Umleitung: Das Auto ist bald vorbei, Windows 10 ist auch bald vorbei, Friedrich Merz ist sowieso vorbei, Funkes Sparrunden sind nicht vorbei, aber das Pariser Kilogramm ist vorbei und Heino wird 80.

Vor dem Stadion in Hamburg. Vielleicht schaffe ich es nächstes Jahr hinein. (foto: zoom)

Jeremy Rifkin: «Das Auto ist doch vorbei!» Der Ökonom und Zukunftsforscher sagt, wir stünden vor der nächsten industriellen Revolution. Aber im Weg stehe die grösste Blase aller Zeiten … handelszeitung

Datenschnüffler: Windows 10 ignoriert Privacy-Einstellungen sammelt Daten, selbst wenn alle Punkte zur Speicherung des Aktivitätsverlaufs abgeschaltet sind … derstandard

Gedenkstätten zur Erinnerung an die NS-Verbrechen in Deutschland rufen auf zur Verteidigung der Demokratie: Immer offener etablieren sich in der Gesellschaft Haltungen, Meinungen und Sprechgewohnheiten, die eine Abkehr von den grundlegenden Lehren aus der NS-Vergangenheit befürchten lassen. Wir stellen mit Sorge fest …kzGedenkstaetteNeuengamme

Moritat vom Eigennutz: Erträgt es diese Gesellschaft lange, wenn die Geister der Vergangenheit auf ihrer Ordnung lasten? Aber klar, die gesellschaftliche Ordnung, das ist die Manifestation der Vergangenheit. Nur die SPD, die weiß das nicht, schließlich geht es ihr genau so … erbloggtes

Friedrich Merz: Bruchlandung statt Höhenflug. Die CDU-Konservativen und die Merkel-Nachfolge … postvonhorn

„Wann waren Sie zum letzten Mal in einer Zeitungsredaktion?“: Betriebsrat ist sauer auf Funke-Manager Schoo und fürchtet neue Sparrunde … meedia

Einheiten – eine kleine Revolution: Einzelne Primärstandards, die irgendwo im Safe gelagert werden müssen, haben dann ausgedient. Das gilt insbesondere für das Ur-Kilogramm in Paris, das bisher noch als Standard für jede Kilogramm-Messung herhalten muss und von dem bekannt ist, dass es immer leichter wird … scilogs

Weshalb Public History?: Der 9. November – ernsthaft? Ausgerechnet an einem solchen Tag will ich verdeutlichen, weshalb Public History wichtig sein könnte? Ein noch einfacheres, offensichtlicheres Datum kann es ja wohl kaum geben … publicHistory

Heino wird 80: Sind denn alle Geschmäcker nivelliert? … revierpassagen

107.7 radio eriwan: Hagener Dudelfunk erfindet eine „Nachricht“ … doppelwacholder

Der Tod und die Medien: Die Sozialen Medien entwickeln sich mit dem Fortschreiten der Zeit notwendigerweise auch zu digitalen Friedhöfen. Walls werden zu neuartigen Grabsteinen … paralipomena

Hochsauerland: Teure Notärzte … sbl

Bildung und Schule: Sind die Sozialkundelehrer der kapitalistischen Wirtschaftsordnung gewachsen?

Dr. Werner Jurga (foto: jurga)
Dr. Werner Jurga (foto: jurga)

„Die kapitalistische Wirtschaftsordnung“, heißt es in einem Schulbuch für Realschüler in den Fächern Erdkunde, Geschichte und Politik, „setzt auf Leistungs- und Produktionssteigerung.“ Das ist erstens richtig und zweitens zunächst einmal eine ziemlich gute Sache.*

In der Schule freilich kann man sich nicht mit dem allzu Offensichtlichem begnügen, man muss weiterdenken. Denn was bedeutet das denn: kapitalistische Produktionssteigerung? Die Antwort gibt das Schulbuch auf der Stelle: „Das bedeutet einen verstärkten Einsatz von Maschinen …“ – auch richtig, aber immer noch nicht alles – „… zur Rationalisierung der Arbeit“.

„Rationalisierung der Arbeit“ eine Verminderung des Beschäftigungsvolumens?
Halten wir fest: „Die kapitalistische Wirtschaftsordnung“ tendiert zur „Rationalisierung der Arbeit“, was irgendwie richtig ist, irgendwie aber auch wieder nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn mit „Rationalisierung der Arbeit“ eine Verminderung des Beschäftigungsvolumens gemeint sein sollte, mithin eine höhere Arbeitslosigkeit. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Schulbuchautoren genau dies gemeint haben dürften, nämlich dass der Kapitalismus die sog. „technologische Arbeitslosigkeit“ produziere.

Leute fliegen raus
Es ist ja auch so: wenn ein Unternehmen „verstärkt Maschinen einsetzt“, heutzutage also Computer bzw. computergestützte Systeme, einsetzt, dann, um Arbeitskräfte „einzusparen“, d.h.: die Leute fliegen raus.

Der Fall scheint klar
Und so läuft das schon seit Beginn der “kapitalistischen Wirtschaftsordnung“, verstärkt aber seit den 1980er Jahren. Das war die Zeit, als die Schulbuchautoren studiert hatten und die Computer auf ihrem Siegeszug keinen Halt vor der Arbeitswelt machten, nicht einmal vor den deutschen. Der Fall schien klar: die Arbeit schien auszugehen.

