Auf dem Weg in die Unwissensgesellschaft? Wenn Wissen zur Ware wird. Provokative Thesen in der WirtschaftsWoche

kompetenzmanagement
Ohne Kompetenzen geht im Bildungsbereich nichts mehr, auch nicht beim „DoKoLL“. (screenshot)

Von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, hat sich an deutschen Schulen und Hochschulen in den vergangenen Jahren ein fundamentaler Wandel vollzogen.

„Kompetenzen“ sind das neue Zauberwort von Bildungspolitikern, Schulleitern und Lehr- und Studienplanern. „Kompetenzen“ haben „Wissen“ und „Können“ ersetzt und sind heute quasi alternativlos. Wer die Kompetenzorientierung infrage stellt, gilt schnell als Hindernis im großen Schulentwicklungs- und Reformprozess.

Nun kommt Gegenwind. Ferdinand Knauß stellt in der Wirtschaftswoche die provokante These auf, wir seien auf dem Weg in die Unwissensgesellschaft. „Tatsächlich aber stirbt das Wissen, wenn es zur Ware gemacht und an den Schulen und Universitäten durch Kompetenzen ersetzt wird,“ so der Autor.

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Teatron Theater zeigt „Kinder von Damals“ in der Kulturschmiede Arnsberg

kindervondamalsplakatDas Teatron Theater Arnsberg ist ein Juwel in der Kulturlandschaft des Sauerlandes.

Im Blog haben wir über die gelungenen Reise in die 20er und 30er Jahre mit Kurt Tucholsky sowie die eigenwillige Inszenierung von Schillers Kabale und Liebe berichtet.

Kinder von Damals heißt das neueste Theaterprojekt über Kindheitserinnerungen an den Krieg und die Nachkriegszeit des  Teatron Theaters Arnsberg. In der Vorankündigung heißt es:

Zertretet die Gänseblümchen nicht! … die schönen Gänseblümchen, die nichts dafür konnten, dass wir um unser Leben liefen und dass Krieg war und dass die Front immer näher kam…
(aus: Kinder von Damals)

Es ist die Perspektive des Kindes, das den Krieg und die Nachkriegszeit zwar erlebt hat, aber das Erlebte oft nicht in seine kindliche Erfahrungswelt einordnen konnte, die das Theaterprojekt „Kinder von Damals“ in den Mittelpunkt stellt. Sätze tauchen auf wie „An Angst kann ich mich eigentlich nicht erinnern…schon an Bombennächte, die Sirenen, den Bunker… aber Angst?“, oder Fragen, die von den Erwachsenen oft nicht beantwortet wurden, wie „Meine Mutter sagt: Das sind Invaliden. Wo kommen sie nur her, was ist ihnen passiert, warum so viele?“

Zehn Teilnehmer/innen im Alter von 60 bis 74 Jahren haben ihre Erinnerungen an den Krieg und die Nachkriegszeit wieder zum Leben erweckt. Oft brauchte das Mut und brachte Schmerzvolles hervor, aber auch Erstaunen über das Vermögen der Kinder, trotz Bedrohung und Krieg die Geborgenheit in der Familie zu erleben, kindliche Freiräume zu schaffen, in denen auch Spiel und Freude möglich war. Über allem aber stand immer die Frage „Was hat das alles nur mit uns gemacht?“

Zum vollständigen Text geht es auf der Website des Teatron Theaters.

Termine:
28.11.2014 (Premiere) ausverkauft
29.11.2014
30.11.2014
Jeweils 20 Uhr
01.12.2014 um 16:00 Uhr
in der KulturSchmiede Arnsberg

Karten (10 €/ erm. 7 €):
Stadtbüros Arnsberg 02931 893 1143
und Abendkasse KulturSchmiede

Kommentar: Nationaler IT-Gipfel verheißt für Schulen und Bildung nichts Gutes

BildungsgipfelGestern schallerte mir Sigmar Gabriel aus dem Radio entgegen. Er sprach auf dem „Nationalen IT-Gipfel“ in Hamburg. Es ist schon kurios, einen Gipfel zur Informationstechnologie in Zeiten der Globalisierung „national“ zu nennen.

