Sauerland, mein Herz schlägt für das Sauerland …

Photo: Helmut Monzlinger, Warstein

„Dies sind ein paar Bilder, die ich mit dem Sauerland verbinde. Wald, Bier, Berge und Heißluftballons sind für mich die Sachen, die das Sauerland auszeichnen. Kurz und knapp. Das Sauerland ist einfach nur geil. Die Lied im Hintergrund ist ,Sauerland – mein Herz schlägt für das Sauerland’ von der Kultband Zoff aus dem Sauerland.“

So las ich zu einem Video zu Warstein (1), und seit den Grabungen der Archäologen im Langenbachtal (2) kann ich die Anfangszeile des Refrains nur mitsingen:

„Sauerland, mein Herz schlägt für das Sauerland, …“

Die 71 erschossenen „Ostarbeiter“ (3) des Massakers im Langenbachtal, von denen jetzt weitere Habseligkeiten (4) gefunden wurden, liegen alle auf Meschedes Waldfriedhof, den viele „Franzosenfriedhof“ nennen, und wo bisher nur die Stele

Photo vom Oktober 2018. Wann wird die Stele restauriert?

die Wahrheit sagt. Wie dankbar bin ich dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe, dessen Archäologen nach dieser Wahrheit graben – und allen, die mir so viele Zeitungsausschnitte zugeschickt haben!

„Hier ruhen 27 sowjetische Bürger“ – der Massaker in Warstein und Suttrop am 20. bzw. 21.3.1945 im Langenbachtal bzw. im Körtlinghausener Forst.

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Anmerkungen:

  1.  https://www.youtube.com/watch?v=uAi7qJQELvQ
  2.  https://www.siegerlandkurier.de/siegen/fremdarbeiter-1945-warstein-erschossen-habseligkeiten-geborgen-arbeitet-10818520.html
  3.  siehe „Merkblatt für die Behandlung und den Arbeitseinsatz der Arbeitskräfte aus dem altsowjetrussischen Gebiet (Stempel: Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Dortmund)“ in „Der ,Franzosenfriedhof’ in Meschede“, Norderstedt 2018 (im ITS-Bibliothek-online-Katalog unter https://its-libcat.iserver-online2.de/objekt_start.fau?prj=its&dm=Bibliothekskatalog&ref=36145)
  4.  siehe „Eine ,verschwundene’ Stele ruft. ,Ein Fund größeren Ausmaßes’“ auf https://www.schiebener.net/wordpress/wp-content/uploads/2018/12/130.-Habseligkeiten.pdf

Wenn Nazis auf der Tribüne johlen und ein Vater laut betet
Der NSU-Prozeß – ein Feature und ein Literaturhinweis

„Diesen Prozeß schüttelt man nicht ab. Der frißt sich nach einiger Zeit wirklich so in die Seele. Das ist so, als wenn sich das Gift Tröpfchen für Tröpfchen in die Haut brennt.“ (2)

Seit am 6.5.2013 der Prozeß gegen „den“ „Nationalsozialistischen Untergrund“ in der Bundesrepublik Deutschland begann, protokollierten ihn Annette Ramelsberger, Wiebke Ramm, Tanjev Schultz und Rainer Stadler – bis zur Urteilsverkündung am 438. Verhandlungstag am 11.7.2018.

„Dieser Prozeß hat so gezehrt. Er hat einem die Seele aus dem Leib gezehrt.“ (2)

Diese Protokolle sind als Buch erschienen: „Der NSU Prozeß. Das Protokoll“. WDR 5 sendete dazu in „Neugier genügt“ am 22.11.2018 (1) ein Feature, das auf der Seite heruntergeladen werden kann (2) – und sollte.

„In diesem Prozeß haben am Schluß Neonazis auf der Tribüne gejohlt. Und sie wurden kurz ermahnt vom Richter: ,Seien Sie still. Nicht, daß ich Sie am Ende noch ’rausschmeißen muß.’

Aber sie wurden nicht ’rausgeschmissen. Sie wurden nicht ’rausgeschmissen. Sie saßen da und johlten. Und unten saßen die Angehörigen.“ (2)

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Anmerkungen:

(1) https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/neugier-genuegt/fuenf-jahre-nsu-prozess-100.html
(2) https://wdrmedien-a.akamaihd.net/medp/podcast/weltweit/fsk0/178/1782542/wdr5neugiergenuegtdasfeature_2018-11-22_fuenfjahrensuprozess_wdr5.mp3
 
 

Annette Ramelsberger, Wiebke Ramm, Tanjev Schultz und Rainer Stadler
„Der NSU Prozess. Das Protokoll“
München 2018 (Verlag Antje Kunstmann, 2000 Seiten, 80 Euro)

„Fritz Bauer. Tod auf Raten“ – Ein Film von Ilona Ziok

By Dontworry [CC BY-SA 3.0 ], from Wikimedia Commons
„Fritz Bauer war der wohl profilierteste Staatsanwalt, den die Bundesrepublik je hatte. Er war engagierter Geburtshelfer der Demokratie, als sie sich aus den Abgründen der Diktatur erhob: In dem von ihm 1952 geführten Remer- Prozess erklärt ein deutsches Gericht den NS-Staat erstmalig zum Unrechts-Staat.

Mit derselben Zielgerichtetheit hat er die Aufhellung und Ahndung der NS-Verbrechen in Gang gesetzt. Als hessischer Generalstaatsanwalt war er der Initiator des Frankfurter Auschwitz-Prozesses, als Verdrängung und Beschweigung noch an der Tagesordnung waren. Da er Zweifel hegte, dass die deutsche Justiz nachdrücklich genug die Auslieferung Adolf Eichmanns fordern und ihn wegen Mordes in vielen tausend Fällen anklagen würde, verriet er den Aufenthaltsort des berüchtigten ,Buchhalters der Endlösung’ an den israelischen Geheimdienst. Dadurch konnte Eichmann in Jerusalem vor Gericht gestellt werden.“

So bewarb die Urania den Film „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ von Ilona Ziok auf Ihrer Internetseite.

Filmplakat (Copyright CV Films)

Ilona Zioks Film kann man nicht einfach kaufen, sondern muss ihn bei „CV Films“ direkt bestellen. Wann wird er in unseren Schulen als selbstverständliches Unterrichtsmaterial gezeigt und zusammen gelesen mit Fritz Bauers Text, dem „größte(n) lebende(n) Zeuge(n) … für ein besseres Deutschland“, dem „größte(n) Botschafter, den die Bundesrepublik hatte“, wie Robert Kempner, stellvertretender Hauptankläger der USA beim Nürnberger Prozeß, Fritz Bauer nannte.

