Offener Brief an YouTube: Faktencheck-Organisationen aus der ganzen Welt fordern wirksame Maßnahmen gegen grassierende Desinformation

Essen, 11. Januar 2022. Mehr als 80 professionelle Faktencheck-Organisationen aus über 40 Ländern schicken heute, den 12. Januar, einen offenen Brief an die Chefin von YouTube, Susan Wojcicki.

(Pressemitteilung Correctiv)

In dem Brief fordern sie Wojcicki auf, mindestens vier Schritte zu unternehmen, damit das Unternehmen nicht mehr „einer der wichtigsten weltweiten Kanäle für Online-Desinformation und Fehlinformationen“ ist.

Zu den Organisationen, die den offenen Brief unterschrieben haben, gehören neben CORRECTIV.Faktencheck unter anderem die britischen Faktenchecker von Full Fact, Lupa aus Brasilien, Maldita aus Spanien, Africa Check sowie das Faktencheck-Team der Washington Post.

Die Faktencheck-Organisationen führen in ihrem Schreiben Beispiele für YouTube-Videos aus verschiedenen Ländern auf, die im realen Leben echten Schaden angerichtet haben, ohne dass die aktuellen Unternehmensrichtlinien gegriffen haben. Für die Faktencheck-Community sind dies nur einige Beweise dafür, dass die von YouTube eingeführten Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformation „unzureichend“ sind und „nicht funktionieren“. 

Die Faktencheck-Organisationen betonen, dass die Situation in nicht-englischsprachigen Ländern und im globalen Süden, wo die Richtlinien weniger effizient umgesetzt werden, noch schlimmer ist. 

Im Brief stellen die Faktencheck-Organisationen vier Forderungen an die Chefin von YouTube:

  1. Ein transparenter Umgang in Bezug auf die Verbreitung von Desinformationen auf der Plattform und die öffentliche Bekanntmachung von Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformation.
  2. Konzentration auf die Bereitstellung von Kontext statt auf das Löschen von Videos. Dies kann durch eine sinnvolle und strukturierte Zusammenarbeit mit Faktencheck-Organisationen und durch Investitionen in deren Arbeit erreicht werden.
  3. Maßnahmen gegen Wiederholungstäter, die Inhalte produzieren, die ständig als Desinformation gekennzeichnet sind, und Unterbindung, dass ihre Videos von den Algorithmen des Unternehmens empfohlen oder gefördert werden.
  4. Ausweitung dieser Bemühungen auf andere Sprachen als Englisch und Bereitstellung von länder- und sprachspezifischen Daten sowie von effektiven Transkriptionsdiensten.

Die Faktencheck-Organisationen weisen die Versuche von YouTube zurück, die Debatte als eine ausschließliche Wahl zwischen dem Löschen oder Nicht-Löschen von Videos darzustellen. Sie erinnern das Unternehmen an die mittlerweile verfügbaren Nachweise für die Wirksamkeit zusätzlicher, geprüfter Informationen, anstatt Videos einfach verschwinden zu lassen. Diese Lösung, so die Unterzeichnenden des Schreibens, „wahrt die Meinungsfreiheit und mindert gleichzeitig das Risiko einer Beschädigung von Leben, Gesundheit, Sicherheit und demokratischen Prozessen“.

In ihrer Mitteilung an Wojcicki drückten die Unterzeichnenden ihre Bereitschaft aus, mit YouTube zusammenzuarbeiten, um diese Forderungen umzusetzen und „YouTube zu einer Plattform zu machen, die wirklich ihr Bestes tut, um zu verhindern, dass Desinformation und Fehlinformation gegen ihre Nutzer und die Gesellschaft insgesamt eingesetzt werden“. 

In einem Treffen mit Wojcicki planen die Faktencheck-Organisationen, die in dem Schreiben angesprochene Problematik zu erörtern.

Lesen Sie hier den offenen Brief.

Drei Jahrestage: Zum 3. Juni 1969, 21. Juni 1949 und 7. Juli 1964

Zum 21. Juni 2019: Offener Brief an die Warsteiner Bürger

70 Jahre ist es her, daß „C.T.R. Gordon für Regional Governmental Officer“ das Schreiben „Betr.: Errichtung von Denkmälern und Unterhaltung von sowjetischen Gräbern. Bezug: Ziffer 4 unseres Schreibens vom 6. Mai 1949-NRW/RGO/526-“ an das „Innenministerium Land Nordrhein-Westfalen, z.Hd. Dr. S. [Name gekürzt] zeichnete, in dem u.a. die Forderung wiederholt wurde, „daß ein kleiner Stein auf jedes Einzelgrab gelegt wird (wo der Name des Toten bekannt ist) und sein Name darauf geschrieben wird“ (1)

Aber in Warstein kümmerte man sich nicht darum (2).

„Gedenk“-Stein auf dem Städtischen Friedhof in Warstein an der Bilsteinstraße (Photo vom Juni 2018: Thelen-Khoder)

Gregoriy Jakowlew, Nikolai Pezimachow, Nikolai Karpenko, Michael Pamasenko, Iwan Popow und Jan Sadowski erhielten keine Grabsteine, und ihre Namen, die einmalauf Holzkreuzen standen, sind verschwunden – seit wann, weiß ich nicht. Und so habe ich einen „Offenen Brief“ (3) geschrieben und hoffe, daß wir diesen Zustand zusammen ändern können!

 

Hier waren einmal „6 Einzelgräber, die mit Kieselsteinen eingefaßt, mit Blumen bepflanzt und mit Namensaufschriften auf Holzkreuzen versehen“ waren.

Zum 3. Juni 1969: Die Verwaltungsvorschrift zum Gräbergesetz

50 Jahre ist es her, daß im „Bundesanzeiger. Herausgegeben vom Bundesjustizminister der Justiz. G 1990 A“ die „Bekanntmachung der Neufassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gräbergesetz. Vom 21. Mai 1969“ veröffentlicht wurde. Aber in Meschede kümmerte man sich nicht darum (4).

