Der Autor beschreibt in groben Zügen das Projekt von Beginn bis Heute. Lesenswert für alle, die sich mit der Zeit in den endlosen Details des gescheiterten PPP-Projekts verloren haben.
In dem Artikel bleiben genau die Fragen offen, die ich zur Zeit auch zu verstehen bzw. erklären versuche:
„Vor etwa zehn Jahren ergaben Gutachten“ – in einem Gespräch habe ich den Tourismusdirektor der Stadt Winterberg gebeten, mir die Gutachten zugänglich zu machen. Er versprach sich zu kümmern. Bis heute keine Antwort.
„Welche Auswirkungen die Pleite der Objektgesellschaft auf den Hotelbetrieb und die anderen Elemente des Oversums haben wird, ist derzeit noch offen“ – es handelt sich um eine sogenannte Planinsolvenz. Die Stadt geht davon aus, dass nach dieser Insolvenz der linke Gebäudeteil mit u.a. Schwimmbad an sie „heimfalle“.
So wie ich als Laie eine Planinsolvenz verstehe, bleibt die „aquasphere Winterberg GmbH“ möglicherweise bestehen. Das ist ja gerade das Charakteristikum der Planinsolvenz. Warum sollte dann das Objekt an die Stadt fallen?
Gar nicht angesprochen werden im Artikel die fälligen Rückzahlungen der Stadt Winterberg an die Banken/Gläubiger bis ins Jahr 2042, wobei die Steigerungsrate, schon im Jahr 2017 die 700.000 Euro erreicht. Wir hatten hier im Blog auf Grundlage des Haushalts 2013 der Stadt Winterberg geschrieben:
„Schaut man sich die Steigerungsrate des “Mietzinz” alias “Sonstige ordentliche Aufwendungen” an, wird die Zahl 700.000 Euro lange vor dem Ende der 30 Jahre, nämlich im Jahr 2017, übersprungen. Das ist doch eine Erklärung wert, bewegten sich die Angaben der Stadt bisher immer im Rahmen von 600.000 bis 700.000 Euro.“
Die Stadt Winterberg ist -es sei denn ich habe irgendwo etwas überlesen- eine Gesamtaufstellung der Kosten -real oder geschätzt- für das Oversum schuldig geblieben.
Teilfinanzplan für das Oversum- etwas größer? Klicken! (alle screenshots: zoom)
Auf der Website der Stadt Winterberg ist der Haushalt 2013 als PDF abrufbar. Ich habe die vielen hundert Seiten nach dem Begriff Oversum durchsucht.
Für eine intensive Beschäftigung fehlt mir momentan die Zeit. Daher nur ein paar „Snapshots“ plus Bemerkungen***. Ich bitte ausdrücklich die Leserinnen und Leser, die Zeit, Lust und Neugier haben, den Haushaltsplan zu lesen und Erkenntnisse, Korrekturen, Vertiefungen, Zusammenhänge beizusteuern.
Auf der oberen Abbildung sind nach meiner Interpretation die Auszahlungen der Stadt Winterberg für das Oversum in Gesamthöhe von 3.350.000 Euro zu sehen.
Die Zahl deckt sich mit den bisherigen mündlichen Angaben der Stadt, dass man dem Investor noch nicht die volle Summe von 4,5(?) oder 4(?) Mio Euro der Anschubfinanzierung ausgezahlt habe, um ein Druckmittel bei eventuellen Baumängeln zu haben. Dieser Rückhalt ist bei PPP Projekten durchaus üblich und keine spezielle Idee der Stadt Winterberg.
Ich hatte zwischenzeitlich völlig verpasst, dass die Positionen und Kostenstellen der Kommunalhaushalte nun „Produkte“ genannt werden. Zum „Produkt 080301 Hallen- und Freibäder“ finden sich im Haushalt folgende Bemerkungen:
Bemerkungen zum Hallen- und Freibad
Die „Schaffung eines attraktiven Freizeitangebotes für Bürger und Gäste“ ist Leitidee des „Produkts“.
Schauen wir mal weiter:
Produkt „Hallen- und Freibäder“ – hier heißen die Betriebsausgaben plötzlich Mietzins.
So langsam kommen wir hier der Wahrheit näher. Hatte die Stadt in der Propaganda-Phase -wenn ich mich richtig erinnere, auch noch auf der Informationsveranstaltung nach dem Desaster- stets von „Betriebsausgaben“ gesprochen, so heißt es nun „Mietzinz“. Alles andere wäre ja auch Bilanzfälschung.
