Das „Ostarbeiterlager Herrenberg“ und die Stadt Warstein: Zivilgefangener Iwan Schewtschenko

„Chronik der Bürgerschützengesellschaft Warstein“, aus den Quellen bearbeitet von Werner Giese, Warstein 1988, S. 66. Bildunterschrift: „Die Schützenhalle im Jahre 1945. Das Bild zeigt den Kleinen Saal, an dem rechts deutlich noch die Sperrgitter in den Fenstern zu sehen sind. Das ganze Ausmaß der Zerstörung durch die Brandkatastrophe wird uns hier vor Augen geführt.“

Nachdem deutsche Soldaten am 20., 21. und 22. März 1945 aus zwei „Ostarbeiterlagern“ in Suttrop (Schule) und Warstein (ehemalige Schützenhalle auf dem Herrenberg) 208 völlig wehrlose Männer, Frauen und Kinder an drei verschiedenen Orten (Langenbachtal, Körtlinghausener Forst und Eversberger Kuhwiese, Flur „Im Kramwinkel“) in drei verschiedenen Landkreisen (Arnsberg, Lippstadt und Meschede) ermordet hatten, brannte in der Nacht des dritten Massakers um 22 Uhr 30 noch das ganze „Gemeinschaftslager auf dem Herrenberg“ bis auf die Grundmauern nieder.

(Die umfangreichen Forschungsarbeiten von Nadja Thelen-Khoder sind hier im Blog unter dem Menü-Punkt „Franzosenfriedhof“ einzusehen.)

Laut Angaben zum Lager auf dem Gelände der ehemaligen Bürgerschützengesellschaft der Josef Albers Straßen- und Tiefbau „verteilen sich (die Insassen des Lagers) auf folgende Firmen: Josef Albers, Kalkwerk Feldmann, Ernst Fisch, F. J. Risse, Franz Köster, Stadt Warstein, Forstverwaltung“.

Mehrere Listen dieser Firmen habe ich gefunden und konnte so folgende Namen von Menschen finden, die diesen Brand sehr wahrscheinlich erleben mußten, wenn sie nicht schon vorher ermordet wurden: Alex Naomenke, Valentin Nilatschenko, Michel Paslauski, Iwan Schewtschenko, Michel Truchatscho, Kljeksandro Oblisob, Aljeskey Woschenko, Wasilij Woschenko, Iwan Michailow, Michail Sadkin, Wasiliy Rjasanzew, Drawin Poppoff, Mitschisowsci Diatschenko, Grigoris Krawtschenko, Alex Korsch, ? Motschieslaw, Alex Petroum, (?) Sinitza, (?) Schalajew, Alex Bondar, Iwan Haltschenko, Alexander Kiritschenko, Iwan Kriwoscheja, Dusha Kutschmak, Iwan Mischenko und Petro Nikolai.

Diese Menschen konnten also von dem Feuer erzählen – und vielleicht auch von den 56 Frauen, 14 Männern und dem Kind, die deutsche Soldaten am 20. März abholten, um sie im Langenbachtal zu ermorden, darunter Bora Pronka, geb. 1897, und Maria Daniwagoz (mit Ausweis, aber anscheinend ohne Geburtsdatum) und von den 80 Männern, die deutsche Soldaten am 22. März aus obiger Halle abholten, um sie auf der Eversberger Kuhwiese zu erschießen und zu erschlagen.

Vielleicht kannten sie sich untereinander, weil sie lange Todesmärsche gemeinsam hinter sich gebracht hatten. Vielleicht haben überlebende Zwangsarbeiter ihren Kindern erzählt von den „Jugendliche(n) unter 2o Jahren“ in ihren „Monteuranzügen“, deren „Weisheitszähne noch nicht vorhanden oder eben erst im Kommen“ waren“, von den Menschen, deren Papiere man gefunden, „gesammelt und dem zuständigen britischen Offizier zur Verfügung gestellt“ hatte, von den Ermordeten, die „Lohnabrechnungen“ von „verschiedenen Arbeitsstellen im rhein.westfälischen Industriegebiet“ bei sich trugen, die „Cpt. Grahah vom englischen Sonderdienst an sich genommen“ hat.

Vielleicht haben Überlebende ihren Kindern erzählt, und vielleicht leben ja ihre Kinder noch und erinnern sich. Ich suche die Ermordeten – und also auch nach Kindern, Freunden und Bekannten.

Papiere der Ermordeten fand man schon im April 1945 in Suttrop („Eidesstattliche Erklärung! Ich erkläre hiermit an Eides Statt, dass die auf dem Friedhof im Stein bestatteten Russen nach dem Einmarsch der Alliierten umgebettet wurden. Die gefundenen Papiere wurden dem seinerzeit anwesenden amerikanischen Kapitän Meier ausgehändigt, der diese angeblich der russischen Kommandantur übergeben wollte. Der Bürgermeister“), 1947 in Eversberg (s.o.) und 1964 in Warstein (s.o.).

Warum hat man damals die Namen nicht gesammelt und auf Grabsteinen verewigt? War das die „Deutsche Kriegsgräberfürsorge“? Gab es keine Anweisungen, Grabsteine für Menschen zu errichten, deren Namen man kannte, keine diesbezüglichen bilateralen Abkommen?

Ich suche die Ermordeten – und also auch nach Überlebenden, nach Freunden und Bekannten. Alex Bondar hat es anscheinend bis Lippstadt geschafft.

Auf der Liste der Stadt Warstein fehlen sämtliche Geburtsdaten der fünf Zivilgefangenen, deren „Beschäftigungsdauer“ mit „1943 – April 1945“ angegeben wird: Alex Naomenke, Valentin Nilatschenko, Michel Paslauski, Iwan Schewtschenko und Michel Truchatscho. Vielleicht kann ich bei Iwan Schewtschenko diese Angabe ergänzen. Die folgende Liste enthält nur zwei Namen; daher ordne ich die Spalten der Tabelle aus Gründen der Lesbarkeit vertikal an: … weiterlesen ->

Das ganze Dokument mit sämtlichen Abbildungen, Quellenhinweisen und Fußnoten hier als PDF lesen oder herunterladen.

Ein Gedanke zu „Das „Ostarbeiterlager Herrenberg“ und die Stadt Warstein: Zivilgefangener Iwan Schewtschenko“

  1. Danke für die sicherlich sehr aufwändige Recherche! Solche örtlichen Geschehnisse gehören sicherlich in den Geschichtsunterricht der Schulen im Umkreis, um so etwas in Zukunft zu verhindern!

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