„Auf dem Grabzeichen sollen in gut lesbarer, dauerhafter Schrift mindestens Vor- und Familienname, Geburts- und Todestag des Bestatteten, bei Ausländern auch die Staatsangehörigkeit angegeben sein.“ (Photo vom April 2019)

Zum 7. Juli 1964: „Nachlaß: 2 Ausweise, Maria Daniwagoz“-Geresheimer Glashütten“

„Umbettungsprotokoll“ Nr. 88 vom 10.8.1964 vom „Russenfriedhof, Grab 14“ zum „Waldfriedhof ,Fulmecke’ in Meschede, Nr. 166“: „Nachlaß: 2 Ausweise, Maria Daniwagoz“-Geresheimer Glashütten“ (5)

Der „Tag der Ausbettung“ war der 7. Juli 1964,die „Umbettungen“ fanden vom vom 26.6. bis 21.7.1964 statt. Die gefundenen Papiere und Ringe der Ermordeten vom Langenbachtal hat man einfach wieder vergraben. Sie liegen demnach seit 55 Jahren in Meschede auf dem „Franzosenfriedhof“; denn: „Die schwache Hoffnung, vielleicht doch irgendeine Form von Identitätsnachweis zu finden, hat sich nicht erfüllt.“ (6)

Zu „irgendeine Form von Identitätsnachweis“ siehe
„Nachlässe der ermordeten sowjetischen Zwangsarbeiter gefunden: 1945, 1947, 1964 und 2018. Aus den Prozeßakten (Arnsberger Prozeß von 1957/1958)“
https://www.schiebener.net/wordpress/wp-content/uploads/2018/12/133.-Nachl%C3%A4sse-ermordeter-sowjetischer-Zwangsarbeiter-1945-1947-1964-2018.pdf
und
„Der ,Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.’ zu seinen Funden von 1964 im Langenbachtal“
https://www.schiebener.net/wordpress/wp-content/uploads/2019/03/143.-Der-V.d.K.-e.V.-zu-seinen-Funden-von-1964-im-Langenbachtal.pdf

Wenn die in den Umbettungsprotokollen des „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.“ vom 10.8.1964 angegebenen Ausweise (Maria Daniwagoz, Gerresheimer Glashütten), Ausweisreste (Bora Pronka) und beschrieben Ringe bei den Grabungen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe von den Archäologen nicht gefunden und tatsächlich „wieder mit ins Grab gegeben“ wurden: Werden dann auch auf Meschedes Waldfriedhof Grabungen vorgenommen, vielleicht zum 55. Jahrestag? Von „Totenruhe“ kann bei diesen Menschen ja seit Jahrzehnten keine Rede sein.

Immer wieder stelle ich mir vor, wie Familienmitglieder die Gräber ihrer Lieben besuchen wollen und diese Steine finden – und schäme mich als Deutsche in Grund und Boden. Wahrscheinlich höre ich deshalb die Schreie der Toten so laut: Ihre Klagen auf Würde aus ihren Gräbern heraus!

Lebendige Vergangenheit …

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Anmerkungen:

(1) Vollständige Abschrift in „Grabsteine? Zu den Akten!“ auf https://www.schiebener.net/wordpress/wp-content/uploads/2018/01/24.-Grabsteine.-Zu-den-Akten.pdf

(2) „ … dass ein kleinerer Stein auf jedes Einzelgrab gelegt wird (wo der Name des Toten bekannt ist) und sein Name darauf geschrieben wird
https://www.schiebener.net/wordpress/wp-content/uploads/2018/06/69.-%C3%9Cberall-bekannte-sowjetische-Unbekannte.pdf

(3) „Zum 21. Juni 2019: Offener Brief an die Warsteiner Bürger“
https://www.schiebener.net/wordpress/wp-content/uploads/2019/06/160.-Zum-21.6.2019.-Offener-Brief-an-die-Warsteiner-B%C3%BCrger.pdf

(4) „Die Verwaltungsvorschrift zum Gräbergesetz und der ,Franzosenfriedhof’ in Meschede. Der Bundesminister des Innern“
https://www.schiebener.net/wordpress/wp-content/uploads/2019/03/144.-Der-Bundesminister-des-Innern.pdf

(5) „Ein weiterer Name vom Langenbachtal: Maria Daniwagoz – Geresheimer Glashütten. Das Umbettungsprotokoll (U.-Nr. 88) im Stadtarchiv Warstein“
https://www.schiebener.net/wordpress/wp-content/uploads/2018/03/38.-Ein-weiterer-Name.pdf

(6) https://www.youtube.com/watch?v=Kf0OfBZcTf4

Nachgelegt: Ein Statement von 80+ Youtubern

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=Xpg84NjCr9c

 
 

„Rezo ja lol ey
Am 24.05.2019 veröffentlicht
Hier ist der Text nochmal in schriftlicher Form. Ich hab es zeitlich nicht geschafft, noch mehr YouTuber zu fragen. Jeder Youtuber, der noch mit unterzeichnen möchte, kann sich gerne irgendwie melden.
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Dies ist ein offener Brief. Ein Statement. Von einem großen Teil der Youtuber-Szene.
Am Wochenende sind die EU-Wahlen und es ist wichtig wählen zu gehen. Aber es ist genauso wichtig, eine rationale Entscheidung bei der Wahl zu treffen, die im Einklang mit Logik und Wissenschaft steht.

Es gibt viele wichtige politische Themen, aber nach der Risiko-Hierarchie hat die potentielle Zerstörung unseres Planeten offensichtlich die höchste Priorität. Jedes andere Thema muss sich hinten anstellen.

Die irreversible Zerstörung unseres Planeten ist leider kein abstraktes Szenario sondern das berechenbare Ergebnis der aktuellen Politik. Das behaupten nicht wir, sondern das ist der unfassbar große Konsens in der Wissenschaft. Die Experten sagen deutlich, dass der Kurs von CDU/CSU und SPD drastisch falsch ist und uns in ein Szenario führt, in dem die Erde unaufhaltsam immer wärmer wird, egal was wir tun. In dieser Welt sterben nicht nur viele Tierarten aus, sondern auch viele Menschen. Für die Überlebenden nehmen Krankheiten zu, Billionen wirtschaftliche Schäden entstehen und es werden hunderte Millionen Flüchtlinge kommen, die nicht für ein paar Jahre sondern für immer in anderen Ländern untergebracht werden müssen.
Darin ist sich die Wissenschaft sicher. Hier geht es nicht um einzelne Expertenmeinungen, denn die kann man immer finden. Nein, es ist ein überwältigender Konsens unter Wissenschaftlern, der sich auf unzählige unabhängige Studien und Untersuchungen stützt …“

…. weiterlesen unter dem Video bei YouTube

Sauerländer Bürgerliste kritisiert Berichterstattung der Westfalenpost: „Was ein Journalist durch Weglassen von Informationen bewirken kann… „

Auf ihrer Website kritisiert die Sauerländer Bürgerliste/FW einen Artikel in der heutigen Ausgabe der Westfalenpost Meschede über die Kreistagssitzung vom vergangenen Freitag. Dem Autor wird selektive Berichterstattung, das Weglassen von wichtigen Informationen, vorgeworfen.