Gucken wir mal weiter:
Hier taucht der „Mietzinz“ unter Zeile 16 „Sonstige Aufwendungen“ auf
Schaut man sich die Steigerungsrate des „Mietzinz“ alias „Sonstige ordentliche Aufwendungen“ an, wird die Zahl 700.000 Euro lange vor dem Ende der 30 Jahre, nämlich im Jahr 2017, übersprungen. Das ist doch eine Erklärung wert, bewegten sich die Angaben der Stadt bisher immer im Rahmen von 600.000 bis 700.000 Euro. Allerdings war dies in der Periode vor der Bilanz und für die Presse und Öffentlichkeit. Wurde die Öffentlichkeit getäuscht oder lesen wir den Haushalt falsch?
Gucken wir zum Schluss ins Klare:
Vergrößert, zum genauen Hingucken … klicken
*** Sollte ich irgendetwas übersehen oder falsch interpretiert haben, bitte ich um schnelle Rückmeldung, Erläuterung und Korrektur. Vielen Dank im Voraus.
Eine Filiale der Sparkasse Hochsauerland in Winterberg-Siedlinghausen (foto: zoom)
Bei Wikipedia lesen wir über Sparkassen: „Eine Sparkasse ist ein Kreditinstitut mit der Aufgabe, der Bevölkerung Möglichkeiten zur sicheren und verzinslichen Geldanlage zu bieten und die örtlichen Kreditbedürfnisse zu befriedigen.
Die Erzielung von Gewinnen ist hierbei nicht der Hauptzweck des Geschäftsbetriebes. Das Geschäftsgebiet einer Sparkasse ist in der Regel auf das Gebiet ihres Trägers, beispielsweise einer Gemeinde, eines Landkreises oder eines Zweckverbandes, begrenzt …
Sparkassen sind in Deutschland in der Regel Anstalten des öffentlichen Rechts. Träger öffentlich-rechtlicher Sparkassen sind kommunale Gebietskörperschaften, wie Städte, Gemeinden oder Landkreise oder ein kommunaler Sparkassenzweckverband als Zusammenschluss mehrerer Gebietskörperschaften. Oftmals deutet bereits der Name auf den kommunalen Träger hin, z. B. Stadtsparkasse, Kreissparkasse oder Bezirkssparkasse.
Rechtsgrundlagen für Gründung und Betrieb sind das Sparkassengesetz des jeweiligen Bundeslandes, in dem die Sparkasse ihren Sitz hat, und eine vom Träger erlassene Satzung. Die Organe einer Sparkasse sind der Vorstand als geschäftsführendes Gremium und der Verwaltungsrat als Aufsichtsgremium. In einigen Bundesländern ist weiterhin für bestimmte (in der Regel besonders hohe oder risikoreiche) Kreditentscheidungen ein Kreditausschuss zu bilden.“
In Winterberg ist nach Angaben der Stadt die „Sparkasse Hochsauerland“ Kreditgeberin des Oversum Projekts. Sie ist als Anstalt des öffentlichen Rechts unter der Handelsregisternummer HR A 4228 beim Amtsgericht Arnsberg eingetragen. Dort findet man auch den kompletten Namen des Kreditinstituts: „Sparkasse Hochsauerland – Zweckverbandssparkasse des Hochsauerlandkreises und der Städte Brilon, Hallenberg, Medebach, Olsberg, Winterberg und der Gemeinde Bestwig“.
Bei der Sparkasse Hochsauerland handelt es sich also um einen „kommunalen Sparkassenzweckverband als Zusammenschluss mehrerer Gebietskörperschaften“. Die Gebietskörperschaften sind augenscheinlich die Gemeinden Brilon, Hallenberg, Medebach, Olsberg, Winterberg und Bestwig.
Der Vorsitzende des Vorstands ist Peter Wagner, weitere Mitglieder sind Ulrich Dolle, Konrad Lenze (stellvertretendes Vorstandsmitglied). Seit einer Satzungsänderung von 2010 wird Gesellschaft durch zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam vertreten.
Welche Winterberger Mitglieder sind nun in den Sparkassen-Gremien vertreten?***
Mitglieder der Verbandsversammlung sind: Bastian Östreich, Gisela Quick, Meinolf Ittermann, Christof Padberg, Joachim Reuter, Harald Koch, Fritz Kelm und Bernd Kräling.
Mitglieder im Verwaltungsrat sind: Meinolf Ittermann und Fritz Kelm.
Mitglied des Kreditausschusses ist: Meinolf Ittermann.
Der letztgenannte Kreditausschuss wird, wie oben erwähnt, für bestimmte (in der Regel besonders hohe oder risikoreiche) Kreditentscheidungen gebildet. Ist er für die Kreditentscheidungen des Oversum-Projekts zusammengetreten?