Immer noch lesenswert: Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns (bild: thelen-khoder)

Wenn ein so großer Mensch seine Gedanken so knapp zusammenfasst, fällt es schwer, etwas herauszugreifen. Und so bitte ich Fritz Bauer um Entschuldigung, wenn ich ihn so zu Wort kommen lasse:

1. Zum „Heiligen Römischen Reich (Deutscher Nation)“
Unter VII. auf S. 17: „Tendenzen, die Freiheit abzuschaffen, gab es vor allem in Italien, in Deutschland, in Russland, in Spanien und in Portugal … Diese fünf Länder sind ehemalige Weltreiche, die aber den Anschluß an den modernen Imperialismus nicht gefunden oder verloren haben. Man könnte also ihren Rückgriff auf archaische Weltreichvorstellungen als Ersatz für das Scheitern ihrer imperialen Bestrebungen in der Neuzeit verstehen, als eine Art Cäsarentum, das sie dem modernen Kolonialismus der anderen Staaten entgegensetzten. Die faschisierten Länder West- und Osteuropas sind genau diejenigen, die sich als Erben des römischen Cäsarentums und berufen fühlten, das Weltreich der Cäsaren fortzusetzen.
In Westeuropa bestimmte während des ganzen Mittelalters die Idee des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation die große Politik. Die Deutschen glaubten, eine Mission zu haben, das römische Kaiserreich zu erhalten und fortzusetzen. Ähnliches finden wir in Osteuropa, in Rußland. Das römische Weltreich war zum Schluß geteilt; es gab einen westlichen Teil, dessen Mittelpunkt Rom war, und einen östlichen, dessen Zentrum sich in Byzanz befand. Das byzantinisch-römische Erbe wurde von den russischen Zaren übernommen. Ein guter Teil des russischen Nationalismus und der Vorstellung der Weltmission des Russentums hat hier seine Quelle. Auch Spanien und Portugals Geschichte stand im Bannkreis solcher Ideen, und Mussolini ist nie müde geworden, an das alte Rom zu erinnern.
Das alte Rom war cäsarisch, nicht demokratisch …“.

2. Zu „Ordnungssinn“ und „Sachlichkeit“
Unter X. auf S. 26f: „Die Deutschen wurden auf ihre sachliche Arbeit ausgerichtet. Dem Anspruch des Staates auf Machtentfaltung nach außen und innen entsprach die Forderung nach fragloser, mechanischer Disziplin des Untertanen. Hier galt die Ideologie ,Gesetz ist Gesetz’ und ,Befehl ist Befehl’, sie sicherte Präzision. Weltanschaulicher, moralischer und humanitärer Ballast machten nach der herrschenden Auffassung einen Staat schwach und anfällig. Theorie und Praxis einer doppelten Moral überwucherte – wo sie sich erst einmal breit gemacht hatte – zwangsläufig die zum privaten Gebrauch degradierte Ethik des einzelnen und machte die Bürger zu gefügigen Staatsbürgern, die, indem sie kritiklos den Machtapparat stützten, zu ihrer eigenen Entmachtung beitrugen. Das Gebot der Sachlichkeit schuf ausgezeichnete Beamte, ausgezeichnete Offiziere und ausgezeichnete Handwerker und Arbeiter. Sie funktionierten besser, reibungsloser und widerstandsloser als die Beamten, Offiziere, Handwerker und Arbeiter anderer Länder. Die Präzision, die roboterartige Tüchtigkeit geschah aber auf Kosten des Menschlichen. Das Moralische wurde hintangestellt. Man tat seine Pflicht. Nun ist zwar Pflichterfüllung etwas Schönes und Großes, aber es gibt nicht nur eine Verpflichtung gegenüber der Sachaufgabe, die gestellt ist, sondern auch gegenüber den Menschen.
Es gab einen Dichter in Deutschland, der schon vor über einem Jahrhundert bitter darüber geklagt hat. Hölderlin litt und zerbrach. In seinem Hyperion lesen wir:

,Handwerker siehst du, aber keine Menschen,
Denker, aber keine Menschen,
Priester, aber keine Menschen,
Herren und Knechte, aber keine Menschen.’

Der Deutsche fühlte sich stets verantwortlich für seine Arbeit, er ging in ihr auf, aber die öffentlichen Dinge, das Politische im weitesten Sinne, das alles Zusammenleben zu Hause und mit den Menschen jenseits der Grenzen umfaßt, waren ihm ,ein garstiges Lied’, in das einzustimmen er ablehnte. Er folgte nicht nur im Sinne handwerklicher Tüchtigkeit der Maxime ,Schuster bleib bei deinem Leisten’. Im Dritten Reich haben wir erlebt, daß die Generäle groteskerweise zu erklären pflegten, sie seien Generäle und Offiziere, aber keine Politiker. Die Politik überließen sie Hitler. Für sie, sagten sie, trügen sie keine Verantwortung. Das waren Generäle, aber keine Menschen.
Man hat oft zwei Typen europäischer Menschen unterschieden; der eine Typus denkt vorzugsweise an Ordnung, der andere an Freiheit. Der Rechtsphilosoph Gustav Radbruch, Justizminister der Weimarer Republik, …, schrieb einmal, dem Menschen mit Ordnungssinn verdankten wir Großes; er könne aber zuzeiten zu kulturbedrohender Übertreibung neigen. …“

Ernst Klees „Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945“ führt sehr viele deutsche Juristen auf – Fritz Bauer aber nicht. Er war es vor 1933 und nach 1945, aber während des häufig immer noch mit dem Propagandawort der Nazis bezeichneten „Dritten Reiches“ war der Hessische Generalstaatsanwalt eben „nichts“, war ein Flüchtling.

