In den 1970 und 1980er Jahren war die öffentliche Meinung wesentlich von der immer stärker aufkommenden Umwelt- und Friedensbewegung beeinflußt bzw. geprägt. Der Naturschutz hatte nach meinem Eindruck einen höheren Stellenwert als heute.
(Unser Autor blickt pessimistisch und zornig auf die heutige Politik und die gegenwärtige Politikergeneration. Er behandelt viele Themen in einem zusammenhängenden Gedankenbogen, weswegen wir den Text auch nicht in einzelne Artikel aufspalten. Der Text ist „in einem Rutsch“ lesbar.)
Ökoprotagonisten, wie etwa Horst Stern, Herbert Gruhl oder Konrad Lorenz, schufen durch ihre teilweise aufsehenerregenden Filme, Presse- und Buchveröffentlichungen ökologisches Bewußtsein und eine bei den Bürgern wachsende Sensibilisierung gegenüber Umweltproblemen. Doch das war einmal.
Heutzutage mangelt es den Naturschutzverbänden an einer Integrationsfigur, die an die oben genannten Vordenker anknüpfen kann. Um bei Stern zu bleiben: Es hat seit den frühen Anfängen der Öko- und Friedensbewegung niemanden mehr gegeben, der die Profitgier in unserer Gesellschaft so angeprangert hat wie er.
Dennoch wird allen Warnungen zum Trotz dem „Wachstum“ gehuldigt wie nie zuvor. Politiker und Ökonomen beten zu diesem Moloch wie zu einem alleinseligmachenden Fetisch – mit der Konsequenz, daß unser räumlich begrenzter Planet weiter hemmungslos ausgeplündert wird.
Parteipolitisch eingefärbte Zeitungen und Hochglanzbroschüren, die noch vor wenigen Jahrzehnten den Naturschutz und die sich für ihn einsetzenden Aktivisten verhöhnt und lächerlich gemacht hatten, protzen heute im Digitalzeitalter mit schier unendlich vielen Natur- und Tiermotiven und suggerieren eine heile (Natur)-Welt.
Daraus könnte man den Schluß ziehen, daß nicht zuletzt wegen der überall in den Medien hervorquellenden Informationen über Natur und Umwelt ein hoher Wissensstand in der Bevölkerung vorhanden ist – und dementsprechend ein großes Interesse an diesen Themen. Um den ökologischen Zustand unseres Planeten kann es doch gar nicht so schlecht bestellt sein.
Leider ist die Wirklichkeit eine andere. Derzeit dreht sich in der Hauptsache fast alles um Wirtschaft, Finanzen, Börsenkurse, Banken- und Eurorettung, DAX und Geschäftsklimaindex.
Vergleichsweise unwichtige Dinge, wie Sportereignisse, erfreuen sich reger Anteilnahme, während ökologische Vorsorge, Klimawandel und Artensterben wenig Beachtung finden. Zwar sendet auch das Fernsehen, zum Beispiel im Rahmen von politischen Magazinen, häufig sehr kritische und skandalträchtige Beiträge über ökologisch-soziale Themen. Doch kranken diese Magazine daran, daß 1.) ihre Sendezeit nur 1/2 Stunde beträgt und 2.) daß sie erst um 21.45 Uhr ausgestrahlt werden. Also viel zu spät, um eine Vielzahl an Zuschauern zu erreichen. Dahinter steckt meiner Meinung nach Absicht.
Oscar Wilde hat einmal gesagt: „Wir kennen den Preis von allem, aber den Wert von nichts!“ Damit sind wir beim Wert der biologischen Vielfalt weltweit. Diese ist nämlich monetär nicht zu beziffern. Und sie schwindet in atemberaubendem Tempo, weil die menschliche Gier nach begrenzt vorhandenen Rohstoffen, nach gnadenloser Ausbeutung bzw. ungezügelter Nutzung von natürlichen Ressourcen kein Ende nehmen will. Bis in den letzten Winkel der Erde! Das sakrale Mißverständnis des biblischen Ausspruchs „Machet Euch die Erde untertan“ hat noch nichts an Bedeutung eingebüßt.
Weltweit ist zwischen 1970 und 2005 ca. 27 % der globalen Vielfalt verloren gegangen. 60 % aller Ökosysteme sind geschädigt und werden übernutzt. Und von 1950 – 2000 hat sich die Fläche der tropischen Regenwälder halbiert. Jährlich wird eine Waldfläche von 13 Mio. ha zerstört (= dreifache Größe der Schweiz).
