situation vollständig zu beleuchten. Und selbst ein von der Kripo vollständig aufgeklärter Fall spricht aus sich heraus noch kein Urteil über das Maß der individuellen Schuld des Täters.

Wir wissen doch nicht, was mit dem Rentner in der Tatnacht los war. Wir wissen schon gar nicht, was mit diesem Mann überhaupt so los ist. Um nochmal auf den Eröffnungsbeitrag von Meier zurückzukommen, auf den ich bislang eher schnoddrig denn ernsthaft eingegangen bin: so wie Meier mir alle möglichen Sinnestrübungen unterstellt, etwa eine Holophobie (krankhaft panische, irrationale Angst vor Schusswaffen), so könnte es doch genauso gut sein, dass der Todesschütze furchtbare Dinge erlebt hatte, die wiederum bei ihm Ängste verursachten, die sich schließlich zu Phobien weiterentwickelt haben – mit der Folge gefährlicher Sinnestrübungen. Muss nicht, könnte aber sein… Wer will da den Richter spielen? So vermessen können eigentlich nur selbsternannte Volkserzieher sein, die den normalen Menschen vorschreiben wollen, wie sie zu fühlen und zu denken haben.

Das ist sowieso klar. Mir jedenfalls ist das schon sehr lange klar. Absolut klar, und es ist gewiss keine Arroganz von mir, wenn ich das so schreibe, was Sie allein schon daran ermessen mögen, dass mir eine Sache in diesem Zusammenhang überhaupt nicht klar war. Mir absolut neu ist, mich regelrecht stark irritiert, sagen wir mal: total verunsichert. Dass nämlich der Volkserzieher-Vorwurf auf mich zielen soll, dass mit den elitären Besserwissern, den ach so erhabenen Richtig- und Wichtigtuern Leute meiner Sorte gemeint sein sollen. So ist zum Beispiel Herrn Meier stark daran gelegen, „dass das Recht zur Notwehr nicht durch moralisierende Weltfremde wie die Ihre…“ Sehen Sie! Das meinte ich. Das macht mich schon leicht nervös. Noch nervöser macht mich, wie Meiers Satz weitergeht, nämlich so: „…oder unfähige Justiz kompromittiert wird.“

Hier sind wir wieder bei dem Punkt, den ich drei Absätze zuvor angesprochen hatte. Es geht um die individuelle Schuld einer einzelnen Person in einer zeitlich erfassbaren und konkret bestimmbaren Situation. Es geht nicht um ein abstraktes Recht, dass auf jeden Fall, also unabhängig etwa von einem genauen Erfassen einer konkreten Person in einer konkreten Situation, zu verteidigen wäre. Weil es nicht „kompromittiert“ werden dürfe. Eine unmenschliche Prinzipienreiterei. Hauptsache ist, dass das Rechtsprinzip nicht durch die „unfähige Justiz kompromittiert wird. Und dass der Staat endlich wieder…“ Sie mögen selbst weiterlesen, wie Meiers Ausführungen weitergehen. Ich verstehe ihn so, dass „moralisierende Weltfremde“ – wie etwa Leute meiner Sorte – „endlich wieder“ ihre Futtfinger vom Staate lassen mögen, damit das Recht zur Notwehr nicht mehr nur auf dem Papier steht, sondern „endlich wieder“ auch in der Wirklichkeit zur Geltung kommt.

Die Frage, ob nun im Einzelfall auch tatsächlich eine Notwehrsituation gegeben war – oder eben auch nicht – führt zum zweiten Grund, warum mich die Bitte des Webmasters, „zu der Einschätzung Notwehr-Vorsatz vielleicht noch mal etwas zu sagen“, auf den falschen Fuß erwischt hatte. Ich bilde mir nämlich ein, diese Sache in dem Absatz, der mit „Das, was in der Nacht von Montag auf Dienstag im sauerländischen Neuenrade passiert ist, war keine Notwehr…“ beginnt und mit der Schlussfolgerung, dass „…die Staatsanwaltschaft Hamm wegen Mord ermitteln (müsste)“, endet, einigermaßen erklärt zu haben. Wenn ich diese Darlegung hier einfach wiederholte, sähe dies, selbst wenn ich einige Wörter ersetzte und hier und da Reihenfolge und Satzbau umstellte, ein bisschen stur aus. Für die Schlauen unter Ihnen, die dahinter kämen, sähe es sogar doof aus. Will man ja auch nicht…

Aber bitte, ich gebe mir äußerste Mühe. Der Rentner hätte, nachdem seine Frau und er von den Geräuschen des Einbruches geweckt worden waren, einfach die Schlafzimmertür abschließen können, ja sollen – und die herbei phantasierte potenzielle Notsituation hätte schon rein theoretisch gar nicht entstehen können. Er hätte zusätzlich noch die 110 anrufen sollen, ja müssen. Weil doppelt gemoppelt bekanntlich besser hält, und weil man ja auch nicht will, dass Sachen wegkommen, die objektiv wertvoll sind, oder auch „nur“ – eben nicht „nur“, sondern noch schlimmer: von persönlich-emotionaler Bedeutung sind. Möglich, dass der Einbrecher davon Wind bekommen hätte und mit der Beute entkommen wäre. Nicht schön, aber immer noch besser, als eine Gefahr für die Frau, für sich selbst oder auch für den Einbrecher heraufzubeschwören. Auch wertvolle oder bedeutende Sachen können niemals so wichtig sein wie Menschen – selbst wenn diese für nicht ganz so wertvoll oder bedeutend gehalten werden.

Selbst wenn wir von der Annahme ausgingen, dass der Hausbesitzer zwar eine Pistole im, aber kein Telefon auf dem Nachttisch gehabt haben sollte, hätte es nie und nimmer zu einem Angriff des Einbrechers kommen können. Das muss man so einer Pistole lassen! Wenn der albanische Junge sich an der Schlafzimmertüre zu schaffen gemacht hätte, hilft eine Knarre einfach und schnell bei der Überwindung eventuell auftretender Sprachbarrieren. Es bräuchte viel Phantasie, auch unter diesen Umständen eine Möglichkeit für das Entstehen einer objektiv vorhandenen Notwehrsituation zu konstruieren. Nein, das ist unmöglich. Wir wissen leider, dass die Pistole in Schuss gewesen ist. Wir wissen, dass nicht der Albaner gewaltbereit zum Neuenrader gegangen ist, sondern dass es umgekehrt war. Wir können davon ausgehen, dass vieles von dem, was wir nicht wissen, die Polizei mittlerweile ermittelt haben dürfte.

War am Tatort das Licht an- oder ausgeschaltet? Hatte der Einbrecher das Messer wirklich in der Hand? Kriminalistischer Kleinkram. Wir kennen die Antworten nicht und bleiben bei dem Grundsatz in dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten. Die Unschuldsvermutung. Doch von der Schuld, schon zuvor seiner Verantwortung nicht gerecht geworden zu sein, mag ich den Rentner nicht freisprechen. Wir werden sehen, ob sich ein Richter findet, der dies kann. Oder schon zuvor ein Staatsanwalt zu einem Ergebnis kommt, das nach meiner Rechtsauffassung nicht mit der, wie Meier zurecht formuliert, „vornehmsten Aufgabe (des Staates), nämlich die Gewährleistung der inneren Sicherheit“, zu vereinbaren wäre. Meier kommt aber zu einem anderen Ergebnis als ich, und er wird auch nicht umzustimmen sein. Auch deshalb hatte ich mich zu der erwähnten Schnoddrigkeit hinreißen lassen.