Weil er wusste, vertrat, lebte, vorlebte und uns allen ins Stammbuch schrieb, „dass es in unserem Leben eine Grenze gibt, wo wir nicht mehr mitmachen dürfen.“

Fritz Bauer:

„Eine Politik im Dienste des Rechts eines jeden auf Glück wird aber nicht nur in politischen Zirkeln, durch Diskussionen und Wahlen getrieben. Jede Stunde des Alltags gibt allen Gelegenheit dazu, zu Hause, bei der Arbeit, auf der Straße, im Umgang und in Zusammenarbeit mit den Menschen aller Stände, Rassen und Weltanschauungen. Goethe hat einmal gesagt: ,Der Zweck des Lebens ist das Leben selbst.’ Leben meint Leben und Lebenlassen, heißt das Leben und alle Menschen lieben. Das ist, gerade weil es mitunter recht schwerfällt, jedenfalls heroischer, als die Menschen zu quälen, zu plagen und totzuschlagen.“

Zum 115. Geburtstag von Fritz Bauer stellt „CV Films“ ihren Film „Fritz Bauer. Tod auf Raten“ von Ilona Ziok (Weltpremiere 2010 auf der Berlinale, mehrfach ausgestrahlt von 3SAT, PHOENIX und dem SWR in Deutschland und auf vielen internationalen Festivals und TV-Sendern, bis zur kommenden Sonntagnacht kostenlos auf YouTube ein.

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„Bitte klicken Sie dazu den folgenden Link:
https://www.youtube.com/channel/UC1t3kuGEnXBFdgbwvr-v3ag?feature=em-share_video_user“, heißt es in einer Nachricht der Produktionsfirma. Nähere Informationen zum Film findet man unter www.fritz-bauer-film.de.

Das „Ostarbeiterlager Herrenberg“ und die Stadt Warstein: Zivilgefangener Iwan Schewtschenko

„Chronik der Bürgerschützengesellschaft Warstein“, aus den Quellen bearbeitet von Werner Giese, Warstein 1988, S. 66. Bildunterschrift: „Die Schützenhalle im Jahre 1945. Das Bild zeigt den Kleinen Saal, an dem rechts deutlich noch die Sperrgitter in den Fenstern zu sehen sind. Das ganze Ausmaß der Zerstörung durch die Brandkatastrophe wird uns hier vor Augen geführt.“

Nachdem deutsche Soldaten am 20., 21. und 22. März 1945 aus zwei „Ostarbeiterlagern“ in Suttrop (Schule) und Warstein (ehemalige Schützenhalle auf dem Herrenberg) 208 völlig wehrlose Männer, Frauen und Kinder an drei verschiedenen Orten (Langenbachtal, Körtlinghausener Forst und Eversberger Kuhwiese, Flur „Im Kramwinkel“) in drei verschiedenen Landkreisen (Arnsberg, Lippstadt und Meschede) ermordet hatten, brannte in der Nacht des dritten Massakers um 22 Uhr 30 noch das ganze „Gemeinschaftslager auf dem Herrenberg“ bis auf die Grundmauern nieder.

(Die umfangreichen Forschungsarbeiten von Nadja Thelen-Khoder sind hier im Blog unter dem Menü-Punkt „Franzosenfriedhof“ einzusehen.)

Laut Angaben zum Lager auf dem Gelände der ehemaligen Bürgerschützengesellschaft der Josef Albers Straßen- und Tiefbau „verteilen sich (die Insassen des Lagers) auf folgende Firmen: Josef Albers, Kalkwerk Feldmann, Ernst Fisch, F. J. Risse, Franz Köster, Stadt Warstein, Forstverwaltung“.

Mehrere Listen dieser Firmen habe ich gefunden und konnte so folgende Namen von Menschen finden, die diesen Brand sehr wahrscheinlich erleben mußten, wenn sie nicht schon vorher ermordet wurden: Alex Naomenke, Valentin Nilatschenko, Michel Paslauski, Iwan Schewtschenko, Michel Truchatscho, Kljeksandro Oblisob, Aljeskey Woschenko, Wasilij Woschenko, Iwan Michailow, Michail Sadkin, Wasiliy Rjasanzew, Drawin Poppoff, Mitschisowsci Diatschenko, Grigoris Krawtschenko, Alex Korsch, ? Motschieslaw, Alex Petroum, (?) Sinitza, (?) Schalajew, Alex Bondar, Iwan Haltschenko, Alexander Kiritschenko, Iwan Kriwoscheja, Dusha Kutschmak, Iwan Mischenko und Petro Nikolai.

Diese Menschen konnten also von dem Feuer erzählen – und vielleicht auch von den 56 Frauen, 14 Männern und dem Kind, die deutsche Soldaten am 20. März abholten, um sie im Langenbachtal zu ermorden, darunter Bora Pronka, geb. 1897, und Maria Daniwagoz (mit Ausweis, aber anscheinend ohne Geburtsdatum) und von den 80 Männern, die deutsche Soldaten am 22. März aus obiger Halle abholten, um sie auf der Eversberger Kuhwiese zu erschießen und zu erschlagen.

Vielleicht kannten sie sich untereinander, weil sie lange Todesmärsche gemeinsam hinter sich gebracht hatten. Vielleicht haben überlebende Zwangsarbeiter ihren Kindern erzählt von den „Jugendliche(n) unter 2o Jahren“ in ihren „Monteuranzügen“, deren „Weisheitszähne noch nicht vorhanden oder eben erst im Kommen“ waren“, von den Menschen, deren Papiere man gefunden, „gesammelt und dem zuständigen britischen Offizier zur Verfügung gestellt“ hatte, von den Ermordeten, die „Lohnabrechnungen“ von „verschiedenen Arbeitsstellen im rhein.westfälischen Industriegebiet“ bei sich trugen, die „Cpt. Grahah vom englischen Sonderdienst an sich genommen“ hat.

Vielleicht haben Überlebende ihren Kindern erzählt, und vielleicht leben ja ihre Kinder noch und erinnern sich. Ich suche die Ermordeten – und also auch nach Kindern, Freunden und Bekannten.

Papiere der Ermordeten fand man schon im April 1945 in Suttrop („Eidesstattliche Erklärung! Ich erkläre hiermit an Eides Statt, dass die auf dem Friedhof im Stein bestatteten Russen nach dem Einmarsch der Alliierten umgebettet wurden. Die gefundenen Papiere wurden dem seinerzeit anwesenden amerikanischen Kapitän Meier ausgehändigt, der diese angeblich der russischen Kommandantur übergeben wollte. Der Bürgermeister“), 1947 in Eversberg (s.o.) und 1964 in Warstein (s.o.).

Warum hat man damals die Namen nicht gesammelt und auf Grabsteinen verewigt? War das die „Deutsche Kriegsgräberfürsorge“? Gab es keine Anweisungen, Grabsteine für Menschen zu errichten, deren Namen man kannte, keine diesbezüglichen bilateralen Abkommen?

Ich suche die Ermordeten – und also auch nach Überlebenden, nach Freunden und Bekannten. Alex Bondar hat es anscheinend bis Lippstadt geschafft.

