Sind Schottergärten nur eine Geschmacksfrage oder haben sie sonst noch einen Wert?

Fehlt im Schottergarten und ist hier im Naturgarten zu Gast : Der Buntspecht (Archivfoto: Karl Josef Knoppik)

Geschmack hin oder her. Bei Gärten und Parks gibt es viele andere und wichtigere Aspekte als Mode und Geschmack, meint die Sauerländer Bürgerliste (SBL).

(Der Beitrag ist in ähnlicher Form zuerst auf der Website der SBL erschienen.)

Welche Aspekte?
Da können wir es uns ganz einfach machen. Es genügt schon, nachzugucken, was die Gestaltungssatzung vom Städte- und Gemeindebund NRW in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Schottergärten“ sagt! Wegen Überlänge (24 Seiten) greifen wir hier unter bestimmten Gesichtspunkten nur einige markante und wichtige Aussagen und auch ein paar Paragraphen auf.

Flächenversiegelung

  • Versiegelte Flächen schaden dem Artenreichtum und beschleunigen das Insektensterben.
  • Sie wirken sich auch negativ auf das Mikroklima aus.
  • Sie verringern die Fläche, die zur Versickerung von Niederschlägen geeignet ist.
  • Bei Starkregenereignissen, bei denen die Niederschlagsmengen die Kapazität der Kanalisation überschreiten, können große Wassermassen nur oberflächlich abfließen und die öffentlichen Verkehrsflächen und privaten Grundstücke werden überflutet.

Artenschutz, Klimaschutz

  • Pflanzen senken Temperaturen durch Beschattung und Verdunstungskälte, filtern Staub und Lärm, nehmen Kohlendioxyd auf, spenden Sauerstoff, verbessern den Wasserhaushalt und dienen somit der Gesundheit aller Bürger.
  • Zum Schutz des Artenreichtums und des Mikroklimas können die Gemeinden in Bebauungsplänen nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 und 25a BauGB für Vorgartenflächen die Bepflanzung und Begrünung vorschreiben.
  • Nach Nr. 25a kann die Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern sowie sonstigen Bepflanzungen aus städtebaulichen Gründen, zu denen auch der Umweltschutz zählt, festgesetzt werden.

Hochwasserschutz bei Starkregenereignissen

  • Um die Versiegelung der besonders bei Starkregenereignissen zur Vermeidung von Hochwasserschäden benötigten Vorgärten zu verhindern, können die Kommunen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 16d BauGB im Bebauungsplan Flächen festsetzen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Niederschlagswasser freigehalten werden müssen, um Schäden durch Hochwasser und Starkregen vorzubeugen.
  • Bei der Aufstellung von Bauleitplänen sind gemäß § 1 Abs. 7 BauGB die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Diese Abwägung, bei der nach § 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB insbesondere auch die Belange des Hochwasserschutzes zu berücksichtigen sind, wird hinsichtlich der Verhinderung von Schäden durch Starkregenereignisse regelmäßig zugunsten des Verbots der Verschotterung ausfallen.

§ 8 Abs. 1 S. 1 BauO NRW

  • Ein weiterer Regelungsansatz ergibt sich für die Kommunen aus § 8 Abs. 1 BauO NRW. Diese Norm verpflichtet in Satz 1 den Grundstückseigentümer oder sonstigen Verfügungsberechtigten eines bebauten Grundstücks, die nicht überbauten Flächen mit gewissen Einschränkungen wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen und zu begrünen oder zu bepflanzen, soweit nicht durch Bebauungspläne oder andere Satzungen bereits Festsetzungen getroffen sind.
  • Die Zulässigkeit einer bauordnungsrechtlichen Ordnungsverfügung mit dem Inhalt, einen Vorgarten zu begrünen, wurde etwa durch das Thüringer Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 26.04.2017 (1 KO 347/14) bestätigt.

Bauordnungsverfügungen, Pflanzgebot und Baugenehmigungen

  • Die Durchsetzung der bauplanerischen Festsetzungen und des § 8 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW können durch bauordnungsrechtliche Ordnungsverfügungen sichergestellt werden.
  • Bereits der § 9 Abs. 1 BauO NRW a.F. verpflichtete zur Begrünung der unbebauten Flächen, sodass die in der Vergangenheit errichteten Schottervorgärten materiell rechtswidrig sind.
  • Die Pflanzfestsetzungen in Bebauungsplänen nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGBsind von der Kommune vor Ort selbst zu kontrollieren.

