Farvel 2025

Graffiti im Nordstadtpark, Kassel (foto: zoom)

Das Jahr 2025 war für mich persönlich sehr gemischt. Trotzdem gab es einige schöne Stunden, Tage und Wochen.

Neu war mein Einstieg ins Dänische. Aufgrund der sehr großen Schere zwischen Schrift und gesprochenem Wort finde ich die dänische Sprache nur sehr schwer zu erlernen.

Ein einwöchiger Bildungsurlaub in der Gustav-Heinemann-Bildungsstätte am Kellersee bei Malente hat mir das Verständnis von Sprache, Kultur und Politik unseres nördlichen Nachbarlandes zumindest erleichtert.

Zur Zeit nehme ich an einem Einsteigerkurs bei der VHS_Stuttgart teil. Meine Ohren schule ich mit Hilfe einer Podcast-Serie: Dansk i ørerne, sehr empfehlenswert, auch wenn ich kaum etwas verstehe.

Große Reisen konnte ich – aus Gründen, wie es so schön heißt – in 2025 nicht unternehmen, aber auch die kleinen Ausflüge waren sehr anregend: Köln, Bremen, Hamburg, Lübeck, Kassel, Malente, Travemünde, …

Gleich zwei Mal habe ich die Thomas-Mann Ausstellung in Lübeck besucht, dazu Sekundärliteratur und Originaltexte gelesen. Manns Wandel vom Erzreaktionär zum Demokraten und bürgerlichen Antifaschisten konnte ich nachvollziehen. Bester Text: „Deutsche Hörer!“

Info-Tafel am Beginn des Ausstellungsrundgangs (foto: zoom)

Die Ausstellung „Meine Zeit“ – Thomas Mann und die Demokratie ist noch bis zum 18.01.2026 im St. Annen-Museum in Lübeck zu sehen:

https://buddenbrookhaus.de/150-jahre-thomas-mann

Zum Schluss eine weitere Leseempfehlung: Coming Up Short, A Memoir of My America von Robert Reich.

Neun Monate nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Robert Reich in einem vereinten Amerika mit einer vielversprechenden Zukunft geboren – eine Zukunft, die für so viele unerreichbar blieb, als das große Geld unsere Demokratie übernahm. Seine Begegnung mit Schulmobbern aufgrund seiner Körpergröße – als Erwachsener misst er 1,50 m – brachte ihn auf den entschlossenen Weg, sein Leben dem Kampf gegen amerikanische Mobber aller Art zu widmen. Er erzählt vom Tod eines Freundes in der Bürgerrechtsbewegung, von seinem politischen Erwachsenwerden als Zeuge der Berkeley-Bewegung für freie Meinungsäußerung, von seiner Arbeit für Bobby Kennedy und Senator Eugene McCarthy, von seinen Erfahrungen in einem durch den Vietnamkrieg zerrissenen Land, von seiner Begegnung mit Hillary Rodham im College, Bill Clinton in Oxford und Clarence Thomas an der Yale Law School. Er beschreibt ausführlich seine Freundschaft mit John Kenneth Galbraith während seiner Zeit als Dozent in Harvard und seine späteren Freundschaften mit Bernie Sanders und Ted Kennedy; seine Bemühungen als Arbeitsminister unter Clinton und als Wirtschaftsberater von Barack Obama.

Letztendlich fragt Reich: Was hat seine Generation erreicht? Hat sie Amerika besser, integrativer und toleranter gemacht? Hat sie die Demokratie gestärkt? Oder hat sie versagt?

Am Ende lässt Reich uns jedoch kaum in Verzweiflung über eine zum Scheitern verurteilte Demokratie zurück. Mit seinem charakteristischen Elan, Humor und seiner angeborenen Anständigkeit legt er dar, wie wir ein Gemeinschaftsgefühl und einen demokratischen Kapitalismus zurückgewinnen können, der auf den amerikanischen Idealen basiert, die wir noch retten können.

Übersetzt mit DeepL.com (kostenlose Version)

Seitdem ich das Buch gelesen habe, höre ich Robert Reichs wöchentlichen Podcast The Coffee Klatch. Gemeinsam mit seiner ehemaligen Studentin Heather Lofthouse wird am Samstag einer jeden Woche in einer knappen Stunde die US-amerikanische Politik aus dem Blickwinkel zweier progressiver Demokraten besprochen und analysiert, stets mit einem Schuss Hoffnung.

Alle weiteren meist düsteren politischen Themen – Trump, Kriege, Klimakrise usw. – werden im neuen Jahr 2026 hier und da im Blog auftauchen. Habe ich Hoffnung? Ja, muss. Wie soll es denn sonst gehen?

Kommt gut rüber.