Internationale „Klimagipfel“ scheitern regelmäßig. Der Raubbau an den natürlichen Lebensgrundlagen Wasser, Land, Luft und Ökosystemen geht also unvermindert weiter. Dennoch ist das Interesse der Parlamentarier an umweltbezogenen Debatten im „Hohen Hause“ zu Berlin auch im Jahre 2014 erschreckend gering. Je überzeugender die Argumente, je eindringlicher die Warnungen vor einem drohenden Kollaps, desto magerer fällt der Beifall aus und desto leerer das Plenum.
Es wird nach wie vor mechanisch gedacht, nämlich in Zahlen, Mengen und Währungen, und das alles zusammengestellt im Bruttosozialprodukt. Bis heute denkt die Politik nicht in organischen Abläufen. Denn diese sind weder eindimensional noch ständig nur nach oben gerichtet, quasi bis in die Unendlichkeit aufwärts, wie das die Fortschrittstheorie annahm.
Als Gegenpart zu dem von Ökonomen verklärten, materiell ausgerichteten Bruttosozialprodukt (BSP), in dem sich beispielsweise auch Kosten von Arbeits- und Verkehrsunfällen, Umweltschäden durch Produktion und Konsum, oder der Verbrauch von nicht regenerierbaren Ressourcen absurderweise als Positivposten niederschlagen, also wachstumssteigernd auswirken, wurde in den 80er Jahren ein Ökosozialprodukt definiert. Dieses versteht sich als Gradmesser für immaterielle Werte, die sich im Wohlbefinden des Menschen, seiner Gesundheit, der Lebensqualität einer Landschaft und einer intakten Umwelt wiederspiegeln. Selbst die FAZ behandelte das Thema seinerzeit in ihrem Wirtschaftsteil und erregte damit für eine Weile die Aufmerksamkeit der Politiker.
Dies führte allerdings nicht dazu, daß sich in den Köpfen der Politiker ein neues Denken eingestellt hätte. Nein! Nichts änderte sich. Es blieb dabei, daß das industriefreundliche BSP in seiner bisherigen Funktion als Indikator und Maßstab für quantitative Steigerungsraten seine Fortsetzung fand.
Aber nicht nur nach Meinung von Union und SPD soll es weiter aufwärts gehen. Auch die Grünen tragen dieses antiquierte Konzept brav mit und unterscheiden sich dadurch nicht grundsätzlich von den großen Parteien inklusive der völlig indiskutablen FDP. Waren die Grünen einst noch entschiedene Gegner der Wachstumstheorie, sind sie längst in der Wirklichkeit angekommen und mit dem tödlichen Virus infiziert. Wo bleibt eigentlich die nach der Bundestagswahl von der Ökopartei angekündigte verstärkte Hinwendung zu den grünen Urthemen?
Wer hoch und heilig so etwas verspricht, müßte logischerweise auf Konfrontationskurs sowohl zur CDU/CSU als auch zu den Sozialdemokraten gehen. Sie tun es aber nicht. Schließlich träumt man ja immer noch von einer schwarz-grünen Koalition auf Bundesebene. Und um dieses Ziel nicht aus den Augen zu verlieren bzw. zu gefährden, möchte man zu allzu radikalen Positionen doch lieber auf Distanz gehen.
Da hat die „linke“ Konkurrenz wieder mal mehr Mut zur Wahrheit und stellt fest:
„Das gegenwärtige Wirtschaftsmodell ist ökologisch blind, produziert groteske Ungleichheit und wird gelenkt von perversen Finanzstrukturen. Dieses Modell kann und darf keine Zukunft haben. Wer mit seinem Green New Deal nur auf die Umwälzung der Technologien setzt und die Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft vergißt (oder nicht wagt), der springt zu kurz.
SPD und Grüne konzentrieren sich auf technische Veränderungen und schwärmen von einer neuen, von grünen Investitionen getragenen Welle des Wachstums. Gemeinsam gehen alle vier genannten Parteien davon aus, daß die Wirtschaftsordnung trotz der ökologischen Gefährdungen keiner grundlegenden Erneuerung bedarf.