Den WP-Artikel selbst kann ich hier leider nicht verlinken, da er (noch?) nicht im Internet zu finden ist. Wer die Papier-Ausgabe für Meschede hat, lese dort nach.

Das ausführliche eigene Protokoll der SBL/FW hatte ich gestern hier veröffentlicht.

Es folgt ergänzend die Stellungnahme der SBL/FW zum WP-Artikel:

„In den letzten Wochen gab es öfters Diskussionen über die Qualität der heimischen Lokalpresse.
Einen besonders drastischen Anlass für solche Diskussionen liefert in der heutigen WP-Ausgabe der Leiter der Mescheder WP-Redaktion mit seinem Bericht über die gestrige Sitzung des Kreistags unter der Überschrift “Beschluss über Asylverfahren abgelehnt”.
Das Problem dieses Artikels besteht nicht in unwahren Tatsachenbehauptungen bzw. in “alternativen Fakten”, sondern im Weglassen von mehreren wichtigen Informationen.

Dazu vier Beispiele:

1. “Linkspartei und SBL hatten den außerplanmäßigen Termin beantragt. Einzig wesentlicher Tagesordnungspunkt: die Dublin-III-Verordnung”.

Das ist formal richtig. Es fehlt aber, dass der Antrag der beiden Fraktionen ausgelöst wurde durch einen vorher auf Kreisebene nicht beachteten Offenen Brief des überparteiischen “Bürgernetzwerk Flüchtlingshilfe Sundern”. Die Flüchtlingshilfe hatte auf die jetzt im Winter besonders großen Gefahren bei vom Kreisausländeramt durchgeführten Abschiebungen z.B. nach Italien hingewiesen, infolge der Flüchtlingen dort drohenden Obdachlosigkeit.

2. “Linkspartei und SBL forderten, ‘alle vorhandenen zeitlichen und rechtlichen Spielräume vor allem während der Wintermonate auszunutzen’… Eine Mehrheit aus CDU, SPD und FDP stellte fest: Der Kreistag habe gar keine Kompetenz für einen derartigen Beschluss.”

Hier ist das Zitat unseres Antrag an entscheidender Stelle unvollständig. Denn der Resolutionsantrag begann mit den Worten: “Der Kreistag fordert den Landrat auf, … alle vorhandenen Spielräume …”. Bei derartigen Angelegenheiten darf der Kreistag tatsächlich keine verbindlichen Beschlüsse für ein Handeln oder Unterlassen des Landrats beschließen. Aber eine Aufforderung oder Empfehlung an den Landrat durch den Kreistag ist selbstverständlich immer und zu allen Angelegenheiten der Kreisverwaltung zulässig! In dem Artikel fehlt jeder Hinweis, dass bei der Zuständigkeit des Kreistags zu unterscheiden ist zwischen einem verbindlichen Beschluss über die Vorgehensweise und einer bloßen Aufforderung an den Landrat.

3. Und mit Bezug auf die vorherige Kreistagssitzung am 12.01.2018 steht in der WP: “Bereits in deren Vorfeld oder sogar in der Sitzung hätten die Antragsteller die Erweiterung der Tagesordnung beantragen können.”

Theoretisch stimmt auch das. Ein Antrag einer Fraktion muss dann in die Tagesordnung aufgenommen werden, wenn er 14 Tage vor einer Kreistagssitzung gestellt wurde. Nach Ablauf der 14-Tage-Frist können zwar weitere Tagesordnungspunkte wegen Dringlichkeit beantragt werden. Aber sie kommen nur dann auf die Tagesordnung, wenn der Kreistag die Dringlichkeit in seiner Sitzung ausdrücklich mit Mehrheit bestätigt. Das hat in den letzten Jahren in all diesen Fällen nicht funktioniert, weil die GroKo diese Anträge der Opposition ablehnte. Kurzfristig beantragte Punkte erscheinen dann nie auf der Tagesordnung.
Die einzige Möglichkeit einen Punkt auf die Tagesordnung zu bekommen, ist daher ein Antrag vor Ablauf der 14-Tage-Frist, und das ging nur im Rahmen einer weiteren Sitzung. Darauf haben die Antragsteller in der Kreistagssitzung am Freitag deutlich hingewiesen; im WP-Bericht wird es nicht erwähnt.

4. Zur Vollständigkeit einer seriösen Berichterstattung gehört auch die vom Landrat selbst zu Beginn der gestrigen Sitzung gegebene Darstellung, dass der Brief aus Sundern bereits am 14.12.2017 im Kreishaus eingegangen war, aber von der Kreisverwaltung erst am 04.01.2018 an die Kreistagsmitglieder weiter geleitet wurde. Der Landrat sagte gestern zu, dass das künftig besser klappen soll. Damit wurde deutlich, dass hier der für die Vorbereitung entscheidende Fehler im Kreishaus passiert ist. Denn wenn die Kreisverwaltung die Weiterleitung des Briefes innerhalb von 12 Tagen geschafft hätte, dann hätte jede Fraktion ihn rechtzeitig auf die Tagesordnung setzen lassen können. Auch zu dieser wesentlichen Ursache für die zusätzliche Sitzung schweigt die WP!“

Hochsauerlandkreis – Kreistagssitzung II-2018 … war eine der schnellsten: Sitzungsverlauf und Ergebnis.


Die gestrige Kreistagssitzung war eine der schnellsten. Beginn 15.00 Uhr, Ende knapp 15.25 Uhr – das ist so außergewöhnlich wie der Sitzungsanlass. Wir schreiben „Freitag, den 26.01.2018“.