Deutschland müsse nun, so der Wirtschaftsminister von der SPD, bei der vierten, der digitalen industriellen Revolution eine führende Rolle übernehmen. – Warum eigentlich und warum gerade Deutschland?

Wenn ein Minister derart vollmundig eine Führungsrolle für sein Land fordert, dann stellt sich neben der Frage nach seinen Motiven auch die Frage nach den Mitteln.

Der NDR berichtet „…bis zum Jahr 2017 (werde) fast eine halbe Milliarde Euro an Fördermitteln bereitgestellt.“

Das hört sich prima an. Wer ein Land technisch nach vorn bringen will, wird sicher unten anfangen, in den Schulen. Er wird flächendeckenden Informatikunterricht einführen, zeitgemäße Ausstattung von Klassenräumen und moderne Lehrerarbeitsplätze finanzieren.

Auch der Minister hält die Schulen für wichtig und wünscht sich, „dass die digitale Kompetenz ganz oben auf den Lehrplänen in den Schulen und Universitäten steht“.

Gut, schreiben wir „digitale Kompetenz“ oben auf die Lehrpläne und klopfen uns auf die Schulter. Damit ist jedoch noch kein Beamer angeschraubt, kein WLAN installiert und keine Fortbildung finanziert.

Und was wünschen sich führende Wirtschaftsvertreter und Politiker sonst noch für die Schulen?

„Die Vermittlung von unternehmerischem Denken sollte mit flächendeckenden Bildungsangeboten bereits in der Schule beginnen und durch entsprechende Veranstaltungen an den Hochschulen ergänzt werden“, heißt es in einer Hamburger Erklärung.

Das verwundert, denn eben ging es noch um Informationstechnologie und 4. Industrielle Revolution – und nun soll plötzlich „unternehmerisches Denken“ vermittelt werden. Wie soll das aussehen? Börsenspiele und Gründungen von Schulfirmen statt Verbesserung der Ausstattungen in den Schulen des Landes?

Wer den Begriff „Schule“ im Maßnahmenpaket sucht, findet allenfalls die Erwähnung von „Berufsschulen“, deren Ausbildungsordnung „auf neue Inhalte und Anforderungen untersucht und bei Bedarf modernisiert“ werden soll.

Was bleibt? Vermutlich wieder nur Börsenspiele statt Bildung. Kompetenzen im Lehrplan statt Computer im Klassenraum. Unternehmerisches Denken statt kritischem Denken.

Übrigens: die Analyse politischer Reden wird in Nordrhein-Westfalen im Leistungskurs Deutsch nicht mehr behandelt. Das ist nur konsequent.

Sauerlandkurier schlachtet Kritiker und diffamiert Diskussion über sexistisches Plakat

Am 12. Oktober 2014 erschien im Sauerlandkurier ein Artikel des Chefredakteurs des anzeigenfinanzierten Blattes unter dem Titel: “Streit um Satire – Erregter Bad Fredeburger schaltet sogar Alice Schwarzer ein”.

In dem als Artikel verkleideten Kommentar findet sich der Stein des Anstoßes: das Plakat zur Walpurgisparty Arpe. Die Darstellung: eine weitgehend unbekleideten Frau, die sich am Hexenbesen rekelt, Teufelshörner trägt und dem Betrachter aggressiv die gespaltene Zunge entgegen streckt. Sie sieht zudem ziemlich verschlammt aus, halt so wie sich Männer Frauen vorstellen, die gerade aus der Hölle kommen.