In Anlehnung an Albert Einstein könnte man sagen: Probleme kann man niemals mit derselben Wirtschaftsweise lösen, durch die sie entstanden sind. Und weiter: Nicht Renditen und Zinsen gehören ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit, sondern die ökologischen Herausforderungen.“
In den vergangenen Jahren hat der globale Ausstoß von Kohlendioxid neue Rekordwerte erreicht. Das Ziel, die Erderwärmung auf maximal 2 Grad C zu begrenzen, ist kaum noch zu erreichen. In vielen Regionen der Erde sind die Folgen des Klimawandels bereits deutlich spürbar. Hinzu kommt der Kampf um knapper werdende Rohstoffe, die zunehmend in ökologisch sensiblen Gebieten gefördert werden. Wenn der Mensch nicht endlich zur Besinnung kommt und aus den immer dramatischeren Folgen des Klimawandels nicht die überfälligen Konsequenzen zieht, wird die Natur den Homo sapiens zwingen, daß er sie wieder respektiert. Und eine solche erzwungene, radikale Anpassung ist kein Zucker schlecken; sie würde sehr weh tun und träfe auch die Industrie mit voller Härte.
Zum Teil geschieht das ja auch schon in unseren Breiten. Denn Land- und Forstwirtschaft, Tourismus und Energiewirtschaft werden durch sich häufende, extreme Wetterlagen zunehmend vor massive Probleme gestellt. Nicht zu reden von den Verhältnissen bspw. in Amerika und Asien. Das von Hochwasserkatastrophen, Dürren und Hitzewellen arg gebeutelte China sieht sich neuerdings sogar genötigt, im Alleingang seine CO²-Emissionen zu reduzieren (wie ehrgeizig diese Ziele auch sein mögen); und in Kalifornien leistete man sich jahrzehntelang den Luxus der Wasserverschwendung, nach dem Motto: Das begehrte Lebenselement kommt ja aus dem Kran. Nun bekommt man für diese Verschwendungsorgie die Quittung präsentiert. Die globale Erwärmung tut ein übriges; deren Auswirkungen sind immer deutlicher zu spüren. Das ganze Land sitzt auf dem Trockenen, wird an seinem Lebensnerv getroffen. Aber soweit muß es erst kommen!
Obwohl jeder Politstratege den Ernst der Lage inzwischen erkannt haben müßte, werden die Erfolgsaussichten für neue Klimakonferenzen als äußerst gering eingestuft. Das Beispiel Polen beweist, daß es keinen Sinn macht, so genannte „Erdgipfel“ einzuberufen, wenn von Seiten der Teilnehmerstaaten Fortschritte schon im Ansatz blockiert werden. Der unter Protest von Nichtregierungsorganisationen gegen die Tatenlosigkeit der anwesenden Staaten erfolgte Auszug aus der 2013 in Warschau stattgefundenen internationalen Klimakonferenz führt uns die Sinnlosigkeit derartiger Showveranstaltungen vor Augen.
Substanzielle Fortschritte, die bisher schon kleinkariertem, fruchtlosem Gezänk geopfert wurden, rücken somit in noch weitere Ferne. Meines Erachtens wurde unser osteuropäisches Nachbarland nicht ohne Grund zum Treffpunkt der Weltgemeinschaft auserkoren. Es liegt der Verdacht nahe, daß die Wahl bewußt auf Polen fiel, um dessen zu 90 % auf dem Energieträger Kohle sich gründende Energieversorgung abzusichern bzw. zu zementieren.
Man sollte nun aber bei aller berechtigten Kritik an Polen nicht nur die Regierung in Warschau für ihre rückwärtsgewandte Haltung in der Klimapolitik geißeln, ohne auf die Mißstände bei uns in Deutschland hinzuweisen. Vor allem SPD-Politiker reden der Kohlenutzung das Wort und leisten dem Umwelt- und Klimaschutz einen Bärendienst. Sie beschwören zwar unablässig eine Energieversorgung, die weitgehend aus erneuerbaren Quellen, Einsparung und Effizienz bestehen soll. In der Praxis besorgen sie jedoch ungeniert das Geschäft der Kohlelobby, womit gewährleistet ist, daß diese Dreckschleudern noch auf Jahre hinaus gewaltige Mengen an Treibhausgasen ausstoßen dürfen und die Betreiber solcher Anlagen horrende Gewinne erzielen können. So wird die Energiewende von einflußreichen Wirtschaftslobbyisten, darunter Nordrhein-Westfalens Minister Duin, konterkariert und die ohnehin nicht sehr anspruchsvollen Klimaziele aufs höchste gefährdet.
