Umleitung: Geschichte, Kultur und Medien – von der Transformation in Ökonomie, Industrie und Gesellschaft zu den Osteopathen

Die Wolken ballen sich über dem Hochsauerland. (foto: zoom)

Die 4 Phasen der Technik-Transformation in Ökonomie, Industrie und Gesellschaft: Einhergehend mit der fortschreitenden Automatisierung und der Digitalisierung wird künstliche Intelligenz als neuste technologische Errungenschaft unser Leben umkrempeln … endoplast

Lebenslänglich: Am Anfang waren die Schilder. Bunt gemalt, mit ungelenker Schrift stehen sie am Rand der Landstraßen rund um zwei kleine Orte an der Grenze zwischen Pfalz und Hunsrück. Ein Freund, der in der Region lebt, gab den Hinweis auf den Menschen, der die Schilder malte. »Kannst Du da mal hinfahren? Das musst Du unbedingt fotografieren. Vielleicht triffst Du auch diesen Typen, der steht dort immer am Straßenrand und winkt den Leuten zu.« … heikerost

“Freundin der Kinder” – die Hammer Autorin Ilse Bintig: „Wenn ich erst mal pensioniert bin, schreibe ich ein Buch.“ Das ist ein Satz, den man als Autor gelegentlich von ambitionierten Menschen hören kann, und es ist besser, nicht darauf zu antworten. Warum sollte man jemandem seine Hoffnungen nehmen? Denn nach allen Erfahrungen gilt, dass man im Alter nicht etwas neu beginnen kann, was man vorher nicht geübt hat … revierpassagen

Sieht der Presse ähnlich: Martin schluchzte leise, der Stammtisch nahm den öffentlich-rechtlichen Kollegen reihum in den Arm. Oooch, was ist denn? „Politiker, Wutbürger, alle trampeln auf uns herum“, flüsterte er. „Und jetzt wollen die Verleger schon wieder gegen uns klagen.“ Wir stutzten. Weswegen denn diesmal? … charly&friends

For what it is ‘worth’? Neoliberalism and Public History: Does Public History offer a resistance to technocratic marketisation of universities, suggesting a ‘different’ type or citizenship? Might Public History provide a means to challenge neoliberal market-driven models of knowledge? … publicHistory

Osteopath – ein Zuggespräch, das ich nicht überhören konnte: Auszüge aus den Gesprächen von Hannoveraner Arztgattinnen/Ärztinnen im Zug von Hamburg nach Lübeck, Ende September 2008 … harbuch

Der deutsche Wald – Ökonomische Nutzung und ökologische Nachhaltigkeit. Teil 2: Der phantastische Aufstieg der Fichte zum Brotbaum der Forstwirtschaft und ihre Entzauberung durch menschliche Ignoranz und kurzsichtiges Renditedenken

Dunkle Fichten und das helle Grün der Buchen: hier ausnahmsweise in der Mehrzahl (foto: zoom)

Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts, im Jahre 1820, hielt die forstlich attraktive Nadelbaumart Fichte bei uns im Sauerland Einzug. Dies war zugleich auch die Geburtsstunde der forstlichen Plantagenwirtschaft, die auf dem Konzept der so genannten Bodenreinertragslehre gegründet war.

(Den ersten Teil der beiden Artikel kann man hier nachlesen.)

Diese Plantagenwirtschaft hatte eine maximale Verzinsung des Bodenkapitals zum Ziel. Man wollte den Wald wie einen Acker bewirtschaften – mit Kahlschlägen und dem großflächigen Anbau nur einer einzigen Baumart. Der Altersklassenwald war entstanden.

In ihm stehen die unterschiedlich alten Bäume nicht auf einer Fläche, sondern nach Alter räumlich getrennt auf jeweils verschiedenen Flächen. Alles ganz exakt, geometrisch angeordnet und maschinell geerntet. In der Folge wurden die Flächen durch Neupflanzung wieder aufgeforstet.

Schon Heinrich Heine spottete über die Akkuratesse der Deutschen: Zitat: „In jeder Bewegung ein rechter Winkel.“

Nadelholzmonokulturen – wie vom Reißbrett – sind auch nach dem Orkan Kyrill unverändert dominant. Wieder nichts gelernt? (Foto: K. J. Knoppik)

Mit der Zeit häuften sich jedoch die Schäden durch Schnee- und Eisbruch, Sturm und Insektenfraß. Zudem verursacht der sich aus dem Altersklassenwald ergebende Kahlschlagbetrieb radikale Eingriffe in die Lebensgemeinschaften des Waldes.

Die Orkane „Vivien“ und „Wibke“, „Lothar“ und „Kyrill“ sowie verheerende Stürme in Niedersachsen bereits zu Anfang der 1970er Jahre belegen eindeutig und überall sichtbar dieses gescheiterte Waldbaukonzept. Und immer sind die Schäden dort am größten, wo die Waldbestände am wenigsten der Natur entsprechen.

Kurzsichtiges, auf schnellen Profit gerichtetes Denken zahlte sich noch nie aus. Und die Kosten für die Schäden in den labilen Kunstforsten, sog. Kalamitäten, wurden nicht etwa dem Verursacher, sondern dem Steuerzahler aufgebürdet.

Willst Du einen Wald vernichten, pflanze Fichten, Fichten, Fichten … (Foto: K. J. Knoppik)

Vom 18. Auf den 19.1. 2007 knickte der Orkan Kyrill auf einer Fläche von 27.300 ha den Wald in Südwestfalen um. Das entspricht 9 % der Waldfläche der Region, 49 % davon lagen im Hochsauerlandkreis. In ganz NRW betrug der Schaden etwa 15,7 Mio. Festmeter. Das entspricht dem Dreifachen des durchschnittlichen Jahreseinschlags im Land.

Der Privatwald war mit 72 % am stärksten betroffen. Kyrill hat vor allem die Fichte, neben der Waldkiefer der Brotbaum Nr. 1 der Forstleute und Waldbauern, auf riesigen Flächen wie Streichhölzer umgeworfen. Solche „Katastrophen“ haben ihren Ursprung in nicht standortangepaßten – dem kulturellen Prinzip der Nachhaltigkeit widersprechenden – Anbaumethoden.