Denn Meier ist der konkrete Ablauf der konkreten Situation letztlich piepeschnurz. Ihm geht es nämlich gar nicht um die Frage, wer wirklich Täter und wer Opfer war. Er kennt ja schon den Tätertypen, und er kennt den Opfertypen. Wir sind schon wieder so weit, dass hier und da mal Elemente aus der in dunkler Zeit entstandenen Tätertypenlehre leicht angedeutet werden dürfen. Allerdings sind wir noch nicht ganz so weit, das dies in aller Offenheit und in aller Konsequenz geschehen könnte. Deshalb werden diese Elemente möglichst nebulös und etwas unverfänglich oder – im Krimijargon formuliert – so zum Anfüttern gereicht. Deshalb werden, um die konkrete Situation, um die es immerhin eigentlich zu gehen hat, zu verschleiern, irgendwelche Geschichten erfunden.

Geschichten über die ballistischen Eigenschaften einer Handfeuerwaffe. Geschichten von Einbrechern, die ihnen unbekannte Zimmer im Dunklen durchwühlen – mit dem Messer in der Hand. Geschichten, auf die man spontan entgegnen möchte: „Jungs, habt Ihr sie eigentlich noch alle auf dem Zaun?!“ Die aber selbstredend, obwohl etwas weit hergeholt, objektiv nicht zu widerlegen sind. Womit sie zunächst einmal auf die gleiche Stufe gestellt wären wie die mit den von mir angeführten Tatsachen. Die sind nämlich ebenfalls objektiv nicht zu widerlegen, weisen aber den Nachteil auf, weniger Fach- und Sachkunde zu verströmen. Auf dieser Basis bzw. von diesem Hochstand aus meint Meier, nach Kräften auf mich ballern zu dürfen. Appetitlich ist das nicht; es tut aber auch nicht weh.

Bedenklicher ist da schon, dass damit der Boden bereitet ist für Menschen wie Paul, der schreibt, dass Menschen wie ich ihn „immer besorgter machen“. Paul, das zeigt auch seine Kontroverse mit Paolo, ist keineswegs ein schlichtes Gemüt wie Meier, sondern in gewisser Weise eine Art Repräsentant einer Gruppe, die sich bedrängt fühlt. Bei einem wie Meier ist nichts zu machen. Der war immer so, der ist so, der wird immer so sein. Die Lage hat sich verändert. Es weht ein anderer gesellschaftlicher Wind.Gleichzeitig und irgendwie im Zusammenhang damit stehend brechen Habenichtse vom Balkan in die schönen Neuenrader Häuser ein. Der Einwand, Einbrüche habe es immer schon gegeben, zieht nicht. Seitdem diese neuen Fremden hier sind, wird mehr eingebrochen. Da braucht man ihm nichts zu erzählen, da greifen seine Reflexe. Sein Wandel ist mit der Pawlowschen Lehre erklärbar. Appetitlich ist das nicht; aber es ist letztlich auch egal.

Bei Paul dagegen geht es um etwas! Er sieht den Rechtsruck in unserer Gesellschaft und „bestätigt“ ihn. Dass er ihn in Anführungszeichen bringt, hat wohl nicht viel zu sagen. Er leugnet ihn nicht, sondern bestätigt ihn. Er ist klug genug, nicht mit dem Zeigefinger auf die Habenichtse zu zeigen. Dies würde ja einen Rechtsruck bei ihm selbst belegen. Was er zwar nicht völlig von der Hand weist. Aber Schuld dran sein mag er auch nicht. Schuld an seinem eventuell zu konstatierenden Sinneswandel müssen andere sein. Die Zigeuner (arme Säue), Araber (Ausgebombte) und Neger (sowieso schon mal) scheiden aus besagtem Grund aus. Paul gehört nämlich mit Sicherheit nicht in die rechte Ecke. Gäbe er aber diesen Fremden die Schuld, na klar, da könnte er ja gleich zu „der AfD und anderen Gruppen“ gehen. Eigentlich geht es dort aber deutlich unter seinem Niveau zu.

Es ist nämlich ziemlich primitiv, diesen Leuten Verantwortung anzudichten, mithin eine Bereitschaft zum Selbstwandel bzw. im Falle des Nichtvorhandenseins eine eigene persönliche Schuldfähigkeit. Das alles hat ja nicht einmal er! Wie sollen denn dann all diese Leute so etwas lernen können? Die sind häufig sehr ungebildet. Paul dagegen ist gebildet und doch für sein Denken und in der Folge vielleicht auch für sein Handeln nicht verantwortlich zu machen. Er wird „gedrängt in eine Ecke“, in die er „mit Sicherheit nicht hingehört“. Er kann sich nicht einmal wehren. Es sei denn, man nennt es wehren, man läuft freiwillig in die Richtung, in die einen andere drängen. Immerhin hört auch so die Drängelei auf. Und das ist schon mal gut. Nicht ganz so gut dagegen ist, dass man sich dann „am Rand wiederfindet“. Und diese Ränder, diese Fanatiker, schaden jeder Gemeinschaft, sagt Paul. Und hier würde ich ihm in diesem Punkt zustimmen.

Allerdings würde ich nicht von „Gemeinschaft“, sondern von „Gesellschaft“ sprechen, weil dem Begriff „Gemeinschaft“ eine Harmonie innewohnt, die sehr wohlig sein kann, die sich aber, wenn sie fanatisch angestrebt wird, als extrem unwohl erweisen kann. Sei´s drum. Es mag sich um eine sprachliche Überempfindlichkeit bei mir handeln und um eitle Koketterie mit derselbigen. Ich wollte es nur einmal erwähnen. Es gefällt mir nämlich auch nicht, dass Paul die Menschengruppe, in die er mich einordnet, als „Gutmenschen“ bezeichnet. Ich verstehe freilich sofort, welche Sorte Zeitgenosse er dabei im Auge hat, und fühle mich da nicht so hundertprozentig angesprochen. Ich verweise an dieser Stelle nur auf den letzten, auf meiner Homepage erschienenen Beitrag mit dem Titel „Es ist gut, dass es Greenpeace gibt“. Unabhängig von der Überzeugungskraft dieser abgrenzungsneurotischen Einlassungen erlaube ich mir zu bezweifeln, dass es sich bei diesem Milieu wirklich um den Gegenpart zu Rechtspopulisten und Rechtsextremisten handelt.

Ich stimme zu, dass dieses elitäre Gehabe mit pädagogischem Anspruch nicht nur ganz schön auf die Nerven gehen kann, sondern dort, wo es sich um nichts anders handelt als um Klassenkampf von oben, auch das gedeihliche Zusammenleben der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen gefährlich stört. Und doch mag ich auf den Hinweis nicht verzichten, lieber Paul, dass ich den Kampfbegriff „Gutmensch“ für politisch nicht korrekt halte. Regen Sie sich bitte nicht wieder auf, Paul! Mir liegt es fern, Sie als Nazi zu denunzieren, nur weil Sie einen vermeintlich von den Nazis in die Welt gesetzten Begriff verwenden würden. Solch eine Behauptung wäre ohnehin äußerst umstritten, um nicht zu sagen: falsch. Entweder waren Sie sich dieses Sachverhaltes sicher, Paul, oder aber Sie hatten keinen blassen Schimmer davon. Das spielt überhaupt keine Rolle.

In jedem Fall ist Ihnen klar, dass Sie sich eines Begriffes bedienen, der es immerhin zum „Unwort des Jahres 2015“ gebracht hat. Schließlich ist das ja gerade erstmal ein Vierteljahr her. Bernd Matthies hat aus diesem Anlass die, wie ich finde, sehr differenzierte Abhandlung „Gutmenschen, das sind immer die anderen“ im Tagesspiegel veröffentlicht, die mit dem Satz schließt: „In hohem Maße unappetitlich ist der Begriff aber ohne jeden Zweifel.“ Sie mögen diesen Aufsatz nicht gelesen haben, Paul. Aber Sie wissen, dass dem so ist. Sie machen es und setzen sich damit ganz bewusst dem Verdacht aus, sich schon jetzt in einer Ecke zu befinden, in der Sie ihren Angaben folgend gewiss nicht hingehören. Warum tun Sie das?! Und daran soll ich schuld sein? Warum?

