Hochsauerlandkreis: Reicht das Angebot an bezahlbaren Wohnungen für Grundsicherungsempfänger?

Der Hochsauerlandkreis hat eine Richtlinie darüber erlassen, welche Mieten höchstens für Empfängerinnen und Empfängern von Grundsicherung anerkannt werden.

(Der Artikel ist zuerst auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen.)

Diese Werte sind so niedrig, dass die Betroffenen oft keine bezahlbare Wohnung finden können.

Anderen Hilfeempfängern wird das Beziehen einer freien Wohnung verweigert, obwohl die Miethöhe passt, weil diese Wohnung angeblich zu groß ist.

Reinhard Loos, Sprecher der Kreistagsfraktion Sauerländer Bürgerliste, schrieb daher am 11.07.2017 Landrat Dr. Karl Schneider an und stellte ihm diese drei Fragen:

• Welche Überlegungen, Planungen und aktuelle Maßnahmen gibt es Ihrerseits, damit Grundsicherungsempfänger künftig leichter eine geeignete Wohnung finden und bezahlen können?

• Warum ist für Sachbearbeiter in Sozialämtern im HSK die Wohnungsgröße ein Kriterium zur Verweigerung der Kostenübernahme für eine freie Wohnung, auch wenn die Mietkosten im Rahmen der Grenzen der o.g. Richtlinie für die Angemessenheit liegen?

• Welche weiteren Kriterien – außer der Miethöhe – werden von Sachbearbeitern in Sozialämtern im HSK angewandt, um die Übernahme der Kosten für die Unterkunft zu verweigern, und warum?

„Notierungen aus dem katholischen Hinterland“
Leseprobe aus der Werkausgabe des Mescheder Schriftstellers Georg D. Heidingsfelder (1899-1967)

Georg D. Heidingsfelder (1899-1967) (bildarchiv: peter bürger)

Meschede. (pm) Vor einem halben Jahrhundert starb im Sauerland der Publizist Georg D. Heidingsfelder (1899-1967), der während der Adenauer-Ära 1949-1963 als linkskatholischer Nonkonformist und Mitstreiter Reinhold Schneiders in Erscheinung getreten ist.

Ein Artikel aus seiner Schreibwerkstatt, veröffentlicht Mitte Juni 1953, zog eine zweimalige Vernehmung bei der Kripo „wegen Staatsgefährdung und Beleidigung des Bundeskanzlers“ nach sich.

Heidingsfelders Kernthemen waren die Soziale Frage, die Auseinandersetzung mit dem deutschen Faschismus und der Frieden. Seine Ablehnung von Militarismus, Wiederbewaffnung, Wehrpflicht und Atombomben-Theologie fiel kompromisslos aus.

Zuletzt konnte er fast nur noch in Blättern veröffentlichen, die als „kryptokommunistisch“ galten. Die Verweigerung gegenüber der katholischen Einheitsfront führte zu große Anfeindungen im eigenen kirchlichen Milieu.

Der brotlos gewordene Mescheder Schriftsteller versuchte schließlich, als Fabrikarbeiter seine Familie zu ernähren.

In diesem Sommer ist eine zweibändige Gesamtausgabe seiner publizistischen Arbeiten erschienen (überall auch im Buchhandel vor Ort bestellbar):

GEORG D. HEIDINGSFELDER (1899-1967)

Gesammelte Schriften. Band 1.
Eine Quellenedition zum linkskatholischen Nonkonformismus der Adenauer-Ära.
Norderstedt: BoD 2017 – ISBN: 978-3-7431-3416-4
(Paperback; 400 Seiten; Preis: 13,90 Euro)
https://www.bod.de/buchshop/gesammelte-schriften-band-1-georg-d-heidingsfelder-9783743134164

 

Gesammelte Schriften. Band 2.
Eine Quellenedition zum linkskatholischen Nonkonformismus der Adenauer-Ära.
Norderstedt: BoD 2017 – ISBN: 978-3-7448-2123-0
(Paperback; 428 Seiten; Preis: 13,99 Euro)
https://www.bod.de/buchshop/gesammelte-schriften-band-2-georg-d-heidingsfelder-9783744821230

 

Im Mai 1954 veröffentlichte Heidingsfelder unter Pseudonym die nachfolgenden „Notierungen aus dem katholischen Hinterland“, die eine durchaus ungewöhnliche Sichtweise der Nachkriegszeit im kölnischen Sauerland vermitteln (Leseprobe):

 

Unsere kleine Kreisstadt hat den Nazismus und den Krieg im großen und ganzen recht gut überstanden. Natürlich, ein paar Mitbürger sind im KZ umgekommen, drei davon waren Kommunisten und die beiden übrigen Juden. Die Schäden durch Bomben und Artilleriebeschuß sind inzwischen fast alle behoben. Überall ist aus den Ruinen das alte Leben auferblüht.

Auch unser altes Gotteshaus, das die Bomben und das Feuer bis auf die Grundmauern zerstört hatten, ist längst wieder aufgebaut. Es ist genau so wiedererstanden, wie es war: als ob nichts gewesen wäre. Das ist die Kunst der Restauratoren. Sogar die Kreuzwegbilder, riesige „Ölschinken“, wie manche siebengescheite Kritikaster sie abschätzig nannten, wurden ganz im alten Stil wieder gemalt. Unser Pfarrer hatte nicht umsonst 1939 in seinem ersten Brief an uns, seine katholischen Soldatenpfarrkinder, ins Feld geschrieben: „Wir bleiben die alten!“ Er hat sein Wort in jeder Hinsicht gehalten. Sein Gotteshaus steht da wie einst, und er predigt auch wie einst.

Aber auf diesem katholisch-konservativen Fundament sprießt doch auch Neues empor, z.B. unsere neue Kirche, die erst vor ein paar Monaten fertig geworden ist. Strahlend weiß steht der Bau auf seinem Hügel. […] Wenn jetzt am Samstagabend zu den vier Glocken unserer alten Pfarrkirche die vier neuen läuten, so nimmt man die geringe Dissonanz im Ton gerne hin, weil man von dem Bewusstsein erfüllt wird, dass es aufwärts geht, auch auf dem religiösen Sektor. Jetzt fällt schon auf 1100 Einwohner unserer Kreisstadt eine Glocke – eine Verhältniszahl, die nicht leicht anderswo erreicht werden dürfte.

