Ihre Ermittlungen führten zu ersten Urteilen im Milliarden-Steuerskandal und brachten sogar Olaf Scholz in Erklärungsnot: Deutschlands wichtigste Cum-Ex-Ermittlerin verlässt nach Informationen von WDR-Investigativ die Justiz. Anne Brorhilker hat demnach am Montagvormittag bei der Kölner Generalstaatsanwaltschaft eine „Bitte um Entlassung aus dem Beamtenverhältnis“ eingereicht. Die 50-jährige Oberstaatsanwältin leitet die deutschlandweit einzige Hauptabteilung für Cum-Ex-Ermittlungen, die bei der Staatsanwaltschaft Köln eigens dafür aufgebaut wurde. Sie und ihre Kollegen ermitteln derzeit gegen mehr als 1700 Beschuldigte. Geschätzte zwölf Milliarden Euro sollen Cum-Ex-Geschäfte die Steuerzahler gekostet haben. Banker, Berater und Aktienhändler hatten sich Steuern erstatten lassen, die nie jemand gezahlt hatte.
Im Interview mit WDR-Investigativ sagte Brorhilker zu ihrer Entscheidung: „Ich war immer mit Leib und Seele Staatsanwältin, gerade im Bereich von Wirtschaftskriminalität, aber ich bin überhaupt nicht zufrieden damit, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird.“ Die Politik, so Brorhilkers Befund, habe elf Jahre nach Bekanntwerden der ersten Cum-Ex-Fälle noch immer nicht hinreichend reagiert. Steuerdiebstähle seien längst nicht gestoppt, es gebe Cum-Ex-Nachfolgemodelle, wie bei einem „Hase-und-Igel-Spiel“. Grund seien fehlende Kontrollen, was bei Banken und auf den Aktienmärkten geschehe. Um das Problem zu lösen, spricht sich die Strafverfolgerin für mehr Personal in der Strafverfolgung und für eine zentrale bundesweite Behörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität aus, die auch Steuervergehen verfolge.
„Cum-Ex-Chefermittlerin verlässt die Justiz – und übt deutliche Kritik im WDR-Interview“ weiterlesen