Weil ich so ein böses Wort wie „abgeknallt“ gebrauche? Oder weil ich so gezielt ein neutrales Wort wie „18 jähriger Albaner“ einsetze? Um dann ganz diabolisch mische zu: „Der albanische Junge war völlig überrascht.“ Dabei – so schreiben Sie, Paul! – „war er der Täter und hatte den Einbruch geplant.“ Bitte Paul, Sie sind doch nicht der Dümmsten Einer! Was soll ich Ihnen denn jetzt dazu sagen?! Sie wissen doch selbst, dass Sie hier – wenn auch nicht besonders geschickt – in grob irreführender Weise die Ebene wechseln. Na klar war der Balkanese „der Täter und hatte den Einbruch geplant“. Doch darum geht es hier doch gar nicht. Es geht um Mord und Totschlag. Oder, um zum Ausgangspunkt der ganzen Debatte hier zurückzukommen: es geht um die Frage, ob sich irgendetwas zwingend vom Todesschuss bis zum Einbruch zurückverfolgen lässt, was es erlauben könnte, einen Fall von Notwehr in Erwägung zu ziehen.

Ich bleibe bei meinem Eindruck: es sieht nicht danach aus. Ich sehe es nicht. Und Sie, lieber Paul, sehen es auch nicht. Sonst würden Sie uns doch darauf hinweisen, anstatt zu versuchen, uns mit so einem billigen, ja lächerlichen Taschenspielertrick zu überrumpeln. Sie fühlen sich im Stich gelassen – von den „Gutmenschen“ und wohl gerade auch von mir. Sie bitten mich, „wieder zurückzukehren“ – wenn ich Sie richtig verstehe dorthin, wo „in verantwortungsvoller Weise mit seiner Meinung da dicke Löcher in das Brett gebohrt (werden), auf dem die Fanatisten (?) stehen“. Ja gern, Danke fürs Kompliment! Und wenn Sie mit „Fanatisten“ die Fanatischen oder die Fanatiker meinen sollten, dann sowieso. Und selbst wenn Sie an die Fantasten gedacht haben… – klare Sache: wird gemacht! Ich persönlich wäre zwar der erste, der mir einfiele, wenn ich ein Beispiel für einen guten Menschen nennen sollte…

Aber mit dieser Einschätzung stehe ich leider ziemlich allein. Was irgendwie auch verständlich ist, denn mit mir könnte man so über einiges reden. Ehrlich gesagt: man kann es sogar. Auch und gerade beispielsweise über die Flüchtlingspolitik. Oder allgemeiner:die Integrationspolitik. Und was die Politik bezüglich der Zuwanderer vom Balkan – ob nun aus EU-Staaten oder Noch-nicht-EU-Staaten – betrifft: ja, da gibt es einen ganz erheblichen Beratungsbedarf. Und Handlungsbedarf. Vermutlich würde ich dabei auch für Entscheidungen plädieren, die eher uns einigermaßen Versorgten entgegen kämen, während sie den Interessen der Armen und Schwächsten zuwiderlaufen. Dass sich unter diesen hilfsbedürftigen Fremden notwendigerweise einige Hinterfotzige und Übelmeinende befinden, macht mir die Sache auch nicht angenehmer. Aber dennoch würde es so sein müssen. Auf mich können Sie zählen.

Doch gerade weil das so ist… – Die ganze Angelegenheit ist nicht nur für mich selbst subjektiv nicht so angenehm, sondern birgt darüber hinaus objektiv ein erhebliches Risikopotenzial für die gesamte Gesellschaft in sich. Ihr Gedanke, Paul! – Gerade weil das so ist, greife auch ich auf eine Methode zurück, die in letzter Zeit schwer in Mode gekommen ist. In der internationalen Politik, in der deutschen Politik und letztens sogar bei der AfD – nämlich: eine rote Linie ziehen. Ja, das habe ich auch gemacht. Und, soll ich Ihnen verraten, wohin ich meine rote Linie gezogen habe? Ab wo man mit mir nicht mehr so gut reden, geschweige denn Kirschen essen kann. Beim Recht auf Leben. Da läuft bei mir rein diskursiv nichts mehr. Da ist Ende.

Etwas willkürlich gezogen, mögen Sie einwenden. Stimmt, aber es ist meine Willkür. Nicht nur meine, aber eben auch meine. Und beim Recht auf Leben gibt es nichts zu diskutieren. Jedenfalls nicht mit mir. Darunter fällt natürlich auch, Sie haben es sicher schon geahnt, das Notwehrrecht. Wer mich angreift, muss damit rechnen, dass ich dies in geeigneter und verhältnismäßiger, aber auch notwendiger Weise zu verhindern gedenke. Wer andere – Unschuldige, aber auch Schuldige – angreift, muss damit rechnen, dass ich denen helfen werde. Und dabei den Aspekt der Verhältnismäßigkeit im Zweifel ein wenig geringer gewichte. Und wer meine Allerliebsten, meine Frau und / oder meine Kinder angreift, müsste mit allem rechnen… – leidet aber wohl unter einer chronischen Rechenschwäche. Von wegen Gutmensch. Macho ist angesagt!

Dummerweise kann nicht einmal so ein Prachtkerl wie ich verhindern, dass stets und ständig einige Menschen anderen Menschen ganz böse Dinge antun. Oft noch schlimmere Dinge als Eigentumsdelikte. Sie wissen vielleicht sogar besser als ich, was so alles passiert. Doch selbst ich bekomme, gar nicht mal nur über die Medien, sondern direkt aus meiner Umgebung, für meinen Geschmack mehr als genug mit. Manchmal, nicht ganz so oft, tendenziell immer seltener, jedenfalls hierzulande, und ich erfahre es gottlob nur über die Medien: ja, manchmal töten auch Menschen andere Menschen. Sogar hier. Was soll ich da machen?! Nützt ja alles nichts. Wir brauchen unseren Staat und unsere Justiz. Wir brauchen deren Gewaltandrohung und manchmal gar deren reale Gewalt. Beim Recht auf Leben verläuft definitiv die rote Linie. Ich bin skeptisch, ob Knast die Menschen besser macht. Aber ich bin sicher, dass der Staat das Signal, dass etwaige Ausnahmen vom Tötungsverbot verdammt kleinlich ausgelegt werden, nicht schwächer stellen darf.

Werner Jurga

Neuenrade. Notwehr oder Mord? Falsche Frage – Richtige Frage: Wer wen?

NotwehrWordle2016042929. April 2016. In der Nacht zum Dienstag, den 26.4., ist im sauerländischen Neuenrade ein Einbrecher auf frischer Tat vom Hausbesitzer ertappt und erschossen worden. Der Westdeutschen Allgemeinen (WAZ) und den anderen Zeitungen der Funke-Mediengruppe ist zu entnehmen, dass „die jetzt vorliegenden Obduktionsergebnisse die Darstellung des Hausherrn zu bestätigen (scheinen)“.

(Ein Gastbeitrag von Dr. Werner Jurga)

Denn, so das Online-Portal „der Westen“ und die Printausgaben am 28.4., „es war kein aufgesetzter Schuss“, wie der zuständige Hagener Oberstaatsanwalt Gerhard Pauli mitteilte.  Es ist also als erwiesen zu betrachten, dass der 63-jährige Rentner dem 18-jährigen Albaner nicht die Pistole direkt an den Kopf gehalten, sondern ihn aus einer gewissen, wenngleich geringen, Entfernung abgeknallt hat. Damit ist nach Ansicht der Strafverfolgungsbehörden offenbar die Voraussetzung erfüllt, eine Situation gebotener Notwehr zum Zwecke der Selbstverteidigung zu unterstellen.