(Der Artikel ist heute zuerst auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen.)

Grund und Anlass
Die Fraktionen DIE LINKE und Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW) hatten am 15.01.2018 gemeinsam die unverzügliche Einberufung des Kreistags beantragt. Grund dafür war wiederum der „Offene Brief“ des Bürgernetzwerkes Flüchtlingshilfe Sundern vom 11.12.2017, den das Netzwerk an den Landrat geschickt hatte, auch zur Weiterleitung an die Kreistagsmitglieder.
In diesem Brief weisen die Autoren darauf hin, dass aus dem HSK z.B. nach Italien abgeschobene bzw. überstellte Flüchtlinge dort unter unmenschlichen Verhältnissen leben müssen, ohne Unterkunft und ohne medizinische Versorgung. Das sei besonders im Winter Anlaß zu sehr großer Sorge um das Schicksal dieser Menschen.

Die Mitglieder des HSK-Kreistags wurden leider aber erst mit ca. 3 Wochen Verspätung über den „Offenen Brief“ in Kenntnis gesetzt, also erst zu einem Zeitpunkt, als die Fraktionen keine Anträge für die Tagesordnung der Kreistagssitzung am 12.01.2018 mehr stellen konnten.

Ergebnis der von DIE LINKE und SBL/FW beantragten Kreistagssitzung
Das Resultat ist ernüchternd, wenn auch so erwartet. Salopp könnten wir es so beschreiben. Der Kreistag hat mit großer Mehrheit beschlossen, dass er nicht zu entscheiden hat. Mit 4 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen (vorausgesetzt, wir haben das auf die Schnelle richtig mitbekommen) folgte der Kreistag der Auffassung der Verwaltung, dass es sich bei Rückführungen nach dem Dublin III-Abkommen um ein „Geschäft der laufenden Verwaltung“ handele und der Kreistag noch nicht einmal eine Empfehlung an den Landrat beschließen dürfe.

Wer war da?
Der Sitzungssaal war mit Kreistagsmitgliedern und Verwaltungsmitarbeiter/innen verhältnismäßig gut gefüllt. Vertreter der örtlichen Presse ließen sich nicht ausmachen. Auf der Tribüne saßen insgesamt acht Zuhörer/innen.

Was lag an?
DIE LINKE- und die SBL/FW-Fraktion brachten zu Sitzungsbeginn ihre gemeinsame Resolution ein. Ganz kurzgefasst lautet der Inhalt:
Der Hochsauerlandkreis solle bei der Überstellung von Flüchtlingen, die unter das Dublin III-Abkommen fallen, alle vorhandenen zeitlichen und rechtlichen Spielräume vor allem während der Wintermonate ausschöpfen.
Seitens der Verwaltung gab es dazu schon eine Beschlussempfehlung. Sie lautete: „Ablehnung!“
Was ja dann auch passierte. Siehe oben!

Zum Sitzungsverlauf
Wer äußerte was? (Achtung, nicht chronologisch und auch nicht vollständig!)

Der Landrat
… eröffnet die Sitzung und entschuldigt die verspätete Weiterleitung des „Offenen Briefes“ mit „Weihnachten“ und „urlaubsbedingten Ausfällen“. Der Brief sei bereits am 14.12.2017 im Kreishaus eingegangen und erst am 04.01.2018 an die Kreistagsmitglieder weiter geleitet worden. Die Verspätung sei keine Absicht gewesen. Künftig solle dies nicht mehr vorkommen.
… äußert dann, sie wüssten von den vielen mit den Abschiebungen verbundenen Schicksalen.
Seine Behörde arbeite jedoch nach geltendem Recht.
… betont, über Einzelfälle sei ihm nichts bekannt.
… antwortet auf die Frage des SPD-Fraktionsvorsitzenden zum Dringlichkeitsantrag, wenn es zur letzten Kreistagssitzung einen Dringlichkeitsantrag gegeben hätte, wäre der auch auf die Tagesordnung gekommen.

Reinhard Loos, Sprecher der SBL/FW-Kreistagsfraktion
…. stellt klar, SBL/FW und DIE LINKE hätten nicht behauptet, dass der „Offenen Brief“ mit Absicht von der Verwaltung verzögert worden sei und bat, mit Hinweis auf einen ähnlichen Fall, zukünftig solche Infos zügig weiter zu leiten.
… stellt als Reaktion auf die vom Landrat beantwortete Frage vom SPD-Vorsitzenden nach dem Dringlichkeitsantrag fest, dass solche Anträge bisher immer von der Mehrheit des Kreistags abgelehnt worden sind, die Angelegenheit dann nie auf die Tagesordnung gekommen wäre und betont: „Wir hatten keine andere Möglichkeit mehr.“
… weist daraufhin, dass die ½ -Jahres-Frist für die Rücküberstellung eines Flüchtlings in ein EU-Land nicht ab Bescheid sondern ab Zustimmung (des aufnehmenden Landes) gilt.
… macht eine Anmerkung zu der Problematik „Wohnsitzauflage – entfernter Arbeitsplatz“ und fragt, wieso der HSK diesbezüglich eine andere Regelung darstelle als beispielsweise die Bezirksregierung.
… widerspricht entschieden der Auffassung des Landrats die besagt, Empfehlungen des Kreistags seien bei Angelegenheiten, die der Landrat als „Geschäft der laufendes Verwaltung“ betrachtet, nicht zulässig und deswegen könne sich der Kreistag auch gar nicht damit befassen.

Stefan Rabe, stellvertretender Sprecher der SBL/FW-Kreistagsfraktion
…hinterfragt die Zahl der betroffenen Personen sowie die der noch nicht bearbeiteten Fälle.
… macht auf eine Widersprüchlichkeit in der Verwaltungsvorlage aufmerksam.

Dietmar Schwalm, Sprecher der Kreistagsfraktion DIE LINKE
… fragt die Verwaltung, ob sich die Ausländerbehörde dafür interessiert, die Lage der aus Sundern nach Italien ausgewiesenen Geflüchteten zu hinterfragen, und ob sich die Kreisverwaltung beim Bürgermeister der italienischen Partnerstadt von Sundern nach der Situation der Flüchtlinge erkundigt habe.

