Oder wie es zum Schluss der aktuellen Recherche heißt:
Nein, Freunde und Kollegen (m/w/d), so geht das nicht! Laßt uns alle zusammen nach den Toten suchen, und durch die wunderbaren „Arolsen Archives“ (bis Mai 2019 kurz ITS”) ist das ja jetzt auch viel einfacher möglich. 30 Millionen Dokumente sind inzwischen für jeden von zuhause aus erreichbar, und wir können unsere Geschichte(n) erarbeiten und versuchen, Menschen ihre Würde zurückzugeben. 27 Millionen Tote der Sowjetunion, davon 3,5 Millionen gestorben in deutscher Gefangenschaft, und 30 von ihnen liegen in Siedlinghausen …Suchen wir gemeinsam!(Nicht nur) Jugend forscht im ITS!
[…]
Klickt man den Reiter „Ansprechpartner“, wird „Stadt Winterberg, Friedhofswesen, Fichtenweg 10, 59955 Winterberg“ genannt, und bei „Weitere im Umkreis“ erscheint: „Folgende Einträge befinden sich in der Nähe: Winterberg-Siedlinghausen 0 km, Brilon 18 km, Meschede-Fulmecke 18 km“.
Nun kann man sich die „Standorte“ ansehen, indem man die Karte anklickt. Hier zunächst der der „Grabstätte für fünfsowjetische Opfer des Zweiten Weltkriegs“, dem Friedhof an der Friedhofstraße, zu dem mir der Standesbeamte in Winterberg den Weg so wunderbar beschrieben hatte: Die Hochsauerlandstraße immer weiter durch den Ort durch, dann „Im Schling“ rechts abbiegen und hoch bis zum Friedhof. Wenn man an der gleichnamigen Straße links abbiegt, findet man viele freie Parkplätze.
Der „Standort“ ist richtig angegeben, aber dort sind 30 Gräber sowjetischer Kriegsgefangener mit folgenden Angaben auf ihren Grabsteinen:
1 Afanasief 29.05.1942
2 Batrak 24.09.1942
3 Boltutschow 15.11.1941
4 Glasurenko 03.10.1941
[…]
29 Unbekannt
30 Unbekannt April 1945
Zu ihnen allen komme ich später.
Zunächst noch der „Standort“ der „Grabstätte für 26 sowjetische Opfer des Zweiten Weltkriegs“, des „Friedhof Röbbecken“. Zu meiner großen Überraschung lagen am 13.10.2020 anscheinend „26 sowjetische Opfer des Zweiten Weltkriegs“ mitten auf der Straße begraben und wurden wohl alsbald von einem Auto überfahren:
Script Seite 5, dort weitere Details und Anmerkungen.
Denn nach dieser „Standort“-Karte liegt der „Friedhof Röbbecken“ zwischen den beiden Metzgereien Heinz-Thomas Knieb und Fleischerei Kuhlmann an der Hochsauerlandstraße, unweit des Kriegerdenkmals in Siedlinghausen.
Aber Gott schickte mir vor ein paar Tagen wieder Engel, diesmal in Gestalt des bereits erwähnten Standesbeamten im Rathaus der Stadt Winterberg, bei dem die Sterbebücher von Siedlinghausen von 1941-1956 liegen und der mir den Kontakt zu Herrn Hellwig ermöglichte, der so freundlich war und mit mir zum inzwischen aufgehobenen „Friedhof Röbbecken“ fuhr.
[…]
Der Standort ist bzw. war hier: Wo? „Sie fahren hier ’runter, aber dann nicht ,In den Zäunen’ weiter ’runter, sondern immer weiter. Die Straße macht Kurven, erst nach links und dann nach rechts, und sie fahren immer weiter. Dann kommt ein Bauernhof etwas weiter ab, den lassen Sie liegen. Dann kommen Sie an einem anderen Bauernhof vorbei. Beim dritten fahren Sie weiter geradeaus und kommen später an noch einem vorbei, und dahinter, etwa 200 Meter …“An dieser Stelle – Herr Hellwig zeichnete alles sorgsam auf ein Blatt Papier – bat ich dringend, er möge bitte mit mir dahin fahren. „Sie haben Angst, ne?“ Hätte ich die nächste Karte gehabt, hätte ich mich getraut, aber so …Und der Engel, den Gott mir geschickt hatte, fuhr tatsächlich mit mir den Weg zum ehemaligen „Friedhof Röbbecken“.
[…]
Wenn Sie bis hierhin gekommen sind, lesen Sie doch das ganze Script.