„Die Ermittler haben bisher keine Zweifel an der Notwehr-Version des 63-Jährigen“ heißt es im von Joachim Kappa signierten WAZ-Artikel. Das Konkurrenzblatt „Westfälischer Anzeiger“ zitiert Pauli mit der Aussage, die Schussdistanz und der Einschuss ließen darauf schließen, dass der Mann aus Notwehr geschossen hatte. Und wörtlich aus einer Pressemitteilung der Kreispolizeibehörde Märkischer Kreis: „Das Obduktionsergebnis deckt sich mit der geschilderten Notwehrsituation.“ Pressedezernent Oberstaatsanwalt Dr. Gerhard Pauli sozusagen als ideeller Nachfolger von Inspector Columbo: „die Schussdistanz und der Einschuss“. An dieser Stelle ein wichtiger Hinweis! Sollten Sie gegenwärtig den Wunsch hegen, ihren Ehepartner oder Lebensgefährten, ihren Nebenbuhler oder sonst irgendjemanden, der nach ihrem Eigentum trachtet, ins Jenseits zu befördern, kann ich nur dringend davon abraten, die Sichtweise der Staatsanwaltschaft Hamm ihren Mordplänen zugrunde zu legen.

Normalerweise kommen Sie nämlich nicht damit durch, wenn Sie anführen, dass Sie die Knarre schließlich nicht direkt an den Kopf gehalten, sondern ganz brav einen Meter Abstand gehalten, also in Notwehr hätten. Das mag im Märkischen Kreis funktionieren; ein Patentrezept für den perfekten Mord ist es aber nicht. Es stimmt zwar: „Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.“ So steht es im Strafgesetzbuch (StGB), und zwar in § 32 – im ersten Absatz. Allerdings steht im zweiten auch, was genau man unter Notwehr zu verstehen hat – nämlich: „Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.“ Nun gut, wir wissen, dass der Hausbesitzer den besagten Kopfschuss nicht „aufgesetzt“ hatte. Was aber genau in der Nacht auf Dienstag um zwanzig nach zwei passiert ist… – wir müssen glauben, was der Todesschütze erzählt. Die Ehefrau ist im Schlafzimmer geblieben, den Toten können wir nicht fragen, und sonst war niemand dabei.

Der Rentner, dessen Name aus guten Gründen nicht öffentlich ist, hat seine Version der ermittelnden Staatsanwältin Beatriz Föhring erzählt. Sie hat dazu gleich am Dienstag, also am Tag des Geschehens, eine Pressekonferenz gegeben, über die Peter van der Beck („Westfälischen Anzeiger“) und Joachim Kappa (Westfälische Rundschau) berichten. Beide Artikel benutzen das Wort „Jäger“ in der Überschrift; denn der Hausbesitzer war einer. Insofern war der Waffenbesitz legal, auch der einer Pistole. Die braucht der Jäger, um angeschossenes Wild von seinen Qualen mit einem Fangschuss erlösen zu können. Allerdings verlangt das Gesetz, auch den Revolver im Waffenschrank aufzubewahren – und nicht im Nachttisch, wie in diesem Fall. Nun gut, nur dort kann die Knarre allerdings von Nutzen sein, wenn mal ein Einbrecher zuschlägt. Und Einbrecher sollen den braven Ort Neuenrade in letzter Zeit häufiger heimgesucht haben. Und das Haus liegt ziemlich abgelegen – direkt am Waldrand…

Das Ehepaar habe geschlafen, „Tiefschlaf“, als es um 2:20 Uhr durch Geräusche geweckt worden sei. „Dem Paar ist sofort klar: Es muss sich um einen Einbrecher handeln“ (WR). Der Ehemann habe daraufhin, eigenen Angaben zufolge, die Waffe in die Hand genommen, das Zimmer verlassen und sei den Geräuschen gefolgt, die aus einem Zimmer auf der gleichen Etage kamen. Die Tür geöffnet, jungen Mann mit Messer in der Hand gesehen, Todesangst bekommen, nicht lange überlegt, sofort geschossen… Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamm wegen Totschlag. Das Ergebnis der Obduktion, wie gesagt, entlastet den Rentner: er hatte die Waffe „nicht aufgesetzt“, sondern „aus Zimmerdistanz“ geschossen. Der junge Mann – mit dem Messer in der Hand“ – habe „vor ihm“ gestanden. Der Artikel in der WR ist überschrieben mit „Obduktion stützt Notwehr-Aussage des überfallenen Jägers“. Es ist nicht sicher, dass der Autor Kappa diese Überschrift zu verantworten hat. Sicher ist nur, dass sie total blödsinnig und grob irreführend ist.

Die Eheleute sind nämlich nicht „überfallen“ worden; deshalb kann auch von „Notwehr“ beim besten Willen keine Rede sein. Der Auslöser des Ereignisses in der Nacht auf Dienstag in Neuenrade war ein Einbruch, nicht etwa ein Überfall. Das ist etwas anderes. Zum Beispiel auch deshalb, weil man im Zusammenhang mit einem Überfall von Notwehr sprechen könnte. Bei einem Einbruch, der eben kein Raubüberfall ist, von Notwehr zu sprechen, ist von vornherein absurd. Dass es die Staatsanwaltschaft dennoch tut, und zwar sowohl Oberstaatsanwalt Pauli als auch Staatsanwältin Föhring, ist hanebüchen und besorgniserregend. Es mag sein, dass die Strafverfolgungsbehörde, die tatsächlich wegen Totschlag ermittelt, mit diesem Notwehr-Gerede „nur“ die Bevölkerung besänftigen möchte. Selbst wenn dem so sein sollte – richtig wäre es nicht. Sollte die Staatsanwaltschaft jedoch tatsächlich in dem nicht aufgesetzten Revolver den Beleg für eine gebotene Notwehr erkennen, wäre dies ein Skandal.

Nein, es kann nicht darum gehen, es geht mir jedenfalls nicht darum, einen älteren Herrn jahrelang in ein Gefängnis wegzusperren. Es geht mir nicht darum, dass der Staat seinen Strafanspruch geltend macht. Mir geht es darum, dass die Justiz, dass die Behörden ein klares Zeichen setzen für den Wert einen Menschenlebens. Prinzipiell schon mal und auch umständehalber. Joachim Kappa beschreibt in seinem – bereits erwähnten – WR-Artikel die Stimmung in der ortsansässigen Bevölkerung. Ich zitiere die entsprechende Passage ausführlich: „Die juristischen Feinheiten interessieren die Menschen in dem 1166-Seelen-Ort im Märkischen Kreis nicht… Gleichwohl, der Einbruch und seine tödlichen Folgen sind in aller Munde. Namentlich aber tritt niemand in Erscheinung und sagt etwas zu dem Vorfall. Das überrascht nicht. Wer will öffentlich in die Rolle des Richters schlüpfen und sein Urteil fällen?“ Diese rhetorische Frage jedoch verrät mehr über die Restskrupel des Lokaljournalisten als über die Gemütslage der Neuenrader.