Unter dem Plakat steht: „Dieses Plakat erregte den Unmut eines selbsternannten Bürgerreporters – er schaltete Alice Schwarzer und den Werberat ein.“

Das Plakat zur Walpurgisnacht in Arpe ist das eine: Es ist frauenfeindlich und damit für Karnevalsgesellschaften im Sauerland nichts Ungewöhnliches. Ebenfalls nicht ungewöhnlich ist die fehlende Sensibilität für sexistische Darstellungen.

So werden im Artikel die Organisatoren der Feier mit den Worten zitiert: „Wir haben inzwischen auch mit vielen Frauen über das Thema gesprochen, keine einzige hat sich durch die bildliche Darstellung auf dem Plakat diskriminiert gefühlt.“ – Diese Bemerkung sagt vermutlich mehr über die Mentalität in Arpe als über den frauenfeindlichen Charakter des Plakats aus.

Doch nun kommt der Chefredakteur des Sauerlandkurier Thorsten-Eric Sendler zum Zuge: Einen „erregter Bad Fredeburger“ habe das „von einem Fachmann“ entworfene Plakat „auf die Barrikaden“ gebracht.

Der „selbsternannte Bürgerreporter“ (hat der Mann sich wirklich als „Bürgerreporter“ bezeichnet, oder legt Sendler ihm dies in den Mund, um ihn zu diskreditieren?) habe, so Sendler, „seit geraumer Zeit nimmermüde mit seinen Texten zu allen möglichen Themen die Leserbriefspalten der Zeitungen“ gefüllt.

Der „Bürgerreporter“ habe, neben „diversen Zeitungen und Zeitschriften“ (explizit genannt wird hier keine einzige) auch Alice Schwarzer und der Werberat kontaktiert und einen „Feldzug“ geführt.

Nachdem die Karnevalsgesellschaften Arpe erklärte, sie werde das Plakat „des lieben Frieden willens“ nicht weiter verwenden, werde der Werberat den Vorgang nicht weiter untersuchen.

Der Bad Fredeburger kritisiert, so die Aussage Sendlers, dass die Hexenverfolgung durch das Plakat verharmlost werde und er habe einen Vergleich zur Judenverfolgung gezogen.

Hier nun schrien die Karnevalisten auf, die Kritik sei eine„absolute Frechheit“ und „geschmacklos“. Man werde in die rechte Ecke gesteckt und der Verein prüfe „ob er den sogenannten Bürgerreporter auf Schadensersatz und Rufschädigung verklagen kann“.

Sendler ergreift in seinem Kommentar eindeutig Partei. Er lässt den Karnevalisten breiten Raum, um ihr Plakat erneut zu rechtfertigen ( „eindeutig … von der der Geschichte losgelöste, zeitgemäße Interpretation des Hexenthemas“), um ihr eigenartiges Frauenbild, ihr merkwürdiges Geschichtesverständnis („…jedem klar denkenden Menschen muss eigentlich bewusst sein, dass das mit den Hexenverbrennungen in früheren Jahrhunderten nicht das Geringste zu tun hat.“) und ihren interessanten Satirebegriff darzulegen („Satire ist in der heutigen Zeit fast überall als Darstellungsform anzutreffen. Wer abends über die Privatkanäle zappt oder Magazine durchblättert, wird zuhauf fündig“). Ich vermute, die Karnevalisten verwechseln Satire mit Pornografie – und der Chefredakteur spielt mit.

Dem Journalisten des Sauerlandkuriers ist vorzuwerfen:

1. Er hebt eine sexistische und frauenfeindliche Darstellung in sein Blatt und verbreitet sie kritiklos.
2. Er macht die Angelegenheit der Karnevalsgesellschaften Arpe zu seiner eigenen Sache, indem er vermeintlich neutral die dort vertretenen Positionen abdruckt.
3. Er diffamiert kritische Zeitgenossen, indem er sie nicht als Personen, Menschen, Bürger, sondern wiederholt als „sogenannten Bürgerreporter“ bezeichnet. Er stellt deren Kritik als emotional motiviert, grundlos, unvernünftig, frech und geschmacklos dar.
4. Er versucht mit diesem Artikel jede Kritik und jeden Auseinandersetzung über ein durchaus zu kritisierendes Plakat auszuschalten.
5. Der Kritiker in Bad Fredeburg, von dem anzunehmen ist, dass er vor Ort bekannt ist, wird persönlich angegriffen, er wird an den Pranger gestellt. Der Streit um ein Karnevalsplakat wird zu einer persönlichen Abrechnung. Es geht nicht mehr um die Sache, sondern um die Person. Fraglich, ob eine derartige Auslegung der Pressefreiheit presserechtlich gedeckt ist.

*** In einem am selben Tag in Der Westen erschienen Artikel zum selben Thema wird der Fredeburger namentlich genannt, die Zeitung hat ihn befragt und seine Argumente ebenso genannt wie die Position des Karnevalisten. Es geht also offenbar auch ganz anders. ***

Wennemen – Bestwig – Wewelsburg. Das kurze Leben des Juden Günter Ransenberg

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Grab von Günter Ransenberg und seiner Mutter Mathilde auf dem Friedhof in Wennemen. (foto: zoom)

Am 24. Dezember 1926 geboren, wuchs Günter Ransenberg als drittes von sechs Kindern im kleinen sauerländischen Dorf Wennemen bei Meschede auf. Sein Vater Jakob musste den eigenen Metzgereibetrieb aufgrund der judenfeindlichen Nürnberger Rassegesetze aufgeben.

Am 15. April 1942 wurde der gerade fünfzehnjährige Günter im Konzentrationslager Niederhagen in Wewelsburg getötet. „Erhängen auf Anordnung des Reichsführers-SS” heißt es im Sterbebuch.

Günter war eigens zur Hinrichtung nach Wewelsburg gebracht worden. Sein „Verbrechen”?

Bereits als 14-jähriger begann Günter bei einem Tiefbauunternehmen zu arbeiten – der Schulbesuch war jüdischen Kindern seit 1938 untersagt. Günter musste den gelben Stern tragen, der ihn überall als Juden, Staatenlosen und Menschen ohne Rechte brandmarkte.

Anfang März 1942 arbeitete Günter „in einer Arbeitskolonne im Eisenbahnoberbau in der Nähe von Bestwig im Sauerland. In einer Frühstückspause warf er anscheinend in einer Gruppe von etwa gleichaltrigen Arbeitskollegen mit Schneebällen auf vorübergehende Mädchen.”*

Ein kleiner Vorfall, nicht jedoch während der Nazi-Diktatur: noch am gleichen Tag wurde Günter durch die Gestapo verhaftet und anschließend zur Hinrichtung nach Wewelsburg gebracht. Harmlose Schneeballwürfe waren in der Zeit eifriger Gestapo-, SS-Verbrecher eine „Rassenschande”, wenn dabei sogenannte „arische” Mädchen getroffen wurden.

Zwei Wochen nach Günters gewaltsamer Ermordung starb die Mutter an „Herzversagen“. Das Grab von Sohn und Mutter befindet sich auf dem kleinen Friedhof in Wennemen.

Vater Ransenberg wurde wenige Wochen später mit den drei jüngeren Kindern nach Theresienstadt abtransportiert. Die Geburtsurkunden tragen den Vermerk: „Gestorben in Theresienstadt am 1. August 1942.“

Der älteste Sohn Rolf wanderte in die USA aus, der zweitgeborene Friedel überlebte die Nazi-Herrschaft trotz früher Einlieferung ins Konzentrationslager.

* Dr. Karl Hüser, Wewelsburg 1933-1945, Kult- und Terrorstätte der SS, Paderborn S. 26.

Bitte lasst Sonderzüge nach Willingen fahren!