Der herrschende katholische Geist macht unsere Kreisstadt auch zu einem überragenden CDU-Stützpunkt. Die christlichen Mehrheiten sind hier immer Zwei-Drittel-Mehrheiten. Nur kurz nach 1945, als im Lande noch die Sozialdemokraten die Macht hatten, wählten unsere christkatholischen Stadtväter einen „Roten“ zum Bürgermeister, weil der bei der Regierung, wo es die Gelder gab, Einfluss haben musste. Mittlerweile ist auch hier wieder alles in Ordnung. Wir haben einen gutkatholischen CDU-Bürgermeister; der rote Mohr hat seine Schuldigkeit getan …

Der französische Kardinal Suhard meinte einmal, das taktische Christentum sei eine recht bedenkliche Sache; aber der Mann hatte wohl wenig Kontakt mit den Realitäten hier zu Lande; um zu wissen, dass die Christenheit ohne kluge Taktik verloren wäre. Es ist kein Grundsatz verletzt, wenn eine katholische Mehrheit einen Sozialdemokraten zum Bürgermeister macht, nur weil der mehr Geld herbeischaffen kann. Im Gegenteil: die besten Grundsätze können ja immer erst dann realisiert werden, wenn Geld da ist. Man muss Realpolitiker sein, das ist es, was den Katholizismus fördert.

In unserer Kreisstadt gibt es lokalpatriotisch-katholische Traditionen, die seit Menschengedenken im Volk verwurzelt sind, z.B. die „Integration“ des Schützenfestes in das Fronleichnamsfest. Das ist freilich eine Sache, die der Außenstehende so wenig würdigen kann wie ein Ketzer den politischen Katholizismus. Ein solcher Außenstehender hat sich in der Nazizeit darüber gewundert, dass den Weltenheiland, wenn er in der Monstranz aus der Kirche getragen wurde, der gleiche Präsentiermarsch empfing wie ein wenig später den meist nicht mehr ganz nüchternen Herrn Kreisleiter der NSDAP. Nun, bei uns sind weltliche Macht und Kirche eben immer „integriert“ gewesen, und wenn auch der Kreisleiter nichts geglaubt hat, so war er doch die Obrigkeit, die zum Schützenfest gehört, zu dem andererseits auch Jesus Christus und seine Kirche gehören. Was der Mensch zusammengefügt hat, das darf auch Gott nicht trennen.

Wir haben ja nun wieder einen katholischen Bürgermeister, der aus der richtigen Partei kommt, wie sich’s gehört, und so kann am Schützenfest nichts mehr getadelt werden: es wird wieder gefeiert, wie wir es gewohnt sind seit Urzeiten: zusammen mit dem Fronleichnamsfest. Der Pfarrer soll ja, kurz nach 1945 einmal geäußert haben, dass man beide Feste doch lieber trennen sollte –, aber was hat kurz nach 1945 (bis zur Währungsreform) nicht alles in den Köpfen herumgespukt! Gut, dass sie nun wieder in Ordnung gekommen sind und so denken, wie es sich nach dem Geiste der Tradition gehört.

Wenn die Schützen in tadelloser weißer Hose, mit Spießen ausgerüstet, neben dem Allerheiligsten einherschreiten, so ist das ja wie ein Symbol aus der EVG [Europäischen Verteidigungs-Gemeinschaft]: hier wird die Verteidigung des Herzens des Abendlandes, nämlich des Christentums demonstriert, den Bürgern zur Ehr, den Antichristen zur Lehr. Die katholischen Schützenbrüderschaften sind ja religiöse Bruderschaften, stets nach einem Heiligen benannt, und wissen, was sie dieser Stunde schuldig sind. Wenn jetzt wieder, bei der Erhebung der Monstranz zum Segen, die Böller krachen, so lacht jedes wehrfreudigen Katholiken Herz: Unsere Kirche soll auch nie von den Kanonen getrennt werden! Auch dies ist eine ewige Union. Und schließlich sind Kirche, Wehrkraft und Bier ein treudeutschchristlicher Dreiklingklang, der in der Volksseele gründet. Solange es katholische Schützenbrüder gibt, wird daran nicht gerüttelt werden.

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Es sind ja meistens Verleumdungen von Ketzern oder missgünstigen Außenseitern, wenn gesagt wird, dass es beim Schützenfest zu Auswüchsen komme, die nicht verantwortet werden könnten. Ja, es ist wohl schon mal der und jener vom Schützenfest nicht mehr ganz kerzengerade nach Hause gegangen und er hat vielleicht dabei auch keine Prozessionslieder gesungen; aber diese Dinge kommen das ganze Jahr jede Samstag- und Sonntagnacht vor und davon wird ja auch weiter kein Aufheben gemacht! Wenn da früh um drei gegröhlt wird: „Die Fahne hoch …“ oder „O du fröhliche, o du selige …“, dann weiß doch jeder, dass das dem katholischen Charakter unserer Kreisstadt nicht den geringsten Abbruch tun kann. Was nachts geschieht und mit besoffenem Kopf, das ist so gut wie nicht geschehen. Und weiterhin: Wir sind doch keine Puritaner, sondern vollblütige Bürger, die, wie man so gut sagt, mit beiden Beinen im Leben stehen. Und diese Beine, so dünn sie auch geworden waren durch die Hungerkuren nach 1945, sind längst wieder die starken Säulen, auf denen ein massiger Körper aufruhen kann. Wenn wir auch nicht zu den Bärten der Väter vor 1914 zurückgekehrt sind, zu ihren Bäuchen haben wir zurückgefunden. Und es ist unter uns keiner, der nicht seinen Mann im Leben zu stehen wüsste. Und darauf kommt es schließlich an, das ist das entscheidende Kriterium: kirchentreu und lebensstark.