Hauptverantwortlich für ein solches Desaster ist freilich SPD-Chef und Vizekanzler Gabriel. Er ist es nämlich, der auf Bundesebene die Weichen zugunsten einer Energiepolitik stellt, von der ganz im Sinne unserer Bundeskanzlerin und ihrer CDU große Konzerne profitieren, während private Haushalte, sowie klein- und mittelständische Unternehmen wieder mal die Zeche zahlen müssen. Ein untragbarer, auf Konflikt angelegter Zustand.
Um von den wahren Intentionen der Koalitionäre abzulenken und bei den Bürgern die Akzeptanz für die Energiewende zu erhöhen, wird nun das allseits bekannte schwere Geschütz „Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“ aufgefahren. Wenn es auch verständlich klingt, daß eine gewisse Zahl von Betrieben, die im internationalen Wettbewerb stehen, in den Genuß von Ausnahmeregelungen bei der EEG-Umlage und der Ökosteuer kommen muß, so gehört doch die zum Selbstzweck gewordene Wettbewerbslogik endlich mal auf den Prüfstand. Als ob es in einer vielfältigen und noch dazu globalisierten Wirtschaft nur Gewinner geben könne.
Ich finde, daß die Langsamkeit (der Natur) wieder eine stärkere Rolle dabei spielen muß.
Apropos Globalisierung: Aus Sicht der Ehrenvorsitzenden des BUND, Dr. Angelika Zahrnt, ist die Globalisierung ein „utopisches Konzept, um für die Mobilität von Kapital und Gütern eine durchgängige, grenzenlose Welt zu schaffen, mit dem Ziel, weltweit größtmögliche Effizienz zu erreichen. Dieses rein ökonomische Konzept stößt an die Grenzen der Belastbarkeit von Erde und Menschen!“
Und die tägliche Praxis zeigt ja auch, daß ökonomische Interessen immer weit über die berechtigten Ansprüche der Allgemeinheit triumphieren. Politiker betätigen sich in vorauseilendem Gehorsam als Erfüllungsgehilfen mächtiger Lobbyverbände.
„Bestes“ Beispiel ist kein geringerer als Frau Merkel. Sie widersetzte sich damals den Anweisungen der EU für strenge Auflagen bei den PKW- CO²-Grenzwerten und sprang der Autoindustrie freundschaftlich zur Seite. Dafür erhielt sie als Gegenleistung prompt Großspenden von Autofirmen, wie BMW. Damit ist doch der Beweis erbracht, daß die Regierungschefin käuflich ist.
Gleichzeitig verharrt unsere stiefmütterlich behandelte, dahin dümpelnde Deutsche Bahn, – verglichen mit Staaten, wie etwa der Schweiz oder Österreich, bis heute teilweise auf dem Niveau eines Entwicklungslandes. Und obwohl bei der Deutschen Bahn sehr vieles im argen liegt, wird fast nichts unternommen, um dieses umwelt- und klimaverträglichste Massenverkehrsmittel wieder zur tragenden Säule der Verkehrspolitik werden zu lassen und zukunftstauglich zu machen.
Geradezu skandalös und moralisch verwerflich ist weiterhin die Befürwortung des deutsch-amerikanischen Freihandelsabkommens TTIP durch Frau Merkel. Die Kanzlerin setzte sich unlängst in einem Interview noch einmal vehement für dieses Abkommen ein, indem sie erklärte, daß es uns nützt und zudem Arbeitsplätze schaffe. Man höre und staune!
Doch wen meint sie eigentlich mit „uns“? Gewiß nicht die oder auch nur einen Bürger der BR Deutschland, für den ein solches Abkommen nur katastrophale Nachteile bringt. Aber die Schattenseiten von TTIP werden wohlweislich ausgeblendet. Kein Wunder: Das Freihandelsabkommen hebelt Demokratie und Rechtsstaat aus, dient ausschließlich den Interessen der Konzerne, öffnet Privatisierungen Tür und Tor, begünstigt weitere Deregulierungen von Banken, bedroht unsere Gesundheit und bedeutet eine Kampfansage an Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz sowie die bäuerliche Landwirtschaft.