Toni Vollmer, Fraktionssprecher der Kreistagsfraktion der Grünen…
… bestätigt, die Verwaltung arbeite nach Recht und Gesetz. Jedoch sollte die Ausländerbehörde ihren Ermessensspielraum ausschöpfen.
… spricht das aktuelle Kirchenasyl in Meschede an und fragt, ob es im Kreisgebiet weitere Fälle von Kirchenasyl gibt.
… hinterfragt, die 1/2-Jahresfrist bei Dublin III-Fällen

Reinhard Brüggemann, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion
… erkundigt sich beim Landrat, ob nicht die Möglichkeit bestanden hätte, den „Offenen Brief“ als Dringlichkeitsantrag auf die Tagesordnung der letzten Kreistagssitzung zu nehmen.

Ludwig Schulte, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion
… bestätigt, er sei der gleichen Auffassung wie die Verwaltung. Der Kreistag sei nicht zuständig und kritisiert, dass die Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises mit der Ausländerbehörde der Stadt Arnsberg verglichen wird.

Leiter der Ausländerbehörde
… betont, das Ausländeramt habe keine Ermessensspielräume.
… bestätigt zwei aktuelle Kirchenasylfälle im Zuständigkeitsbereich des Kreisausländeramts und merkt an, in diesen Fällen sei das Ausländeramt außen vor.
… stellt klar, dass bei Dublin III-Fällen die 1/2-Jahresfrist grundsätzlich gelte, unabhängig vom Kirchenasyl.
… stellt dar, für den Fall, dass der Bescheid vollziehbar ist, müsse zeitnah zurückgeführt werden (gemeint sind die Rückführungen von Geflüchteten in das Land, über das sie zum ersten Mal einen EU-Mitgliedsstaat betreten haben. Im Fall der abgeschobenen Flüchtlinge aus Sundern ist es Italien).
… antwortet auf die Frage von Dietmar Schwalm, die Beurteilung der Lage in Italien sei Sache des Bundesinnenministeriums und des BAMF. Seines Wissens gebe es in der Partnerstadt in Italien keine Probleme.
… informiert, ein Asylbewerber dürfe sich maximal drei Tage außerhalb seines Wohnsitzes aufhalten, damit ihn die für ihn bestimmte Post erreiche.

Soweit zum Sitzungsverlauf und zum -ergebnis.

Siehe auch:
http://sbl-fraktion.de/?p=8233

Wie geht es weiter?
Es geht weiter. Mehr dazu in Kürze.

Wann sollen JournalistInnen die Herkunft von Tatverdächtigen nennen? Die neue Richtlinie des Presserats verleitet zu Zirkelschlüssen und Framing.

Der oben zitierte Tweet ist mir heute aufgefallen. Er verlinkt auf einen Offenen Brief der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung „Journalismus auf Augenhöhe“ im November 2017 in Darmstadt vom 25. Januar 2018.

Die TagungsteilnehmerInnen setzen sich kritisch mit der neuen Richtlinie 12.1 des Presserats vom 22. März 2017 auseinander. In diesem Teil des Kodex geht es um die Frage, wann JournalistInnen die Herkunft von Tatverdächtigen nennen sollen.

Beim Presserat findet man eine Gegenüberstellung von alt und neu.

Bisherige Richtlinie 12.1 – Berichterstattung über Straftaten

In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.

Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.

Neue Richtlinie 12.1 – Berichterstattung über Straftaten (Gültig ab 22.03.2017)

In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse.

Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.

Quelle: Presserat (PDF)

Die Kritik im Wortlaut:

„Insbesondere die Formulierung, für die Erwähnung der Zugehörigkeit zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten solle ein „begründetes öffentliches Interesse“ bestehen, erscheint den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern dieses Briefes als Einladung zum Zirkelschluss:

Das öffentliche Interesse wird durch die Medienberichterstattung hergestellt. Ein Narrativ des öffentlichen Diskurses, das einer bestimmten Minderheit ohne Sachbezug Straftaten unterstellt, könnte ein solches öffentliches Interesse begründen und würde dadurch Vorurteile verfestigen.

Zudem stellt sich die Frage, wie man den sehr unscharfen Begriff eines „öffentlichen Interesses“ definiert und wer entscheidet, wann es begründet ist. Mit der neuen schwammigen Formulierung wird den Redaktionen keine Entscheidungshilfe mehr an die Hand gegeben.

Sich an einem begründeten öffentlichen Interesse zu orientieren und diskriminierende Berichterstattung zu vermeiden, ist für seriösen Journalismus selbstverständlich. Der Paragraph könnte in seiner jetzigen Form ersatzlos gestrichen werden.

Wir halten es allerdings für wichtig, dass der Presserat zu dieser gesellschaftlich relevanten Frage Stellung nimmt. Die alte Formulierung der Richtlinie, nach der ein begründeter Sachbezug gefordert war, formulierte eine klare Position

Nach unserer Ansicht bestand kein Anlass, diese Formulierung zu ändern.

Die Neufassung berücksichtigt zu wenig, dass Fakten stets im Kontext sogenannter Frames von Journalistinnen und Journalisten versehen und vom Publikum rezipiert werden.

Vorurteile sind in solchen Frames und Narrativen zwischen den Zeilen enthalten, oft ohne dass deren diskriminierender Gehalt rkennbar ist. Sie werden auf diese Weise reproduziert.“

Quelle: https://www.schader-stiftung.de/fileadmin/downloads/pdf/PDF_dynamische_Contents/Projekte_2017/V_17-22_Journalismus_in_der_Krise/Offener_Brief_zu_Richtlinie_12.1._des_Pressekodex.pdf

Link zur Tagung der Schader-Stiftung: https://www.schader-stiftung.de/themen/kommunikation-und-Kultur/fokus/journalismus/artikel/journalismus-auf-augenhoehe-das-publikum-die-glaubwuerdigkeit-und-die-neuen-kommunikationsstile/

Dublin III und Abschiebepraxis im HSK: Sondersitzung des Kreistags auf Antrag von DIE LINKE und Sauerländer Bürgerliste/FW

Wie gestern berichtet, haben sowohl die Partei DIE LINKE als auch die Sauerländer Bürgerliste die unverzügliche Einberufung des Kreistags gemäß § 32 Abs. 1 Satz 3 Kreisordnung NRW mit folgenden Tagesordnungspunkten beantragt:

  1. Bericht des Landrats und der Kreisverwaltung über die Vorgehensweise bei sog. Überstellungen von Flüchtlingen in andere Mitgliedsstaaten der EU aufgrund des Dublin III-Abkommens.
  2. Beschlussfassung der Kreistags über eine Empfehlung des Kreistags an den Landrat zum Umgang mit sog. Dublin III-Fällen.

