In der gestrigen Ausgabe der Westfalenpost lese ich einen langen Artikel mit dem Titel „Ihr Dorf liegt den Züschern am Herzen“. Aufhänger ist eine Bürgerbefragung, die im vergangenen Jahr im Winterberger Stadtteil Züschen durchgeführt wurde. Gefragt hat eine ‚Arbeitsgruppe engagierter Bürger‘ in Zusammenarbeit mit dem Stadtmarketingverein.
Gastbeitrag: Unser Autor möchte nicht genannt werden, da er im eng gewebten Sozialraum des Hochsauerlandes Nachteile befürchtet. Das Foto hat ihm der Herausgeber spendiert.
Züschen hat Probleme
Im Artikel werden gravierende Problem Züschens wie zunehmende Leerstände von Wohnhäusern, ein Bevölkerungsrückgang um 10% in den vergangenen Jahren und die daraus resultierenden Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung der Infrastruktur genannt. Ziel soll es sein, die „Menschen für das Leben in den Dörfern (zu) begeistern und (zu) versuchen, neue Menschen für das Leben in der Region zu gewinnen.“
Wege aus der Krise?
Folgende Wege will Züschen gehen, um die Menschen für das Leben im Dorf zu begeistern: Die Weiterentwicklung des Tourismus, denn Gäste bringen Kaufkraft. Die Profilierung Züschens als „Dorf der Sinne“. Die bessere Information über Angebote im Dorf und schließlich die Vermittlung eines positiv besetzten Heimatgefühls bei der Jugend, um diese an die Region zu binden.
Wer hat den Text geschrieben?
Bei dem Text scheint es sich nicht um einen redaktionellen Artikel der WP zu handeln. Er ist weder namentlich gezeichnet, noch wird der Fotograf genannt. Kann ich also daraus schließen, dass der Verein für Stadtmarketing den Artikel selbst schrieb und der WP außerdem das Bild zur Verfügung stellte? Eine redaktionelle Sicht auf die Auslassungen des Winterberger Vereins finden sich im Text jedenfalls nicht.
Was fehlt: Arbeit, Frauen, Gleichberechtigung
Die Überlegungen des Vereins für Stadtmarketing greifen meines Erachtens zu kurz: Die Menschen wählen ihren Wohnsitz doch meist dort, wo sie Arbeit finden. Ohne Arbeit genügt keine Identifikation, kein Wohlfühlen und kein „Dorf der Sinne“, um sich in Züschen anzusiedeln.
Die Landflucht insbesondere von gut ausgebildeten jungen Frauen erwähnt der Stadtmarketingverein ebenfalls mit keinem Wort. Bisher wird diese Entwicklung in der Region kaum thematisiert. Dabei könnte das Sauerland an Ausstrahlung gewinnen, wenn es sich die gleichberechtigte Einbeziehung von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen zur Aufgabe machen würde.
Fazit: ein im Grunde genommen spannendes lokalpolitisches Thema wird leider nicht professionell – journalistisch, sondern als billige Abschreibe verschenkt.