Dabei lassen sich solche naturwidrigen Nadelholzplantagen mit relativ einfachen und kostengünstigen Maßnahmen in ökologisch hochwertige und stabile Wälder überführen. Gleichaltrige Fichtenbestände mit Wald gleichzusetzen, entbehrt jeder Grundlage, sind sie doch öde Holzproduktionsstätten, die unter dem Einfluß der globalen Erwärmung allgemein immer mehr an Boden verlieren. Das, was aus forstlicher Sicht lange Zeit als richtig erschien, muß also angesichts neuer Herausforderungen komplett neu überdacht werden. Unterdessen nimmt der Druck auf das grüne Drittel unserer Republik zu.

Der begehrte Rohstoff Holz wird knapper – und die Nutzung intensiviert. Dabei hat der Wald zahlreiche Gemeinwohlfunktionen zu erfüllen. Er dient der Bewahrung der heimischen Artenvielfalt; und gleichzeitig muß er auch gegen die Auswirkungen der globalen Erwärmung gerüstet sein. Denn nur vitale Ökosysteme sind in der Lage, den Auswirkungen der hauptsächlich vom Menschen verursachten Klimaveränderung einiges entgegenzusetzen.

Dennoch halten viele Waldbesitzer hier in NRW trotz aller Warnungen und noch so starker finanzieller Anreize zugunsten naturnaher Mischwälder an der Fichte fest. Es zeigt sich, daß man nicht einmal aus dem Orkanereignis Kyrill, geschweige denn aus den Fehlern vergangener Jahrzehnte, viel dazugelernt hat.

Die Häufung extremer Wetterlagen, wie Stürme, Trocken- und Hitzeperioden, ausbleibende Winter und Insektenkalamitäten haben im Sauerland bis heute nach meinem Eindruck zu keinem grundlegenden Umdenken geführt. Eine echte Abkehr vom Nadelholz, das sich auch in entsprechenden Zahlen widerspiegeln würde, ist nicht zu erkennen.

Im Gegenteil: Weihnachtsbaumkulturen breiten sich auf ehemaligen Kyrill-Flächen aus. Diese im Wald angesiedelten Kulturen dürfen noch bis 2028 betrieben werden, sofern sie vor 2013 angepflanzt wurden. Allerdings ist es dem seinerzeit zuständigen grünen Umweltminister Remmel zu „verdanken“, daß Weihnachtsbaumanbieter, die schon heute umweltverträglich produzieren, auch nach dem Jahr 2028 unverändert Nadelholzplantagen in Wäldern anlegen dürfen!

Hier ist Johannes Remmel nach seiner Bauchlandung mit dem NRW-Klimaschutzplan erneut als Umfaller in Erscheinung getreten. Zur Information sei noch erwähnt, daß unser häufigster Weihnachtsbaum, die Nordmanntanne in ihrem Ursprungsgebiet, den höheren Lagen des Kaukasus, durch massiven Holzeinschlag gefährdet ist!

Weihnachtsbaumkulturen haben mit naturnaher Waldwirtschaft nichts zu tun … (Foto: Knoppik)

Und zu allem Überfluß hat man festgestellt, daß im Sauerland Buchenwälder einfach in Fichtenbestände überführt werden, vermutlich immer noch. Überhöhte Reh- und Rotwildpopulationen verschärfen das Problem, indem diese mit ihrem selektiven Verbiß besonders der Edellaubhölzer eine erfolgreiche Begründung von naturnahen Wäldern verhindern. Es gibt in Deutschland zwar ungefähr 90 Milliarden Bäume. Eine Zahl von astronomischer Dimension! Bedenkt man jedoch, welche schädlichen und zerstörerischen Kräfte inclusive Umweltfaktoren auf das Waldökosystem einwirken, geht es dem Wald schnell an die Substanz und gewaltige Ausfallerscheinungen sind die Folge!

Bis heute haben trotz Förderprogrammen des Landes NRW nur wenige Waldbauern bzw. Waldbesitzer die Auswirkungen des Orkans Kyrill als Chance begriffen, eine zukunftsfähige, ökologisch notwendige und zugleich den wirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung tragende Waldnutzung in Angriff zu nehmen, oder die betreffenden Flächen sinnvollerweise gleich der Natur zu überlassen. Das wäre die einzig richtige Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft, nämlich Klimaerwärmung und Erhalt der Biodiversität.

Denn auch im Privatwald muß – ebenso wie in den öffentlichen Wäldern – langfristig das 10 Prozent-Ziel gelten. Privatwaldbesitzer, die sich z. B. freiwillig für die Bewahrung alter Bäume mit Höhlen für Fledermäuse, Vögel und Käfer in ihren Wäldern engagieren, sind für ihren Einsatz angemessen zu entlohnen. Im Privatwald sind also Gemeinwohlleistungen, die über die Sozialpflichtigkeit des Eigentums hinausgehen, finanziell auszugleichen, und zwar durch Bund und Land. Zusätzlich ist ein Waldnaturschutzfonds einzurichten.

Es gilt die gute fachliche Praxis. Sie muß als Mindeststandard definiert und in sämtlichen Waldgesetzen verbindlich festgeschrieben werden. Das bedeutet: Verbot von Kahlschlägen, Biozid- bzw. Pestizideinsatz oder Einsatz gentechnisch veränderten Organismen. Lt. Richtlinien muß „die gute fachliche Praxis“ die Grundlage und Mindestanforderung für Planung, Durchführung und Bewertung von Waldnutzungsmaßnahmen bilden. Dazu zählen auch Anreize zur Umstellung auf naturnahe Waldwirtschaft, etwa durch ökologisch anspruchsvolle Zertifizierungen (FSC, Naturland).