Wenn wir, wie manche sagen, im übrigen so tun, als ob nichts gewesen wäre, so sind wir dazu durchaus berechtigt. Wir sind doch eigentlich nie richtige Nazis gewesen. Auch wer in der Partei war, war stets auch in der Kirche. Und wer sich von gewissen exponierten Kirchenämtern zurückzog, der tat es doch nur, um seine katholische Beamtenposition nicht für einen Ketzer oder gar Atheisten frei zu machen. Der Pater Direktor unseres katholischen Gymnasiums ist nur aus taktischen Gründen Pegeh [NSDAP-Parteigenosse] geworden, und der Gerichtsdirektor hat nur darum den Vorsitz im Kirchenvorstand für die Zeit des tausendjährigen Reiches niedergelegt, damit er weiter christkatholisch rechtsprechen konnte. Mit der Seele und dem Glauben hatte das alles gar nichts zu tun, weshalb wir nach 1945 gar keine Notiz mehr davon genommen haben. „Als ob“ diese taktischen Manöver der Klugheit von irgendeiner Bedeutung sein könnten! Wir haben sie hinter uns geworfen und wollen auch nicht, dass darüber noch geredet wird …

Falken-HSK: Jugendliche aus dem Hochsauerlandkreis demonstrieren beim G20-Gipfel

Geschätzt 70 bis 80.000 friedliche TeilnehmerInnen auf der Demonstration „Grenzenlose Solidarität statt G20“. (foto: falken-hsk)

Der Jugendverband „Die Falken“ aus dem HSK hat sich an den Protestkundgebungen aus Anlass des G20-Gipfels in Hamburg beteiligt.

(Presseinformation der Falken-HSK vom 16. Juli 2017)

In einem vierstündigen Seminar hatten sich die jungen Leute mit der Zusammensetzung des Gipfeltreffens beschäftigt, mit der Politik, wofür die „Group of 20“ steht, und mit der Kritik, die es daran gibt. „Unsere Kritik ist umfassend und detailliert“, so die Falken. „Wir bestreiten die Rechtmäßigkeit eines Treffens von Entscheidern der ökonomisch stärksten Nationen, von deren Politik aber ausgerechnet jene Länder und Menschen am stärksten betroffen sind, deren Vertreter zu diesen Treffen nicht eingeladen werden.“

Die Falken haben sich an der Demonstration „Grenzenlose Solidarität statt G20“ beteiligt.

„Wir haben die Gelegenheit genutzt, gemeinsam mit 76.000 anderen unsere Kritik an der gegenwärtig herrschenden Politik an die versammelten Staatschefs heranzutragen – allem voran unsere Kritik an der ungerechten Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Wie kann man zulassen, dass 60 reiche Menschen soviel besitzen, wie die 3,5 Milliarden Ärmsten zusammen! Wie kann man einige Wenige soviel Reichtum anhäufen lassen, dass sie es in zehn Leben nicht ausgeben können, während ein Großteil der Menschheit in Armut und Hoffnungslosigkeit lebt und eine Lebenserwartung hat wie bei uns im Mittelalter!“

Aber auch die Reichtumsverteilung im eigenen Land ist Thema des Engagements der jungen Sauerländer.

„Eltern müssen teilweise schon für Grundschulkinder private Nachhilfe bezahlen, weil viel zu wenige Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden, um alle Kinder angemessen zu fördern bis zu einem ordentlichen Abschluss. Realschulen im Sauerland starten mit Klassengrößen von 34 Kindern je Klasse! Unter solchen Bedingungen kann kein Lehrer vernünftig unterrichten und kein Kind ordentlich lernen; Lehrer werden zermürbt, Kinder aussortiert. Gleichzeitig wird der Rüstungsetat auf 130 Milliarden Euro aufgestockt, und die Regierung lässt Panzer an der Grenze zur Russischen Föderation aufmarschieren. Wir gehen gegen die militärische Zuspitzung und Kriegsdrohung auf die Straße, und auch dagegen, dass unser dringend benötigtes Steuergeld so verschwendet wird.“

Die Auseinandersetzungen mit der Polizei, die es in Hamburg gegeben hat, haben die Falken am Rande mitbekommen.

„Wir hatten uns gut darauf vorbereitet, welche Rechte man auf einer öffentlichen Kundgebung hat und wie man Ärger mit der Polizei vermeidet, aber unsere Demonstration war davon nicht betroffen. Die Durchsuchung unseres Busses und unserer Jugendlichen auf der Hinfahrt, die uns einige Stunden Zeit gekostet hat, lassen wir gerade durch einen Anwalt prüfen.“

Ausflugstipp: Die Oleftalbahn in der Eifel – ein Bonbon nicht nur für Eisenbahnfreunde

An den Sonntagen 16. und 23. Juli 2017 kann man die Oleftalbahn mit einem Fahrzeug bereisen, dass von 1955 bis 1976 das Bild der Flitsch deutlich geprägt hat, dem VT 95. (foto: Marita Rauchberger)

Seit Anfang Juni läuft auf der Oleftalbahn wieder der Fahrverkehr. Die Bahn- und Businitiative Schleidener Tal e.V. (BuBI) hat sich für dieses Jahr ein Bonbon nicht nur für Eisenbahnfreunde ausgedacht.

Am kommenden Sonntag, dem 16. Juli und dem darauffolgenden Sonntag, dem 23. Juli 2017 fährt der VT 95 der Vulkan-Eifel-Bahn (VEB) die gewohnten Fahrten als Ersatz für den MAN-Triebwagen der Rhein-Sieg-Eisenbahn (RSE).

Passend zur denkmalgeschützten Eisenbahnstrecke Kall-Hellenthal wird erstmalig seit Jahren ein streckentypisches Fahrzeug auf der Flitsch verkehren. 2014 fuhr der von der Waggonfabrik Uerdingen ausgelieferte Schienenbus anlässlich des 130jährigen Geburtstages der Flitsch.