Auf der Liste der Stadt Warstein fehlen sämtliche Geburtsdaten der fünf Zivilgefangenen, deren „Beschäftigungsdauer“ mit „1943 – April 1945“ angegeben wird: Alex Naomenke, Valentin Nilatschenko, Michel Paslauski, Iwan Schewtschenko und Michel Truchatscho. Vielleicht kann ich bei Iwan Schewtschenko diese Angabe ergänzen. Die folgende Liste enthält nur zwei Namen; daher ordne ich die Spalten der Tabelle aus Gründen der Lesbarkeit vertikal an: … weiterlesen ->

Das ganze Dokument mit sämtlichen Abbildungen, Quellenhinweisen und Fußnoten hier als PDF lesen oder herunterladen.

20., 21. und 22. März: Jahrestage des „Franzosenfriedhofes“

Ulrich Hillebrand: „Nazi-Massaker bei Meschede. ,Sie jammerten und weinten.’ Heute vor 37 Jahren wurden 80 Fremdarbeiter erschossen“ („Westfalenpost“ vom 22.3.1982)1

(Anmerkung: Der komplette Artikel ist als PDF mit allen Fußnoten in besserem Layout hier zu lesen.)

Stadtarchiv Meschede in Grevenstein 2

1. Warstein, 20.3.1945:

Im Langenbachtal ermorden deutsche Soldaten nachts 14 Männer, 56 Frauen und 1 Kind, die sie vorher aus dem „Ostarbeiterlager Herrenberg“ (heute Sauerlandhalle) abgeholt haben.

2. Suttrop, 21.3.1945:

Im Körtlinghausener Forst ermorden deutsche Soldaten nachts 35 Männer, 21 Frauen und ein Kind, die sie vorher aus dem Lager in der Suttroper Schule abgeholt haben.

3. Eversberg, 22.3.1945:

Auf der „Eversberger Kuhwiese“ (Flur „Im Kramwinkel“) ermorden deutsche Soldaten nachts 80 Männer, die sie vorher aus dem „Ostarbeiterlager Herrenberg“ (heute Sauerlandhalle) abgeholt haben.

4. Warstein, 22.3.1945:

Um 22 Uhr 30 Uhr brennt das „Ostarbeiterlager Herrenberg“ bis auf die Grundmauern nieder. Den französischen Kriegsgefangenen gelingt es, ihre sowjetischen Kameraden zu befreien.

1. Warstein:

3

„Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.“, Umbettungsprotokoll Nr. 102 vom 10. August 1964: „Tag der Ausbettung: 15. Juli 1964, Ausbettungsort: Warstein, Krs. Arnsberg, Russenfriedhof, Grab 34, Angaben zur Person des Toten auf Grund der Umbettungsunterlagen: lt. Ausweisreste Bora Pronka, geb. 1897, Dienstgrad Russin, Todestag 20.3.1945“

„Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.“, Umbettungsprotokoll Nr. 88 vom 10. August 1964: „Tag der Ausbettung: 7. Juli 1964, Ausbettungsort: Warstein, Krs. Arnsberg, Russenfriedhof, Grab 14, Nachlaß: 2 Ausweise, Maria Daniwagoz“-Geresheimer Glashütten, Angaben zur Person des Toten auf Grund der Umbettungsunterlagen: Dienstgrad Russin, Todestag 20.3.1945“

2. Suttrop:

Mass Graves Suttrop 1945. Deutsche Zivilisten (vermutlich vorrangig örtliche NSDAP-Mitglieder) graben nach Weisung der US-Amerikaner die nahe Suttrop am 3.5.1945 gefundenen 57 ermordeten „Russen“ aus. (U.S. Signal Corps – Yad vashem Photo Archive)4

„Landkreis: Lippstadt

Amt: R ü t h e n

Der Bürgermeister der

Gemeinde Suttrop

Kategorie C

Russland

Suttrop, den 7.9.46

Eidesstattliche Erklärung !

Ich erkläre hiermit an Eides Statt, dass die auf dem Friedhof im Stein5 bestatteten Russen nach dem Einmarsch der Alliierten umgebettet wurden. Die gefundenen Papiere wurden dem seinerzeit anwesenden amerikanischen Kapitän Meier ausgehändigt, der diese angeblich der russischen Kommandantur übergeben wollte.

Der Bürgermeister

gez. Unterschrift“6

3. Eversberg:

„Staatliches Gesundheitsamt Meschede, den 28.3.1947.

Meschede

Az.: Y II …

Dem Alter nach handelt es sich z. T. um Jugendliche unter 2o Jahren, denn in zahlreichen Fällen waren die Weisheitszähne noch nicht vorhanden oder eben erst im Kommen.

Es folgt eine Aufstellung der ermittelten Todesursachen bei den exhumierten Leichen:

  1. Durchschuss vom rechten zum linken Schläfenbein, Einschußöffnung etwa 7.65 mm entsprechend. Splitterbrüche in beiden Schläfenbeinen. Schläfenbeinknochenteile hoben sich z.T. schalenförmig ab.

  2. Einschuß linke Schläfe, Ausschuß rechte Schläfe. Untere Gesichtshälfte abgetrennt. Ausgedehnte Bruchlinien im Bereich der Schädelbasis.

  3. Wahrscheinlicher Durchschuß an der linken Kopfseite. Teile des Schläfenbeins-Stirnbeins, Scheitelbeins und Hinterhauptbeins sind weitgehend zertrümmert.

  4. Schußbruch im Bereich des Stirn-, Joch- und Nasenbeins und Oberkiefers mit teilweiser Zertrümmerung dieser Knochen. Weitere Bruchlinien im Stirn- und Scheitelbein links.

  5. Zwei Lochbrüche (Schußbrüche) im Bereich des rechten Schläfenbeins mit ausgedehnter Splitterung in der Umgebung.

  6. Zahlreiche Bruchlinien im Bereich des rechten Stirn- und Schläfenbeins, wahrscheinlich durch stumpfe Gewalt. Gewehrkolben?

  7. Zahlreiche Bruchlinien im Bereich des rechten Stirn- und Schläfenbeins, Lochbruch im Bereich des rechten Schläfenbeins.

  8. Durchschuß Hinterhauptsbein – Stirnbein, weitere Frakturlinien im Bereich des rechten Stirn- und Schläfenbeins.

  9. Kleine rundliche Einschußöffnung im Hinterhauptbein mit radiären Bruchlinien, größere Ausschußöffnung im Strinbein.

  10. Einschuß linkes Scheitelbein, ausgedehnte Bruchlinien um den ganzen Schädel, stärkste Splitterung im Bereich des rechten Stirnbeins. Ausschuß hier zu vermuten. Abhebung von Knochenteilen.