Das Ende der Arbeitswelt?
André Gorz stellte schon einmal “Sinnfragen am Ende der Arbeitsgesellschaft“ und nannte sein Buch dazu ganz offensiv “Kritik der ökonomischen Vernunft“. Die Jahre vergingen, eine Generation später sah Jeremy Rifkin “das Ende der Arbeitswelt“ kommen, komisch war nur: aus schier unerklärlichen Gründen gingen immer noch ziemlich viele Leute zur Arbeit. 1980 waren es in der alten Bundesrepublik 27,9 Millionen Erwerbstätige, 2010 gab es in den alten Ländern (freilich ohne Berlin) 33,0 Millionen Erwerbstätige. Zugegeben: viele davon in prekären Beschäftigungsverhältnissen – Minijobber, „Aufstocker“; rechnet man die raus, ist der Beschäftigungszuwachs wieder weg.

Die Erwerbsarbeit ist aber immer noch da
Die Erwerbsarbeit ist aber immer noch da – trotz „kapitalistischer Wirtschaftsordnung“ und “technologischer Arbeitslosigkeit“. Es wurde nämlich übersehen, dass durch den “verstärkten Einsatz von Maschinen“ die Produktion von Gütern und Dienstleistungen billiger erfolgen konnte. Wird dieser Preisvorteil an die Kunden weitergegeben, entsteht gesamtwirtschaftlich betrachtet zusätzliche Nachfrage an anderer Stelle, die dort neue Arbeitsplätze schafft. Würde der besagte Preisvorteil nicht weitergegeben, könnte der Zusatzprofit im Unternehmen investiert werden.

Die kompensatorische Nachfrage auf dem Binnenmarkt greift
Dann entstehen ebenfalls neue Arbeitsplätze, wenn es sich um Erweiterungsinvestitionen handelt. Bei Rationalisierungsinvestitionen wären wir wieder im Thema dieses Textes. Die kompensatorische Nachfrage auf dem Binnenmarkt greift. Handelt es sich dagegen um Produktion für den Export, dürfte unmittelbar einsichtig sein, dass technologische Innovationen Arbeitsplätze keineswegs vernichten, sondern sichern bzw. schaffen.

Volksglaube an die “technologische Arbeitslosigkeit“
Allein schon die Annahme, mit einem Maschinenpark von Anno Tobak ließe sich ein hohes Beschäftigungsniveau sichern, gar Vollbeschäftigung anvisieren, ist an Absurdität kaum zu überbieten. Und doch hält sich der Volksglaube an die “technologische Arbeitslosigkeit“ hartnäckig in den Schulbüchern und, wie zu befürchten steht, in den Köpfen der mit ihnen arbeitenden Lehrer.

“Schulbücher diffamieren Kapitalismus“
Das Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) heißt nicht nur so, sondern ist auch eins – jedenfalls dann, wenn man unter Wirtschaft nicht „die Gesamtheit aller Einrichtungen und Handlungen, die der planvollen Deckung des menschlichen Bedarfs dienen“ (Wikipedia) versteht, sondern die relativ kleine Menschengruppe der Firmeneigner und ihrer Verwalter. Das IW hat jetzt in einer Studie entsetzt festgestellt: “Schulbücher diffamieren Kapitalismus“, so die Überschrift in der FTD.

Lehrerfortbildung zur ökonomischen Bildung intensivieren.
In der Studie selbst wird freilich ein der wissenschaftlichen Community etwas angemessenerer Sound angeschlagen. Der letzte Satz der Arbeit gibt die „Empfehlung“: “Um die Professionalisierung der aktiven Lehrer gesellschaftswissenschaftlicher Fächer zu fördern, gilt es, die Lehrerfortbildung zur ökonomischen Bildung nach dem aktuellen Stand der Wirtschaftsdidaktik und Wirtschaftswissenschaft zu intensivieren.“ Auch dies wäre erstens richtig und zweitens zunächst einmal eine ziemlich gute Sache.

Formung unkritischer Rekruten für die freie Wirtschaft
Doch man muss weiterdenken: dem IW geht es um nicht mehr und nicht weniger als um einen politischen Angriff auf die Unabhängigkeit des sozialkundlichen Unterrichts in den Schulen und der Lehrerausbildung an den Hochschulen. Im Grunde nicht neu, doch diesmal soll es auch ans Eingemachte gehen. Die Formung unkritischer Rekruten für die freie Wirtschaft soll frühstmöglich beginnen und auch an Schulformen Platz greifen, die nicht für die Produktion künftiger Vorgesetzter zuständig sind, sondern für die Bereitstellung der erforderlichen willfährigen Ergebenen.

Eine Gegenwehr ist nicht zu erkennen
Zurzeit ist nicht zu erkennen, wie sich das sozialkundliche Establishment in den Schulen, Universitäten, Schulverwaltungen, Ministerien, Schulbuchverlagen etc. dagegen zur Wehr setzen könnte. Eine Kapitalismuskritik, die der „kapitalistischen Wirtschaftsordnung“ vorwirft, „auf Leistungs- und Produktionssteigerung“ zu setzen, und deshalb ein technikfeindliches Ressentiment vermittelt, dürfte kaum zu halten sein. So gesehen gebührt dem IW eigentlich Dank dafür mitzuteilen, wo “die Wirtschaft“ jetzt anzusetzen gedenkt und wie bescheiden diejenigen aufgestellt sind, die die Aufgabe haben, unsere Kinder zu kritischen Staatsbürgern zu erziehen.

*Der Artikel ist ebenfalls gestern im sozialdemokratischen Vorwärts erschienen.