Und ich wiederhole mich: Laßt uns alle zusammen nach den Toten suchen, und durch die wunderbaren „Arolsen Archives“ (bis Mai 2019 kurz ITS”) ist das ja jetzt auch viel einfacher möglich … 27 Millionen Tote der Sowjetunion, davon 3,5 Millionen gestorben in deutscher Gefangenschaft, und 30 von ihnen liegen in Siedlinghausen … Suchen wir gemeinsam!(Nicht nur) Jugend forscht im ITS!
————————
[*] Und „16190“ ist Andrej Sergeew, dessen „Personalkarte I: Personelle Angaben“ des „Kriegsgefangenen-Stammlagers Stalag 326 Forellkrug“ die „Beschriftung der Erkennungsmarke“ mit „Nr. 16190“ angibt –und den Vornamen und den des Vaters und der Mutter und und und …
Gregory Bossenko, geb. 24.8.1899, Zwangsarbeiter bei Langemann & Co. in Plettenberg, ermordet in Suttrop
Die „Arolsen Archives, International Center on Nazi Persecution“ – früher kurz „ITS” [2] – haben sechs Seiten (1-5 und 45) eines Dokumentes vom 18.5.1945 digital zugänglich gemacht [3], in dem u.a. die 128 sowjetischen und polnischen Zwangsarbeiter und ihre Kinder aufgelistet werden, die wenige Tage vor ihrer Befreiung von deutschen Soldaten in Suttrop und Warstein erschossen und erschlagen wurden.
121 von ihnen wurden 1964 aus Einzelgräbern auf den „Franzosenfriedhof” in Meschede „umgebettet”, wo sie sowohl ohne erkennbare Grabflächen – wie alle meist sowjetischen Zwangsarbeiter dort [4] – als auch anonym begraben liegen.
„Hier liegen 27 sowjetische Bürger, die in der schweren Zeit 1941 – 1945 fern von ihrer Heimat starben“ (oben links) – „Hier liegen 30 sowjetische Bürger, die in der schweren Zeit 1941 – 1945 fern von ihrer Heimat starben“ (oben rechts) – „Hier liegen 36 sowjetische Bürger, die in der schweren Zeit 1941 – 1945 fern von ihrer Heimat starben“ (unten links) – „Hier liegen 28 sowjetische Bürger, die in der schweren Zeit 1941 – 1945 fern von ihrer Heimat starben“ (unten rechts)
Wo liegen die 27+30+36+28, also 121 (von 128) in Suttrop und Warstein am 20. und 21.3.1945 ermordeten sowjetischen und polnischen Zwangsarbeiter?
Knapp die Hälte von ihnen werden im Dokument namentlich genannt, und so können wir nun gemeinsam nach ihnen suchen [5].
Frau Marmontowa hat nicht nur die Liste im Netz gefunden, sondern auch einige Arbeits- und Versicherungskarten einiger dieser „OST”-Arbeiter [6], und so freue ich mich über ihren Erfolg und ihre Hilfe und hoffe auf weitere Zusammenarbeit möglichst vieler! Bisher liegen folgende erste Ergebnisse vor:
„Hier liegen 28 sowjetische Bürger, die in der schweren Zeit 1941 – 1945 fern von ihrer Heimat starben“ (Photo vom 1. September 2019)
Liegen hier vielleicht Gregory Bossenko, geb. 24.8.1899, Zwangsarbeiter bei Langemann & Co.“, Iwan Demidow, geb. 1897, Zwangsarbeiter in Balve und Volkringhausen, und Sophia Kotowa, geb. 2.1.1925, Zwangsarbeiterin der Klopp-Werke, alle drei ermordet in Suttrop, kurz vor ihrer Befreiung?
Einer der letzten weitgehend im Originalzustand erhaltenen sowjetischen Stelen in Nordrhein-Westfalen (Photo vom 1.9.2019) „HIER RUHEN RUSSISCHE BÜRGER, BESTIALISCH ERMORDET IN FASCHISTISCHER GEFANGENSCHAFT. EWIGER RUHM DEN GEFALLENEN DES GROSSEN VATERLÄNDISCHEN KRIEGES 1941 – 1945“
Kennzeichnung „OST“ für Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion (Bilddatensatz von Doc.Heintz – Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons)
Als ich die Liste der „beschäftigten” „Russen” der „Firma Heinrich Jungeblodt, Metallwarenfabrik Lippstadt“ (heute in Warstein) [1] abtippte [2], wußte ich bei Alexandra Andrjuschenko (geb. 1.8.1925) nicht, ob ihr Geburtsort „Norki“ oder „Borki“ hieß.