BTW: Böllern finde ich blöd. Zentral organisierte professionelle Feuerwerke hielte ich für eine gute Alternative.

Nebel, Amrum, Friedman und Doktor Faustus

Spaziergang im November in Siedlinghausen (foto: zoom)

Endlich sind die nebligen und trüb-feuchten Novembertage ins Land gezogen, kein Grund zur Verzeifelung. „Take it easy baby, Take it as it comes …Time to walk, Time to run, Time to aim your arrows, At the sun“ (The Doors). Oder, wie es bei Salomo (Prediger, 3) heißt: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel seine Stunde.“

Die kurzen Tage laden zum Lesen ein. Travellers von Helon Habila (siehe auch die Besprechung von 2023 hier im Blog) habe ich beendet. Weiter geht es mit Doktor Faustus von Thomas Mann.

Im Winterberger Kino lief gestern AMRUM von Fatih Akin. Der Film hat mich positiv überrascht. Eine sehr ruhige Erzählweise, lange Kameraeinstellungen, Natur und Politik am Ende des Nationalsozialismus auf einer Nordseeinsel, basierend auf den Kindheitserinnerungen von Hark Bohm aus dem Jahr 1945, den letzten Tagen der Nazi-Herrschaft.

Gleich beginnt Amrum und ich trinke afri-cola – ist das nun „postkolonialer Warenrassismus“ oder doch etwas anderes? Siehe dazu hsozkult (foto. zoom)

„Amrum erzählt von einem 12-jährigen Jungen namens Nanning Bohm, der gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Geschwistern auf der Insel Amrum wohnt, nachdem die Familie vor dem Krieg geflohen war. ‚Nanning ist innerlich zerrissen zwischen der Liebe zu seiner führertreuen Mutter und seinem moralischen Gewissen.'“ (SWR)

Heute sind Mithu Sanyal und Michel Friedman im Gespräch mit Stephan Muschick im Essener Folkwang Museum. Falls unsere Fahrt klappt, sind wir dabei. Die letzten beiden Bücher von Friedman, FREMD und MENSCH! habe ich jeweils in einem Rutsch gelesen. Ich bin auf den Nachmittag im Museum gespannt.

Ihr seht, das Wetter im November bietet kein Alibi, um Trübsal zu blasen.

Wünsche euch einen angenehmen Rest-Sonntag.

Fundstück: don’t worry, be pink

… und dann noch etwas zur Stadtarchitektur in Kassel sowie einer Buchausleihe

Wandbild im Tunnel unter dem Holländischen Platz in Kassel (foto: zoom)

Die Unterführung am Holländischen Platz besuche ich in regelmäßigen Abständen. Die Graffiti und Wandbilder ändern sich langsam, aber stetig.

Die Straßenkreuzung oberhalb des Tunnels ist weniger attraktiv – ein lauter, stinkender Auto-Moloch, den ich immer wieder zu fotografieren vergesse. Dafür wäre ich beinahe in einen Bilderrahmen hinein gelaufen.

„Fundstück: don’t worry, be pink“ weiterlesen

Die Buddenbrooks als Endgegner?

Zum 150. Geburtstag: Thomas Mann als Playmobil-Figur (foto: zoom)

„Haha… an die Buddenbrooks habe ich mich noch nicht getraut, das ist quasi der Endgegner.“

„Mein Endgegner wäre der Zauberberg. Den habe ich schon ein Mal entnervt zur Seite gelegt. Kann mich nicht erinnern, wie weit ich damals gekommen bin.“

Der 150. Geburtstag von Thomas Mann hat uns in den sozialen Medien zu Enthüllungen und Geständnissen getrieben. Die Scham ist vorbei. Endlich kann es raus. Die bürgerliche Bildung ist Jahrzehnte lang nur Fassade gewesen. Buddenbrooks, Zauberberg – nicht geschafft.

„Sie stehlen meine Löffel, meine silbernen Löffel, das ist passiert, Wunderlich, und ich gehe in die Trave!“

Meine Endgegner sind nicht die Buddenbrooks, sondern der Zauberberg, Ulysses (Joyce) und die U.S.A. (Dos Passos); ich will auch Uwe Johnsons Jahrestage nicht unterschlagen.

Wenigstens die Buddenbrooks habe ich gelesen. Lang ist es her und vieles ist vergessen. In ein paar Wochen geht’s nach Lübeck. Dann sollen sie wieder frisch im Gedächtnis sein.

„Zum Sommer, im Mai vielleicht schon, oder im Juni, zog Tony Buddenbrook immer zu den Großeltern vors Burgtor hinaus, und zwar mit heller Freude.“

Und wer ist euer/eure Endgegner*in?