  11. Ausschuß im rechten Scheitelbein, an der trichterförmigen Erweiterung deutlich erkennbar. Das Scheitelbein ist teilweise abgehoben. Einschußöffnung nicht erkennbar, evtl. in den Weichteilen des Halses.

  12. Zertrümmerung des rechten Schläfenbeins wahrscheinlich durch stumpfe Gewalt.

  13. Weitgehende Zertrümmerung von Stirnbein, Scheitelbein und teilweise der Schläfenbeine. Stumpfe Gewalt?

  14. Lochbruch an der Grenze von Stirn- und Schläfenbein links mit mehreren radiären Frakturen, weitere Bruchlinien im Hinterhauptsbein.

  15. Schädel in mehrere Teile zerspalten, mehrere Schußbrüche erkennbar. Todesursache wahrscheinlich Schußbrüche mit nachfolgender grober Gewalt.

  16. Hinterhauptschuß mit wahrscheinlich nachfolgender stumpfer Gewaltanwendung. Zahlreiche Bruchlinien um den ganzen Schädel. Im Oberhemd rötliche Verfärbungen infolge Blutungen, stärkere Blutanhäufung in der Zwischenrippenmuskulatur rechts.

  17. Ausgedehnter Lochbruch im rechten Schädelbein, Schußfraktur.

  18. Einschuß im Hinterhauptsbein, Ausschuß im linken Schläfenbein mit weitegehender Zertrümmerung desselben sowie Bruchlinien im Stirnbein.

  19. Kleine rundliche Einschußöffnung im Hinterhauptsbein, große dreieckförmige Ausschußöffnung im oberen Stirnbein.

  20. Einschußöffnung im Hinterhauptsbein, Ausschuß wahrscheinlich im Bereich der rechten Augenhöhle mit Zertrümmerung des Jochbeins.

  21. Einschußöffnung im Hinterhauptsbein, Zertrümmerung des Joch- und Nasenbeins und der rechten Gesichtshälfte.

  22. Völlige Zertrümmerung der Schädelkapsel, wahrscheinlich Schußverletzung und stumpfe Gewalt.

  23. Weitgehende Zertrümmerung des Gesichtsschädels.

  24. Ausgedehnte Frakturlinien in sämtlichen Schädelknochen, Schädel in mehere Teile zerspalten. Einwirkung wahrscheinlich durch stumpfe Gewalt.

  25. Einschußöffnung im Hinterhauptsbein, Ausschußöffnung mit umgebenden Splitterbrüchen im Stirnbein.

  26. Einschußöffnung im Hinterhauptsbein, Ausschußöffnung im linken Schädelbein.

  27. Unterkiefer fehlt, Frakturlinien nicht erkennbar.

  28. Einschuß rechtes Hinterhauptsbein, Ausschuß mit weitgehender Zersplitterung in der rechten Gesichtshälfte.

  29. Völlige Zertrümmerung der Schädelkapsel, Schussverletzung, stumpfe Gewalt? …

  1. Durchschuss vom linken zum rechten Schläfenbein, Umgebungssplitterungen bei Ein- und Ausschußöffnungen.

  2. Zertrümmerung des linken Oberkiefers, des Joch- und Nasenbeins.

  3. Weitgehende Zertrümmerung der linken Schädelhälfte mit Abhebung von Hinterhauptsbein, Scheitelbein und einem Teil des Schläfenbeins.

  4. Größere Einschußöffnung im linken Schläfenbein mit radiären Bruchlinien mit vereinzelten Bruchlinien im entgegengesetzten Schläfenbein.

  5. Einschußöffnung im Hinterhauptsbein, Ausschußöffnung mit weitgehender Zertrümmerung des rechten Schläfenbeins.

  6. Zertrümmerung etwa 3/4 der Schädelkapsel.

  7. Völlige Zertrümmerung der Schädelkapsel.

  8. Gesichtsschädel weitgehend zertrümmert. Ausschußöffnung im Stirnbein. Es fehlen Teile des Hinterhauptsbein, des rechten sowie des linken Schläfenbeins. Wahrscheinlich Schuß durch Hinterhauptbein.

  9. Einschußöffnung im linken vorderen Schläfenbein, wahrscheinlich Steckschuß.

  10. Mehrfache Bruchlinien im rechten Schläfenbein.

  11. Durchschuss Hinterhauptsbein – Stirnbein, Abhebung der oberen Schädeldecke.

  12. Einschußöffnung im rechten Schläfenbein mit ausgedehnter Splitterung im Schläfen-Hinterhaupts- und Stirnbein.

  13. Schädelkapsel völlig zertrümmert.

  14. Völlige Zertrümmerung des Stirn- und Gesichtsschädels.

  15. Mehrere über den Schädel zerstreute Schussöffnungen
    Zertrümmerung des größten Teils der Schädelkapsel.

  16. Schädelkapsel weitgehend zertrümmert.

  17. Einschußöffnung im Hinterhauptsbein, Ausschussöffnung im linken Scheitelbein mit umgebenden Bruchlinien.

  18. Ausschußöffnung im Stirnbein, weitgehende Zertrümmerung der Hirnbasis.

  19. Leichen weitgehend verwest und verfault, Auflösung in Einzelteile, Schädelkapsel völlig zerfallen.

  20. Einschußöffnung im rechten Scheitelbein, Ausschußöffnung im Stirnbein, ausgedehnte Bruchlinien im Stirn- und Scheitelbein.

  21. Leichen weitgehend verfault und verwest, in Einzelteile aufgelöst.

  22. Einschußöffnung im Hinterhauptsbein, Ausschußöffnung im Stirnbein, Splitterbrüche in beiden Schläfenbeinen.

  23. Leiche weitgehend in Einzelteile aufgelöst, völlig verfault.

  24. Völlige Zertrümmerung des Hirn- und Gesichtsschädels.

  25. Lochbruch im rechten Stirnbein.

  26. Einschussöffnungen im Hinterhauptsbein, Ausschußöffnung im linken Stirn- und Schläfenbeins.

  27. Zertrümmerung des Gesichtsschädels, des Joch- und Stirnbeins und des Oberkiefers.

  28. Schläfenbeine beiderseits eingedrückt, Bruchlinien im Stirnbein, wahrscheinlich stumpfe Gewalteinwirkung.

  29. Weitgehende Zertrümmerung des Gesichts- und Hirnschädels.

  30. Größerer Lochbruch im linken Schläfenbein mit ausgedehnten radiär angeordneten Bruchlinien an der linken Schädelseite.