Aber weil auch bei Alexandra Dentschik (12.9.1923), Maria Dunaschenko (geb. 4.6.1926), Barach Kulbatschna (geb. 13.11.1924), Tanja Matjach (geb. 29.1.1914), Maria Pilipez (6.7.1923) und Anastasia Tkatschenko (geb. 1910) die „Beschäftigungsdauer“ am 11.9.1944 begann und bei „Abgang“ bei allen „Eins. i. Westen“ bzw. „zum Westen im Einsatz“ bzw. „zum Westen“ steht, denke ich, daß auch sie aus Borki war.
„Am 15. Juni dieses Jahres wird in Borki eine Gedenkstätte für die Opfer des verbrannten Dorfes eingeweiht. Dort kamen ungefähr 2200 Menschen um, darunter fielen den Flammen zwei Cousins meiner Mama und die Frau ihres Onkels zum Opfer. Der Sohn ihrer Großmutter väterlicherseits kam nicht aus dem Krieg zurück, und ihre Tochter wurde von den Deutschen erschossen. Das Leid der Mutter, die alle verlor, ihre Kinder und ihre Enkel, ist unbeschreiblich.“
So schreibt Sinaida Aleksejewna Je. aus Belarus, Gebiet Mogiljow, im „Freitagsbrief Nr. 122“ vom März 2020 (Übersetzung aus dem Russischen von Karin Ruppelt), und vorher:
„Als Borki brannte, fuhr der Großvater gerade mit dem Fuhrwerk zur Mühle ins Nachbardorf nicht weit von Borki, um Getreide zu mahlen. Die Großmutter sah den Widerschein eines gewaltigen Feuers am Himmel, und die Nachbarn erhoben ein Geschrei, dass Borki brennt. Die Großmutter wusste nicht wohin mit sich vor lauter Angst, dass der Großvater umkommen könnte. Aber er war auf dem Weg umgekehrt und kam rechtzeitig zurück. Und alle Dorfbewohner, ebenso wie auch die Bewohner des Nachbardorfs, flohen in den Wald in die Sümpfe. Jeder nahm ein Bündel nur mit dem Allernotwendigsten mit. Die restliche Kleidung und Dokumente stopften sie in ein Fass und vergruben es in der Erde. Sie schlichen sich durch die Sümpfe in die Tiefe des Waldes. Meine Mutter und ihre Schwester liefen als letzte und gerieten in einen Morast. Der Großvater bemerkte ihre Abwesenheit noch rechtzeitig, rannte zurück – da steckten sie schon bis zum Hals im Morast. Er rettete sie.
Sie lebten zwei Jahre lang im Moor im Wald. Sie bauten eine Erdhöhle und aßen, was sie fanden: verfaulte Kartoffeln, grünes Gras, Beeren, Pilze. Wie sie überlebten, weiß nur Gott. Mama sagt, dass noch lange Zeit der furchtbare Gestank verbrannter menschlicher Körper, Asche in der Luft hing.
1944 befreite die Rote Armee den Kirov-Bezirk von den Deutschen, und Großvater ging an die Front. Die Familie kehrte in ihr Dorf zurück, von dem nichts mehr übrig war. Die Deutschen hatten alles verbrannt, auch die Sachen, die sie im Fass vergraben hatten. Und die ganze Familie hatte praktisch weder Kleidung noch Schuhe.
Der Großvater kämpfte an der Front, wurde verwundet, blieb aber am Leben und kam bis nach Berlin. Er wurde mit Orden und Medaillen ausgezeichnet. Als einer von wenigen kehrte er aus dem Krieg zurück, war am Leben geblieben und heil. Viele kamen aus dem Krieg nicht zurück. Als der Großvater an der Front war, wuchsen die älteren Kinder, die Söhne, heran, halfen beim Bau der Erdhöhle, …“
Das ist nur ein Teil dieses jüngsten „Freitagsbriefes“ – und ich schäme mich wieder: „Norki“ oder „Borki“ – nie vorher gehört. Sie sind so wichtig, diese „Freitagsbriefe“ von „KONTAKTE-KOHTAKTbI e.V., Verein für Kontakte zu Ländern der ehemaligen Sowjetunion“:
„Mehrere tausend ehemalige sowjetische Kriegsgefangene … erfüllten unseren Wunsch …, indem sie uns ihre Erinnerungen aufschrieben. Um einen blinden Fleck im deutschen Geschichtsbewusstsein zu tilgen, veröffentlichten wir wöchentlich … Zeitzeugenberichte als ,Freitagsbriefe’.
… Dokumente im Unterricht nutzen. Schauspieler/innen inszenierten daraus Lesungen … Hörbuch: ,Wir haben den Deutschen verziehen, um Menschlichkeit zu bewahren’ (Sprecher: Kornelia Boje, Wolfram Grüsser, Eberhard Radczuweit, Musik und Gesang: Jegor Wysotsky) … für 10,00 € erhältlich … Workshop ,Post für dich’ für Jugendliche … kann auch in Einfacher Sprache und für Gebärdensprache-Verständige … über das Deutsch-Russischen Museum Berlin-Karlshorst gebucht werden.