Nachdem in den ersten Jahren Dampfloks der verschiedenen Gattungen auf der Oleftalbahn fuhren, setzte die damalige Bundesbahn, als die ersten einmotorigen Schienenbusse der Gattung VT 95 (später 795) abgeliefert wurden, diese ab 1955 auch dort ein.

Unzählige Schüler sind mit dem im Volksmund genannten „Roten Brummer“ nach Schleiden zur Schule gefahren. Bis zum Sommerfahrplan 1976 bestimmten die Uerdinger Schienenbusse den Personenverkehr auf der Flitsch.

Ab 10:55 Uhr geht es zweistündlich viermal von Kall bis Hellenthal und zurück. Der Fahrplan und die Fahrpreise findet man auf www.oleftalbahn.de

Aus betriebstechnischen Gründen fällt am 16. Juli 2017 die erste Fahrt, 9:51 Uhr ab Hellenthal und am 23. Juli 2017 die letzte Fahrt, ab 16:55 Uhr ab Kall, aus.

Offener Brief der „Falken NRW“ zur Anti-G20-Demo: Zeit für Solidarität – Zeit für Demokratie und Aufklärung

Gelsenkirchen. (falken_nrw) Offener Brief der SJD – Die Falken NRW zur 4-stündigen Gewahrsamnahme ihres Busses mit Minderjährigen und jungen Erwachsenen auf dem Weg zur Anti-G20 Demonstration

Die Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken (SJD – Die Falken) sind ein unabhängiger und selbstorganisierter, politischer und pädagogischer Kinder- und Jugendverband.

Unser Verband ist Teil der Arbeiter*innenjugendbewegung und aus der Selbstorganisation junger Arbeiter*innen entstanden. Seit 113 Jahren vertreten bei uns Kinder und Jugendliche ihre Rechte und Interessen selbst und kämpfen für eine andere Gesellschaft.

Unser Ziel ist eine Gesellschaft, die auf Freiheit, Gleichheit und Solidarität gründet. Wir sind Mitglied des Landesjugendring NRW und in vielen Städten und Gemeinden vertreten.

Am 08.07.2017 organisierten wir einen Bus zur Großdemonstration „Grenzenlose Solidarität statt G20“ in Hamburg, um an den dortigen Demonstrationen gegen den Gipfel teilzunehmen. Auch in den Tagen vorher waren Freund*innen in Hamburg und haben sich am Gegengipfel, dem Schüler*innenstreik von „Jugend gegen G20“ und bei Akten des zivilen Ungehorsams (wie Streiks und Sitzblockaden) beteiligt.

In besagtem Bus saßen 44 junge Menschen (einige von ihnen minderjährig). Neben Falken waren dort auch Mitglieder der Grünen Jugend NRW, der DGB Gewerkschaften und der Alevitischen Jugend NRW anwesend. Unsere Anreise war über das Bündnis „Jugend gegen G20“ in Hamburg offiziell bei der Polizei und dem ZOB (Zentraler Omnibusbahnhof Hamburg) angekündigt.

Ab ca. 7.00 Uhr wurde unser Bus von mehreren Polizeiwagen eskortiert, die verhinderten, dass wir von der Autobahn abfuhren. Erst gegen 7.45 Uhr wurden wir auf einen Rasthof unmittelbar vor Hamburg geleitet.

Vor Ort standen ca. 30 Polizist*Innen die sich ihre Schutzausrüstung anzogen und den Bus umstellten. Uns wurde mitgeteilt, dass in Kürze weitere Kräfte hinzukommen, die unseren Bus durchsuchen würden.

Einige Zeit später tauchten 50 BFE’ler*innen (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten) auf, die in voller Montur die vorherigen Polizist*innen ablösten. Sie setzten ihre Helme auf und zogen sich Handschuhe an. Einzelne BFE’ler machten Drohgebärden in Richtung unserer Jugendlichen. Der Einsatzleiter stellte klar, dass von uns „ab sofort keine hektischen Bewegungen mehr durchzuführen“ seien. Sowohl in dem Moment, aber auch später blieben alle jungen Menschen ruhig und besonnen, trotz dieses massiven, einschüchternden Aufgebotes.

Einige Zeit verging, ohne dass etwas passierte. Schließlich teilte uns der Einsatzleiter mit, dass wir nun in ein „gesichertes Objekt“ gebracht würden, um dort unsere Personalien aufzunehmen und uns zu durchsuchen. Danach könnten wir dann „möglicherweise zur Demonstration weiter“. Das BFE stieg bewaffnet und vermummt in unseren Bus und verließ den Bus später nur im Austausch gegen andere BFE’ler*innen.

Wir wurden erneut in einer Eskorte von ca. 10 Polizeifahrzeugen zu einem uns nicht bekannten Ort gebracht. Erst kurz vor der Einfahrt erkannten wir, dass es sich um die Gefangenensammelstelle (GeSa) in Hamburg-Harburg handelte.

In der GeSa angekommen wurden wir einzeln nacheinander heraus gebeten, und wurden durchsucht. Dabei war die Behandlung sehr unterschiedlich. Einige wurden neutral behandelt – andere wurden geschlagen, mit ihren Händen auf dem Rücken abgeführt oder ihnen wurden Handschellen angedroht. Einige der Jugendlichen mussten sich komplett nackt ausziehen (andere bis auf die Unterwäsche) und wurden dann intensiv abgetastet. Bei den WC-Gängen mussten bei allen die Türen offen bleiben. Der Hinweis, dass wir Minderjährige im Bus haben, ein Jugendverband sind und zu einer angemeldeten Demonstration wollten spielte dabei keine Rolle.

Während der gesamten Prozedur wurde uns nicht klar gesagt, was mit uns passieren soll. Die Aussagen der Polizei gegenüber den Abgeführten reichten von „Ihr dürft bald weiter fahren“, „Ihr bleibt in der GeSa bis morgen Abend“, bis „Ihr werdet nun dem Haftrichter vorgeführt“. Scheinbar hatten alle Polizist*innen andere Informationen. Den Jugendlichen im Bus wurde jegliche Information verweigert.