  31. Zertrümmerung des linken Schläfenbeins, vereinzelte Bruchlinien im Hinterhauptsbein.

  32. Brüche im Bereich des rechten Gesichtsschädels.

  33. Weitgehende Zertrümmerung des gesichts- und Hirnschädels.

  34. Gesichtsschädel völlig zertrümmert.

  35. Zertrümmerung des Gesichtsschädels und eines Teils des Hirnschädels.

  36. Größerer Lochbruch im Hinterhauptsbein, zahlreiche weitere Umgebungsbruchlinien.

  37. Leiche weitgehend verfault und aufgegliedert. Schädel nicht auffindbar.

  38. Zertrümmerung der Schädelbasis. Ausschußöffnung im rechten vorderen Schläfenbein.

  39. Leiche weitgehend verfault und in einzelne Bestandteile aufgelöst. Schädel nicht auffindbar.

  40. Einschußöffnung im Hinterhauptsbein, Ausschuss im rechten Schläfenbein. Stärkere Schädelzertrümmerung.

  41. Mehrfache zerstreute Schußbrüche mit teilweiser Zertrümmerung der Schädelkapsel.

  42. Völlige Zertrümmerung des linken Schläfenbeins, ausgedehnte Frakturlinien rings um den Schädel.

  43. Schädel nicht auffindbar.

  44. Unterkiefer fehlt.

  45. Schädel nicht auffindbar.

  46. Einschußöffnung im Hinterhauptsbein.

  47. Weitgehende Zertrümmerung des linken Hirn- und Gesichtsschädels, wahrscheinlich durch Tangentailschuss.

  48. Mehrfache Schußbrüche in der weitgehend zertrümmerten Schädelkapsel.

  49. Mehrfache Schußbrüche in der weitgehend zertrümmerten Schädelkapsel.

Zusammenfassend ergibt sich folgendes:

Alles lesen im PDF:

https://www.schiebener.net/wordpress/wp-content/uploads/2018/03/41.-Jahrestage.pdf

Namensvettern und Familienmitglieder: Wer ist Alexander Podakow? Eine Spurensuche

Zwei Podakows gefunden, beide mit dem Vornamen Alexander. Sind es Vater und Sohn? Eine Spurensuche … (foto: thelen-khoder)

Manch ein Grabstein auf Meschedes Waldfriedhof signalisiert schon auf den ersten Blick, daß die Suche etwas umfangreicher ausfallen wird. „Podakow“ ist so ähnlich wie „Helene“ – wenn man etwas findet, weiß man nicht, ob es wirklich zu diesem Grabstein gehört.

Auf dem Grabstein von „PODAKOW“, den ja irgendjemand in Auftrag gegeben haben muß, der bestimmt Näheres wußte, steht auch „IWAN KALINKIN“.

Diesen Namen hatte ich in mehreren Listen gefunden: im „Nachweis über die im Amte Meschede verstorbenen russischen Staatsangehörigen“[8], in der „Gräberliste von Bürgern der Vereinten Nationen nach Zivilisten, U.S.S.R., Waldfriedhof Meschede“[9]9, in „Bürger der Vereinten Nationen, die seit dem 4.9.1939 hier ortsansässig geworden und hier verstorben sind, Waldfriedhof Meschede“[10] und in einer kleinen Liste, die nur neun Namen enthält (acht vom Waldfriedhof und einen vom katholischen Friedhof in Meschede)[11].

Laut diesen Listen ist es dieser Mensch, zu dem dieser Grabstein gehört: „Der sowjetrussische Zivilarbeiter, Hilfsarbeiter Iwan Kalinkin, wohnhaft in Eversberg, ist am 27. Oktober 1942 um 21 Uhr 00 Minuten in Meschede verstorben. Der Verstorbene war geboren am 16. September 1906 in Makkevka, Kreis Stalino. Meschede, den 24. Januar 1950“ (Sterbeurkunde 151/1942). Und laut der Liste der ausländischen Patienten in der Zeit vom 1.9.39 bis 8.4.45 des St. Walburga-Krankenhauses in Meschede[12] wurde „Iwan Kalinki“ vom 25.10. bis 27.10.1942 behandelt und starb an „Benzinvergiftung“, am gleichen Tag wie Jemelian Brzkalow, der aber erst am 27.10. eingeliefert wurde.

Nun ist die Suche nach den Toten, deren Namen auf den Grabsteinen stehen, für mich nur ein Teil meiner Suche. Immer noch hoffe ich, auch Namen der 208 Ermordeten der Massaker im Langenbachtal, in Suttrop und Eversberg zu finden. Und so sind es Listen über Listen, die ich mir ansehe – immer in der Hoffnung, daß ein Name zu mir spricht.

Das „Sühnekreuz Meschede“ als Schullektüre?

Dabei fällt Eversberg ein bißchen aus dem Rahmen; kein Gedenkstein, kein Hinweis – nur das Sühnekreuz in St. Maria Himmelfahrt, der Flyer dazu und natürlich das Buch „Sühnekreuz Meschede“ von Peter Bürger, Jens Hahnwald und Georg D. Heidingsfelder [13] …

Den gesamten Text mit Bildern und Anmerkungen lesen (PDF):

Namensvettern und Familienmitglieder

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Anmerkungen (zählweise analog Gesamtartikel)
 
[8] ITS Bad Arolsen, 2.1.2.1 / 70792351 9 10 11 12 13
 
[9] ITS Bad Arolsen, 2.1.2.1 / 70792345
 
[10] ITS Bad Arolsen, 2.1.2.1 / 70792343
 
[11] ITS Bad Arolsen, 2.1.2.1 / 70689395
 
[12] ITS Bad Arolsen, 2.1.2.1 / 70689863
 
[13] Normalerweise sind Schulbücher viel teurer als 14,90€.

An das Ostarbeiterlager Herrenberg[1], Warstein, den 17. März 1944: „Konzentrationshäftlinge, Kriegsgefangene, Zivilarbeiter usw.“

Nie werde ich mehr „Iserlohn“ hören oder lesen können, ohne diese Sterbeurkunde vor mir
zu sehen (foto: nadja thelen-khoder)

Schon einmal habe ich länger aus der Akte „E 162: Vorschrift über die Behandlung und den Arbeitseinsatz der Ostarbeiter“ im Stadtarchiv Warstein zitiert.[2] Es war diese Akte, die mir verdeutlichte, daß Bürger der Sowjetunion eben ganz anders als andere „ausländische Arbeitskräfte“ behandelt wurden.