Nadelholzplantagen breiten sich im Wald aus. Hauptsache: Sie kosten wenig und bringen viel. Aber die Rechnung geht nicht auf. (Foto: Karl J. Knoppik)

 

Naturnaher Mischwald in der Umgebung des Königssees (Foto: Karl Josef Knoppik)

Waldbauwissenschaftler und Vegetationskundler empfehlen seit langem aus ökologischen und ökonomischen Gründen als auch im Hinblick auf den Klimawandel die Nutzung sämtlicher standortheimischer Baumarten. Dabei sollte, was die Nadelhölzer betrifft, selektiv vorgegangen werden und keinesfalls wieder auf Exoten, wie die zur Invasivität neigende Douglasie zurückgegriffen werden.

Sie gedeiht sehr gut auf bodensauren, lichten und trockenwarmen Waldstandorten. Diese sind zwar forstwirtschaftlich von geringer Bedeutung, zeichnen sich aber durch einen hohen naturschutzfachlichen Wert aus. Lt. Bundesamt für Naturschutz (BfA) verjüngt sich die D. im Vergleich zu den meisten anderen heimischen Baumarten natürlich und dunkelt die oft hochspezialisierten Tier- und Pflanzenarten aus. Das ist der auf diesen Standorten höheren Konkurrenzkraft der Douglasie geschuldet, die dazu führt, daß indigene Pflanzen und darauf angewiesene Tierarten verdrängt werden, da sie in ihrer Anpassungsfähigkeit schlichtweg überfordert sind. Ganze Lebensgemeinschaften verändern sich auf diese Weise!

Aber auch Roteiche, Japanische Lärche, Küstentanne oder Schwarzkiefer bieten unserer heimischen Tierwelt keinen Lebensraum und weisen anbau- und krankheitsbedingte Risiken auf. Interessant ist, was sogar eine vom Hessen-Forst selbst angestellte Untersuchung gezeigt hat, daß nämlich die Douglasie für viele unserer heimischen Vogelarten wertlos ist.

Am Beispiel unserer größten Spechtart, dem Schwarzspecht, läßt sich eindrucksvoll belegen: Diese Vögel sind Schlüsselfiguren im Buchenwald, denn sie zimmern Bruthöhlen, die später von Nachmietern, u.a. Rauhfußkauz, Dohle oder Hohltaube bezogen werden.

Abgesehen davon, daß der Schwarzspecht fast immer Buchen anfliegt, erkannte der Autor der Studie: „Bemerkenswert ist, daß kein Nachweis der Nahrungssuche des Schwarzspechts in den auch im Untersuchungsgebiet vorhandenen Douglasienbeständen gelang.“

Hackspuren vom Schwarzspecht (Quelle: Naturfoto Heinz Tuschl)

Auch für andere Spechtarten ist nach den Erfahrungen des Verfassers Michael Hoffmann die Douglas-Tanne eine „zur Höhlenanlage äußerst unattraktive Baumart.“

Hinzu kommt, daß rindenbrütende „Schadinsekten“ in zunehmendem Maße auf dieser fremdländischen Baumart gesichtet werden und damit dieselben Probleme auftreten, die wir schon seit Jahrzehnten von der Fichte kennen.

Auch die immer ins Feld geführte Klimatoleranz der Douglasie, die ursprünglich an der Westküste der USA beheimatet ist, wird weit überschätzt. In Wirklichkeit geht es der Forst- und Holzlobby allein darum noch mehr Rendite aus dem Wald herauszuholen.

Nordamerikanische Douglasien und andere fremdländische Nadelbaumarten bergen erhebliche ökologische Risiken (Foto: Karl Josef Knoppik).

Nach Meinung von Experten des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wie auch nach meiner eigenen Auffassung sind die standortheimischen Laubbaumarten selbst bei steigenden Temperaturen in der Lage stabile Wälder zu bilden. Sie lassen sich auch wirtschaftlich nutzen.

Bezüglich der in Frage kommenden Nadelhölzer kann die schnell wachsende Weißtanne eine entscheidende Rolle im Wald von morgen spielen. Sie ist die von Natur aus am weitesten verbreitete, ökologisch und ökonomisch wertvollste heimische Nadelbaumart. Im Wesentlichen auf Süddeutschland beschränkt, erstreckt sich ihr Vorkommen bis hinauf zum Thüringer Wald. Die Tanne wäre sehr gut für ein wärmeres Klima geeignet. Sie gedeiht auf basischen Böden ebenso wie auf sauren und verjüngt sich auf den unterschiedlichsten Humusformen – vom Mull bis zum Rohhumus. Ihre flachen, gescheitelten Nadeln enthalten mehr Blattgrün als die der Buche und 6 mal so viele Reservestoffe wie jene der Fichte.

Außerdem verträgt die Weißtanne (auch Edeltanne genannt) in ihrer Jugend anhaltende Beschattung, mehr als alle anderen Wirtschaftsbaumarten. Deshalb ist sie geradezu prädestiniert für den Aufbau ungleichaltriger, stufiger Dauerwaldstrukturen. Zudem verjüngen sich Tannen von Natur nach Ausfall von Einzelbäumen oder Trupps – also keine flächigen Katastrophen durch Sturm, Insektengradation oder Feuer. Dank ihrer großen Sturmfestigkeit konnte sie – eingebunden in ungleichaltrige Buchenumgebung – damals selbst jenem über dem Schwarzwald tobenden Orkan „Lothar“ (1999) in dessen Zentrum widerstehen.

Rückkehrer auf leisen Sohlen: Der Luchs ist in einigen Waldgebieten Deutschlands wieder heimisch geworden. Die Kehrseiten dieser erfreulichen Entwicklung: Zerschneidung seiner Lebensräume. Außerdem werden immer wieder Tiere illegal getötet oder werden Opfer des Straßenverkehrs. Effekte, die große Beutegreifer, wie Luchs oder Wolf, auf das Schalenwild, oder auch kleinere Beutegreifer ausüben, können durch Jagd nicht von Menschen ersetzt werden (Foto: Heinz Tuschl).

 

Jungtannen sind besonders verbißgefährdet (Foto: K. J. Knoppik)

Vor einigen Jahrzehnten fand man im Bayerischen und Böhmerwald Tannenexemplare bis zu einer Höhe von 60 Metern und darüber und einem Stammumfang von 3 – 5 Metern am Stock.