Obwohl unseren Jugendlichen in Gewahrsam ein Anruf (und den Minderjährigen sogar zwei) zugestanden hätte, wurde dieser nicht gewährt. Kontakt zu Anwält*innen konnten nur diejenigen herstellen, die noch im Bus saßen. Bis die Polizei den im Bus sitzenden allerdings endlich sagte, dass gerade der gesamte Bus in Gewahrsam genommen wird, saß bereits ein Drittel unserer Freund*innen in den Zellen.

Nachdem etwa die Hälfte der Jugendlichen abgeführt worden war, änderte sich das Verfahren schlagartig. Die Verbleibenden wurden weder durchsucht, noch wurden ihre Personalien kontrolliert. Nach jeweils einem kurzen Gespräch mit einem Polizisten wurden sie alle wieder zurück in den Bus geschickt, dabei sollte zunächst jeder auf einen einzelnen Doppelsitz und auch die Kommunikation untereinander war nur bedingt erlaubt. Nach ein bis zwei Stunden wurden die Anderen nach und nach entlassen und bekamen ihre Sachen zurück. Gegen 12.20 Uhr waren endlich alle wieder im Bus und wir konnten los zur Demonstration, die bereits um 11 Uhr begonnen hatte. Die Stimmung war trotz dieser Behandlung entschlossen, solidarisch und friedlich.

Wir sind aktuell in Kontakt mit Anwält*innen, die uns beraten, ob und inwiefern wir juristisch vorgehen können.

Erst im Nachhinein und in den vergangenen Tagen berichteten unsere Jugendlichen über ihre Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit und der Einschüchterung, der sie ausgesetzt waren. Einige von ihnen brauchen aktuell psychologische Unterstützung. Wir stehen natürlich auch in engem Kontakt mit ihnen und versuchen sie zu unterstützen, wo es möglich ist.

Neben dieser akuten Erfahrung sind für viele die Reaktionen im Internet, Medien und in ihrem Umfeld (Schule, Betrieb und Familie) belastend. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie selbst Schuld seien, wenn sie gegen den G20-Gipfel demonstrieren und, dass solch ein Verfahren notwendig und legitim sei, um für die Sicherheit des G20-Gipfels zu sorgen.

Für uns ist aber klar: Jugendliche, die in einem angemeldeten Bus zu einer angemeldeten Demonstration fahren, ohne Grund vier Stunden lang darin zu hindern, kann und darf nicht legitim und normal sein. Wir wollten gegen Krieg, Armut und Kapitalismus demonstrieren – dagegen dass die meisten von der Politik der G20 Betroffenen dort kein Wort mitreden können. Wir haben nicht und werden niemals schweigend zusehen, wie Diktatoren, die in ihren Ländern die Opposition unterdrücken, Menschen mit unliebsamer Meinung einsperren und Minderheiten verfolgen, in Hamburg – oder anderswo – hofiert werden.

Unser Protest ist legitim und demokratisch – anders als die faktische Aufhebung der Gewaltenteilung letztes Wochenende in Hamburg. Neben unserer in Gewahrsamnahme, gab es weitere ähnliche Fälle. Außerdem gab es Einschränkungen der Pressefreiheit, Demonstrationsverbote auf insgesamt 40 km², Behinderung der Arbeit von Rechtsanwält*innen (namentlich dem RAV), Versuche den Demonstrierenden erst gerichtlich die Camps zu verbieten, und sie anschließend trotz gerichtlicher Genehmigung zu räumen, einen generellen Verdacht gegen alle Demonstrant*innen, eine Ignoranz der Unschuldsvermutung und generell vollkommen unverhältnismäßige Eingriffe.

All dies wird von uns klar als Repression gegen unser politisches Engagement wahrgenommen. Klar ist aber auch: wir lassen uns trotzdem nicht einschüchtern! Gerade jetzt machen wir weiter und werden demonstrieren, uns organisieren und bilden. Das bedeutet für uns konkret, dass wir eine solidarische Debatte in der linken Bewegung brauchen, wie wir mit dem vergangenen Wochenende in Hamburg umgehen und wie wir weiter machen.

Wir gehen weiter auf die Straße, um für eine gerechtere Welt zu kämpfen. Dafür braucht es aber eine Polizei, Politik und Justiz, die berechenbar ist und auf dem Boden der Gesetze arbeitet.

Jetzt braucht es klare Solidarität von unseren Freund*Innen und Verbündeten, die dieses Vorgehen der Polizei kritisieren, uns den Rücken stärken und sich gegen den Abbau von demokratischen Rechten aussprechen!

Freundschaft!

Paul M. Erzkamp, Landesvorsitzender SJD – Die Falken, LV NRW,

12.07.2017

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offener_brief_sjd_die_falken_nrw_g20_zeit_fuer_solidaritaet.pdf

Von Entenhausen nach Hallenberg: „I feel I have been a ghost long enough …“

Übermorgen geht es los. Kump goes Disney.

Hallenberg. (kump_pm) Am Donnerstag, 13. Juli wird die nächste Ausstellung im Kump in Hallenberg eröffnet “Von Entenhausen nach Hallenberg“ Walt Disneys große Zeichner.

Eigentlich war die Eröffnung bereits für den 22. Juni vorgesehen. Aber Ulrich Schröder, der bekannte deutsche Disney-Zeichner, musste die Teilnahme an der Ausstellungseröffnung wegen einem dringenden Termin in den USA absagen. Nun wurde ein neuer Termin gefunden, an dem Ulrich Schröder nicht nur die Ausstellung vorstellen, sondern auch zeichnen und signieren wird.

Am Donnerstag 13. Juli um 19.00 Uhr wird die Ausstellung im Kump eröffnet. Hierzu sind alle Bürger und Gäste herzlich eingeladen.

Donald Duck und Micky Maus – zwei Figuren aus der Comic-Welt, die fast jeder kennt.