Denn freilich weiß Kappa, dass sein Unbehagen, in die Rolle des Richters zu schlüpfen, keineswegs das Denken der Dörfler widerspiegelt. Man will nur nicht „öffentlich“. d.h. gegenüber einem Mann von der Zeitung, Dinge sagen, von denen man schon ahnt, dass sie sich irgendwie nicht gehören. Der Märkische Kreis ist nicht der Erzgebirgskreis, Neuenrade ist nicht Freital. Doch der Unterschied ist eher graduell als prinzipiell. „Verständnis für die Opfer“, heißt die Zwischenüberschrift – und „Opfer“, dreimal dürfen sie raten, sind freilich der Jäger mit Gattin und nicht etwa der Totgeschossene, der Einbrecher aus der Unterkunft. Es folgt der Text: „Die Stimmung allerdings ist an diesem Tag eindeutig. Das Verständnis für das Verhalten des überfallenen Opfers überwiegt…“ – nochmal: niemand ist überfallen worden, und es ist zumindest ungewöhnlich, jemanden, der aus der Nähe jemanden in den Kopf schießt, als Opfer zu bezeichnen. Weshalb Kappa den Konzessivnebensatz dranhängt „…auch wenn der Tod des 18-Jährigen betroffen macht.“

Weiter im Text: „`Und hoffentlich merken sich andere Einbrecher dieses Ende´, sagt eine 48-Jährige.“ – Meine liebe 48-jährige Mitbürgerin aus Neuenrade! Haben Sie sich wirklich ganz genau überlegt, was Sie dem Herrn von der Westfälischen Rundschau da gesagt haben?! Haben Sie sich überlegt, was die „anderen Einbrecher“ wohl machen werden, wenn sie sich „dieses Ende“ merken sollten? Wenn die nicht ihren Beruf aufgeben und umschulen, sondern auch weiterhin einbrechen, aber trotzdem einfach keinen Bock darauf haben, sich von durchgeknallten Wohlstandsbürgern die Birne wegballern zu lassen? Wenn die sich, sozusagen umständehalber, einfach mal die einfache Frage stellen: „Wer wen?“ Gnä´ Frau, Sie können doch nicht allen Ernstes wollen, dass die im Märkischen Kreis tätigen Einbrecher sich wirklich merken! Und dann stellen Sie sich nur einmal vor, bei denen würden sogar auch Rachemotive, die Ihnen selbstverständlich völlig fremd sind, mit hineinspielen…

Warum hat der Hauseigentümer, als er die Geräusche gehört hatte, nicht einfach die Schlafzimmertür abgeschlossen und die Polizei angerufen? Selbst wenn es in der Walachei etwas länger dauern sollte, bis die Streife da ist… – im verriegelten Schlafzimmer wären seine Frau und er doch sicher gewesen. Mit der Knarre in der Hand. Warum ist er zu dem Einbrecher hingegangen? Was wollte er von ihm? Was hat er wohl gedacht, was passieren würde? Er hatte die Pistole mitgenommen, die er für diesen Fall und zu diesem Zweck, und zwar nur zu diesem Zweck, im Nachttisch aufbewahrt hatte. Hätte der Einbrecher irgendetwas tun können, was ihm nicht das Leben gekostet hätte? Der albanische Bursche hatte, sagt der Jäger, ein Messer in der Hand. Stört so ein Messer nicht, wenn man in möglichst kurzer Zeit möglichst wertvolle und gut zu transportierende Dinge finden will? Ich denke, die Polizei dürfte längst wissen, ob der 18-jährige Albaner das Messer wirklich in der Hand hatte.

Es gilt die Unschuldsvermutung. Niemandem steht es an, auch mir nicht, öffentlich in die Rolle des Richters schlüpfen. Ich darf aber meine Meinung über das äußern, was ich gelesen habe. Was eine relativ breite Öffentlichkeit findet, weil er nicht nur die beiden lokalen Zeitungsgruppen über diesen Vorgang berichten. Ich will mich dazu äußern, weil ich finde, dass hier in bedenklicher Weise Maßstäbe ins Rutschen geraten. Nochmal: es geht mir nicht darum, einen alten Knacker im Knast schmoren zu sehen. Es geht mir um Respekt vor dem menschlichen Leben. Ich will keine amerikanischen Verhältnisse, wo Leute irgendwelche Killer, die arme schwarze Ganoven abgeknallt haben, als Helden verehren und deren Konterfei auf ihre T-Shirts drucken. Ich kann ein entmenschlichtes Geschwätz wie etwa das der 48-jährigen Nachbarin nicht ertragen! Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem die todesstrafende Selbstjustiz salonfähig wird. In dem an sich wohlmeinende Lokalredakteure in erschreckender Weise Täter und Opfer verwechseln.

Das, was in der Nacht von Montag auf Dienstag im sauerländischen Neuenrade passiert ist, war keine Notwehr. Der Täter hat sich (und seine Frau) nicht im sicheren Schlafzimmer geschützt, sondern sich vorbereitet und geplant auf dem Weg gemacht. Er wusste genau, wo er sein Opfer vorfinden wird. Der albanische Junge war völlig überrascht. Der Hausbesitzer hat heimtückisch gehandelt. Er hat nicht gewarnt, er hat nicht „Hände hoch oder ich schieße!“ befohlen, er hat ohne Vorwarnung und – eigenen Angaben zufolge – ohne nachzudenken, also ohne jeden Skrupel, geschossen. Er hat, obgleich ihm dies als geübter Schütze zweifellos möglich gewesen wäre, nicht in die Beine, sondern in den Kopf geschossen. Er hat in klarer Tötungsabsicht gehandelt. Wenn neben dem zweifellos gegebenem objektiven Mordmerkmal der Heimtücke auch noch starke Indizien für ein subjektives Mordmerkmal, etwa „Habgier“ oder „sonstige niedrige Beweggründe“, gäbe, müsste die Staatsanwaltschaft Hamm wegen Mord ermitteln.

Es ist gut, dass die Staatsanwaltschaft dies erst gar nicht in Erwägung zieht. Der Bundesjustizminister hat gute Gründe für sein Vorhaben, den Mordparagraphen grundlegend reformieren zu wollen. Ganz abgesehen davon, dass er mit seiner noch aus der Nazizeit stammenden Tätertypenlehre wesensmäßig nicht in unser Strafrecht passt – bei Mord gibt es nur ein Strafmaß: lebenslänglich. Das Bundesverfassungsgericht hatte Druck gemacht, so dass heute nach fünfzehn Jahren Haft überprüft wird. Für den Rentner aus dem Sauerland könnte dies jedoch lebenslänglich sein. Ein Strafmaß, für das angesichts dieser Tatumstände gewiss niemand Verständnis hätte. Allerdings: ginge de streng nach den Buchstaben des Gesetzes, müsste wegen Mord ermittelt werden. Denn auch ein subjektives Mordmerkmal kann nicht a priori ausgeschlossen werden. Die Einlassung, der Täter habe in Notwehr gehandelt, also seine Frau und sich schützen wollen, ist offensichtlich absurd. Er wollte – im für ihn günstigsten Fall – sein Eigentum schützen.

„Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein“, so schreibt es der § 212, Abs. 1 StGB vor, „wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.“ Ein Strafmaß, das auch nicht gerade von Pappe wäre, und angesichts des Verlaufs der öffentlichen Debatte gewiss einen Schock für die braven Sauerländer auslösen würde. Wir wissen aus dem Fall Hoeneß, dass ein Ersttäter schon nach Verbüßung der Hälfte der Strafe freigelassen werden kann. Das wären immer noch zweieinhalb Jahre. Es bedeutet nicht, sich zum Richter aufzuspielen, wenn man konstatiert, dass es darunter nicht gehen wird. Ich werde aufmerksam verfolgen, wie die Sache weitergeht, was diese kuriosen Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden zu bedeuten haben. Notwehr liegt in dieser Angelegenheit nicht vor, und ich hielte es für verheerend, wenn die Justiz das Signal aussenden würde, es sei vertretbar, einen Einbrecher abzuknallen.