Weißtannen sind die mächtigsten Bäume Europas. Sie erreichen eine Höhe von bis zu 65 m. (Foto: K. J. Knoppik)

Wegen ihrer überragenden ökologischen und auch ökonomischen Bedeutung plädieren Wissenschaftler schon seit vielen Jahren dafür, den Baum des Jahres 2004 außerhalb der Tannenverbreitungsgrenze überall dort in vergleichbaren Anteilen zu beteiligen, wo nach wie vor die Fichte oder Douglasie geplant sind.

Die Wiederbegründung tannenreicher Wälder macht jedoch nur dann Sinn, wenn zuvor die Schalenwildpopulationen in einem Maße reduziert werden, daß der Tannennachwuchs verbißfrei aufwachsen kann. Hier steht die mächtige Lobby der „Grünröcke“ in der Pflicht, ihre Verantwortung für gesunde und artenreiche Wälder von hoher Ästhetik endlich wahrzunehmen.

Der Rotwildbestand muß auf ein waldverträgliches Niveau abgesenkt werden. Nur dann können artenreiche Mischwälder ungehindert aufwachsen (Foto: H. Tuschl)

Entgegen anderslautender Darstellung scheitert der Aufbau naturnaher Wälder hierzulande bis auf wenige Ausnahmen an der uneinsichtigen, auf puren Eigennutz bedachten Blockadehaltung der Jäger. Dabei wäre nach Dr. Georg Meister, einem bedeutenden Vordenker des naturnahen Waldbaus, dieses Ziel mit einfachen und relativ kostengünstigen Maßnahmen bequem zu erreichen.

Sündhaft teure Abzäunungen und weitere katastrophale Einbußen durch selektiven Wildverbiß sowie Schälschäden können wir uns nicht länger leisten. Immer noch besteht ein Großteil der bundesweit vorhandenen Waldflächen aus öden Fichten- und Kiefern-Monokulturen, die in erster Linie einer irrationalen Jagdleidenschaft geschuldet sind.

Offenbar ist von Seiten der Jäger bis heute kein echter Wille vorhanden, gemäß dem Grundsatz Wald vor Wild als unabdingbare Voraussetzung für naturnahe Wälder einen ökologisch motivierten Strategiewechsel zu vollziehen.

Festzustellen ist aber auch, daß es mittlerweile Jäger gibt, die sich ihrer Verantwortung für stabile Wälder mit reicher Artenvielfalt bewußt sind und mit der Anpassung der Schalenwildpopulationen an die Waldvegetation durch eine rigide Bejagung Ernst machen.

Das selten gewordene Haselhuhn ist auf strukturreiche Laub- und Mischwälder mit reichlich Unterholz angewiesen. Mittlerweile ist es in großen Teilen seines früheren Verbreitungsgebietes verschwunden. Verbreitungsschwerpunkt sind die Alpen, Bayerischer und Böhmerwald. (Foto: Heinz Tuschl)

 


Für Reh- und Rotwild sind die kostbaren, nährstoffreichen, wohlschmeckenden und weichen Nadeln der Tanne eine Delikatesse. (Foto: Karl Josef Knoppik)

Die Vorteile der heimischen Weißtanne als Alternative zur Fichte liegen auf der Hand. Sie kommt – ähnlich wie die Stieleiche – mit nassen, schweren Böden sehr gut zurecht und ist im Gegensatz zur Fichte nicht von Rotfäule, z. B. auf staunassen Standorten oder nach Schälschäden, betroffen. Sie gilt neben der breiten Palette einheimischer Laubholzarten als wichtiger Indikator für intakte naturnahe und natürliche Waldökosysteme und ist zudem mit ihrem tiefreichenden Herz-Pfahlwurzelsystem ein unverzichtbarer Stabilitätsfaktor in unseren Wirtschaftswäldern.

Das „Tannensterben“ Ende der 70er Jahre, das aber schon seit Beginn der Industrialisierung örtlich durch Rauchschäden auftrat, sowie spätere Kalamitäten durch Lausbefall, Tannenborkenkäfer usw. wurden gerne als Anlaß hochgespielt, um von den eigentlichen Ursachen des dramatischen landesweiten Tannenrückgangs abzulenken, nämlich Wildverbiß.

Unter dem fadenscheinigen Vorwand, die Tanne sei wegen ihrer Empfindlichkeit gegenüber Umwelteinflüssen und Gefährdung durch viel zu hohe Reh- und Rotwildbestände eine „Mimose“, setzte sich der Alterklassenwald immer mehr durch, ganz im Sinne der mächtigen und einflußreichen Holz- und Jagdlobby. Denn die Fichte mit ihren spitzen, stacheligen Nadeln schmeckt dem Schalenwild nicht. Nur notgedrungen macht es sich einmal über diese Baumart her.

Weißtanne im Nordschwarzwald: Eine heimische Baumart mit guten Zukunftsaussichten in einem wärmeren Klima (Foto: Knoppik)

Doch auch der Baum des Jahres, die Fichte, hat ihre unbestreitbaren ökonomischen und ökologischen Vorzüge. Und zwar dann, wenn man sie nicht in widernatürlichen Monokulturen anpflanzt, sondern mit Augenmaß im Rahmen der naturgemäßen Waldwirtschaft, wo man vornehmlich die Naturkräfte für sich arbeiten läßt und auf standortgerechte Naturverjüngung, naturnahe Baumartenmischungen und eine schonende Aufzucht junger Bäume im Halbschatten des alten Waldes setzt. Entnommen werden nur einzelne Bäume zur optimalen Ausnutzung des Wertzuwachses alter Exemplare.

Bergfichte im Nationalpark Berchtesgaden (Foto: Karl J. Knoppik)

Daß Fichte nicht gleich Fichte ist, haben die bitteren Erfahrungen der letzten Jahrzehnte gezeigt. Dort, wo sie nämlich zum extremen Flachwurzler wird, also auf verdichteten oder staunassen Böden, fällt sie quadratkilometerweise Stürmen zum Opfer. Nicht so auf ihren natürlichen Standorten, wie im oberen Waldgürtel der Alpen oder in den Kammlagen des Bayerischen Waldes.