In dieser Ausstellung lernen Sie die drei genialen Künstler hinter den Figuren kennen: Carl Barks, Al Taliaferro und Floyd Gottfredson. Sie haben die bekanntesten Disney-Comics über Jahrzehnte gezeichnet und fast alle Nebenfiguren um Micky und Donald erfunden. Die Sonderausstellung zeigt über 250 Arbeiten von 1933 bis 1995 aus der Sammlung von Ina Brockmann und Peter Reichelt: wertvolle Originale, Bleistift- und Tuschezeichnungen, Tagesstrips und Sonntagsseiten, Aquarelle und Lithographien. Die Entwicklung des Entenkosmos wird sichtbar und historische Disneydokumente geben einen Einblick in die Produktionsbedingungen dieser Zeit.

Carl Barks in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Carl Barks, Al Taliaferro und Floyd Gottfredson sind die Urheber einer Figurenwelt, die bis heute Teil unseres kollektiven Gedächtnisses und unserer Alltagskultur ist. Diese drei Künstler haben seit den 1930er Jahren das Genre der Comics im Unternehmen von Walt Disney entscheidend entwickelt und geprägt. Mit den gezeichneten, getexteten und oft mit Sprechblasen versehenen Bildergeschichten wurden ihre Comics ein ökonomisch erfolgreiches Lizenz-Produkt des Disney-Konzerns in Abgrenzung zur Trickfilm-Produktion.

Carl Barks (27.03.1901 – 25.08.2000), der kongeniale Zeichner und Texter übernahm 1943 die Figur Donald Duck und entwickelte als erster Autor mehrseitige Disney-Comicgeschichten mit mehr als 10 Seiten. Neben seiner romanhaften Phantasie ist sein Zeichenstrich und das Aufbrechen der Seitenarchitektur bis heute legendär. In 24 Jahren erfand er über 850 Disney-Comics und das berühmte Entenhausen mit all seinen Bewohnern, u.a. Dagobert Duck und Daniel Düsentrieb.

Alfred „Al“ Taliaferro (29.08.1905 – 03.02.1969) hat eine namenlose Ente aus der Trickfilmproduktion genommen und aus ihr die uns heute so bekannte Figur Donald Duck entwickelt. Er spendierte ihm neben vielen anderen Verwandten auch die Neffen Tick, Trick und Track. In 38 Arbeitsjahren bei Disney zeichnete er bis zu seinem Tod insgesamt 10.312 Tagesstrips und 2.089 Sonntagsseiten.

Floyd Gottfredson (05.05.1905 – 22.07.1986) ist der eigentliche Vater von Micky Maus und des Mausiversums. Kein Disney-Zeichner hat länger als er kontinuierlich an einer Figur gearbeitet. In diesen knapp über 45 Jahren zeichnete und textete er über 15.000 Tagesstrips und Sonntagsseiten, ausschließlich mit der Micky Maus.

Die Identität der Schöpfer von Donald, Micky und ihrer Kollegen wurde über Jahrzehnte hinweg hinter der Corporate Identity des Disney-Konzerns geheim gehalten. Die künstlerische Arbeit wird nun den wahren Urhebern zugeordnet und das hartnäckige Gerücht aus der Welt geschafft: „gezeichnet Walt Disney!“ Erst kurz vor seinem Tod erkennt Al Taliaferro: „I feel I have been a ghost long enough…“.

Ulrich Schröder

Ulrich Schröder kommt nach Hallenberg.

Der aus Deutschland stammende Ulrich Schröder zeichnet heute Geschichten und vor allem Cover rund um Maus und Ente.

Ulrich Schröder, der als legitimer Nachfolger von Carl Barks gilt, lebt in Paris. Er wird bei der Eröffnung dabei sein und zeichnen und signieren. Am Freitag, 14. Juli wird er außerdem in den Hallenberger Schulen Zeichenstunden gehen und zeigen wie Micky und Donald entstehen.

Die Ausstellung läuft bis zum 20. August 2017. Der Eintritt ist frei

Öffnungszeiten:
Montag bis Samstag von 9.30 bis 12.30 Uhr.
Montag, Donnerstag, Freitag und Sonntag von 14.30 bis 16.30 Uhr

Die im Dunkeln sieht man nicht: Jede(r) Achte in NRW war 2014 von materiellen Entbehrungen betroffen

Die im Dunkeln sieht man nicht[1], und dabei sind es doch sehr viele. (grafik: it.nrw)
Düsseldorf (IT.NRW). Im Jahr 2014 waren 12,2 Prozent der nordrhein-westfälischen Personen in Privathaushalten von materiellen Entbehrungen betroffen. Wie der Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen als amtliche Statistikstelle des Landes mitteilt, war damit jede achte Person aufgrund von fehlenden finanziellen Mitteln in ihren Lebensbedingungen eingeschränkt.

Die Betroffenen waren z. B. nicht in der Lage, ihre Mieten, Hypotheken oder Versorgungsleistungen zu bezahlen, ihre Wohnungen angemessen zu beheizen oder eine einwöchige Urlaubsreise zu finanzieren. Materielle Entbehrungen bestehen nach EU-Definition dann, wenn nach Selbsteinschätzung der Haushalte drei von insgesamt neun Mangelsituationen vorliegen.

Am häufigsten fehlten finanzielle Reserven, um unerwartet anfallende Ausgaben zu bestreiten; dies traf auf gut ein Drittel der Personen zu (34,4 Prozent). Gut ein Fünftel der Personen (21,8 Prozent) konnte es sich finanziell nicht leisten, eine Woche pro Jahr Urlaub woanders als zu Hause zu verbringen.

Diese und weitere interessante Ergebnisse zur Verbreitung von Mangelsituationen in der Bevölkerung haben die Statistiker jetzt in der Reihe Statistik kompakt unter dem Titel „Wer muss worauf verzichten? Verbreitung materieller Entbehrungen in Nordrhein-Westfalen 2014” veröffentlicht. Die Ergebnisse basieren auf der jährlich EU-weit durchgeführten Haushaltserhebung EU-SILC über Einkommen und Lebensbedingungen.