Der Hausbesitzer hat nicht aus Notwehr gehandelt, er hat vorsätzlich getötet. Zum Schluss ein kleines Gedankenspiel. Hätte, hätte, Fahrradkette. Stellen Sie sich vor, der albanische Einbrecher hätte das Messer tatsächlich griffbereit in einer Hand gehalten, seine Lebensgefahr erkannt und es dem Jäger blitzschnell, also bevor der hätte abdrücken können, in die Brust gerammt. Auch nicht schön, aber – ohne Zweifel: das wäre wirklich Notwehr gewesen. Jetzt frage ich Sie: welches Strafmaß würde den 18-jährigen Jungen vor Gericht erwarten? Wir kennen den § 32 StGB: „Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.“ Jetzt mal unter uns: glauben Sie wirklich, der kleine Schurke würde in diesem Fall leer ausgehen? Oder, anders gefragt: glauben Sie wirklich, der rechtschaffene Sauerländer werde sich demnächst vor dem Landgericht Hagen mindestens fünf Jahre einfangen? Nein, Sie glauben weder das eine noch das andere. Ich auch nicht so recht. Ich sag´s ja: Die Frage ist immer „Wer wen?“ Es kommt halt darauf an, wer wen in die ewigen Jagdgründe schickt.

Werner Jurga

‘Back to normal’: 3 April was de laatste dag van onze paasvakantie en daarmee ook de laatste dag van alles eten wat niet goed voor ons is.

Simone Bosman-Zomer ist eine Niederländerin mit einem Winterberger Herz - oder umgekehrt. (foto: simone)
Unsere Gastautorin ist Niederländerin mit Winterberger Herz – oder umgekehrt. (foto: simone)

‘Back to normal’

(Ein Gastbeitrag von Simone Bosman-Zomer.)

Simone ist eine Winterberger Niederländerin oder vielleicht auch eine niederländische Winterbergerin. In ihrem eigenen Blog, wo der nachfolgende Artikel zuerst erschienen ist, beschreibt sie ihre Intentionen so:

The pure life

Op mijn blog schrijf ik wat ik je wil vertellen over het pure leven. Dat gaat van koken zonder pakjes/zakjes/allergenen tot ontspanning en aardig zijn voor elkaar. Daarnaast zoek ik (als beetje digibeet) naar een manier om mijn passie voor puur leven te combineren met het leiden van een hotel en het hebben van een gezin en het opzetten van een (online) bedrijf.

Soweit erst einmal, und los geht es mit einem niederländisch-deutschen Beitrag von Simone, die auch die Übersetzung in ihrer eigenen charmanten Schreibe mitgeliefert hat.

3 April was de laatste dag van onze paasvakantie en daarmee ook de laatste dag van alles eten wat niet goed voor ons is.

(Scroll down für Deutsch)

Hoewel we receptjes hebben uitgeprobeerd en deels normaal aten, ontbrak het ergens al weken aan de energie niet alles te eten wat de reclame ons wil verkopen en waar wij blijkbaar gevoelig voor zijn. Alleen langzaam gaat het ons niet meer zo goed. Hoofdpijn, puistjes, moeheid, lamlendigheid, gewichtstoename, neurodermitisplekjes, concentratiegebrek en niet goed kunnen slapen, het is er allemaal weer. Wat dit betekend in het dagelijks leven kan iedereen zich wel voorstellen toch? Een beetje lekker en energievol presteren lukt niet echt als je slecht slaapt en hoofdpijn hebt.

Dus wat gaan we nu doen? We gaan weer netjes 3x per dag eten, 1,5 tot 2 liter water drinken per dag, geen suiker en zoetstoffen, geen aardappelen, geen witte rijst, geen gluten, geen koemelk en op tijd naar bed. M.a.w. bloedsuikerspiegelmanagement ! Uitgebreid met geen gluten en koemelk omdat we ons zonder beter voelen.

Eigenlijk is dit iets wat we in 80% van de tijd zo willen doen en de overige 20% is dan voor uitzonderingen als een verjaardag of brunch o.i.d. Die 20% is helaas steeds meer opgeschoven naar 95% waardoor ik ergens het gevoel heb dat we niet op de goede weg zijn. Immers als je een uitzondering toe staat zou je je moeten afvragen waarom je die nodig hebt als je met de 80% tevreden bent. Gezond eten heeft geen gezellige klank en je houdt het alleen vol met voldoende discipline maar ook discipline houdt je niet eeuwig vol. Dat moet ik er dus gewoon voor zorgen dat het gezonde en normale eten lekker en leuk wordt.

Net zoals dus Gerrit Jan Groothedde zegt in zijn boek “het anti-dieetboek”.

Een leuk boek wat ik vorige week gekocht heb en ik van harte aanbevelen kan.Veel van wat hij schrijft weet ik eigenlijk wel maar wat emotionele tegenvallers maakten dat ik het toch niet deed, normaal eten. En dat dus vooral omdat het nog leuk moet worden. Maar ik bedoel dus niet alleen dat eten leuk moet worden. Beter opgewassen zijn tegen de tegenvallers/teleurstellingen helpt enorm, want oude ritmes en valkuilen ben je niet zomaar kwijt. En dus landen we bij het zelfbeeld, waarom vind ik of iemand in het algemeen dat een beloning nodig is en helemaal als het wat tegen zit. Blij zijn met wie je bent, leven in het moment, niet oordelen over anderen, met andere woorden gewoon zijn. Mediteren is daarvoor voor mij de sleutel. Ik doe dit al een tijdje nu en gebruik hiervoor een app die ‘insight timer’ heet..

„The more you have, the more occupied you are. The less you have, the more free you are.“
(Moeder Theresa)

Denk daar maar eens over na! Ikzelf heb om die reden Facebook (voorlopig) de deur uit gedaan en mijn mobiele abonnement opgezegd. Nu heb ik alleen internet daar waar er Wifi is en niet meer overal en gebruik ik het internet i.p.v. het internet mij. Ik vind de mens er niet aardiger op worden en dit zie je uitvergroot in sociale media en mij werd het teveel. Ik twitter nu alleen nog en ook daar heb ik het nieuws sterk gereduceerd. Nu heb ik weer tijd voor al het andere om me heen en dat is soms gewoon even niets, heerlijk.

Maar eerst gaan we een maandje strak op plan om mijn bloedsuikerspiegel stabiel te krijgen en dus geen hongeraanvallen meer te hebben. Dat wil zeggen dat we de hoeveelheden terugschroeven. Verder gooien we al het bewerkte eten in de ban en ga ik proberen morning pages bijhouden om er achter te komen waar ik me eigenlijk allemaal druk om maak. Dan kan ik op mijn eigen gedachten neerkijken zoals ze zijn ipv alleen maar te voelen en komen we tot de bron van waarom mijn 20% uberhaupt nodig is. Pas dan komen we op hoe normaal en gezond eten iets is wat we gewoon doen en leuk vinden.Tot die tijd is er discipline.

Morning pages

Wat houdt dat dan eigenlijk in ‘morning pages’? Met ochtendpagina’s leer je, op een heel elementaire manier, twee dingen: 1. Discipline, 2. doorschrijven zonder jezelf meteen te bekritiseren. Lees er hier meer over.

Mijn eet-dag vandaag

Mijn ontbijt (havermout met havermelk, Ceylon kaneel, klontje roomboter en een peer na) ging al goed nadat ik eerst een glas lauwwarm citroenwater dronk en een 7-minuten-training afgewerkt heb. De kan water is gevuld en de lunch voorbereid (een groene smoothie van smoothiekoninging Marjolijn van der Velde). Avondeten word een kaasspaghetti van geiten- en schapenkaas met haverroom en glutenvrije spaghetti met een stukje fruit na. Vanavond neem ik dan nog een verse gemberthee.

En verder: Vertaal ik deze blog in het duits, ga ik verder met solliciteren, pas ik nu meteen maar even een meditatie in, werk nog een was weg en snuif tegen etenstijd nog wat frisse lucht op door m’n man op te halen van zijn werk, te voet dus.