Der Landrat hat dem Antrag unverzüglich stattgegeben. Die Sitzung wird am 26. Januar um 15 Uhr stattfinden.

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Der Antrag von DIE LINKE und Sauerländer Bürgerliste kann hier als PDF nachgelesen werde:
SBL_LINKE_Antrag Dublin III-mU_15.01.2018

DIE LINKE und Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW) beantragen gemeinsam die unverzügliche Einberufung des Kreistags

Anlass des gemeinsamen Antrags von DIE LINKE und Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW) ist der Offene Brief des Bürgernetzwerkes Flüchtlingshilfe Sundern vom 11.12.2017 an Landrat und Kreistag.

(Der Beitrag ist heute zuerst auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen.)

Verzögerungen
Bedauerlicherweise hat die Kreisverwaltung diesen Brief erst 3 Wochen nach Eingang an die Kreistagsfraktionen weitergeleitet. Damit hatten die Fraktionen aus Fristgründen keine Möglichkeit mehr, den „Offenen Brief“ auf die Tagesordnung der Kreistagssitzung am 12.01.2018 setzen zu lassen. Es wäre auch wünschenswert gewesen, wenn der Landrat den Kreistag bereits in der vorletzten Sitzung am 15.12.2017 über diesen Brief informiert hätte.

Inhalt des „Offenen Briefes“
In diesem Brief weisen die Autoren darauf hin, dass aus dem HSK z.B. nach Italien abgeschobene bzw. überstellte Flüchtlinge dort unter unmenschlichen Verhältnissen leben müssen, ohne Unterkunft und ohne medizinische Versorgung. Dies führt insbesondere im Winter für die Betroffenen zu sehr großen Gefahren. “Wir machen uns extreme Sorgen um diese Flüchtlinge”, schreibt das Bürgernetzwerk. Unter dem Brief stehen 49 Namen.

Bürgerin aus Sundern nutzt Einwohnerfragestunde im Kreistag
In der Einwohnerfragestunde am 12.01.2018 hat eine Bürgerin aus Sundern die Situation in Italien und die Lage der dorthin aus Sundern abgeschobenen Menschen geschildert, wie es auch in dem Offenen Brief der Flüchtlingshilfe Sundern dargestellt ist. Die Fragestellerin äußerte, dass Italien mit der großen Zahl von Flüchtlingen überfordert sei. Frau H. bat darum, dass der HSK zumindest in den Wintermonaten auf Abschiebungen verzichtet. Sie fragte auch, warum aus dem Kreishaus keine Reaktion auf den Offenen Brief der Flüchtlingshilfe Sundern erfolgt ist und warum es so lange dauerte, bis er den Kreistagsmitgliedern von der Verwaltung zugestellt worden ist.

Dublin-Verfahren
Die zuständige Abteilungsleiterin antwortete im Auftrag des Landrats, sprach vom Dublin-Verfahren und dass das Kreisausländeramt die Anordnungen des BAMF auf der Basis von dessen Beurteilungen der Lage in anderen Ländern durchführen müsse. Der HSK hätte in diesen Fällen keine Möglichkeit, Duldungen auszusprechen. Die der Fragestellerin gegebenen Antworten waren nicht nur für sie, sondern auch für andere Besucher und für mindestens zwei Fraktionen völlig unbefriedigend.

Was die Statistik sagt
Gegen die Richtigkeit der Darstellung der Kreisverwaltung spricht bereits die Statistik. „Im Jahr 2015 wurden bundesweit 44.892 Übernahme-Ersuchen aus Deutschland an andere Mitgliedstaaten nach Dublin III gestellt; 29.699 davon wurde stattgegeben – im Endeffekt wurden 3.597 tatsächlich überstellt.“

[http://www.frnrw.de/fileadmin/frnrw/media/downloads/In_eigener_Sache/Newsletter/Newsletter_Februar_2017.pdf; Seite 4]

Nur bei 8,0% aller Übernahmeersuchen und nur bei 12,1% aller von den Partnerstaaten akzeptierten Übernahmeersuchen kam es im Jahr 2015 tatsächlich zur sog. Überstellung in ein anderes EU-Land. Es muss daher zahlreiche Möglichkeiten geben, Übernahmeersuchen nicht zu vollziehen.

Verfahrensweise der HSK-Ausländerbehörde im Vergleich zu der des Ausländeramts Arnsberg
Aus der ebenfalls zum Kreisgebiet gehörenden Stadt Arnsberg, die wegen ihrer Größe eine eigene Ausländerbehörde unterhält, ist uns eine andere Verfahrensweise bekannt. Dort wird sehr behutsam mit dem Instrument Abschiebung bzw. Überstellung umgegangen. Bisher wurde uns nicht bekannt, dass die Regierungspräsidentin bzw. der Regierungspräsident die Stadt Arnsberg zu restriktiverem Vorgehen bei Abschiebungen und Überstellungen gezwungen hat. Auch in der Sitzung des Arnsberger Ausschusses für Soziales, allgemeine Bürgerdienste und bürgerschaftliches Engagement am 07. März 2017 wurde die Arnsberger Verfahrensweise bestätigt. Die Arnsberger SPD-Ratsfraktion stellte in einem Antrag vom 14.06.2017 an den Stadtrat fest, dass die “eigene Ausländerbehörde auf Abschiebungen bislang fast vollständig verzichtet hat. Schon auf der Ebene des Kreises ist dies bereits anders.”

Die Situation in Italien und anderen EU-Ländern
In diversen aktuellen Lagebeschreibungen werden die katastrophalen Verhältnisse für Flüchtlinge in einigen anderen EU-Ländern benannt. Als Beispiel verweisen wir auf die Presseeinformation von “ProAsyl” vom 06.07.2017 “Flüchtlinge und Italien nicht im Stich lassen”
[https://www.nds-fluerat.org/25068/pressemitteilungen/pro-asyl-fordert-fluechtlingeund-italien-nicht-im-stich-lassen/].