Doch nicht nur das: Auch beim Thema „Fracking“ werden zur Beruhigung der Menschen Nebelkerzen geworfen, um zu verschleiern, daß eine Erlaubnis dieser höchst umstrittenen, von zahlreichen Bürgerinitiativen heftig bekämpften Technologie längst beschlossene Sache ist. Nicht nur in diesem Punkt stehen Union und SPD Seite an Seite.
Politiker brechen laufend ihren Amtseid, Schaden vom Deutschen Volks abzuwenden. Trotzdem sitzt die Kanzlerin laut Umfragen fester denn je im Sattel, was immer man auch von solchen Umfragen hält.
Geht es um Wirtschaftsbelange, kann man sich darauf verlassen, daß unsere „Angie“ zur Stelle ist und als treibende Kraft gilt. Auch dort, wo die Ausbeutung von Bodenschätzen in Drittländern ohne jede Rücksicht auf Mensch und Umwelt erfolgt.
So sah Angela Merkel während eines Staatsbesuchs 2012 in der Mongolei bei der hochgiftigen Förderung der „Seltenen Erden“ große Chancen auf eine Zusammenarbeit. Daß die Bevölkerung durch diesen Raubbau massive Gesundheitsschäden davonträgt und ökologische Zerstörungen in Kauf genommen werden, interessiert sie offenbar nicht.
Wie wenig den Vertretern der „Großen Koalition“ das Thema Saubere Luft am Herzen liegt, die ja schließlich zum Atmen da ist, zeigt auch das Beispiel Filter-Nachrüstung für Diesel-PKW. Und es zeigt exemplarisch, daß Wahlversprechen nicht das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben stehen. Zur Erinnerung: Ein entsprechendes Förderprogramm von Umweltministerin Barbara Hendricks wurde entgegen den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag von Sozis und CDU/CSU abgeschmettert. Nicht nur, daß es sich hierbei um einen dreisten Wortbruch handelt. Auch wird abermals deutlich, wer in der Bundesregierung das Sagen hat. Nicht die Umweltministerin, sondern der Finanz- und Wirtschaftsminister.
Sämtliche bisher amtierenden Umweltminister, egal welcher Coleur, waren nach meiner Einschätzung nie etwas anderes als Konkursverwalter des von der Industrie als Verfügungsmasse betrachteten, unter den Kesseln der Konjunktur verheizten Naturkapitals, sondern fungierten quasi als Reparaturbetrieb des Wirtschaftswachstums. Denn ein Verzicht auf materielles Wachstum ist ja viel effizienter als jede Umweltgesetzgebung, die meist nur Symptome kurieren kann.
Der einem Machtmißbrauch gleichkommende, von sämtlichen Parteien gegenüber der Wirtschaft beharrlich verfolgte Schmusekurs, gipfelt häufig in der beliebten Redewendung, Ökonomie und Ökologie seien keine Gegensätze; sie gehörten zusammen. Diese bei jeder passenden Gelegenheit heruntergebetete Phrase soll meiner Ansicht nach nur eines bezwecken, nämlich daß in der Öffentlichkeit sehr umstrittene Projekte leichter durchgesetzt werden können.
Würde man es anders sehen, müßte zwangsläufig die Politik des permanenten Wachstums gestoppt werden. Und dies könnte ja die politischen Entscheidungsträger zu einer grundsätzlichen Kursänderung zwingen. Denn je erfolgreicher eine auf Wachstum fixierte Politik betrieben wird und der DAX, also das Stimmungsbarometer für börsennotierte Unternehmen, nach oben weist, desto schneller nehmen Armut, Ausbeutung, soziales Elend und Naturzerstörung zu.
Sogar Lebensmittel werden mittlerweile zum Spekulationsobjekt. Der globale Trend, Ackerland als solches zu erwerben, hat Deutschland erreicht. Konzerne, Kapitalfonds und finanzkräftige Privatinvestoren kaufen Land in der Hoffnung auf satte Gewinne. Auch der wachsende Bedarf an Lebensmitteln und die Förderung von Biogasanlagen locken Investoren. Besonders in Ostdeutschland kaufen sich branchenfremde Konzerne in die Landwirtschaft ein. Traditionelle Bauern können mit der finanzkräftigen Konkurrenz nicht mehr mithalten.