Fijne dag!

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Der 3. April war der letzte Tag unserer Osterferien und damit für uns auch den letzten Tag aller Lebensmittel die nicht gut für uns sind.

Obwohl wir Rezepte ausprobiert haben und teilweise normal gegessen haben hat es irgendwie die letzten Wochen an Energie gefehlt nicht zu essen was die Werbung uns verkaufen möchtet (wir sind anscheinbar empfindlich für Werbung, bah)

Aber langsam ging es uns immer weniger gut. Kopfschmerzen, Akne, Müdigkeit, Trägheit, Gewichtszunahme, Neurodermitisstellen, Konzentrationsmangel und nicht schlafen können, es ist alles wieder da. Was dies bedeutet im Alltag kann sich jeder vorstellen, nicht wahr? Mann ist einfach nicht Topfit wenn man schlecht schlaft und Kopfschmerzen hat.

Also, was tun wir jetzt? Wir gehen ordentlich 3x am Tag zu essen, trinken 1,5 bis 2 Liter Wasser am Tag, kein Zucker und Süßstoffe, keine Kartoffeln, kein weißer Reis, kein Gluten, Kuhmilch und rechtzeitig ins Bett gehen. Mit anderen Worten Blutzuckerspiegelmanagement! Gluten- und Kuhmilchfrei fügen wir da hinzu, weil wir uns besser fühlen ohne.

Eigentlich ist dies etwas, das wir so in 80% der Zeit machen, die anderen 20% sind für Ausnahmen wie einen Geburtstag oder einen Brunch usw. gemeint. Die 20% ist leider zu 95% verschoben, wodurch bei mir das Gefühl entsteht dass wir nicht ganz auf dem richtigen Weg sind. Vor allem, wozu braucht man eigentlich Ausnahmen wenn man mit den Rest zufrieden ist. Gesunde Ernährung hört sich nicht besonders angenehm an kriegt man nur mit genügend Disziplin hin. Aber Disziplin haltet keiner lange durch. Deshalb muss ich einfach dafür sorgen dass die gesundes und normales Essen ist köstlich ist und Spaß macht, oder?

Dazu habe ich vor einige Zeit ein tolles Buch gelesen, Das Anti-Diätbuch von Gerrit Jan Groothedde. Viel von dem, was er schreibt weiß ich eigentlich aber nach ein paar emotionale Rückschläge habe ich es nicht hingekriegt.

Und das vor allem, weil es immer noch Spaß zu sein soll. Ich meine nicht nur das Essen aber das ganze Leben soll Spaß machen. Dazu muss man in der Lage sein, die Rückschläge / Enttäuschungen gut zu widerstehen, weil alte Rhythmen verschwinden nicht einfach. Und so landen wir auf dem Selbstbild, warum brauche ich oder jemand im Allgemeinen eigentlich überhaupt eine Belohnung? Wir sollten glücklich sein mit dem wir sind, sollten im Moment leben, und nicht über andere urteilen.In anderen Worten einfach mehr ‚Sein‘.

Meditation ist für mich ein Weg. Ich tue dies seit eine Weile mit ein App, die „Insight Timer“ heißt und in vielen sprachen geht…..

„The more you have, the more occupied you are. The less you have, the more free you are.“    (Mutter Teresa)

Denken mal darüber nach! Ich selbst habe aus diesem Grund mein Facebook-site gesperrt und mein Handy-Abo gekündigt. Jetzt habe ich nur das Internet, wo es W-lan gibt und nicht mehr überall, und ich benutze das Internet statt das Internet mich. Meine Meinung nach werden Menschen nicht unbedingt freundlicher und dies kann man in den sozialen Medien vergrößert sehen. Mir war es einfach zu viel. Ich twittere jetzt nur noch und da habe ich die Nachrichten in meiner Zeit Line stark reduziert. Jetzt habe ich Zeit für alles andere um mich herum, und das ist manchmal einfach nichts, köstlich.

Aber wie gehen wir mit dem Essen vor jetzt? Zuerst essen wir einen Monat genau nach Plan. Das heißt zudem ich schon beschrieben hab auch die Mengen beschränken bis der Blutzuckerspiegel wieder stabil ist und es so keine Naschattacken mehr gibt. Darüber hinaus werfen wir alle verarbeiteten Lebensmitteln raus und ich werde versuchen ‚Morning pages‘ zu schreiben. Damit will ich rausfinden ob ich mich sinnvolles im Kopf beschäftige und wieso ich uberhaupt 20% Ausnahmen brauche auf gesundes Essen. Bis dann habe ich Disziplin.

Morning pages

Was bedeutet das eigentlich? Mit Morning pages lernt man in einer sehr einfachen Art und Weise zwei Dinge: 1. Disziplin 2. Schreiben, ohne sich sofort zu kritisieren. Lesen Sie mehr darüber hier.

Meine Speise-Tag

Mein Frühstück (Haferflocken mit Hafermilch, Ceylon-Zimt, Klümpchen Rahmbutter und eine Birne nach) ging gut, nachdem ich zum ersten Mal ein Glas lauwarmes Zitronenwasser trank und 7-Minuten-Training beendet hatte. Die Smoothiezutaten stehen bereit fürs Mittagessen (ein grüner Smoothie der niederländischen Smoothiekönigin Marjolein van der Velde). Das Abendessen wird ein Käsespaghetti mit Ziegen- und Schafkäse mit Hafersahne, Gluten freie Spaghetti und einem Stück Obst nach. Heute Abend gibt es dann noch frische Ingwer-Tee.

Und weiter: ich versuche mein Blog in Deutsch zu übersetzen, meditiere noch ein wenig schreibe noch ein paar Bewerbungsbriefe und genieße noch diesen wunderschonen Frühlingstag indem ich mein Mann zur Fuß von der Arbeit hole.

Genieße den Tag!

Der Waldorf-Werber: Prof. Jost Schieren, Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft

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+++ weltweit tätiger Waldorf-Pädagogik-Konzern sucht neues Image +++

+++ briefing: präsentieren Sie bizarre Pädagogik so, daß sie völlig normal erscheint, und in einem nächsten Schritt für Eltern wünschenswert +++

+++ Jost Schieren stellt Kampagne seiner Waldorf-Werbeagentur ‘Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft’ vor +++

Von Andreas Lichte

Jost Schieren ist Professor für Waldorfpädagogik an der anthroposophischen „Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft“, Leiter des „Fachbereichs Bildungswissenschaft“, und verantwortlich für die (Waldorf-) Lehrerbildung.

Dem „Waldorfblog“ gab Jost Schieren ein ausführliches Interview1, in dem er immer wieder das buzzword „Freiheit“ verwendet – in einer einzigen Antwort erstaunliche 7 mal:

„Die Anthroposophie ist im Kern auf das Ideal des freien Menschen ausgerichtet.“
„Freiheitsentwicklung als Teil des Weltgeschehens“
„Freiheitsentfaltung unseres Menschseins“
„Position der Freiheit“
„Begriff der Freiheit“
„Entwicklungsraum der Freiheit“
„freien Persönlichkeitsentwicklung“

Für Schieren macht einfach alles frei, was Anthroposophie ist. Wie die Waldorfpädagogik, die auf der Anthroposophie Rudolf Steiners (1861 – 1925) basiert.

Über einen Vortrag Rudolf Steiners sagt Kurt Tucholsky: „Je größer der Begriff, desto kleiner bekanntlich sein Inhalt – und er hantierte mit Riesenbegriffen.“

„Freiheit“: mit diesem Riesenbegriff macht Jost Schieren Werbung für die Waldorfpädagogik.