Und noch einmal die Frage nach dem „WARUM“
Zwei Fraktionen im HSK-Kreistag stellen sich die Frage, warum die Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises Ermessensspielräume nicht feststellt und ausschöpft?

Nicht auf die lange Bank schieben!
Da derzeit Winter ist, duldet die Angelegenheit im Interesse der betroffenen Menschen keinen Aufschub, so dass die Fraktionen DIE LINKE und Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW) eine umgehende Befassung des Kreistags mit der Angelegenheit für erforderlich halten. Die nächste Kreistagssitzung war bisher für den 16.03.2018 geplant und liegt damit zu spät für die zu beratenden Themen.

„Postausgang“ am 15. Januar
Wir haben hiermit den gemeinsamen Antrag der beiden Kreistagsfraktionen fast 1 zu 1 zitiert. Bleibt noch anzumerken, dass er am 15.01.2018 an Landrat Dr. Karl Schneider abgesandt worden ist.

Wie geht es weiter?
Einen Beschlussvorschlag zu TOP 2 werden DIE LINKE- und die SBL/FW-Fraktion einbringen, sobald ihnen nähere Auskünfte der Kreisverwaltung zu TOP 1 vorliegen, ggf. während der von ihnen beantragten Sitzung des Kreistags.

Die Fraktionsvorsitzenden Dietmar Schwalm und Reinhard Loos schreiben abschließend in ihrem Antrag an Herrn Dr. Schneider:
“Falls Sie, Herr Landrat, uns vorschlagen, dass Sie die Thematik erst in der Kreistagssitzung am 16.03.2018 behandeln möchten, muss aus unserer Sicht gewährleistet sein, dass bis zu diesem Zeitpunkt der Ermessensspielraum der Ausländerbehörde genutzt und keine Überstellung eines Flüchtlings aufgrund von Dublin III in ein anderes EU-Land vorgenommen wird. Unter dieser Voraussetzung wären wir damit einverstanden, dass die von uns beantragte zusätzliche Kreistagssitzung nicht stattfindet und die beantragten Tagesordnungspunkte erst am 16.03.2018 vom Kreistag erörtert werden.“

Gegen Abschiebungen nach Italien: Offener Brief des Bürgernetzwerks Flüchtlingshilfe Sundern

Das Bürgernetzwerk Flüchtlingshilfe Sundern hat dem Kreistag in Meschede eine offenen Brief übergeben, den wir an dieser Stelle veröffentlichen.

 

Offener Brief der „Falken NRW“ zur Anti-G20-Demo: Zeit für Solidarität – Zeit für Demokratie und Aufklärung

Gelsenkirchen. (falken_nrw) Offener Brief der SJD – Die Falken NRW zur 4-stündigen Gewahrsamnahme ihres Busses mit Minderjährigen und jungen Erwachsenen auf dem Weg zur Anti-G20 Demonstration

Die Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken (SJD – Die Falken) sind ein unabhängiger und selbstorganisierter, politischer und pädagogischer Kinder- und Jugendverband.

Unser Verband ist Teil der Arbeiter*innenjugendbewegung und aus der Selbstorganisation junger Arbeiter*innen entstanden. Seit 113 Jahren vertreten bei uns Kinder und Jugendliche ihre Rechte und Interessen selbst und kämpfen für eine andere Gesellschaft.

Unser Ziel ist eine Gesellschaft, die auf Freiheit, Gleichheit und Solidarität gründet. Wir sind Mitglied des Landesjugendring NRW und in vielen Städten und Gemeinden vertreten.

Am 08.07.2017 organisierten wir einen Bus zur Großdemonstration „Grenzenlose Solidarität statt G20“ in Hamburg, um an den dortigen Demonstrationen gegen den Gipfel teilzunehmen. Auch in den Tagen vorher waren Freund*innen in Hamburg und haben sich am Gegengipfel, dem Schüler*innenstreik von „Jugend gegen G20“ und bei Akten des zivilen Ungehorsams (wie Streiks und Sitzblockaden) beteiligt.

In besagtem Bus saßen 44 junge Menschen (einige von ihnen minderjährig). Neben Falken waren dort auch Mitglieder der Grünen Jugend NRW, der DGB Gewerkschaften und der Alevitischen Jugend NRW anwesend. Unsere Anreise war über das Bündnis „Jugend gegen G20“ in Hamburg offiziell bei der Polizei und dem ZOB (Zentraler Omnibusbahnhof Hamburg) angekündigt.

Ab ca. 7.00 Uhr wurde unser Bus von mehreren Polizeiwagen eskortiert, die verhinderten, dass wir von der Autobahn abfuhren. Erst gegen 7.45 Uhr wurden wir auf einen Rasthof unmittelbar vor Hamburg geleitet.

Vor Ort standen ca. 30 Polizist*Innen die sich ihre Schutzausrüstung anzogen und den Bus umstellten. Uns wurde mitgeteilt, dass in Kürze weitere Kräfte hinzukommen, die unseren Bus durchsuchen würden.

Einige Zeit später tauchten 50 BFE’ler*innen (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten) auf, die in voller Montur die vorherigen Polizist*innen ablösten. Sie setzten ihre Helme auf und zogen sich Handschuhe an. Einzelne BFE’ler machten Drohgebärden in Richtung unserer Jugendlichen. Der Einsatzleiter stellte klar, dass von uns „ab sofort keine hektischen Bewegungen mehr durchzuführen“ seien. Sowohl in dem Moment, aber auch später blieben alle jungen Menschen ruhig und besonnen, trotz dieses massiven, einschüchternden Aufgebotes.

Einige Zeit verging, ohne dass etwas passierte. Schließlich teilte uns der Einsatzleiter mit, dass wir nun in ein „gesichertes Objekt“ gebracht würden, um dort unsere Personalien aufzunehmen und uns zu durchsuchen. Danach könnten wir dann „möglicherweise zur Demonstration weiter“. Das BFE stieg bewaffnet und vermummt in unseren Bus und verließ den Bus später nur im Austausch gegen andere BFE’ler*innen.