Zug
Zug fahren könnte so schön sein. Hier der RE 57 bei Bigge. (foto: johanna)

Willingen erfreut sich weit über die hessischen Grenzen hinaus großer Beliebtheit.

Kegelklubs aus dem Ruhrgebiet strömen regelmäßig in die Kleinstadt an der ostwestfälischen Grenze.

Die meisten Grüppchen und Trüppchen reisen mit dem Zug an, vorzugsweise freitags und gern direkt bis Willingen. Der RE 57, der freitags um 11.41 Uhr Dortmund verlässt, ist der Zug der Wahl.

Im Zug wird getrunken, geraucht, Partymusik schallert aus den Ghettoblastern und die gut gelaunten Gäste unterhalten sich übermäßig laut. Der Zug ist voll oder übervoll. Halt ein Partyzug.

Die Züge sind mit Kameras ausgestattet, der Schaffner kann sehen, was in seinem Zug geschieht. Dennoch interveniert das Zugpersonal nicht. Am mobilen Getränkeausschank gibt es neben Kaffee auch Bier, falls das eigene ausgehen sollte.

Um es klarzustellen: Ich habe nichts gegen Kegelklubs und Kegelwochenenden, von mir aus können alle nach Willingen fahren und dort ein fröhliches Wochenende verbringen.

Allerdings ist es ein Hohn, wenn übereifrige Bahnschaffner in einem Zug Jugendliche über Lautsprecher auffordern, ihre Füße von den Sitzen zu nehmen, während im anderen Zug Erwachsene rauchen und saufen dürfen. (Kotzen sollen sie auch gelegentlich, dann hat der Zug richtig Verspätung, weil erst geputzt werden muss.)

Wenn die Deutsche Bahn es nicht schafft oder nicht schaffen will, in den Zügen nach Willingen ihre Hausordnung durchzusetzen und ein akzeptables Umfeld für die übrigen Bahnkunden – zu denen auch Schulkinder gehören – zu schaffen, dann soll die DB bitte Sonderzüge einsetzen. Das wäre sicher auch im Sinne der Kegelbrüder und -schwestern.

Eine Willingenbesucherin wies richtig darauf hin, dass die Bahn für Fußballfans schließlich auch Sonderzüge einrichtet. Geht also.

“Snow2Go”, die neue Wunderwaffe gegen den Klimawandel? Zahlen und Hintergründe.

Gehören grüne Wiesen wie hier im Dezember 2013 bald der Vergangenheit an. Der "Snowmaker" soll es möglich machen. (archiv: zoom)
Gehören grüne Wiesen wie hier im Dezember 2013 bald der Vergangenheit an? Der „Snowmaker“ soll es möglich machen. (archiv: zoom)

Ab Dezember 2014, so die WP in einem Bericht vom 5. August, könnten im Winterberg Skigebiet Schneekanonen in Betrieb gehen, die auch bei Plusgraden Schnee produzieren.

(siehe auch: Schneemacher aus Israel soll Winterberger Skisaison retten – einige Hintergründe)

Natürlich geht es hier nicht nur um Winterberg, Winterberg ist ein Puzzlestück in einem großen Spiel: Wie die amerikanische Wirtschaftszeitung Bloomberg Businessweek berichtet, ist die Produktion von künstlichem Schnee mittlerweise ein milliardenschwerer Industriezweig geworden.

Die Hälfte der Österreichischen Skigebiete wird mit „falschem“ Schnee besprüht. Dabei benötigen die Skikanonen rund 468 Liter Wasser pro m² des teuren Weiß, dies entspricht ca. 200.000 Liter für gut die Hälfte eines Fußballfeldes. (Im Original: 500 000 gallons/acre of artificial snow)

Schneemacher in den Alpen verbrauchen laut Bloomberg Businessweek inzwischen mehr Wasser als Wien, eine Stadt mit 1,7 Mio. Einwohnern.