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[1] „Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.“

Bertolt Brecht, Dreigroschenoper

Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Moritat_von_Mackie_Messer

Update: „Einwohnerfragestunde“ im Kreistag

Zu Beginn jeder Kreistagssitzung ist Zeit für eine Einwohnerfragestunde anberaumt. Die können die Bürgerinnen und Bürger nutzen …. oder auch nicht. Denn dann hat sie oder er die äußerst seltene Gelegenheit, beliebige Fragen zu allen Themen der Kreispolitik an den Landrat zu stellen. Die Verwaltung sollte sie möglichst an Ort und Stelle beantworten oder – falls nicht möglich – die Antwort(en) zeitnah schriftlich nachreichen.

(Der Artikel ist zuerst auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen.)

Eine vorherige Anmeldung zur Wortmeldung bei der Einwohnerfragestunde ist nicht erforderlich. Man muss sich (eigentlich*) nur (von der Zuschauertribüne aus) melden, wenn der Landrat zu Anfang der Sitzung die Frage stellt, ob Fragen vorliegen.

„Eigentlich“*,
das ist unser Stichwort. Denn bei der vorletzten Kreistagssitzung verhielt sich die Verwaltung gegenüber den Fragestellern, sagen wir mal, „etwas merkwürdig“. Die Bürgerinnen und Bürgern wurden nach ihren Personalien gefragt. Die wurden dann von Verwaltungsmitarbeitern notiert. Die Fragesteller/innen durften dann ihre Fragen auch nicht – entgegen bisherigen Gepflogenheiten – von der Zuschauertribüne aus stellen, sondern wurden vom Landrat dazu gedrängt, die Treppe herunter zu kommen und unten in den Sitzungssaal vor das Mikro am Rednerpult zu treten.

Ahnungen
Die Kreistagsfraktionen Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW) und DIE LINKE hatten wohl die dumpfe Ahnung, es könnte sich um einen Einschüchterungsversuch der Verwaltung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern handeln. Beide Fraktionen reagierten entsprechend.

Reaktionen
Die SBL/FW beantragte am 03.04.2017 die Einberufung des Ältestenrates zum „Umgang mit Fragestellern in der Einwohnerfragestunde (Standort, Erfassung von Personalien) und zur „Art der Ansprache von Zuhörern auf der Besuchertribüne“. Der Landrat lehnte die Einberufung des Ältestenrates ab.

Klick:
http://sbl-fraktion.de/?p=7423

DIE LINKE stellte am 20.06.2017 für die Kreistagssitzung am 30.06.2017 einen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung zum Zwecke der Sicherung der demokratischen Rechte der Bürger. Die Verwaltung lehnte den Antrag wegen fehlenden inhaltlichen Bezugs zur Tagesordnung der Kreistagssitzung ab.

Klack:
https://www.schiebener.net/wordpress/kreistagsfraktion-der-linken-hsk-landrat-dr-schneider-demuetigt-fragenstellende-buerger/

Geschichte
Nun ist die Kreistagssitzung vom 30.06.2017 mitsamt der Einwohnerfragestunde Geschichte. In der Presse war wenig darüber zu lesen, erst recht nichts über die Einwohnerfragestunde. Deswegen schreiben wie ein paar Sätze dazu.

Also: Zwei Bürgerinnen machten von ihren demokratischen Rechten Gebrauch und stellten von der Zuschauertribüne aus je eine Frage. Die eine wie die andere hatte Bezug zu den Fragen in der Kreistagssitzung im vergangenen März. Sinngemäß lauteten sie:

Wurden seit der letzten Kreistagssitzung erneut Menschen abgeschoben, obwohl für sie ein Härtefall-Antrag oder eine Petition anhängig waren?
und
Erfolgten auf dem Ziegenhof im Stadtgebiet Brilon seit der Kreistagssitzung im März weitere Kontrollen durch das Kreisveterinäramt?

Die Verwaltung konnte weder die eine noch die andere Frage gleich beantworten. Die Antworten sollen daher schriftlich erfolgen und nachgereicht werden. Das versicherten der Landrat und die zuständige Fachbereichsleiterin.

Positives
Positiv bleibt anzumerken:
Die Bürgerinnen durften ihre Fragen von der Zuschauertribüne aus stellen.
Auch die Aufnahme der Personalien verlief deutlich weniger spektakulär als bei der März-Sitzung.

Ausblick
Nur ein Kreistagsmitglied der CDU zeigte sich augenscheinlich etwas genervt. Er meldete sich noch während der Einwohnerfragestunde zu Wort, monierte, er habe die Fragestellerinnen akustisch nicht verstanden, woraufhin der Landrat (der sie in fast gleicher Entfernung offensichtlich gut verstanden hatte) seinerseits die beiden Fragen deutlich wiederholte. Zudem ließ der Herr von der CDU durchblicken, er erwarte eine Änderung der Geschäftsordnung.
Wir vermuten, er meint eine Änderung dahingehend, dass bei allen zukünftigen Einwohnerfragestunden so verfahren werden soll wie in der legendären März-Sitzung, sprich: Die Bürger/innen sollen/müssen von der Zuschauertribüne herunter an das Rednerpult in den Sitzungssaal und ihre Personalien sozusagen zu Protokoll geben.
Wie gesagt: Wir vermuten. Wir lassen uns aber gerne positiv überraschen. Vielleicht wollte das CDU-Kreistagsmitglied ja auch einfach nur mehr Demokratie anmahnen?

Wo Demokratie anfängt
„Demokratie fängt im Kleinen an“, kommentierte gestern ein Mitglied der PIRATEN bei Facebook. Recht hat er!

Kreistag des HSK ändert im zweiten Anlauf die Zusatzvergütung für Ausschussvorsitzende

Formell ging es um eine Änderung der Hauptsatzung. In ihr wird nun für den Hochsauerlandkreis geregelt, dass die Vorsitzenden der 8 Ausschüsse doch keine doppelte Aufwandsentschädigung erhalten.

(Der Artikel ist zuerst auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen.)