 

Reinkarnation macht frei

Beim Werber Jost Schieren ist „Reinkarnation“ normal, wird zu einer weiteren „Sichtweise auf den Menschen“, die – Verkaufsargument! – von „Fremdbestimmung“ befreit:

Der Gedanke der Reinkarnation erlaube es, so Jost Schieren, „den Menschen nicht als irgendwie allein fremdbestimmtes Wesen (Gene, Sozialisation, Gehirnprägungen usw.) zu denken.“ Das Kind sei nicht das alleinige Resultat von Vererbung und Umgebung, sondern trage in sich „eine eigene auf sich selbst begründete Persönlichkeit“, die nicht zufällig entstanden sei, da „der Mensch sein eigenes Wesen selbstverantwortlich durch eine Reihe von Verkörperungen selbst bildet.“

Schon gekauft! oder?

Was bedeutet „Reinkarnation“ überhaupt? Reinkarnation bei Rudolf Steiner.

Weit verbreitet ist die Idee im asiatischen Kulturkreis, im Hinduismus und den verschiedenen Erscheinungsformen des Buddhismus. Gemeinsam ist ihnen, daß das Ziel ist, dem „endlosen Kreislauf der Wiedergeburten“ zu entkommen, sich von der Fessel des „Karma“ zu befreien.

Helena Petrovna Blavatsky und in ihrer Nachfolge Rudolf Steiner kehren die Idee in ihr Gegenteil um: Der Mensch soll im Kreislauf der Wiedergeburten bleiben, so kann er sich – und damit die Menschheit – perfektionieren. Pflichterfüllung.2 Von „Freiheit“ keine Spur.

Rudolf Steiner verspricht eine Form der (geistigen) Unsterblichkeit und befriedigt zugleich das Bedürfnis seiner – zur Zeit der Begründung der Anthroposophie – aristokratischen und großbürgerlichen Klientel nach „Elite“: „WIR bringen die Menschheit (-sentwicklung) voran!“

Und natürlich kann die Menschheit auch nicht an einem Tag an Ihrem Bestimmungsort, dem Planeten „Vulkan“, ankommen – dann wäre Steiners Geschäftsmodell sofort erledigt …:

Ich gebe einem Freund eine Inhaltsangabe von Rudolf Steiners Buch „Aus der Akasha-Chronik“:

„Es ist die Geschichte der Menschheit, wie sie sich dem Eingeweihten zeigt. So eine Art ‘Evolutionsgeschichte’, nur dass der Eingeweihte auch in die Zukunft schauen kann. Die Menschheit entwickelt sich laut Steiner auf sieben Planeten. Von Planet zu Planet steigt das Menschengeschlecht höher in der Entwicklung. Dabei helfen ihm Führer, die selber schon auf einer höheren Entwicklungsstufe stehen. Es geht los auf dem Saturn, dann kommt die Sonne, der Mond und schließlich die Erde …”

„Wieso Sonne und Mond – das sind doch keine Planeten?!”

„Für den Esoteriker Steiner schon. Die Erde formt sich im nächsten Entwicklungsschritt in den Jupiter um, dann kommt die Venus und zuletzt der Vulkan. Sieben Planeten, und auf jedem Planeten durchleben die Menschen sieben mal sieben Entwicklungsstufen … Ja, ich weiß, das klingt nach Science Fiction … ich habe mich an die Perry Rhodan-Hefte erinnert, du weißt schon, diese Groschenromane …“

 

Anthroposophie: Seine Eltern sucht man sich selber aus …

Rudolf Steiners Vorstellung der Reinkarnation kann man natürlich auch aus der Schüler-Perspektive betrachten:

„Leute, ich hab mir Eltern ausgesucht, die mir was bieten können. Meint ihr, ich würde hier sonst mit meiner Mum in einem Porsche Cayenne in der zweiten Reihe vor der Rudolf Steiner Schule in Berlin Dahlem chillen? Wenn’s mal mit den Noten nicht so dolle ist, steht mein privater Nachhilfelehrer schon auf der Matte, über die paar Euros redet bei uns keiner. Portokasse. Eigentlich bin ich ganz zufrieden, könnte höchstens ’nen bißchen langweilig werden, mein Leben …

Aber, Alter, Abenteuer doch nur was für Idioten: stell dir vor, du suchst dir Eltern in Syrien aus, und findest dich plötzlich auf ’nem Schlauchboot im Mittelmeer wieder … wie beknackt muß man da eigentlich sein … und jetzt kommt‘s noch dicker: du hast es grad so überlebt, und schon bist du in ’ner Flüchtlingsklasse in der Waldorfschule, die versuchen mit dir ihr Image aufzupolieren, wegen ‘ausländerfrei3 und so …“

 

Wenn Schule Schicksal wird …

In einem kritischen Artikel antwortet der Pädagoge André Sebastiani4 auf Jost Schierens Interview mit dem Waldorfblog, und schreibt: „Es macht für einen Pädagogen doch wohl keinen Unterschied, ob der Mensch nun als Produkt vorangegangener Inkarnationen, oder als Produkt seiner Gene und seiner Umwelt vor ihm steht.“

Wenn der Pädagoge kein Anthroposoph wie Jost Schieren wäre, gäbe es im Ergebnis vielleicht keinen Unterschied.

Für einen Anthroposophen wie Jost Schieren könnte der Unterschied nicht größer sein – Anthroposophie bedeutet hier:

Das Kind hat den Lehrer gewählt, das Aufeinandertreffen von Schüler und Lehrer ist „Karma“ – die Schulklasse wird zur Schicksalsgemeinschaft, deswegen ja auch der Verzicht auf das „Sitzenbleiben“ in der Waldorfschule.

Wenn Schule Schicksal wird, woher soll die von Schieren gebetsmühlenartig wiederholte „Freiheit“ kommen?

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Artikel über andere „Verkäufer“ der Anthroposophie und Waldorfschule:

Christian Clements ‘kritische Ausgabe der Schriften Rudolf Steiners’ (SKA): Des Steiners neue Kleider

Dr. Detlef Hardorp verkauft Rudolf Steiners Rassismus als Multikulti

Prof. Peter Loebell verkauft Rudolf Steiners Jahrsiebte

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2 siehe den Kommentar zu Jost Schieren auf dem „Waldorfblog“ von „Roland Brummer  |  26. März 2016 um 3:03 nachmittags“, Zitat:

„(…) In der Anthroposophie ist Reinkarnation, Karmagesetze, Rassentheorie und Evolution eng verbunden. Eine moralische Verfehlung, die zu einer Behinderung oder körperlichen Merkmal führt, kann ich nichts dagegen machen, es geschieht mit mir als Gesetz, nicht was ich möchte oder wünsche. Ich kann da nichts entscheiden. Das Karmagesetz greift bei unserer seelischen Fehlbarkeit. Unmoralisches Handeln heißt Abstieg z.B. in eine degenerierte Rasse oder körperliche Behinderung und Belohnung heißt Aufstieg für ein Leben in der zukünftigen Kulturepoche. Das seelische Verhalten hat immer eine körperliche Konsequenz zur Folge. Es gibt einen ganzen Katalog für Verfehlungen und Belohnungen und ihre körperlichen Folgen.?Ich weiß nicht, wo ich hier das freie selbstbestimmte Individuum finden kann, wenn es nur in Gesetz und Bestimmung gefangen ist ?“

 

3 der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund ist in regulären Waldorfschulen extrem niedrig, siehe den Artikel: „Drei Gründe für die Waldorfschule“

Da kommen die „Flüchtlings“-Kinder wie gerufen – man kann vorführen, wie „sozial“ und „ausländerfreundlich“ Waldorfschulen sind, siehe den Artikel der anthroposophischen „Erziehungkunst“: „Berliner Waldorfschulen jetzt mit drei Flüchtlingsklassen“