Alle Freitagsbriefe können hier gelesen werden. Wir sind daran interessiert, dass die ,Freitagsbriefe’ genutzt werden, bitten aber um eine schriftliche Anfrage (Mail genügt).“ [3]
Aus dem „Freitagsbrief“ von Wasilij Dawidowitsch Lipartija aus Russland, Gebiet Rostow (aus dem Russischen von Valerie Engler) vom 2.6.2009:
„Ich, Wasilij Dawidowitsch Lipartija, wurde am 23.3.1922 in Schdawa im Bezirk Galskij, Republik Abchasien, geboren. Ich bin Georgier. Ich habe die Schule nach zehn Klassen abgeschlossen und wurde 1941 in Kriegskommissariat berufen, da der Krieg begonnen hatte. Ich kam in die Fliegerschule in Nowypomynsk, dort wurde ich nur zwei Monate ausgebildet, da die Schule von den Deutschen bombardiert wurde. Mit den anderen Offiziersschülern wurde ich in die Infanterieschule in Stawropol´ verlegt. Im Mai 1942 kam ich als Unterleutnant an die Front bei Charkow. Im Juni 1942 wurde ich bei einem Gefecht durch Splitter am Arm und am Kopf verwundet. Durch den sogenannten ,Kessel von Charkow’ waren wir eingeschlossen.
Mit einer Gruppe von 18 Mann versuchten wir, den Kessel zu durchbrechen, aber während eines Gefechts mit den Deutschen wurde ich verwundet, ich hatte einen Brustdurchschuss und war bewusstlos, wie lange, weiß ich nicht. Als ich wieder zu mir kam, war ich voller Blut, hatte keine Stiefel mehr an den Füßen, mit Mühe stand ich auf und ging barfuß los. Ganz in der Nähe war ein Dorf, dort sah ich eine Frau, die ich um Wasser bat, sie sagte, ich dürfe kein Wasser trinken, dann befeuchtete sie mir Brust und Hals mit Wasser. Die Frau sagte, dass die Deutschen im Dorf seien. Die Deutschen entdeckten mich, aber ich hatte keine Kraft, um fortzulaufen, ich konnte mich kaum auf den Beinen halten. Zwei junge Deutsche kamen auf mich zu, sie schlugen mich nicht, sondern führten mich zu einer Hütte, in der ihr Stab war.
Zwei deutsche Offiziere traten aus der Hütte, sie warfen einen Blick auf mich und einer der Offiziere sagte etwas, dann gingen sie zurück in die Hütte zum Essen. Dann kam eine russische Krankenschwester, eine Kriegsgefangene, zu mir, sie schnitt mein Hemd auf und machte mir einen Verband, dann bettete sie mich auf die Erde. So lag ich bis zum nächsten Morgen auf der Erde. Morgens etwa um sieben Uhr fuhr ein Wagen mit zwei Polizisten heran, sie riefen ,Steh auf!’ und beschimpften mich, aber ich konnte nicht aufstehen und so hoben sie mich hoch und warfen mich auf den Wagen, auf dem etwas Heu lag. Wir fuhren etwa zwölf Kilometer, wahrscheinlich zur Kreisstadt. Dort brachten sie mich in den Klub, in dem schon einige Verwundete waren, die aber laufen konnten. Danach brachten sie mich in einen Pferdestall, in dem schwer verwundete Soldaten lagen, etwa 300 Personen. Wir wurden von niemandem bewacht, da wir nicht laufen konnten. Meine Wunder infizierte sich und ich hatte Würmer. Zu Essen bekamen wir nichts, nur die Frauen und alten Frauen aus dem Dorf brachten uns manchmal etwas. Nach elf Tagen waren etwa 150 Männer gestorben.
Die Kriegsgefangenen, die noch am Leben waren, wurden auf die Straße getrieben, eine weitere Gruppe Kriegsgefangener stieß zu uns und zusammen marschierten wir etwa 80 Kilometer. Wer hinfiel und nicht mehr gehen konnte, wurde an Ort und Stelle erschossen. Wir waren etwa 1000 Mann und sie brachten uns in ein offenes Lager in Proskurow [Stalag 355], das mit Stacheldraht umzäunt war. Dort lagen und saßen wir auf der Erde. Wenn jemand aufstand, schossen die Wachleute von ihrem Wachturm herunter. Ich war dort eine Woche. Dann wurden wir nach Wlodzimier Wolynski [Stalag 365] getrieben, das war ein geschlossenes Lager, in dem wir in Baracken lebten. Dort war ich zwei Monate. Dann brachten sie uns nach Polen in die Stadt Schotakowa [Tschenstochau Stalag 367]. Dort war es sehr hart. Wir bekamen 333 Gramm Brot und zweimal am Tag Balanda mit Kartoffelschalen. Von 30000 Kriegsgefangenen sind etwa die Hälfte an Hunger und Kälte gestorben. Ich war dort bis 1943.