Die beteiligten Personen wären dann möglicherweise über die finanziellen Hintergründe des Oversum Projekts informiert.
Ein paar Spekulationen:
Es könnte sich herausstellen, dass das Oversum Projekt die Stadt Winterberg nicht nur 4,5 Millionen Euro Anschub-Investition kostet, sondern dazu auch die als „Miete“ für die Nutzung des Schwimmbades und des Konferenzsaals über einen Zeitraum von 30 Jahren jährlich zu entrichtenden 600.000 – 700.000 Euro „Betriebsausgaben“.
Zusammen gezählt ergäbe diese „Miete“: 18 – 21 Mio + X (Beraterhonorare, Gerichtskosten, Nachbesserungen, Inflationsausgleich, unbekannte Zinssätze(?) …). Dazu kämen dann noch die „normalen“ Betriebsausgaben. Insgesamt also mindestens 22,5 Mio. Euro. Das Maximum ist nicht bekannt.
Genau die benannten Betriebsausgaben/Mieten waren ja nach Angaben des Betreibers aquasphere der Streitpunkt mit der Stadt Winterberg. Die aquaspere war der Meinung, dass es sich bei den jährlichen 600.000 bis 700.000 Euro um eine Kaltmiete handele. Die variablen Betriebsausgaben kämen dann noch oben drauf.
In vielen PPP-Projekten sind diese „Mieten“ bzw. „Betriebsausgaben“ versteckte Investitionsmittel. Mit Hilfe der Stückelung über 30 Jahre unterlaufen die Städte und Gemeinden eine Kreditsperre und „tricksen“ gewissermaßen die Kommunalaufsicht aus.
Wer bezahlt denn nun die 25 Mio. + X Euro? Die Banken leben auch nicht von Luft und Liebe, sondern haben Forderungen in dieser Höhe. Das Oversum steht als Gebäude und muss abbezahlt werden. Das weiß jeder Hausbauer, der seine Wohnstatt nicht komplett beim Bau aus Eigenmitteln bezahlt hat. Es bleiben die Forderungen der kreditgebenden Bank, die er über einen vereinbarten Zeitraum mit Zins und Zinseszins zu bedienen hat.
Im Normalfall eines PPP Vertrags zahlt die Kommune gewissermaßen über den Investor (Betreiber) als Mittelsmann die Kreditschulden ab. Was passiert, wenn der Betreiber pleite geht? Guckt dann die Bank dumm aus der Wäsche? Im PPP-Normalfall nicht, da die Stadt dann als Bürge (wird vertraglich geregelt) in die Fußstapfen des Investors tritt und zum Direktschuldner avanciert.
Das würde also bedeuten, dass die Stadt Winterberg in letzter Instanz, die aus dem Oversum-Projekt entstandenen Forderungen zu bedienen hätte.
Diese Forderungen könnten bei Fortfaitierung mit Einredeverzicht schon längs auf dem Kapitalmarkt weiter verkauft worden sein. Papiere dieser Art sind begehrt, da die Städte als Schuldner am Ende (fast) immer zahlen (müssen).
*** sämtliche Angaben aus öffentlichen Behördenpapieren
Im Folgenden veröffentlichen wir im Wortlaut die heutige Pressemitteilung der aquaspere Winterberg GmbH zum Projekt Oversum in Winterberg.
Die Mitteilung macht deutlich auf welcher Argumentationsgrundlage die aquasphere in die kommenden zu erwartenden rechtlichen Auseinandersetzungen mit der Stadt Winterberg gehen wird. Die Tatsache der Veröffentlichung bedeutet nicht, dass wir uns deren Argumentation zu eigen machen. Sie dient allein und ausschließlich der Information.
Die Initiative für das Projekt Winterberg legte die Stadt Winterberg mit der ersten Ausschreibung im Jahr 2005 und zuletzt der europaweiten Ausschreibung Ende 2007. Darin gab die Stadt Winterberg u.a. vor, dass das Hallenbad für Schul- und Vereinsschwimmen geeignet sein müsse ( 25 m x 12,5 m x 0,9 m auf 3,4 m ansteigend mit 1m Sprungbrett) und dass es zukünftig durch die Stadt Winterberg für 45 Stunden wöchentlich genutzt werde.