Hier erweist sich der „Brotbaum“ der Forstwirtschaft extremen Witterungseinflüssen gegenüber als außerordentlich stabil. Und das ist gerade dort der Fall, wo es sich um besonders sturmexponierte Lagen handelt. Die Fichte kann dort ihr Senkerwurzelsystem voll ausbilden, sie kann sich mit langen Haltewurzeln an Blöcken anbinden und in Klüften verankern. Auch haben solche stattlichen Baumindividuen, um Schneebruch so gut wie auszuschließen, spezielle Anpassungen an die rauhen Bedingungen des Hochgebirges vollzogen.

Dazu hat die Natur in einem über viele Jahrhunderte währenden Ausleseprozeß alle nicht standortgemäßen breitkronigen Fichten, die im Rahmen früherer forstlicher Nutzung eingebracht wurden, ausgemerzt, so daß daraus im Ergebnis schmalkronige Exemplare entstanden. Diese spitzkronigen Fichten, die auch am Polarkreis zu bewundern sind, bieten dem Schnee kaum eine Auflagemöglichkeit. Äste und Zweige liegen dem Stamm relativ eng an.

Solche ehrwürdigen Fichten, oder Rottannen, wie sie in der Schweiz genannt werden, gewachsen nach den Gesetzen der Natur, haben im Laufe der Zeit eine statisch belastbare, mehr kegelförmige Stammform entwickelt. Oft sind die Bäume völlig vom Schnee eingehüllt ohne zu brechen.

Darüber hinaus bietet die schmale Kronenform dem Wind nur eine geringe Angriffsfläche, wodurch auch die Windwurfgefahr deutlich herabgesetzt ist. Solche wunderbaren Baumindividuen flößen dem Betrachter Respekt ein und lassen ihn in Ehrfurcht erstarren – im Gegensatz zu den Fichtenexemplaren der Monokulturen, die – gezogen wie Zündhölzer – „meistens aus Bretterreihen bestehen, die oben mit Grün verputzt sind“, so der österreichische Schriftsteller Robert Musil.

Der deutsche Wald: ökonomische Nutzung und ökologische Nachhaltigkeit – Eine Reise durch die wechselvolle Geschichte des grünen Drittels unserer Republik – Teil 1

Natürlicher Bergfichtenwald im Nationalpark Bayerischer Wald, Aufnahme vom Oktober 1978 (Foto: Karl Josef Knoppik)

„Wald ist mehr als die Summe seiner Bäume. Mehr noch als die Atemluft, die er uns kühlt und säubert, das Wasser, das er uns filtert und bewahrt, die Stille, die er schafft, und den Boden, den er festhält, brauchen wir seine geistigen Wohlfahrtswirkungen: den Wald nämlich nicht nur als grüne Menschenfreude, sondern als den Ort, an dem das uns verlorengegangene Naturmaß bewahrt wird“.

So anschaulich und zutreffend formulierte es Horst Stern in seinem 1979 erschienenen umfangreichen und aufklärerischen Sachbuch über unsere „grüne Lunge“ oder – anders gesagt – das grüne Drittel unserer Republik, welches damals nicht nur in den Medien große Aufmerksamkeit erzeugte, sondern auch eine sehr lebhafte Diskussion in Politik und Gesellschaft hervorrief.

Die Deutschen haben von alters her eine traditionell innige Beziehung zum Wald, so hat es jedenfalls den Anschein. Das kann man vielen überlieferten Schriften und Publikationen entnehmen. Aber stimmt das so – auf die Gegenwart bezogen – wirklich?

In früherer Zeit hatte diese Aussage zweifellos ihre Berechtigung. Doch heute wird beinahe jeder Nutzungsverzicht auch im Wald mit Freiheitsentzug gleichgesetzt. So stößt etwa die Forderung nach Ausweisung neuer Nationalparks bei Teilen der Bevölkerung, der Holz- und Forstlobby, auf heftige Ablehnung und ruft wütende Reaktionen hervor. Ein engagierter Befürworter des heiß umkämpften Nationalparks Steigerwald etwa mußte vor Jahren im Anschluß an eine öffentliche Diskussionsveranstaltung unter Polizeischutz durch den Notausgang in Sicherheit gebracht werden.

Das ist – wie ich glaube – einer Industrienation, die sich damit brüstet, zu den angeblich wohlhabendsten Ländern der Welt zu gehören, in höchstem Maße unwürdig – und zeigt außerdem, auf welch geistigem Niveau diese Republik inzwischen angekommen ist, wo offenbar  Egoisten zunehmend die Oberhand gewinnen. Diese haben keineswegs den nachhaltigen, monetär nicht zu beziffernden Wert von aus der Nutzung genommenen Waldflächen im Blick. Solchen Leuten sei einmal dringend dazu geraten, andere Länder, z. B. im überseeischen Raum, ins Visier zu nehmen, die weitaus ärmer sind als wir. Dort leistet man sich zur Erhaltung der Biodiversität unter oft schwierigen Umständen viel mehr und großräumigere Nationalparks, wobei Verstöße gegen bestehende Schutzvorschriften auch noch härter geahndet werden.

Etliche Heimatdichter, Maler und Schriftsteller erlagen der Faszination des Waldes und ließen sich von seiner natürlichen Schönheit inspirieren. Adalbert Stifter, Ludwig Uhland, Caspar David Friedrich, Hermann Löns oder Joseph Freiherr von Eichendorff, von dem das Gedicht bzw. Lied stammt: „Wer hat Dich, du schöner Wald aufgebaut, so hoch da droben“, zählen zu den bekanntesten Persönlichkeiten jener Zeit.