Dennoch können selbst in den Alpen herkömmliche Skikanonen eine auf Wintersport basierende Wirtschaft nicht mehr sichern. Die Schneeproduzenten traditioneller Bauart sind zu anfällig für Störungen. Sie benötigen Frost. Luftfeuchtigkeit über 70% mögen sie ebenso wenig wie Wind.

Schon vor einiger Zeit begannen Pitztal und Zermatt, die Vakuum-Technik der Firma IDE-Technology einzusetzen. Die Liftbetreiber können mit Hilfe dieser Technik Schnee bei jeder Außentemperatur produzieren. Auf chemische Zusätze kann nach Angaben der Firma verzichtet werden.

Snow2Go
So soll „Snow2Go“ nach Angaben des Produzenten aussehen. (Screenshot 07.08.2014; zum vollständigen Flyer bitte anklicken)

Waren die Schneemacher in Österreich noch riesig, so soll in Winterberg die neue, kleinere Variante der bereits in den Alpen und Nordamerika eingesetzten Snowmaker getestet werde, ein Schneemacher mit dem Namen „Snow2go“.

Zur Anlage gehört ein „Freezer“ von der Größe eines Containers. Er kühlt das Wasser herunter. Im Kühlraum, so IDE, wird das Wasser einem Vakuum ausgesetzt. Das Vakuum lässt einen kleinen Teil des Wassers verdunsten, während das übrige Wasser gefriert und eine Wasser-Schnee Mischung ergibt.

Diese Mischung wird anschließend vom „Freezer“ in die „Snow Gun“ gepumpt, welche das Wasser von den Schneekristallen trennt.

Nach Angaben der Firma IDE kann der “VIM 100 All Weather Snowmaker” pro Tag 200 m³ hochwertigen Schnee bei jeder Außentemperatur produzieren.

(Zur Verschaulichung: Wollte man beispielsweise 100 m mal 100 m beschneien, so erhielte man nach einem Tag eine 2cm hohe Auflage. Bei 4,5° C  könnte der Schneemacher 112 Tonnen Schnee herstellen.)

Der Stromverbrauch liegt ungefähr beim Sechsfachen einer regulären Schneekanone. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Künstlicher Schnee verbraucht enorme Mengen an Wasser und Energie.

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Technische Daten des All Weather Snowmakers nach Angaben von IDE. Zum Vergrößern bitte anklicken.

Durch die Unabhängigkeit der Schneeproduktion von der Außentemperatur könnte schnell der Wunsch bei Liftbetreibern, Hoteliers und Skibegeisterten aufkommen, die Skisaison bereits im Herbst beginnen zu lassen und bis in das Frühjahr auszudehnen.

Wintersport völlig unabhängig von der Jahreszeit scheint eine durchaus realistische Option geworden zu sein. Die Frage stellt sich: Wollen wir, will Winterberg Ski-Tourismus um jeden Preis?

Schneemacher aus Israel soll Winterberger Skisaison retten – einige Hintergründe

Waiting for the cold. Schneekanonen vor einem Rückhaltebecken in Winterberg (foto: zoom)
Haben sie bald ausgedient? Schneekanonen in Winterberg. (archiv: zoom)

Wie die WP heute berichtet, liebäugeln Winterberger Liftbetreiber mit neuen Schneemachern.

Die Rettung für die Sauerländer Mittelgebirge versprechen sie sich vom IDE All Weather Snowmaker, denn es sei “Never too warm for snowmaking”, niemals zu warm um Schnee zu produzieren, so die Israelische Firma IDE.

Über die Entwicklung des Schneemachers berichtete das Amerikanische Wirtschaftsblatt “Bloomberg Businessweek” Anfang 2014 unter der Überschrift: “How Israeli Snowmakers Are Saving Alpine Skiing”:

Wie Avraham Ophir Skilaufen lernte

IDEs Technologie Chef und selbsternannter „bester Skiläufer“ Avraham Ophir erzählt der amerikanischen Zeitschrift die lange und interessante Geschichte, wie er Schneeproduzent wurde.