Dann wurde ich nach Deutschland gebracht, nach Stuttgart, wo ich in der Schillerschule Nr. 2030 oder 3020 war, genau weiß ich das nicht mehr. Meine Lagernummer war 28880. Dort war ich bis 1945. Wir wurden zu Schwerstarbeit gezwungen, mussten Zement oder Sand ausladen, arbeiteten in der Kanalisation, räumten die Straßen und die Straßenbahnschienen nach den Bombenangriffen der Amerikaner usw. Wir arbeiteten von früh bis spät. Die Deutschen behandelten uns Kriegsgefangene schlecht und schikanierten uns, für sie waren wir keine Menschen.“
Und wieder denke ich an Petr Turischew und frage mich, wie viele Mühen das Personal der „Anstalt“ in Suttrop [4] wohl auf sich genommen hat, ihn und die vielen anderen sowjetischen Bürger zu pflegen, die noch nach ihrer Befreiung im „Reservelazarett Warstein“ starben. In den nächsten Wochen ist fast jeder Tag in Warstein ein Gedenktag, wenn wir auch an die vielen sowjetischen Soldaten denken, die dort vor 75 Jahren starben.
„Pascha, paß auf die Kinder auf!“ [5]
————————–
Anmerkungen:
[1] 2.1.2.1 / 70681785 – 70681801, ITS Digital Archive, Arolsen Archives
Eigentlich gibt es Karsamstags für die ermordeten (Zwangs-)Arbeiter der ehem. Lippstädter Union eine Gedenkfeier – in diesem Jahr fiel diese Feier aus, in einem stillen Gedenken erinnerten der DGB Kreis Soest, die IG Metall Hamm-Lippstadt, die Stadt Lippstadt und das Int. Rombergpark-Komitee an die 13 Ermordeten.
Diese wurden in den Ostertagen 1945 kurz vor Ende des Krieges von Nazi-Schergen im Dortmunder Rombergpark getötet. Damals fanden Friedrich Sprink, Stefan Freitag, Franz Schultenjohann, Franz Engelhardt, Johann Liebner, Albert Klar und die französischen Zwangsarbeiter Edouard Abejean-Uguen, Robert Geoffroy, Léon Chadirac, Robert Deyredk, Paul Deleforge-Burette, Léon Deloor und Robert Vanderyssen den Tod.
In Vertretung für alle Organisationen legten Britta Peter (IG Metall) und Holger Schild (DGB) Kränze am Gedenkstein gegenüber dem Hauptportal der St. Josephkirche nieder. Auch am Grab der ermordeten sowjetischen Zwangsarbeiter auf dem Erwitter Friedhof legten die Gewerkschaften zur Erinnerung einen Kranz nieder.
Am Ostersonntag 1945 waren die acht Zwangsarbeiter von einem Volkssturmmann des »Freicorps Sauerland« an der Erwitter Hellwegkreuzung erschossen worden. Zu diesen Endzeitverbrechen gibt es eine Broschüre, die man kostenlos bei der IG Metall und dem DGB bekommen kann. Außerdem wurde jetzt für ein virtuelles Gedenken eine Webseite unter der Adresse www.der-gedenkstein.de veröffentlicht.
Alexey Revenko ist ein namhafter Gitarrenvirtuose aus der Ukraine. Er kam für ein paar Tage nach Deutschland, um auf Tournee zu gehen und wurde durch die Coronamaßnahmen kalt erwischt.
Nicht nur, daß er keine Geld verdienen kann; die Die Flugticketpreise betragen normalerweise 100-150 Dollar, sind allerdings jetzt auf 600-700 Dollar gestiegen.