„Vor 300 Jahren formulierte der deutsche Kammerrat und Berghauptmann Hans Carl von Carlowitz das Prinzip der Nachhaltigkeit. Nur so viel Holz kann entnommen werden, wie tatsächlich nachwachsen kann. Kurz nach der Entdeckung Amerikas durch Chr. Kolumbus und dem Beginn des Raubbaus vieler wertvoller Rohstoffe in Europa um 1500 wurde durch einen „Waldmeister“ im bayerischen Bad Reichenhall der Begriff des Ewigen Waldes geprägt. Er sollte klarstellen, daß man immer nur so viel Wald wegschlagen kann, wie an anderer Stelle nachwächst.

Daraus hat sich der forstliche Begriff der Nachhaltigkeit entwickelt, der besagt, daß man einem Wald nur so viel an Rohstoffen entnehmen darf, daß auch künftige Generationen mindestens gleichviel und gleichwertige Güter nutzen können. Die Forstwirtschaft bemüht sich seit dem 19. Jahrhundert überall um N. Dabei handelt es sich nicht nur um Holz. Einem Wasserschutzwald muß nachhaltig mindestens dieselbe Menge und dieselbe Qualität an Wasser entnommen werden können; ein Lawinenschutzwald in den Alpen muß nachhaltig denselben Schutz vor Lawinen bieten wie der Wald zuvor. So stand es bereits 1984 in dem GEO-Sachbuch „Die Lage des Waldes“.

Zeugen längst vergangener Zeit: Meiler zur Holzkohlegewinnung. Die Köhlerei wurde bei uns noch bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts im Rahmen der Niederwaldbewirtschaftung praktiziert. (Die Aufnahme entstand nahe Föckinghausen bei Bestwig-Velmede) (Foto: Karl Josef Knoppik)

Zu Beginn der industriellen Revolution wurde die erneuerbare Ressource Holz nur dadurch vor der endgültigen Vernichtung bewahrt, die nachhaltige Nutzung des Waldes also nur dadurch möglich, daß Stein- und Braunkohle die Holzkohle ersetzten. Hieraus folgt die Erkenntnis, daß derjenige, der im Wald wirtschaftlichen Erfolg anstrebt, zunächst einmal den übergeordneten Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit respektieren muß. Denn ökonomische Nutzung kann nur im Einklang mit den ökologischen Waldbauzielen erfolgversprechend sein.

Sündhaft teure wildabweisende Zäune garantieren dem schießfreudigen Jagdpächter kontinuierlich hohe Reh- und Rotwildbestände. Nur hinter dem Zaun kann sich eine paradiesische Vielfalt an Pionierpflanzen und Mischbaumarten breitmachen. (Foto: Karl Josef Knoppik)

Es gab im Laufe der langen Waldgeschichte immer wieder hoffnungsvolle Ansätze und Bestrebungen in Richtung einer naturgemäßen Waldwirtschaft. Diese scheiterten jedoch wiederholt an den Interessen der Holz- und Jagdlobby. Fortschrittliche Waldbaupioniere, wie Carl Gayer (Waldbauprofessor aus Wien) oder Alfred Möller (Begründer der Idee des Dauerwaldes und Vordenker einer ökologischen Wende in der deutschen Waldwirtschaft), konnten die Fehlentwicklungen aber nicht aufhalten. Die Waldwende fand nicht statt. Die „moderne“ Forstwirtschaft betrachtete sich ausschließlich als Holz- und Rohstoffversorger.

Weihnachtsbaumplantagen mit Nordmanntannen, Blaufichten und anderen Exoten prägen nach wie vor maßgeblich die Landschaft. (Foto: Karl Josef Knoppik)

Heute nutzen immer mehr Menschen dieses Großökosystem, das für etliche Tier- und Pflanzenarten Heimstätte und Rückzugsraum ist, zur Erholung und für Freizeitaktivitäten. Sie überziehen ihn – oft mehr als er verkraften kann – mit immer neuen Forderungen und Ansprüchen.

Und entgegen der offiziellen Verlautbarung ist der Zustand des Waldes nach wie vor höchst beklagenswert. Er stirbt vor sich hin, heimlich, still und leise, und zwar in seiner Gesamtheit, wenn auch je nach Baumart mehr oder weniger schnell. Mehr als 2/3 der Bäume in deutschen Wäldern sind nach der neuesten Waldinventur geschädigt, bei den Buchen sind es sogar 90 Prozent.

Eine der Hauptursachen für die katastrophale Situation bilden die den Stickstoffverbindungen zugehörigen Ammoniak-Emissionen aus der industriellen Landwirtschaft, Stichwort Gülle!

Geballte Schadstoff-Cocktails aus Ammoniak, das mit 65 % für den weitaus größten Anteil der Nährstoffüberfrachtung unserer Wälder verantwortlich ist, und den übrigen Stickstoffquellen aus den Bereichen Straßenverkehr und Kraftwerken nebst Feuerungsanlagen setzen das Ökosystem unter Dauerstreß und nehmen ihm sprichwörtlich die Luft zum Atmen.

Doch von der Politik kommt zu all dem nichts. Man verharmlost die Situation in gewohnter Manier und stellt – wie der zuständige Agrarminister Minister Schmidt von der CSU – den Waldschadensbericht lediglich auf seine Homepage. Eine Bundespressekonferenz wurde erst gar nicht mehr anberaumt und somit die Tradition seiner Vorgänger abrupt beendet. Offenbar scheut man davor zurück, unangenehme Wahrheiten an die große Glocke zu hängen. Dabei müßten Herrn Schmidt gerade die besorgniserregend hohen Ammoniak-Emissionen aus der Landwirtschaft zutiefst beunruhigen und ihn schnell zur Tat schreiten lassen. Aber es tut sich nichts.

Dabei sind nur ¼ der Eichen und nur jede 10. Buche gesund. Doch gerade Buchenwälder sind als Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie für die Stabilisierung des Klimas von unschätzbarem Wert! Das Ökosystem Wald mit seinen lebenswichtigen Funktionen, seiner ihm innewohnenden Vielfalt an Beziehungen und Abhängigkeiten untereinander ist durch allerlei Umwelteinflüsse devitalisiert. Von einer durchgreifenden Besserung kann bis heute also nicht die Rede sein. Im Boden tickt eine Zeitbombe. Es liegt an uns Menschen hier entschieden gegenzusteuern.