Ophir wurde in Ostpolen geboren, sein Vater war Fabrikant, dessen Firma stellte  Terpentin her.  Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Ophirs Heimat zunächst zwei Wochen von den Deutschen okkupiert, dann kamen die Russen. Sein Vater,  Kapitalist, wurde inhaftiert und in ein Gulag in Nordsibirien gebracht. Die übrige Familie kam als  Angehörige eines Gefangenen nach Südsibirien.

Dort musste Ophir Skilaufen lernen. Sie hätten zwei einfache, aber sehr stabile Holzlatten genommen und ein Lederband darum gebunden. Ihre normalen Schuhe hätten sie in die Lederschlaufe gesteckt. So gelangten die Kinder damals zur Schule.

Wie Avraham Ophir zum Schneemacher wurde
Die Geschichte des Schneemachens begann ebenfalls in Sibirien. In Russland gab es einen jüdischen Ingenieur namens Alexander Zarchin, ein Zionist. Doch er war nicht nur Zionist, sondern auch Techniker und die Sowjets hätten ihn deswegen ins Lager geschickt, in den selben Gulag wie Avrahams Vater.

In Sibirien ist es sehr kalt und im Sommer regnet es selten. Der Gulag lag in der Nähe des Arktischen Ozeans. Für das Arbeitslager wurde Trinkwasser benötigt. Also hätten sie Tore geöffnet und Seewasser in eine Lagune umgeleitet. Am Ende des Sommers hätten sie die Tore wieder geschlossen. Das Wasser in der  Lagune wäre gefroren.

Wenn Meerwasser gefriert, trennen sich Wasser und Salz. „Eiskristalle aus Seewasser sind reines Wasser,“ erklärte Ophir.

Als nun der Sommer zurückkehrte und die Oberfläche zu tauen begann, pumpten Zarchin und die übrigen Gefangenen die salzhaltige Flüssigkeit aus der Tiefe der Lagune. Während sie pumpten, maßen sie den Salzgehalt und wenn er niedrig genug war, schlossen sie die Tore und ließen die Sonne den Rest des Eises schmelzen und gewannen so Trinkwasser.

Stolz erklärte Avraham Ophir gegenüber der Bloomberg Businessweek “So you see, need is the father of invention.“ (Not(wendigkeit) ist der Vater der Erfindung.)

Nach dem Krieg gelangte Ophir zunächst nach Polen und dann über die Alpen und Italien nach Israel. Zarchin, sein zukünftiger Chef, floh aus dem Gulag nach Israel, wo er schnell als Erfinder bekannt wurde.

Zarchin entwickelte zunächst eine Entsalzungsverfahren, basierend auf seinen Erfahrungen in Sibirien.

Er bildete den Sibirischen Frost mit Hilfe einer Vakuum-Kammer nach. Wenn der Druck unter 4 Millibar fällt, wird aus Salzwasser Eis und es verliert sein Salz. Er erhielt das Patent auf dieses Verfahren, welches in der Wüste Israels eine große Rolle für die Wassergewinnung spielt.

Erst sehr viel später, 2005, erkannte Ophir durch einen Zufall die Möglichkeiten der Technologie bei der Scheeproduktion. In Südafrika kühlte die IDE Vakuum-Eismaschine die tiefste Goldmine zwei Meilen unter der Erde.

Bei einer Besichtigung sah Ophir einen Berg an Schnee, der in der Afrikanischen Hitze produziert worden war. Er ließ sich Ski bringen, fand sie in Johannesburg und fuhr im Alter von 72 den Berg hinab. Nun ließ er einen Spezialisten kommen, der ihm die Qualität des Schnees bestätigte.

IDE lud Dutzende von Skigebiets-Verantwortlichen nach Südafrika, ließ zwei Schneeberge bauen und verbrachte zwei Tage mit den “guys” (Jungs), man aß gemeinsam, trank und anschließend hatte IDE die ersten beiden Aufträge: Zermatt und Pitztal.