Grundsätzlich ist zu konstatieren, daß Reiche und Wohlhabende in diesem Staat sich alles einverleiben können und nicht daran gehindert werden.
Finanzielle Mittel wären genügend vorhanden, um den Ärmeren und Benachteiligten bei uns und anderswo ein auskömmliches Leben zu sichern. Viele von ihnen werden jedoch mit ihren Sorgen und Nöten im Stich gelassen. Sie müssen sehen, wie sie über die Runden kommen, zumal das Leben für die Mehrheit der Bürger ständig teurer wird bzw. immer größere Anstrengungen erfordert.
So müssen Menschen, die ihre Krankenversicherung bezahlen, trotzdem für den Erhalt ihrer Leistungen kämpfen, auf die sie Anspruch haben. Kein einziger Politiker, der sich „christlich“ nennt, kommt ihnen zur Hilfe, weshalb oft die Medien einspringen müssen, um ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen. Und zu allem Überfluß sollen sie dann auch noch die Konjunktur durch verstärkten Konsum auf Trab bringen.
Aber irgendwann, so besagt es eine Binsenweisheit, hat man genug, hat jeder genug, ist der Markt gesättigt. Das Geld sitzt bei den Bürgern ohnehin nicht mehr so locker, so daß es sich viele von ihnen drei Mal überlegen, ob sie etwa eine Urlaubsreise antreten, oder bei der Anschaffung diverser Gebrauchsgegenstände klugerweise Zurückhaltung üben, und auf welchen überflüssigen Schnickschnack sie ganz verzichten können.
Der eingeengte finanzielle Spielraum bringt die Leute zum Nachdenken. Der Oberklasse in diesem Land geht es doch nur deshalb so gut, weil sie auf Kosten derer lebt, die Tag für Tag ihre Pflicht tun, treu und redlich für sich und ihre Familien sorgen, den Staat nicht über Gebühr in Anspruch nehmen, und deren Lebensunterhalt häufig mit einem Job nicht zu bewerkstelligen ist.
Nach wie vor auf taube Ohren stößt bei den Verantwortlichen indes die von Sozialverbänden und „linken“ Politikern lautstark geforderte Umverteilung von oben nach unten. Durch die „Agenda 2010“ des Altkanzlers Gerhard Schröder stieg im Laufe der Jahre die Anzahl derjenigen Menschen, die zu Bittstellern wurden, dramatisch an. Das wiederum führt bei den Betroffenen zu einem Verlust des Selbstwertgefühls und dazu, daß sie völlig frustriert und demotiviert zur Arbeit gehen.
Um von ihrer Unfähigkeit einerseits und Sympathie für bestimmte Klientelgruppen andererseits abzulenken, lassen unsere Parlamentarier keine Gelegenheit aus, sich volksnah zu präsentieren.
Das ist beispielsweise beim Anstechen der Bierfässer in Festzelten zu beobachten, beim öffentlichkeitswirksamen Anpflanzen von Bäumen oder patriotisch gewürzten, die eigene Person und Partei beweihräuchernden Reden. Z
Zur Selbstdarstellung und damit verbunden Steigerung der Popularitätswerte bieten sich natürlich auch Fußball- Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele vortrefflich an. Damit lassen sich Handlungsdefizite, politische Fehlleistungen und Versäumnisse übertünchen bzw. vergessen machen. Aber nur vorübergehend. Denn die Bürger kann man nicht mehr so leicht für dumm verkaufen.
Andererseits – und auch das muß gesagt werden -, tragen aber auch Teile der Wählerschaft eine Mitschuld an dem ganzen Dilemma, in dem dieses Land steckt. Wähler sind nämlich immer auch ein Spiegelbild der herrschenden Politik.
Oder will jemand behaupten, die Wahlresultate mancher Abstimmungen auf Bundes- und Landesebene seien das Ergebnis intensiven Nachdenkens? Sollten die vor einigen Wochen durchgeführten Meinungsumfragen des ARD-Deutschlandtrends der Wahrheit entsprechen, wäre demnach ein Großteil der Bevölkerung mit der Arbeit der „GroKo“ zufrieden. So ein Urteil zeugt nicht gerade von Realitätssinn. Dazu paßt auch die immer noch von einer beträchtlichen Anzahl Menschen vertretene (irrige) Auffassung: „Man kann ja doch nichts ändern.“ So zum Beispiel in Sachen Fracking.