Steht für Wildnis und Urnatur: Canis lupus. Langsam breitet sich die Art in Mitteleuropa wieder aus. Aber der Wolf hat nur dann eine gesicherte Zukunft, wenn ihn die Menschen im Grundsatz akzeptieren und geeignete Lebensräume nicht noch weiter zerstört werden. Gegenüber ausgerotteten Tierarten, wie dem Wolf, der durch die Berner Artenschutzkonvention streng geschützt ist, haben wir eine moralische Pflicht zur Wiedergutmachung. (Foto: Tuschl)

Früher bestand der allergrößte Teil Deutschlands aus Wäldern. Rodungen für Siedlungsbau, Landwirtschaft und Holznutzung drängten die „grüne Lunge“ auf heute nur noch 1/3 der Landesfläche zurück. Urwälder – völlig unbeeinflußt vom Menschen – sind so gut wie nicht mehr vorhanden. Nur in Niederösterreich (Rothwald – ein seit der Bronzezeit nicht mehr genutzter Wald im Privatbesitz) und im Schweizer Wallis (Derborence) findet man noch Relikte. Kleine Bestände gibt es auch noch in Tschechien (Boubin/Kubany),der Slowakei, Rußland, der Ukraine und vor allem in den Karpaten.

Das Auerwild ist ursprünglich ein Vogel der Taiga und ähnlicher Waldformen. Gleichaltrige, undifferenzierte und aufgeräumte Wälder ohne Unterholz, Jungwuchs und Beerenkräutern machen ihm den Garaus, deshalb im Sauerland längst ausgestorben. Wiedereinbürgerungsversuche in den 80er Jahren scheiterten. (Foto: Heinz Tuschl)

Letztgenanntes Hochgebirge weist bis heute die größten Flächen an Urwäldern auf. Noch lassen sich dort unbeeinflußte Waldstrukturen beobachten und studieren, außerdem im nördlichen Iran sowie in Japan. Leider sind aber auch diese noch verbliebenen Urwälder oder urwaldähnlichen Bestände akut von der Zerstörung bedroht oder sind bereits Opfer des Raubbaus durch illegalen Holzeinschlag geworden. Etwa in Rumänien, wo in den letzten 20 Jahren ca. 400.000 ha unersetzliche, als Nationalparks geschützte Waldareale der Motorsäge zum Opfer fielen, darunter Urwälder. Gleiches ist in den Nationalparken bzw. Wildnisgebieten der Ukraine zu beobachten.

Vergraste, eintönige Fichtenforste: Von einer „Waldwende“ kann bisher nicht die Rede sein. (Foto: Karl Josef Knoppik)

Wie so oft sind Korruption und ein eklatantes Vollzugsdefizit bei der Einhaltung der Schutzvorschriften für dieses Massaker verantwortlich. Aber zum Glück wächst auch der Widerstand gegen den skrupellosen Kahlschlag durch multinational operierende Holzkonzerne – und zwar sowohl auf Seiten heimischer Umweltaktivisten als auch von befreundeten Umweltorganisationen aus den westlichen Nachbarländern. Z. B. unterstützen die Stiftung Europäisches Naturerbe (Euronatur) sowie die Zoologische Gesellschaft Frankfurt die Nationalparks dabei, ihre ökologisch hoch bewerteten Wälder zu erhalten. Worin unterscheiden sich nun Urwälder von Naturwäldern?

Der Begriff Urwald bezieht sich auf ausgedehnte Waldkomplexe, deren Standorte, Vegetation, Baumartenmischung und Aufbau seit jeher durch natürliche Standortfaktoren bestimmt wurden. Er besteht somit aus einem in jeder Hinsicht natürlichen Waldbeziehungsgefüge.

Neben einer nach Arten und Anzahl natürlichen Pflanzen- und Tierwelt ist eine derart große Flächenausdehnung erforderlich, daß sich die Einflüsse der durch den Menschen geprägten Umwelt im Innern des Waldes verlieren.

Bergurwald – Wir brauchen in Deutschland und Mitteleuropa unbedingt mehr Wildnisgebiete. Regulierende Eingriffe, wie Jagd, finden dort nicht statt (Foto: Heinz Tuschl).

Urwälder, die all jene Voraussetzungen erfüllen, gibt es in Mitteleuropa nicht mehr. Im Urwald wirken Kräfte der Reorganisation und Regeneration. Diese, wie auch die unterschiedlichen Lebensraumansprüche der verschiedenen Baumarten führen eine ungeheure Strukturvielfalt und deren ständigen Wechsel herbei. Zahlreiche seltene, z. T. vom Aussterben bedrohte Tierarten sind an diese Strukturen angepaßt. Am so genannten Totholz lebt in den einzelnen Entwicklungsstadien eine große Fülle von Insekten, Käfern und Pilzen. Allein in Urwäldern läßt sich feststellen, wie das Ökosystem Wald ohne menschliche Eingriffe funktioniert.

Im Gegensatz dazu steht der Begriff des Naturwaldes. Das sind Wälder, die nach Aufgabe der forstwirtschaftlichen Nutzung der natürlichen Entwicklung überlassen bleiben. So ein Wald ist ausschließlich aus einer rein natürlichen Vegetationsfolge hervorgegangen, der zumeist noch Merkmale früherer menschlicher Einwirkung erkennen läßt, oder der auf Neuland, Brachland oder nicht mehr genutzten Flächen entstanden ist (Prozeßschutz, Klimaxwald, d.h. womit ein bestimmter Endzustand angestrebt wird.

Der Hirschkäfer ist stark gefährdet (Kategorie 2). Er besiedelt alte Eichenwälder. Seine Larven benötigen durch Pilzbefall zermürbtes Totholz, besonders von Eichen. (Foto: Heinz Tuschl)

Gerade die vom Menschen unbeeinflußten Wälder sind es ja, in denen der Artenreichtum am größten ist. Solche Waldkomplexe machen gerade einmal 2 Prozent der Waldfläche aus (Nationalparke, Bannwälder, Naturreservate, Naturdenkmäler). Weniger als 1 Prozent des Waldes ist derzeit in Deutschland gesetzlich geschützt. Ein beschämendes Zeugnis, wie ich meine. Im internationalen Vergleich bilden wir damit als eines der reichsten Länder das Schlußlicht bei den sich selbst überlassenen Waldarealen. Das ist auch der Grund dafür, daß so unscheinbare Lebewesen, wie Pilze, holzbewohnende Käfer, Moose und Flechten stark gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht sind.