Alexey Revenko sitzt in Deutschland fest, zuhause wartet seine schwangere Frau auf ihn, aber alle haben kein Geld. Hiermit bitte ich um ein eine Spende für ihn, der auf diesem you-tube-Video ein Konzert in der leeren St. Anna-Kirche in Düren spielt:
Zentrales Spendenkonto der Pfarrei St. Lukas
IBAN DE20 3955 0110 0000 6133 72
Verwendungszweck: Alexej Revenko
Léon Chadirac ist einer der Ermordeten, derer am Karsamstag gedacht wird. (Bild: Nadja-Thelen Khoder)
Mehr über ihn, seine sechs französischen
Edouard Abejean-Uguen
Robert Geoffroy
Robert Deyredk
Paul Deleforge-Burette
Léon Deloor
Robert Vanderyssen
und sechs deutschen Kollegen
Friedrich Sprink
Stefan Freitag
Franz Schultenjohann
Franz Engelhardt
Johann Liebner
Albert Klar
in
„Der Gedenkstein – Erinnerung an die ermordeten Lippstädter Arbeiter und ihre französischen Kollegen“, herausgegeben vom DGB Kreisverband Soest und der IG Metall Hamm-Lippstadt, Neuauflage 2019 (oberes Bild auf S. 22) auf http://www.so-az.net/PopUp-Galerie/WebPage/page.pdf
Pressemitteilung des DGB Kreis Soest, 17.3.2020:
„Gedenkveranstaltung am Karsamstag abgesagt
Lippstadt. In der Karwoche 1945 wurden sechs Arbeiter und sieben französische Zwangsarbeiter der Union-Werke in Lippstadt Opfer des Naziregimes: Die sechs deutschen Arbeiter und sieben französischen Zwangsarbeiter wurden in der Nacht auf Karfreitag 1945 erschossen.
Dieser Nazi-Opfer gedenken seit Jahren der DGB, die IG Metall, die Stadt Lippstadt und das internationale Rombergpark-Komitee am Gedenkstein an der St. Josephkirche. In diesem Jahr allerdings nicht wie traditionell am Karsamstag. Das haben die Veranstalter gemeinsam beschlossen: Der diesjährige Karsamstag am 11. April liegt in dem Zeitraum, in dem öffentliche Veranstaltungen wegen des Coronavirus nicht stattfinden sollen. Deshalb wird die Gedenkfeier auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. ,Wir wollen und werden die Toten würdig ehren und an sie erinnern, ohne die Lebenden dabei zu gefährden’, so DGB Kreisvorsitzender Holger Schild. Dazu soll die Gedenkfeier an einem anderen Termin nachgeholt werden: ,Dafür bieten sich Gedenktage wie beispielsweise der 8. Mai oder der 1. September an’, so DGB Kreisvorsitzender Holger Schild.“
„… klage ich der Feindbegünstigung sowie mit Ausnahme des Angeschuldigten Deyredk auch der Vorbereitung zum Hochverrat, der Wehrkraftzersetzung und des Rundfunkverbrechens an. …“
Franz Schultenjohann. „Mein Vater … war ein überzeugter, aktiver katholischer Christ mit gutem Kontakt zur damaligen Pfarrei.“ (seine Tochter Edeltraut 1989)
Eine Abschrift der Anklageschrift des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof in Berlin vom 22.3.1945 (am Tag des Massakers von Eversberg, am Tag, als das „Ostarbeiterlager Herrenberg“ in Warstein abbrannte, aus dem die französischen Zwangsarbeiter ihre sowjetischen Kameraden retten konnten), Photos und Reden der Gedenkfeier am Karsamstag 2019 siehe Datei Nr. 212 auf hpgrumpe.de > NS-Verbrechen oder hier:
Friedrich Sprink
Stefan Freitag
Franz Schultenjohann
Franz Engelhardt
Johann Liebner
Albert Klar
Edouard Abejean-Uguen
Robert Geoffroy
Léon Chadirac
Robert Deyredk
Paul Deleforge-Burette
Léon Deloor
Robert Vanderyssen
Wir gedenken ihrer, weil sie fehlen.
Zu weiteren Zwangsarbeitern der Union-Werke in Lippstadt siehe „ ,Westfälische Union’. Dmitrij Daniltschenko, 18, ,Todesursache’ ,Herzinsuffizienz’ und ,Russin 27’ “ auf https://www.schiebener.net/wordpress/wp-content/uploads/2018/10/115.-Westf%C3%A4lische-Union.-Dmitrij-Daniltschenko-18-Todesursache-Herzinsuffizienz-und-Russin-27.pdf
Auch diese „Opfer“[1] „des Nazi-Regimes“[2] fehlen!
