Corona-Spaziergänge

Ein Abendspaziergang oberhalb der Hambkebecke (foto: zoom)

Ich bin noch nie so viel zu Fuß unterwegs gewesen wie in diesen Corona-Zeiten. Spaziergänge, kleine Wanderungen – raus aus dem Haus und die Gedanken schweifen lassen.

Wenn ich aufblicke, entdecke ich Strukturen und Elemente der Landschaft des Hochsauerlandes; schaue ich grübelnd nach links und rechts, stolpere ich über die Details am Wegrand.

Das Tagpfauenauge auf der Blüte des Scharbockskrautes hätte ich gerne noch einen Tick schärfer eingefangen.

Das Tagpfauenauge ist einer der häufigsten heimischen Tagfalter. (foto: zoom)

Normalerweise ruhen die Falter mit zusammengelegten Flügeln und präsentieren die Augenflecken nur bei Störungen.

Das Scharbockskraut ist ein Frühblüher aus der Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae). Aus einem Wurzelstock treibt im zeitigen Frühjahr der Spross mit nieren- bis herzförmigen Blättern. Die Blüten sind hellgelb, mit acht bis zwölf Blütenblättern.

Zwischen Kriegerdenkmal und Schnickemühle ragen die Kätzchen der Salweide (Salix spec.) in den Weg. Obwohl: ist das wirklich eine Salweide? Guckt mal!

Weidenkätzchen am Wegesrand. (foto: zoom)

Die Salweide (Bienenweide) blüht vor dem Laubausbruch. Sie ist zweihäusig. Auf dem Bild müssten männliche Blüten zu sehen sein.

Am Waldweg um die Himmelskrone wächst die Rote Pestwurz (Petasites officinalis). Aus den knollenförmig verdickten Ausläufern treibt im zeitigen Frühjahr der zunächst 20 cm hohe Spross.

Der Blütenstand der Pestwurz (foto: zoom)

Der Blütenstand ist eine keulenförmig gedrängte Bütentraube, die sich bei fortschreitender Reife bis auf 60 cm streckt. Die Pestwurz gehört zur Familie der Korbblütler.

Griechen und Römer schätzten die Pestwurz im 1. Jahrhundert gegen bösartige Geschwüre ebenso wie die Menschen im Mittelalter, die sie gegen die Pest einsetzten. Vor Zubereitungen als Tee aus Pestwurzblättern oder -wurzeln wird gewarnt, denn im Naturzustand enthält die Pflanze Substanzen (Pyrrolizidinalkaloide) mit mutagener, krebserregender und möglicherweise toxischer Wirkung auf die Leber (Wikipedia).

Wie verzweifelt muss diese Welt sein, wenn ein Spaziergang 15 Euro kostet?

Schild mit Werbung für 15 Euro-Spaziergänge. Gesehen am Altonaer Balkon. (foto: zoom)
Schild mit Werbung für 15 Euro-Spaziergänge. Gesehen am Altonaer Balkon. (foto: zoom)

Als wir kürzlich von den sogenannten „Docklands“ am Hamburger Hafen zum Altonaer Balkon hinauf spaziert waren, fiel uns das oben abgebildete Schild auf. Ich wusste bis dahin schon, dass man bei uns im Sauerland nicht mehr einfach spazieren gehen kann, denn wer sich mit Hilfe seiner beiden Füße bewegt, muss „walken“ und die Volkswirtschaft durch den Erwerb zweier Stöcke ankurbeln.

Jetzt also auch die Stadt, meine zweite Heimat Hamburg, die ich bislang immer problemlos durchstreifen konnte: „Spazierengehen als Kunstform“, Spaziergang – walking performance“, „Let’s go!“, „abgeleitet vom italienischen ’spaziare‘ “ … „Kostenbeitrag 15 Euro“.

Kann man nichts mehr „einfach so“ machen? Oder sind die Altonaer nur besonders kreativ bei der Ausbeutung menschlicher Dummheit resp. menschlichen Unvermögens?

Für alle, die ernsthaft erwägen, sich dem „Spazierengehen als künstlerische Praxis“ zu widmen, hier die Website.

Ich persönlich werde mir ab heute nach jedem Spaziergang 15 Euro vom Gehalts- auf’s Taschengeldkonto umbuchen – oder eine Fichte umarmen. Aber das ist wieder ein anderes Thema.