Der NRW-Landtag hatte im letzten Jahr diese doppelte Vergütung als Regelfall beschlossen. Das bedeutete jährlich 5.305,20 Euro zusätzlich für die 8 Ausschussvorsitzenden. Geht man davon aus, dass die Vorsitzenden für eine Sitzungsvorbereitung etwa 2 Stunden mehr als die anderen Ausschussmitglieder aufwenden müssen, ergeben sich daraus bei durschnittlich 4 Sitzungen pro Jahr 8 Stunden Mehraufwand. Der würde mit einer Stundenvergütung von etwa 660 Euro fürstlich honoriert, wie die SBL/FW im Kreistag vorrechnete. Die stellvertretenden Ausschusvorsitzenden würden übrigens keine Mehreinnahmen erhalten, wenn sie “ihren” Vorsitzenden vertreten, im Extremfall sogar für alle 4 Sitzungen im Laufe eines Jahres…

Was in der letzten Kreistagssitzung im März 2017 chaotisch war, verlief am Freitag in geordneten Bahnen ab. Damals erfolgte weder die beantragte Nachzählung der Ja-Stimmen, noch wurden Nein-Stimmen und Enthaltungen überhaupt ausgezählt. Dieses Mal zählten mehrere Mitarbeiter der Kreisverwaltung gründlich und notfalls mehrmals die Ja- und Nein-Stimmen. Notwendig für eine Änderung der Hauptsatzng sind 28 Ja-Stimmen, unabhängig von der Anzahl der anwesenden Kreistgsmitglieder.

Über die 8 Ausschüsse wurde zunächst einzeln abgestimmt. Alle 8 Vorsitzenden wurden für befangen erklärt, so dass – einschließlich Landrat – noch 45 stimmberechtigte Kreistagsmitglieder anwesend waren; je ein Mitglied der CDU- und FDP-Fraktion fehlten entschuldigt. Bei allen Abstimmungen über die einzelnen Ausschüsse gab es jeweils 30 Stimmen für die Abschaffung der Zusatzvergütung: 21 von 22 anwesenden CDU-Kreistagsmitgliedern, 1 von 12 SPD-Vertretern, 2 FDP-Stimmen, den Landrat und die 5 Stimmen der Opposition (außer SBL/FW noch Linke und Piraten). Fast alle weiteren Kreistagsmitglieder aus SPD und Grüne stimmten dagegen, 2 enthielten sich. Bei der Schlußabstimmung kam noch eine 2. Ja-Stimme aus der SPD-Fraktion hinzu, so dass es nun 31 Ja-Stimmen gab.

Das Ergebnis hat vielleicht aus verschiedenen Gründen nicht allen geschmeckt. Aber es ist wie es ist und es ist gut und bedeutet, dass sich die Ausschussvorsitzenden (nach nur 6 Monaten) schon wieder von ihrer zusätzlicher Aufwandsentschädigung verabschieden müssen. Die kurzzeitige „Geldregen“ basierte auf einem u.E. nicht gerade als gelungen zu bezeichnenden Gesetz der alten NRW-Landesregierung. Darum wundert es nicht, wieso SPD- und Grüne-Fraktion im HSK-Kreistag mehrheitlich gegen die Änderung der Hauptsatzung votierten. Es muss wohl Liebe sein!? 😉

Betrieb von Unterkünften für Flüchtlinge und Obdachlose in Olsberg: 10,55 Euro je Quadratmeter

Zu Hoch und zu kurzfristig. Die Sauerländer Bürgerliste kritisiert die „Nutzungsentschädigungen“ für Flüchtlinge.

(Der Artikel ist in ähnlicher Form auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen.)

Gibt es im Hochsauerlandkreis Wohnungen, für die 10,55 Euro je Quadratmeter gezahlt werden müssen?

Ja, es gibt sie, und zwar fällt diese “Nutzungsgebühr” ausgerechnet für die Wohnungen an, die die Stadt Olsberg für Flüchtlinge angemietet hat.

Am 30.03.2017 hat der Rat der Stadt Olsberg einstimmig (!) die neue “Benutzungs- und Gebührensatzung der Stadt Olsberg über die Einrichtung und den Betrieb von Unterkünften für Flüchtlinge und Obdachlose” beschlossen. Im Protokoll dieser Ratssitzung ist keine einzige kritische Nachfrage vermerkt, ob diese Satzung überhaupt praktikabel ist oder nicht dazu führt, Flüchtlinge in den Ruin zu treiben.

Mitte Juni machte sich die Olsberger Stadtverwaltung an die Umsetzung. Sie verschickte an die Bewohner einen “Bescheid über Nutzungsentschädigungen”, erstmals zahlbar am 03.07.2017!

Für einen Flüchtling, der ein einzelnes Zimmer bewohnt, ergibt sich daraus bei 30qm angerechneter Fläche – einschließlich anteiliger Gemeinschaftsflächen! – eine Zahlungspflicht von 316,50 Euro je Monat.

Einen solchen Bescheid bekamen auch Flüchtlinge, die mittlerweile einen subsidiären Schutzstatus haben und nicht mehr Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, sondern nach dem Sozialgesetzbuch II.

Vorsorglich wurde den Empfängern der Bescheide in wunderschönem Behördendeutsch auch mitgeteilt: “Durch das Erheben des Widerspruchs wird die Wirksamkeit dieses Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Zahlungspflicht nicht aufgehoben”!

Die Empfänger der Gebührenbescheide fielen verständlicherweise “aus allen Wolken”. Wie sollen sie diese horrenden Kosten für ihren Wohnraum aus ihren Einnahmen nach dem SGB II bezahlen? Wie sollen sie ersatzweise innerhalb von 2 Wochen eine andere Bleibe finden, die für sie bezahlbar ist?

Bei der Stadt Olsberg scheint so große Finanznot zu herrschen, dass man jetzt auf diese Weise Geld von Flüchtlingen eintreiben will. Sowohl bei der Erstellung der Satzung als auch bei der Umsetzung hätte man im Olsberger Rathaus etwas mehr nachdenken können.