[2] Wer oder was war dieses „Nazi-Regime“? Wie viele Polizeibeamte (um Häuser zu räumen), Staatsanwälte (um Anklagen zu vertreten), Richter (um entsprechende Urteile zu verkünden), Gefängniswärter (um diese Urteile zu vollstrecken), KZ-Wächter (um Menschen zu versklaven, zu foltern und/oder zu töten), Journalisten (um Meinungen zu verbreiten und Tatsachen so oder so darzustellen bzw. zu verschweigen), Lokomotivführer (um Menschen wie Vieh in Güterwaggons zu transportieren), Beamte in Einwohnermeldeämtern (um Menschen durch ein „Z“ oder ein „J“ im wahrsten Sinne des Wortes abzustempeln), Grundbuchbeamte (um Grundstücke zu „arisieren“), Lehrer (um Kindern das „Aussondern“ zu lehren bzw. zu ermöglichen), Ärzte (um Menschen „kriegstauglich“ zu schreiben, wieder gesund zu flicken und andere Menschen gar nicht oder schlecht zu behandeln), Pfarrer (um Waffen zu segnen), Schuster (um Soldatenstiefel zu machen), Fabrikarbeiter (um Bomben und Granaten herzustellen), Soldaten (zum Schluß standen 17 Millionen Deutsche unter Waffen; das nannte man „Volkssturm“), Schneider (um Uniformen zu nähen), Krankenschwestern (um Verletzte zu versorgen) und und und brauchte Deutschland von 1933-45, um den Tod von 55 Millionen Menschen zu verantworten? (aus „Zum 27. Januar – Zwei Jahrestage und zwei Tagebücher. Für Anne Frank, Tanja Sawitschewa und all die Anderen“ auf http://www.nachdenkseiten.de/?p=15970)
„ein ausdruckstarkes Zeugnis der Industriegeschichte der Stadt“ (Photo von Dr. Martin Bach vom 22.2.2020)Die ursprünglich Tafel wurde 1995 enthüllt, Anfang 2007 gestohlen und 2015 durch die aktuelle ersetzt. [1] (Photo von Dr. Martin Bach vom 22.2.2020)
Die ehemalige „Lampenbude“ der „Westfälischen Metall-Industrie AG (WMI)“
Mehr zur ehemaligen „Lampenbude“ der „Westfälischen Metall-Industrie AG (WMI)“, dem geplanten Depot für das Stadtmuseum, zu Vida Levy, zur „Hella KG Hueck und Co.“[2] und zu „Hella“, also Helene Windmüller, geborene Sternberg, Witwe des Firmengründers Sally Windmüller, er gestorben 1930 in Berlin, sie 1954 in Portugal [3] in
[2] siehe auch Dateien Nr. 104 und 157 auf der Liste bei hpgrumpe.de > NS-Verbrechen
[3] „We dedicate this book to the memory of Fred Walter Windmueller … and to the 120 family members who perished in the Holocaust.“ (Inge Windmueller Horowitz, Rita Janet Horowitz und Ida Stein Windmueller: „Windmueller Family Chronicle: Second Edition“, Richmond, Virginia, USA 1981 (Windmill Press Associates)
Bevor Fred Walter Windmüller, geb. 20.7.1908 in Beckum, gest. am 14.8.1977 in Richmond, USA, 1938 Deutschland verlassen mußte, schrieb er die „Chronik der Familie Windmüller“, eine 147-seitige Familienchronik seit 1680.
Manchmal denke ich, daß ich einfach zu blöd für diese Welt bin, weil ich so vieles einfach nicht verstehe. Das liegt unter anderem daran, daß täglich neue Wörter in meine geliebte deutsche Sprache hineingestanzt werden, die ich vorher noch nie gehört habe, aber plötzlich wie mit nassen Lappen täglich um die Ohren geschlagen bekomme. Zur Zeit sind es die Wörter „Äqui-Distanz“ (oder „Äquidistanz“) und „Hufeisentheorie“.
Früher dachte ich immer, Theorien seien etwas Kompliziertes, aber heutzutage kann manches noch so platte Bild mit dem Wort „Theorie“ belegt werden, und beinahe täglich wird ein neues Unwort in unseren Sprachschatz gestanzt.
Johann Wolfgang Goethe, der sich einen Adelstitel verleihen ließ, um als Bürgerlicher mit den Herrschaften mit am Tisch sitzen zu dürfen – daher für viele lieber Johann Wolfgang von Goethe (Lutz Görner: „Goethe für alle“) – kam mit etwa 23 000 Wörtern aus; heute sollen es etwa 1,8 Millionen sein. Natürlich mußte er viele Vokabeln gar nicht lernen; „Atommülldeponien“ und „Neonazis“ gab es zu seiner Zeit noch nicht (noch nicht einmal „Nazis“, was eine Kurzform für „Nationalsozialisten“ ist). Aber was hätte er wohl zu „Entsorgungspark“ und „Wutbürger“ gesagt – zwei Wörtern, die für mich zu einer besonderen Kategorie gehören: zu den Wörtern, die ich immer nur in Medien gehört habe, niemals von einem Menschen aus Fleisch und Blut?