Je mehr ich lese, desto unbegreiflicher werden mir manche Behauptungen, Fragen und Worte; um nur drei zu nennen: die Behauptung „Davon haben wir nichts gewußt“, die Frage „Wie konnte das passieren?“ und das Wort „tragisches Schicksal“.

Schrecklich und schmerzhaft für mich ist zur Zeit, daß sich die „Vorschrift über die Behandlung und den Arbeitseinsatz der Ostarbeiter“ aus der Akte „E 162“ jetzt immer mehr mit Namen und Bildern füllen und mit Sätzen, die mir anderswo schon einmal begegnet sind. Alles wird so menschlicher und unmenschlicher, logischer und entsetzlicher …

Weiterlesen (PDF): Schützenhallen

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Anmerkungen

[1] https://www.schiebener.net/wordpress/wp-content/uploads/2017/10/Der-Brand-der-Sch%C3%BCtzenhalleund-noch-eine-Liste.pdf

[2] http://hpgrumpe.de/ns_verbrechen_an_zwangsarbeitern_suttrop,_warstein,_meschede/2%20%20Waldfriedhof%20Meschede-Fulmecke%20Stand%2019%208%202017.pdf

Zwei Grabsteine erzählen und fragen: Nina Woronina, geb. Echremow und ein Jugoslawe in einer Weide

Nina Worowina, 21 Jahre, verheiratet, „Ostarbeiterlager“, gest. 24.8.1944. Ein Grabstein erzählt. (alle fotos: thelen-khoder)

Der erste Grabstein auf Meschedes Waldfriedhof, der wirklich zu mir sprach, war der von Walentina und Nina Worowina.

In einer Liste der Gräber auf dem „Waldfriedhof Meschede“[1] stand „Wilroiwa, Valentina“, und der Nachname war mit einem Fragezeichen versehen; der Grabstein machte das Fragezeichen überflüssig. Nina wurde am 9. November 1922 in Kursk geboren und starb am 24. August 1944 in Meschede mit 21 Jahren an „doppelseitiger Lungenentzündung“. Laut ihrer Sterbeurkunde[2] (Standesamt Meschede Nr. 151/1944) lebte sie im „Ostarbeiterlager“ in Wennemen und war verheiratet mit Emiljan Worowina. Ab Juli 1942, mit 19 Jahren also, verrichtete sie „Gleisbauarbeiten“, bis zum 5. Mai 1944, als ein Arzt, der auch mein Großvater gewesen sein könnte, ihr eine „schwere Kehlkopfentzündung mit Atemnot“ bescheinigte. Seitdem war sie „arbeitsunfähig“ und wurde zum 26.6.1944 aus der „Allgemeine Ortskrankenkasse“ abgemeldet[3].

Sie starb am 24. August.

Nun habe ich die Sterbeurkunde von Walentina gefunden: „Landkreis Meschede Nr. 194/1944 Die Valentina Woronina, griechisch-katholisch, wohnhaft in Wennemen, Ostarbeiterlager, ist am 11. Oktober 1944 um 19 Uhr 45 Minuten in Meschede verstorben. Die Verstorbene war geboren am 3. August 1944 in Wennemen (Standesamt Calle Nr. 24/1944). Vater: Ostarbeiter Michail Woronina, wohnhaft in Wennemen 1

Mutter: Nina Worowina geborene Echremow, zuletzt wohnhaft in Wennemen – Meschede, den 17. Mai 1946 Der Standesbeamte“4 Handschriftlich auf der Rückseite: „Waldfriedhof Meschede ohne Nummer“.

Nina starb drei Wochen nach der Geburt ihrer Tochter. Laut ihrer Sterbeurkunde war sie verheiratet Emiljan Worowina, auf der Sterbeurkunde ihrer Tochter war der Vater „Ostarbeiter Michail Woronina, wohnhaft in Wennemen“. Michail ist auch auf weiteren Dokumenten als Vater angegeben, etwa auf diesen Karten des „International Tracing Service“:

Alles lesen (PDF): https://www.schiebener.net/wordpress/wp-content/uploads/2017/10/Zwei-Grabsteine-erz%C3%A4hlen-und-fragen.pdf

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[1] „Nachweis über die im Amte Meschede verstorbenen russischen Staatsangehörigen“, 2.1.2.1 / 70792351, ITS Digital Archive, Bad Arolsen

[2] Sterbeurkunde von Nina Worowina, 2.2.2.2 / 76903208, ITS Digital Archive, Bad Arolsen

[3] Versichertenkarte der Allgemeinen Ortskrankenkasse für den Kreis Arnsberg Arnsberg (Westf.), 2.2.2.1 / 75754310, ITS Digital Archive, Bad Arolsen

weitere Anmerkungen im PDF

Die Suche nach den Ermordeten vom Langenbachtal: „Zwei Stelen wohnen ach in meiner Brust“

Treisekapelle und Bahnhof in Warstein (fotos: thelen-khoder)

Einer meiner ersten Anlaufstellen, als ich mein Erbe antrat und mich also auf die Suche nach den Ermordeten vom Langenbachtal machte, war das LWL-Psychiatriemuseum in Warstein.

Der damalige Bürgermeister, Martin Gödde, hatte sich viel Zeit genommen und mich dann zur LWL-Klinik geschickt; dort solle ich mir eine sowjetische Stele auf dem Friedhof, die Treisekapelle und das Psychiatriemuseum ansehen und könne auch mit Herrn Monzlinger sprechen. Ewig werde ich Herrn Gödde für seine Hilfe beim Finden des Gedenksteines und diese Hinweise dankbar sein!

Denn auch Herr Monzlinger nahm sich sehr viel Zeit für mich und meine Fragen nach meinem Großvater, und schon nach kurzer Zeit hielt ich einen Brief in den Händen, den der damalige Leiter der Provinzial- und Heilanstalt, Franz Hegemann, geschrieben hatte und in dem auch mein Opa Erwähnung fand; aber davon später.

Zunächst besuchte ich die Treisekapelle, wo jedes Jahr am Volkstrauertag der 1575 Menschen gedacht wird (wie man mir sagte), die von hier aus in fünfzehn Transporten u.a. nach Hadamar deportiert wurden. Die damalige „Provinzial- und Heilanstalt“ mit ihrem „Anstaltsfriedhof“ lag direkt am Bahnhof, was für die Mörder sehr praktisch gewesen sein muß.