Baum- oder Edelmarder: Je urwüchsiger der Wald, desto wohler fühlt er sich und je zahlreicher sein Vorkommen. (Foto: Heinz Tuschl)

Für den Schutz der biologischen Vielfalt benötigen wir deshalb auf mindestens 10 Prozent der öffentlichen Waldflächen Naturwälder (die Urwälder von morgen), wie bereits im Jahre 2007 von der Bundesregierung beschlossen. Mindestens die Hälfte davon müßte bis 2020 ausgewiesen werden. Der Wert des Waldes, nicht der des Holzes, muß also weitaus stärker in den Fokus gerückt werden. Leider sieht es z. Zt. aber nicht danach aus, als würde genug unternommen, um das von der Bundesregierung angestrebte Ziel zur nationalen Biodiversitätsstrategie zu erreichen, nämlich 5 Prozent der gesamten Waldfläche bis 2020 für natürliche Waldentwicklung bereitzustellen. Im Gegenteil: Nach Erkenntnissen des BUND werde dieses (ohnehin nicht sehr anspruchsvolle) Ziel auch mit dem neuen Naturschutzgesetz verfehlt.

Der giftigen Rote Fingerhut gedeiht in Massen: Er wird vom Schalenwild verschmäht. (Foto: Karl Josef Knoppik)

Der Landesbetrieb Wald und Holz, Forstbehörden und staatliche Forstverwaltungen machen permanent Front gegen die Ausweisung neuer Wildnisgebiete, Nationalparks und anderer aus der Nutzung genommener Areale. Dabei wird völlig ignoriert, daß der Eigenwert der Natur längst im Grundgesetz festgeschrieben ist.

Die Natur ist der beste Baumeister schöner und zugleich stabiler Wälder. (Foto: Karl Josef Knoppik)

Darüber hinaus wurde der wissenschaftliche Beweis erbracht, daß Naturwälder, läßt man sie wachsen, mindestens doppelt so viele Holzvorräte anreichern als Wirtschaftsforste. In Naturwäldern werden die Bäume 400 bis 600 Jahre alt. Das Durchschnittsalter in deutschen Wäldern liegt bei 77 Jahren. Borkenkäfern und Stürmen erliegt die Hälfte der Kunstforste. „Würde auf 5 Prozent der Fläche keine Nutzung stattfinden, so der langjährige Leiter der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald, Dr. H. Bibelriether, ergäbe das eine viel höhere CO²-Bindung als in Wirtschaftsforsten“. Von der überreichen Arten- und Strukturvielfalt ganz zu schweigen.

Nirgendwo läßt sich der ewige Kreislauf der Natur so gut beobachten wie einem Nationalpark. Fremd und mystisch wirkt die Landschaft. Wind und Wetter zeigen immer neue stimmungsvolle Bilder. Aus dem ständigen Wechselspiel von Licht und Schatten, aus Wachstum, Altern und Zusammenbruch und dem Nebeneinander von Lichtung, Jungwald und Altbestand entsteht die Vielfalt des Naturwaldes. Je artenreicher und damit naturnäher ein Wald ist, desto stabiler erweist er sich gegenüber „Schädlingen“ und Umwelteinflüssen.

Mischbestand im Hochsauerland mit Waldkiefern und Rotbuchen. (Foto: Karl Josef Knoppik)

Von Natur aus würde im Nadelholz dominierten Sauerland – wie anderswo auch – die Rotbuche auf großen Flächen das Waldbild prägen, entweder im Reinbestand oder mit anderen Laubhölzern vergesellschaftet. Unsere ehemals waldreiche Landschaft, bestehend aus dichten Urwäldern (um 800 v. Chr.) wurde durch den Einfluß des Menschen zu Moor und Heide umgewandelt, während ein wesentlich größerer Teil als Niederwald bewirtschaftet wurde. Diese historische Nutzung der Waldbewirtschaftung diente vorwiegend der Brennholzgewinnung, aber auch der Rindennutzung sowie der Produktion von Getreide. Sie war somit eine klassische Kombination von Wald- und Feldbau. Im Siegerland war die Niederwaldwirtschaft mit der daran gekoppelten Holzkohlegewinnung unter dem Begriff „Haubergwirtschaft“ bekannt.

Verschneiter Fichtenforst im Vogelsanggebiet bei Meschede in den 80er Jahren. Durch reichlich anfallenden Naßschnee infolge der Klimaerwärmung sind heute auch die Hochlagen des Sauerlandes vermehrt von Schneebruch betroffen. (Foto: Knoppik)

Wo Eichen u.a. Baumarten vertreten waren, die nicht zu viel Schatten erzeugen, sprach man von Mittelwald. Sie wuchsen zu Bauholz heran und lieferten Eicheln für die Viehmast (Schweine). Ferner wurde auch Eichenrinde produziert, die als Gerbmittel für die Lederverarbeitung Verwendung fand, vor allem in den Kreisen Olpe und Siegen-Wittgenstein.

Bevor sich mit einer drastischen Klimaverschlechterung vor etwa 7.000 Jahren die Rotbuche bei uns durchsetzen konnte, dominierten in der nacheiszeitlichen Warmzeit Eichenmischwälder. Die erwähnte Haubergwirtschaft gab es noch bis ca. um das Jahr 1920. Danach entstand der aus Samen hervorgehende Hochwald – im Wesentlichen mit der forstlich interessanten, vielseitig verwendbaren Fichte bestockt. Hier bei uns hielt diese begehrte Nadelholzart erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts Einzug. Sie wurde im Jahre 1820 – aus Skandinavien eingebracht – im Sauerland heimisch.

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Teil 2 folgt hier.