Zu den heutzutage in beinahe jeder „Talk-Show“ (mit Anne Will, Markus Lanz, Margret Illner und wie sie alle heißen) benutzten Vokabeln „Äqui-Distanz“ und „Hufeisentheorie“ fallen mir drei Bücher aus drei Jahrzehnten ein:
Mit zweierlei Maß. Die deutsche Reaktion auf den Terror von rechts.
Hermann Vinke: „Mit zweierlei Maß. Die deutsche Reaktion auf den Terror von rechts. Eine Dokumentation“, Reinbek bei Hamburg 1981 (rororo aktuell 4822)
Auf dem Weg zum Bürgerkrieg? Rechtsextremismus und Gewalt gegen Fremde in Deutschland
Wolfgang Benz (Hrsg.): „Auf dem Weg zum Bürgerkrieg? Rechtsextremismus und Gewalt gegen Fremde in Deutschland“, Frankfurt am Main 2001 (Fischer Taschenbuch)
Heimatschutz. Der Staat und die Mordserie des NSU
Stefan Aust und DirkLaabs: „Heimatschutz. Der Staat und die Mordserie des NSU“, München 2014 (Pantheon Verlag)
Und immer wieder die Frage: „Wie konnte das passieren?“
Der „Soester Anzeiger“ bzw. „Warsteiner Anzeiger“ kündigte am 17.1.2020 die Veranstaltung „Experten-Vortrag über Morde vor Kriegsende 1945“ für den 21.1.2020 um 19 Uhr im Petrushaus, Petrikirchhof 10 in Soest, an.
Der Zeitungsausschnitt (1) wurde mir aus Warstein zugeschickt und dankenswerterweise im Internet auf der Seite des „Bundesverbandes Opfer der NS-Militärjustiz“ (2) unter den Rubriken „Presseberichte“ und „Veranstaltungen“ zur Verfügung eingestellt.
Grabstein von vier „Ostarbeiterinnen“ (Foto: Nadja Thelen-Khoder)
Zur Veranstaltung und zu meinem neuen Buch (3) über den „Russischen Ehrenfriedhof des Anstaltsfriedhofs“ der LWL-Klinik in Warstein – ehemals „Provinzialheilanstalt Warstein“ und/oder/bzw. „Lungenheilstätte Stillenberg“ und/oder/bzw. „Reservelazarett Warstein“ (4) – habe ich einen Artikel geschrieben:
(4) auf der Liste der Artikel auf hpgrumpe.de > NS-Verbrechen die Dateien Nr. 16, 22, 49, 65, 100, 124-128, 130, 131, 134, 137-139, 154, 156, 167, 172, 184, 187, 189, 200 und 202, 204-207
Mein Name ist Israel Kaunatjike. Als königliche Hoheit bist Du ja ,grundsätzlich geehrt’, wenn man Dich auf Kaiser Wilhelm II. anspricht. Wie schön! Zu ihm habe ich auch ein besonderes Verhältnis.
Auf seinen Befehl wurden meine Vorfahren, die Herero, ermordet. 80% meines Volkes mußte sterben. Dein Ururopa ließ meine Vorfahren in die Wüste treiben und Konzentrationslager errichten. Meine Vorfahren mußten die Schädel ermordeter Gefangener auskochen und das Fleisch mit Glasscherben abschaben. Dann wurden die Schädel an das Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin geschickt. Dort wurden sie genutzt, um die ,Rassenlehre’ zu entwickeln; darauf Grund auch Millionen später von Deutschland Juden ermordet wurden.
Die Überreste meiner Vorfahren sind immer noch in Deutschland: in Museen, ,Wissenschaftlichen Sammlungen’.
Ich finde es gut, daß Du, Prinz Georg Friedrich, jetzt eine ,Entschädigung’ von Deutschland verlangst. Wir fordern nämlich auch ,Entschädigung’. Aber mit uns will Deutschland irgendwie nicht verhandeln. Mit Ihnen schon. Gut. Bei Ihnen geht es um jede Menge Geld. Ich fände für’s Erste schon eine Entschuldigung für den Völkermord angemessen und daß Deutschland alle meine Vorfahren zurückgibt.
Prinz Georg Friedrich! Danke. Du öffnest Türen. Wirst Du entschädigt, dann müßte das erst recht für die Herero gelten. Danke, daß Du mit uns für Gerechtigkeit kämpfst. Schau doch ’mal auf Hohenzollern.lol. Und danke, danke, danke für Deine Eier aus Stahl.“
Sofern Sie Ihre Datenschutzeinstellungen ändern möchten z.B. Erteilung von Einwilligungen, Widerruf bereits erteilter Einwilligungen klicken Sie auf nachfolgenden Button.
Einstellungen