Phase I: Entwicklung, Planung und Bau
Vor Umsetzung des Projekts bestimmte die Stadt, mit welchen konkreten Einrichtungen das Hallenbad ausgestattet sein müsse, das sie später für den Zweck der Durchführung des Schul- und Vereinsschwimmens mieten werde. Diese Einrichtungen sind:
• Schwimmerbecken
• Lehrschwimmbecken
• Zubehör wie Startsockel, Schwimmbadleinen, Bodenmarkierungen
• Sammelumkleiden jeweils für Damen und Herren
• Sanitäre Einrichtungen
Entsprechend dieser Vorgaben entwickelte, plante und baute die aquasphere Winterberg GmbH als alleiniger Investor und reine Besitzgesellschaft das Projekt Oversum. Die Stadt Winterberg war über ihre interfraktionelle Arbeitsgruppe vollen Umfangs und laufend in das Geschehen miteinbezogen.
In dieser Phase wurde das Projekt von sämtlichen Beteiligten und Außenstehenden gelobt. Es bekam Preise für Stadtentwicklung und viel Anerkennung von Politikern wie z.B. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans, Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr.
Phase II: Betrieb
Nach Fertigstellung der Bauarbeiten ging das Projekt Oversum im Mai 2012 in Betrieb. Hierfür vermietete die Besitzgesellschaft aquasphere Winterberg GmbH die einzelnen Mietobjekte (s.u. Schaubild). Die Mieter sind einzelne und finanziell voneinander unabhängige Gesellschaften.
Quelle: aquasphere GmbH
Wie üblich verpflichtete sich jeder Mieter dazu, eine Kaltmiete zu zahlen und natürlich auch seine Betriebskosten. Nur die Verantwortlichen der Stadt Winterberg haben für das Hallenbad keine Betriebskosten entrichtet. Mittlerweile betragen die Schulden der Stadt mehr als 300.000 Euro. Die Stadt Winterberg hat – aus für uns nicht verständlichen Gründen – über die WTW ihre eigene Betriebsgesellschaft, die Vitalresort Winterberg GmbH, in die Insolvenz geschickt.
Bezüglich des öffentlichen Schwimmens für die Bürger von Winterberg haben Bürgermeister Werner Eickler und seine Helfer keine Vereinbarung getroffen.
Aufgrund der zuvor dargestellten Situation musste das Hallenbad geschlossen werden.
Die aquasphere Winterberg GmbH bedauert den Unmut der Badegäste.
Das war’s. Die letzte Bahn ist geschwommen. (fotos: zoom)
Das war’s. Die letzte Bahn ist geschwommen. Um kurz vor acht war ich im Wasser, um exakt 20.45 Uhr als letzter Schwimmer wieder raus. Auf Twitter liest sich das so:
@khstannies Vielleicht bin ich ja wieder der einzige Arsch im Bad 😉 so … tschuess …
Ich musste dann aber doch noch kämpfen, um am letzten Tag des Schwimmbads vor der der Pleite als letzter aus dem Wasser zu steigen.
Der letzte Gang.
Auf meinen Schlussbahnen tauchten noch exakt ein Schwimmer und danach eine Schwimmerin ins Wasser ein.
Es herrschte wirklich keine Arschbombenstimmung, sondern große Traurigkeit. Die Mitabeiterinnen, die an diesem Abend Dienst hatten, machten auf mich einen geknickten Eindruck.
Überhaupt die MitarbeiterInnen. In der ganzen Zeit meiner sechs(?) Zehnerkarten habe ich ein sehr hilfsbereites, freundliches Personal erlebt.
Schade jetzt, und Danke dafür!
Das Schwimmbad ist nach meiner Kenntnis ab jetzt komplett geschlossen, auch für die Hotelgäste des Oversum.
Denen bleibt allerdings noch das Bewegungsbecken hinter der Glasscheibe.
Oversum-Schwimmbad. Heute anscheinend noch bis 21 Uhr geöffnet. Ab 1. Mai geschlossen
Der Betreiber „Vitalresort Winterberg GmbH“ geht in die Insolvenz, der Oversum-Projektbetreiber „aquasphere Winterberg GmbH“ übernimmt das Bad und handelt.
Das Oversum-Schwimmbad bleibt ab morgen auf unbestimmte Zeit geschlossen.
Ob das Schulschwimmen denn weiter gesichert sei, habe ich die Mitarbeiter hinter dem Tresen gefragt. Sie seien von der Optisport GmbH und gäben keine Auskunft.
Heute Abend sei das Schwimmbad aber noch geöffnet. Ich hatte nachgefragt, weil der Kassenautomat heute um 17 Uhr schon geschlossen war.
Zwei Punkte sind noch auf meiner Zehnerkarte. Ich werde versuchen, sie heute Abend abzuschwimmen.
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