Pazifismus ist Liebe zum Leben: Fundamentalopposition gegen das Programm Krieg

Redebeitrag von Peter Bürger (Theologe, freier Publizist) zum Kölner Ostermarsch am 30. März 2024

Die Evolution des Menschen (Bild: wikimedia)

Liebe Mitmenschen,

liebe Freundinnen und Freunde in der Friedensbewegung:

Schalom-Salaam – diesen Gruß wider den Hass habt vor allem ihr Kölner seit letztem Oktober ins Land NRW geschickt. Als Düsseldorfer rede ich heute auch deshalb gerne im geliebten Köln, weil hier ein Sozialdemokrat lebt, der zwar kein Pazifist ist, aber uns Pazifisten mit Respekt begegnet und vor allem einen klaren Verstand behalten hat.

„Pazifismus ist Liebe zum Leben: Fundamentalopposition gegen das Programm Krieg“ weiterlesen

Wo bitte sehr geht es zum Weltfrieden?

Friedenstaube, Engagement, ein fesselnder Referent: Peter Bürger in der Alten Synagoge Meschede (foto: zoom)

Das Bürgerzentrum Alte Synagoge in Meschede war am vergangenen Donnerstag gut besetzt. Peter Bürger referierte auf Einladung der Sauerländer Bürgerliste zum Thema „No peace – no future – Ohne Frieden keine Zukunft“.

Die Kernthese des Referenten: Ohne Ringen um eine neue Weltfriedensordnung könne es keine Zukunft für die nach uns kommenden Generationen geben. Denn was bedeute die Zementierung des militärischen Denkens im 3. Jahrtausend unserer Zeitrechnung? Sie verurteile alle Bemühungen, die unvorstellbaren Leiden auf dem Globus infolge der Klimakatastrophe abzumildern und ein Abdanken des homo sapiens in Schande (oder kollektivem Selbstmord) noch irgendwie abzuwenden, zur Vergeblichkeit.

Die Hauptgedanken Peter Bürgers sind schon in der Ankündigung des Vortrags hier im Blog dargelegt worden:

https://www.schiebener.net/wordpress/peter-buerger-no-peace-no-future-ohne-frieden-keine-zukunft/

Daher beschränke ich mich an dieser Stelle auf einige Punkte meiner eigenen Mitschrift.

Wo bitte sehr geht es zum Weltfrieden? lautet die etwas salopp formulierte Frage im Titel dieses Beitrags. Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: auf globaler Ebene gemeinsam die militärische Aufrüstung beenden, an den dringenden Zukunftsfragen wie der Klimakrise ebenfalls gemeinsam arbeiten. Die Institutionen, so Peter Bürger, seien im Kern vorhanden, die UNO, also die vereinigten Nationen, hätten Lösungsansätze, die denen der nationalen Regierungen weit voraus seien.

Alles laufe im Grunde genommen auf die These des Jesuiten Friedhelm Hengsbach Teilen, nicht töten hinaus.

Militärische Konzepte müssten durch einen umfassenden Pazifismus abgelöst werden. „Violence doesn’t work!“, das zeige auch der Krieg in Afghanistan. Nach 20 Jahren sei die Situation dort schlimmer als zuvor und dazu wären riesige Summen an Militärausgaben verpulvert worden.

Im Jahr 2000 habe er große Hoffnung auf Al Gore in den USA gesetzt, doch statt Gore kamen Bush, 9/11 und 20 Jahre Militärpolitik statt ökologischer Problemlösungen.

Prognosen zur menschengemachten Klimakatastrophe habe es bereits seit 1950 gegeben, der Club of Rome hatte die Umweltfrage mit den Grenzen des Wachstums in den 70er Jahren noch weiter nach vorn geschoben, doch der Kalte Krieg sei vorgegangen.

Mit den 90er Jahren habe es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Hoffnung auf eine andere Zivilisation gegeben, doch stattdessen sei das Weltrüstungsbudget geradezu explodiert. Militärapparate hätten schon Folgen ohne im Krieg zu sein, wie beispielsweise Treibhausgase, Methan aus Gasleitungen usw.

Der moderne Krieg sei in der Geschichte der Menschheit relativ neu, seine Entstehung wäre vor 8000 bis 10000 Jahren durch patriarchalische Strukturen während der Herausbildung der Stadtgesellschaften begünstigt worden. Seit dem Mittelalter gebe es die industrielle Produktion von Feuerwaffen, die Eroberung fremder Kontinente hätte vor etwas mehr als 500 Jahren begonnen, die petro-chemische Revolution habe vor 200 Jahren eingesetzt und heute befänden wir uns durch die Digitalisierung in einer weiteren Beschleunigung.

Auf dem Zeitstrahl des Lebens auf der Erde sei die Menschheit nur ein kleiner Punkt und doch in der Lage, das Leben auf der Welt auszulöschen.