Wir wurden erneut in einer Eskorte von ca. 10 Polizeifahrzeugen zu einem uns nicht bekannten Ort gebracht. Erst kurz vor der Einfahrt erkannten wir, dass es sich um die Gefangenensammelstelle (GeSa) in Hamburg-Harburg handelte.

In der GeSa angekommen wurden wir einzeln nacheinander heraus gebeten, und wurden durchsucht. Dabei war die Behandlung sehr unterschiedlich. Einige wurden neutral behandelt – andere wurden geschlagen, mit ihren Händen auf dem Rücken abgeführt oder ihnen wurden Handschellen angedroht. Einige der Jugendlichen mussten sich komplett nackt ausziehen (andere bis auf die Unterwäsche) und wurden dann intensiv abgetastet. Bei den WC-Gängen mussten bei allen die Türen offen bleiben. Der Hinweis, dass wir Minderjährige im Bus haben, ein Jugendverband sind und zu einer angemeldeten Demonstration wollten spielte dabei keine Rolle.

Während der gesamten Prozedur wurde uns nicht klar gesagt, was mit uns passieren soll. Die Aussagen der Polizei gegenüber den Abgeführten reichten von „Ihr dürft bald weiter fahren“, „Ihr bleibt in der GeSa bis morgen Abend“, bis „Ihr werdet nun dem Haftrichter vorgeführt“. Scheinbar hatten alle Polizist*innen andere Informationen. Den Jugendlichen im Bus wurde jegliche Information verweigert.

Obwohl unseren Jugendlichen in Gewahrsam ein Anruf (und den Minderjährigen sogar zwei) zugestanden hätte, wurde dieser nicht gewährt. Kontakt zu Anwält*innen konnten nur diejenigen herstellen, die noch im Bus saßen. Bis die Polizei den im Bus sitzenden allerdings endlich sagte, dass gerade der gesamte Bus in Gewahrsam genommen wird, saß bereits ein Drittel unserer Freund*innen in den Zellen.

Nachdem etwa die Hälfte der Jugendlichen abgeführt worden war, änderte sich das Verfahren schlagartig. Die Verbleibenden wurden weder durchsucht, noch wurden ihre Personalien kontrolliert. Nach jeweils einem kurzen Gespräch mit einem Polizisten wurden sie alle wieder zurück in den Bus geschickt, dabei sollte zunächst jeder auf einen einzelnen Doppelsitz und auch die Kommunikation untereinander war nur bedingt erlaubt. Nach ein bis zwei Stunden wurden die Anderen nach und nach entlassen und bekamen ihre Sachen zurück. Gegen 12.20 Uhr waren endlich alle wieder im Bus und wir konnten los zur Demonstration, die bereits um 11 Uhr begonnen hatte. Die Stimmung war trotz dieser Behandlung entschlossen, solidarisch und friedlich.

Wir sind aktuell in Kontakt mit Anwält*innen, die uns beraten, ob und inwiefern wir juristisch vorgehen können.

Erst im Nachhinein und in den vergangenen Tagen berichteten unsere Jugendlichen über ihre Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit und der Einschüchterung, der sie ausgesetzt waren. Einige von ihnen brauchen aktuell psychologische Unterstützung. Wir stehen natürlich auch in engem Kontakt mit ihnen und versuchen sie zu unterstützen, wo es möglich ist.

Neben dieser akuten Erfahrung sind für viele die Reaktionen im Internet, Medien und in ihrem Umfeld (Schule, Betrieb und Familie) belastend. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie selbst Schuld seien, wenn sie gegen den G20-Gipfel demonstrieren und, dass solch ein Verfahren notwendig und legitim sei, um für die Sicherheit des G20-Gipfels zu sorgen.

Für uns ist aber klar: Jugendliche, die in einem angemeldeten Bus zu einer angemeldeten Demonstration fahren, ohne Grund vier Stunden lang darin zu hindern, kann und darf nicht legitim und normal sein. Wir wollten gegen Krieg, Armut und Kapitalismus demonstrieren – dagegen dass die meisten von der Politik der G20 Betroffenen dort kein Wort mitreden können. Wir haben nicht und werden niemals schweigend zusehen, wie Diktatoren, die in ihren Ländern die Opposition unterdrücken, Menschen mit unliebsamer Meinung einsperren und Minderheiten verfolgen, in Hamburg – oder anderswo – hofiert werden.

Unser Protest ist legitim und demokratisch – anders als die faktische Aufhebung der Gewaltenteilung letztes Wochenende in Hamburg. Neben unserer in Gewahrsamnahme, gab es weitere ähnliche Fälle. Außerdem gab es Einschränkungen der Pressefreiheit, Demonstrationsverbote auf insgesamt 40 km², Behinderung der Arbeit von Rechtsanwält*innen (namentlich dem RAV), Versuche den Demonstrierenden erst gerichtlich die Camps zu verbieten, und sie anschließend trotz gerichtlicher Genehmigung zu räumen, einen generellen Verdacht gegen alle Demonstrant*innen, eine Ignoranz der Unschuldsvermutung und generell vollkommen unverhältnismäßige Eingriffe.

All dies wird von uns klar als Repression gegen unser politisches Engagement wahrgenommen. Klar ist aber auch: wir lassen uns trotzdem nicht einschüchtern! Gerade jetzt machen wir weiter und werden demonstrieren, uns organisieren und bilden. Das bedeutet für uns konkret, dass wir eine solidarische Debatte in der linken Bewegung brauchen, wie wir mit dem vergangenen Wochenende in Hamburg umgehen und wie wir weiter machen.

Wir gehen weiter auf die Straße, um für eine gerechtere Welt zu kämpfen. Dafür braucht es aber eine Polizei, Politik und Justiz, die berechenbar ist und auf dem Boden der Gesetze arbeitet.

Jetzt braucht es klare Solidarität von unseren Freund*Innen und Verbündeten, die dieses Vorgehen der Polizei kritisieren, uns den Rücken stärken und sich gegen den Abbau von demokratischen Rechten aussprechen!

Freundschaft!

Paul M. Erzkamp, Landesvorsitzender SJD – Die Falken, LV NRW,

12.07.2017

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offener_brief_sjd_die_falken_nrw_g20_zeit_fuer_solidaritaet.pdf