Diese durch nichts zu rechtfertigende, pessimistische Grundhaltung bringt uns jedoch keinen Schritt weiter. Es heißt nicht umsonst: Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. In der Tat wäre Resignation fatal!
Erfreulich ist zwar, daß die Menschen (notgedrungen) wacher geworden sind und sich mehr von ihnen in Bürgerinitiativen oder Umweltverbänden engagieren, woran auch das Internet seinen Anteil hat, durch das man heutzutage auf schnellstem Wege hochaktuell informiert wird und ebenso schnell reagieren kann. Doch die Zahl derer, die ihren Protest auf irgend eine Weise artikulieren und den Politikern die rote Karte zeigen, muß noch erheblich zunehmen. Solange es zu viele Leute gibt, die nach dem St. Florians-Prinzip nur gegen solche Bau- und Verkehrsprojekte protestieren, die ihr eigenes Wohnumfeld in Mitleidenschaft ziehen (so verständlich das ist), bleibt ihr Protest unglaubwürdig.
Wie verlogen die Politik ist, beweist auch das Märchen vom angeblichen Atomausstieg, der am 30. Juni 2011 als Reaktion auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima beschlossen wurde. Bis Ende 2022 sollen lt. Beschluß alle deutschen AKW`s abgeschaltet sein. Aber der so genannte Atomausstieg ist eine Mogelpackung. Denn laut Experten von ROBIN WOOD wird Deutschland auch weiterhin eine entscheidende Rolle in der Kernenergie spielen – bei der Anreicherung von Uran und der Produktion von Brennstäben.
Jedes Jahr rollen rd. 10.000 geheime Nukleartransporte durch Deutschland. Meist kommt die strahlende Fracht per Schiff in den Hamburger Hafen und wird von dort auf der Autobahn oder über die Schiene quer durch die Republik transportiert. Mal sind es Container mit Uranerzkonzentrat, das aus den Uranminen in der ganzen Welt nach Deutschland importiert wird, mal Tanks mit Uranhexafluorid, aus dem in Gaszentrifugen angereichertes Uran entsteht. Diese hochgiftigen Stoffe werden für die Herstellung von Brennstäben benötigt. Also findet dieser Atomausstieg bisher nur auf dem Papier statt.
Damit steht fest, daß auch der rot-schwarze Koalitionsvertrag die Handschrift diverser Lobbyverbände trägt. Die Weigerung von Merkels industriehöriger CDU, ökologisch schädliche Subventionen nicht abbauen zu wollen, fügt sich nahtlos in dieses Schema ein.
Lieber plant man übereifrig neue Autobahnen und Bundesstraßen und verschwendet dafür Steuergelder in Milliardenhöhe. Was jeden Normalbürger in diesem Staat aufhorchen läßt. Steuerbetrüger werden hierzulande bestraft. Das setzt man jedenfalls voraus und sollte für alle gelten. Steuerverschwender können dagegen ihr Unwesen treiben und werden nicht zur Verantwortung gezogen.
Was ist eigentlich an der CDU/CSU noch christlich und was an den Sozialdemokraten noch sozial? Wenn es um puren Machterhalt geht, werden Fundamentalpositionen notfalls im Schnellverfahren geräumt, die einstmals mit Zehen und Klauen verteidigt wurden. Probleme werden dadurch „gelöst“, daß man sie im Konsens weglächelt. Kaum einer, der noch auf seiner Meinung beharrt. Man macht sich gegenseitig etwas vor und handelt nach der Devise: Wer es vermeidet sich die Finger zu verbrennen, wer also nicht aneckt, kann auch nichts falsch machen.
Ich bin der festen Überzeugung, daß die Parteiendemokratie abgewirtschaftet hat. Von den zur Zeit regierenden Politikern sind keine bahnbrechenden, mutigen Weichenstellungen zu erwarten. Es gibt nirgendwo große Persönlichkeiten mit Weitblick mehr, die Visionen hätten und die dem nutzungsorientierten Lobbyismus die Stirn bieten, die uns und vor allem kommende Generationen mit begründetem Optimismus in eine lebenswerte Zukunft führen. Welchen Sinn macht es beispielsweise den „Tag der Artenvielfalt“ feierlich auszurufen, wenn kein Wille besteht sich von dem verhängnisvollen Wachstumszwang zu lösen.