Etwas mehr als 100 Individuen hätten heute mehr Vermögen als die Hälfte der Menschheit von acht Milliarden und doch schienen wir nicht in der Lage zu sein, dagegen zu steuern. Die destruktive militärische Aufrüstung werde durch eine Aufrüstung der Angst begleitet, die nicht durch Moralpredigen beendet werden könne.

Teilen oder töten?

Was wir heute an Migration haben (60 Mio) sei nur ein kleiner Vorgeschmack auf die kommenden Fluchtbewegungen (1 Mrd). Bürger: „Menschen saufen im Mittelmeer weiter ab, die saufen regelbasiert ab!“ Mit einem winzigen Bruchteil der Militärausgaben könne man den Menschen im Mittelmeer und anderswo helfen. Stattdessen werde am Rande unserer Komfortzone aufgerüstet und „Knallt sie ab!“ gerufen, wenn die Migrant*innen kämen.

Mit der Klimakrise werden die Verteilungskriege auf der Welt verschärft. Die ersten Klimakriege um das Wasser deuten sich an.

Es herrsche der zivilisatorsiche Ernstfall, der nur unter dem Vorzeichen einer neuen Weltfriedensordnung gelöst werden könne.

Die Menschen müssten sich zwischen einer Wissenschaft und Industrie des Todes oder des Lebens entscheiden.

Militärbudgets sollten in Umweltbudgets umgewandelt werden, Forschungsbudgets in Lebensforschung statt Beherrschung. Das Zeitalter der Kooperation müsse beginnen.

Wenn wir an der militärischen Heilslehre festhielten, dann gebe es auf keinen Fall eine Lösung. „Heimatspinner“, die Mauern um das Sauerland bauen wollen, seien gefährlich. Wir bräuchten den Planeten als Heimat, die Weltgemeinschaft als Verbundnetz, eine Revolte für das Leben.

Acht Milliarden intelligente Menschen müssten an dieser Revolte für das Leben arbeiten, global vernetzt, global kommunizierend. Die sei inzwischen möglich. Nicht in Konkurrenz, nicht patentiert, sondern OPEN ACCESS.

Die Gremien, die sich die letzte Generation (Last Generation) ausgedacht habe, seien nicht dumm.

Das Bewußtsein, dass wir eine unteilbare Menschheit sind, müsse verankert sein, der Rassismus sabotiere das.

Globale Verbundnetze müssten sowohl lokal als auch weltweit zusammenarbeiten, intelligente lokale Einheiten tauschen sich stante pede, gewissermaßen in Echtzeit, aus.

Wir seien in der Pflicht, da wir die Probleme produziert hätten und daher verantwortlich seien. Nur wir Menschen hätten die Fähigkeit, diese Probleme zu lösen. Moralpredigten täten es nicht, Aufregung nütze nichts.

Wir seien One human family und das ließe sich kulturell vermitteln, in einer kulturellen Revolte der Liebe, des Lebens.

Wenn heute 55% der Menschen sagten, es gehe sowieso den Bach ab, dann wäre das nicht gut, denn es sei noch nicht zu spät.



Kurz bemerkt: der russische Diederich Heßling heißt Bizki.

Bizki - der russische Diederich Heßling
Bizki - der russische Diederich Heßling

Es gibt großartige Autoren, die großartige Romane geschrieben haben. Lew Tolstois „Krieg und Frieden“ ist ein Meisterwerk, an dem ich zur Zeit die feine Analyse der russischen Gesellschaft in den Konflikten der napoleonischen Kriege bewundere.

Heute würde man vielleicht beklagen, dass er lediglich die herrschende Schicht des  russischen Adels treffend zu beschreiben und zu sezieren vermag, während der Rest der feudalen Gesellschaft, immerhin die Mehrheit der Bevölkerung durch das Beobachtungsraster fällt.  Zu Tolstois Ehrenrettung sei gesagt, dass er sich beim Rest der Gesellschaft eben nicht so gut auskannte 😉

Aber egal wohin ein genialer Schriftssteller blickt, er sieht das Allgemeine im Besonderen. Lew Tolstoi hat den russischen Diederich Heßling entdeckt, bevor Heinrich Mann ihn ein halbes Jahrhundert später im „Untertan“ als Urtypus des deutschen Mannes in Literatur meißelte.

Es sind bei Tolstoi nur wenige Worte: „… einer jener Menschen, die ihre Gesinnung wählen wie ein Kleid – nach der Mode nämlich -, die aber eben deswegen die glühendsten Partisanen dieser Gesinnung zu sein scheinen. Er lief beflissen …“

Diese Zeilen sind mir seit ein paar Tagen im Kopf herum gespukt. Jetzt sind sie wieder draußen.