Alles lesen (PDF):

Zwei Stelen wohnen ach in meiner Brust

„Ein Grabstein erzählt“ – Teil 3 und Schluss: Ich habe einen Traum

Ich habe einen Traum: Ein Schulklasse fährt ins ITS nach Bad Arolsen, jeder schnappt sich einen Namen und versucht, möglichst viel über ihn herauszufinden. Bei manchen Namen kann man mehrere Schüler ansetzen; „Iwan Kuzmin“ etwa ist so häufig, daß man eine ganze Schulklasse auf ihn allein ansetzen könnte, um den „Mescheder“ herauszufischen.

(Siehe auch Teil 1 und Teil 2 dieser dreiteiligen Artikelserie.)

Wenn man von Arnsberg, Meschede, Eversberg, Warstein oder Suttrop nach Bad Arolsen fährt, kommt man quasi an der Wewelsburg bzw. dem Vernichtungslager Niederhagen vorbei. Davon gibt es nur noch wenige erhaltene Bauten in einem jämmerlichen Zustand, aber ein großes Denkmal auf dem ehemaligen „Appellpatz“. Als ich Photos machte, kam der Ortsvorsteher vorbei und war so freundlich, mich auf die jährlichen Gedenkfeiern am 2. April aufmerksam zu machen, die an den Tag der Befreiung erinnern.

Das Museum in der Wewelsburg bietet alles, was Herz und Verstand begehren. Neben vielen Ausstellungsstücken kann man viel Material erwerben, darunter Bücher (z.B. Andreas Pflocks „Gerrit Visser (1894-1942). Von Hengelo nach Wewelsburg. Lebensstationen und Briefe des niederländischen Gewerkschafters aus nationalsozialistischer Gefangenschaft“[1]) und CD-ROMs mit Begleitheften (z.B. Wulff E. Brebeck / Karl Hüser / Kirsten John-Stucke: „Die Wewelsburg 1933-1945. SS-Größenwahn und KZ-Terror“[2]). Der Begleitband zur ständigen Ausstellung „Endzeitkämpfer. Ideologie und Terror der SS“[3] enthält auf 464 großformatigen Seiten die Exponate und ihre Erklärungen und ist eine wahre Fundgrube.

Als ich die DVD „Kriegsgefangen. Bilder aus dem Lager Hemer“ (hrsg. vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe, LWL-Medienzentrum für Westfalen) sah, dachte ich wieder an meinen Großvater und seinen polnischen Patienten Benjamin Wiesliczko, der schon maximal zwei Monte nach seiner Verschleppung am 23. November 1939 mit 23 Jahren im Krankenhaus Maria Hilf in Warstein an „Flecktyphus“ starb; das Sterbebuch der Stadt von 1939 (Nr. 59) vermerkt „wohnhaft im Gefangenenlager Sichtigvor“ und als Todesursache „Sepsis“, und die Amtsverwaltung Hemer teilt am 27. Januar 1950 mit: „Wieliczko ist auf dem Waldfriedhof der Stadt Hemer im Grab Nr. 30 beigesetzt“.

Lager Sichtigvor, Lager Belecke, Lager Rüthen, Lager Herrenberg, Lager Stillenberg, Lager Siepmann-Werke, Lager Honsel-Werke, Lager Waldstraße … – zig Lager sind mir begegnet, in Geburts- und Sterbeurkunden und den zahlreichen Namenslisten der „Arbeitgeber“, Krankenkassen und und und.

Natascha Wodin schreibt in „Sie kam aus Mariupol: „Je länger ich recherchierte, auf desto mehr Ungeheuerlichkeiten stieß ich, von denen bisher kaum jemand gehört zu haben schien. Nicht nur ich selbst war in vielem immer noch ahnungslos, auch von meinen deutschen Freunden, die ich für aufgeklärte, geschichtsbewusste Menschen halte, wusste niemand, wie viele Nazi-Lager es früher auf deutschem Reichsgebiet gegeben hatte. Die einen gingen von zwanzig aus, andere von zweihundert, einige wenige schätzten zweitausend. Nach einer Studie des Holocaust Memorial Museums in Washington belief sich die Zahl aber auf 42000, die kleinen und die Nebenlager nicht mitgerechnet. 30000 davon waren Zwangsarbeiterlager. In einem Interview mit der ,ZEIT’, das am 4. März 2013 erschien, sagte der amerikanische Historiker Geoffrey Megargee, der an der Studie mitgearbeitet hatte: Die horrende Zahl der Lager betätige, dass nahezu allen Deutschen die Existenz dieser Lager bekannt gewesen sei, selbst wenn sie das Ausmaß des Systems dahinter nicht begriffen oder nicht in jedem Fall über die Umstände in den Lagern Bescheid gewusst hätten. Obwohl das mit 42 000 und mehr Lagern überzogene Land ein einziger Gulag gewesen sein muß.“[4]

„Vernichtung durch Arbeit“ heißt eine Überschrift der großartigen Ausstellung im Museum Wewelsburg, und einige Photos geben einen Eindruck davon, was die Arbeit in Steinbrüchen mit Menschen machte.

KZ-Häftlinge arbeiten im Steinbruch unterhalb der Wewelsburg 1939-1943 [5]
„KZ-Häftlinge arbeiten im Steinbruch unterhalb des Wewelsburg 1939-1943
Die Arbeiten in den Steinbrüchen unterhalb der Wewelsburg, am Bahnhof, im SS-Lager und im Nachbarort Ahden gehörten für die KZ-Häftlinge zu den mühevollsten Arbeitskommandos. Die Häftlinge mussten ungeschützt bei jeder Witterung, zum Teil ohne festes Schuhwerk und Handschuhe, die Steine brechen und zu den Baustellen transportieren. Sprengwerkzeuge waren Mangelware. Im Steinbruch unterhalb der Burg wurde Kipploren eingesetzt. Die Häftlinge mussten die mit Steinen gefüllten Loren über Gleise den Berg bis zur Wewelsburg hinaufschieben. Dies führte zu zahlreichen schweren Unfällen.
Ebenso wie im Kommando Straßenbau litten die Häftlinge in den Steinbruch-Kommandos unter extremer körperlicher Anstrengung und Auszehrung. Nicht selten wurden Tote und Schwerverletzte ins Lager zurückgebracht. (Kreismuseum Wewelsburg, Fotoarchiv)“[6]

Und ich denke wieder an die 19jährige Nina und ihre „Gleisbauarbeiten“ …

„„Ein Grabstein erzählt“ – Teil 3 und Schluss: Ich habe einen Traum“ weiterlesen