Soweit der Bericht in Bloomberg Businessweek.

Hier einige Links zu Verfahren, Hintergründen und Folgen. Die Liste bietet einen ersten Einstieg und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

  • Es wird sechs mal mehr Energie verbraucht als bei den Schneekanonen. (Die WELT)
  • Der IDE All Weather Snowmaker kostet $2 Millionen. (Bloomberg Businessweek)
  • Schneeproduktion bis zu 30 Grad mit Hilfe einer „riesigen Anlage“, funktioniert ohne „Chemie“ . ORF 2, Oktober 2009
  • Snowmaker in Aktion, Film in schlechte Bildqualität, vermittelt einen Eindruck der Größe der Anlage in Pitztal ab 1:04min.

Filmtipp: ‚Philomena‘ im Filmtheater Winterberg am 23.06.2014 um 20.00 Uhr

Irland
Hotelzimmer in Irland (archiv: zoom)

Morgen Abend um 20.00 Uhr zeigt das Filmtheater Winterberg mit ‚Philomena‘ einen wichtigen und sehr sehenswerten Film, der auf einer wahren Begebenheit beruht.

Die junge Philomena Lee wird im stock-katholischen Irland der 50er Jahre schwanger. Ihrer Familie verstößt sie und schiebt sie ins Kloster ab. Dort bringt sie unter primitivsten Bedingungen ein Kind zur Welt. Die Oberschwester droht Philomena mit ewiger Verdammnis, sollte sie jemals über ihre Sünde  sprechen. Mit ihren kleinen Sohn darf Philomena nur wenig Zeit verbringen, bis er an eine wohlhabende amerikanische Familie verkauft wird.

Philomena bricht ihr Schweigen erst nach 50 Jahren, so groß sind Schuldgefühle und Angst. Gemeinsam mit dem Britischen Journalisten Marin Sixsmith macht sie sich auf die Spurensuche noch ihrem verlorenen Sohn. 2009 erscheint Sixsmiths Buch „The Lost Child of Philomena Lee“, dessen Schilderung der Odyssee der beiden Protagonisten die Vorlage des bewegenden und vielschichtigen Films liefert.

Der Film macht sehr deutlich, dass die katholische Kirche großes Unrecht gegenüber diesen jungen Frauen und ihren Kindern auf sich geladen hat.

Jüngste Funde in Irland zeigen zudem, dass vermutlich noch immer Verbrechen der irischen katholischen Kirche im Dunkeln liegen. So berichtete die Westfalenpost kürzlich über ein Massengrab von fast 800 Kindern im irischen Tuam. Am Fundort der zahllosen Knochen befand sich von 1925-1961 das „St. Mary’s Mother und Baby Home“, ein Heim für ledige Mütter, betrieben von katholischen Nonnen.

Die Westfalenpost berichtet auch über Vertuschung und Irreführung seitens der irischen katholischen Kirche und weist auf Parallelen zum Film „Philomena“ hin.

„Toleranz? – Kannste vergessen“ oder: Wenn der Sauerländer zum Lachen aus dem Keller kommt.

Dem Sauerländer wird gemeinhin nachgesagt, er gehe zum Lachen in den Keller.

Die Zeitschrift „Südwestfalen-Manager“ führt momentan eine „Imagefilm Award 2014“ durch. Unternehmen senden „spannende“ Filme ein, der Leser darf diese bewerten. Humor lässt bekanntlich tief blicken. Hier ein humorvolles Werbefilmchen gegen Toleranz – natürlich ganz doppeldeutig und lustig.

http://www.suedwestfalen-manager.de/imagefilm/swm/AE%20Keller%20Toleranzen%20Spot%20.mp4

Vielleicht sollten die Sauerländer auch weiterhin zum Lachen in den Keller gehen…