Weitere Instrumente und gute Beispiele

  • Die Bauberatung eignet sich, um die Bürger darüber aufzuklären, dass die Schottergärten tatsächlich nicht unbedingt pflegeleicht sind. Nach kurzer Zeit setzt sich Moos zwischen die Steinchen und müssen Gräser und Wildkräuter entweder kostenintensiv entsorgt oder die Steinchen aufwendig gereinigt werden.
  • Die Stadt Korschenbroich hat ein Förderprogramm zur Entsiegelung von Vorgärtenflächen aufgelegt. Danach sollen ab dem Haushaltsjahr 2020 Hauseigentümer und Eigentümergemeinschaften finanziell unterstützt werden, die ihre Vorgärten durch Rückbau von versiegelten Flächen und Schotterflächen in Grünflächen (Wildblumenwiesen, Staudenbeete, Gehölzflächen mit naturnaher Bepflanzung) wieder naturnah gestalten. Es muss eine Mindestfläche von 10 m² zurück gebaut werden, wobei sich die Eigentümer verpflichten müssen, die Begrünung mindestens 10 Jahre zu erhalten. Die Förderhöhe beträgt 2,50 €/m² bei einem Höchstbetrag von 500 € je Maßnahme.
  • Die Gemeinde Steinhagen hat in einem neuen Bebauungsplan folgende Festsetzungen getroffen: „Pflanzgebot in Vorgärten gemäß § 9(1) Nr. 25a BauGB: Die Vorgärten sind je Grundstück mit Einzel- und Doppelhäusern in den Teilflächen WA2, WA3, WA3 und WA4* zu mindestens 50 % und bei Reihenmittelhausgrundstücken in den Teilflächen WA2 zu mindestens 25 % als Vegetationsflächen (z. B. Rasen, Gräser, Stauden, Kletterpflanzen, Gehölze) anzulegen und dauerhaft zu erhalten. Kombinationen mit natürlich vorkommenden mineralischen Feststoffen (z. B. Kies, Bruchsteine, Bruchsteinmauer) sind bis zu einem Drittel der Vegetationsflächen zulässig. In den Vegetationsflächen ist nur die Verwendung von offen-porigen, wasserdurchlässigen Materialien zulässig. Dies gilt auch innerhalb des Bodenaufbaus. Wasserundurchlässige Sperrschichten wie z. B. Abdichtbahnen sind unzulässig.“ *Die Beschränkung auf Teilflächen kann wahlweise vorgenommen werden.
  • Die Stadt Xanten plant verstärkt Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 16d BauGB sowie nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB, bei denen die Versiegelung der Vorgärten möglichst gering zu halten ist und jene gärtnerisch anzulegen sind. Befestigte und bekies-te Flächen sollen lediglich als notwendige Geh- und Fahrflächen zulässig sein und müssen sich in ihrer Ausdehnung auf das für eine übliche Nutzung angemessene Maß beschränken.

Das ist jetzt eine etwas selektive Auflistung.

Alles weitere ist hier im PDF nachzulesen.

———

Mit dem Thema Naturgarten hat sich 2019 hier im Blog unser Autor Karl Josef Knoppik beschäftigt:

Der Naturgarten: Kleinod der biologischen Vielfalt – Refugium für die heimische Tier- und Pflanzenwelt

Umleitung: von der Streifenwanze über Laschet zu Verschwörungsmythen, Expressionisten, zur Emscher und zu Schottergärten

Eine Streifenwanze saugt am Wiesenkerbel. (foto: zoom)

Im Kosmos Tierführer heißt es, dass die Streifenwanze warme Böschungen und Wiesen an Südhängen bevorzuge, wo sie meist auf Doldenblütlern zu finden sei.

In der Tat saugte die 1 cm große Wanze gestern von morgens bis abends auf ein und demselben Wiesenkerbel Saft aus der Pflanze. Das war auch schon das Aufregendste, was ich gestern persönlich erlebt habe.

Was sonst noch passiert ist:

Laschet: Vor dem Gipfel ins Stolpern geraten … postvonhorn

Verschwörungsfragen: Ein Unterrichtsmodul für die Klassen 7 bis 12 zu Verschwörungsmythen … scilogs

Heimkehr in schwieriger Zeit: Hagener Osthaus-Museum kann seine Expressionisten endlich wieder zeigen … revierpassagen

Die Emscher: „Als ich vor 20 Jahren ins Ruhrgebiet kam, war es noch die stinkende v-förmige offene Betonabwasserrinne. Was seitdem entstanden ist, kann man nur erstaunlich nennen“ … paralipomena

„Schottergärten“: Untere Naturschutzbehörde sieht diese Modeerscheinung kritisch und listet ihre Nachteile auf … sbl

Umleitung: von Stolpersteinen über absurde Denkmäler zur Ethik im Osten bis zum CDU-Hoffnungsträger Merz

Straßenschraube … (foto: zoom)

Stolpersteine digital medialisieren: Eine Gedenkinitiative zum 9. November … scilogs

Von der Public History zum Vergessen: Archimob

Tief in den 90ern. Ethik im Osten: Wer nach den Ursachen für die Haltungen und Denkweisen der Nachwendegeneration sucht, sollte dabei deren damalige Lehrpersonen nicht ausser Acht lassen. Deren Grundhaltung war nämlich notwendigerweise extrem defensiv und opportunistisch … paralipomena

Denkmäler, die rumstehen #2 – Über den Rhein: Es ist immer wieder faszinierend, welch absurde Denkmäler in Deutschland so herumstehen und welch merkwürdige Ereignisse gewürdigt werden … schmalenstroer

Eine kurze Geschichte des Alkoholkonsums: Ein Podcast darüber, wie Alkohol und der Konsum von Alkohol Geschichte geprägt haben … zeitsprung

Eine Glosse zum Leistungsschutz: Chapeau und Schampus … charly&friends

In diesen Hallen wirken sie fast zierlich: Museum Küppersmühle zeigt Großformate von Emil Schumacher … revierpassagen

Auch eine alte Heimat: Gedenken an die Reichspogromnacht in Voerde … unkreativ

FDP-Populisten: Freie Bahn für Schotter“gärten“ … doppelwacholder

Schäden in Fichtenforsten: SBL/FW beantragt beim Landrat Sachstandsbericht … sbl

CDU-Hoffnungsträger: Wie gerecht ist Friedrich Merz? … monitor