UFZ-Team analysiert die Auswirkungen von Plastik auf Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Umweltverschmutzung
Dass Plastik die Umwelt verschmutzt und zu Problemen führt, ist in vielen Bereichen bereits gut erforscht. Wenig bekannt ist, wie Plastik das Klima und die biologische Vielfalt beeinflusst.
(Pressemitteilung UFZ)
In einer Übersichtsstudie hat ein interdisziplinäres Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) für das Fachmagazin Environment International analysiert, welche Effekte Plastik auf die drei planetaren Krisen Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Umweltverschmutzung hat. Sie fordern Regularien für Plastik, welche die vielen Facetten der Auswirkungen von Plastik im Rahmen der drei Krisen berücksichtigen. Die Möglichkeit, diese einzuführen, bietet sich bei Verhandlungen zum globalen UN-Plastikabkommen, die ab dem 25. November 2024 in Busan (Südkorea) stattfinden.
UFZ-Klimaökonom Reimund Schwarze analysiert die Ausgangslage im Vorfeld
Beim Klimagipfel im Baku geht es vor allem um eine Vervielfachung der internationalen Klimafinanzierung. Gelingt dies nicht, wird auch die nötige schnelle Absenkung der Treibhausgas-Emissionen scheitern und das 1,5-Grad-Ziel endgültig außer Reichweite geraten, sagt Prof. Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). So wie in den vergangenen Jahren ist der Klimaökonom auch 2024 als Beobachter vor Ort. Im folgenden Statement analysiert er die Ausgangslage.
Für die COP29, die am Montag beginnende 29. UN-Klimakonferenz in Baku, kursiert eine neue Abkürzung: NCQG, ausgeschrieben New Collective Quantified Goal. Bei diesem „neuen gemeinsamen quantifizierbaren Ziel“ geht um ein langfristiges Regelwerk für die internationale Klimafinanzierung bis in die 2030er Jahre hinein.
Interview mit der Wissenschaftlichen Geschäftsführerin des UFZ Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese über den anstehenden Weltnaturgipfel (COP 16) in Cali
Die 16. Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (UNCBD) findet vom 21. Oktober bis 1. November in Cali (Kolumbien) statt. Die Biologin und Wissenschaftliche Geschäftsführerin des UFZ, Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese, über die Ziele der COP 16, die Rolle Deutschlands und die Aufgabe der Wissenschaft bei der Konferenz.
(Pressemitteilung UFZ)
Frau Böhning-Gase, was steht bei der diesjährigen COP auf dem Spiel?
Es geht bei der COP16 darum, die Umsetzung der Ziele vom Weltnaturgipfel in Montreal 2022 voranzutreiben. Eines der wichtigsten Themen ist, dass die Einzelstaaten ihre Nationalen Strategien und Aktionspläne für die Biologische Vielfalt vorlegen. Dazu waren sie in Montreal aufgefordert worden. Damit sich potenzielle Verbesserungen aus diesen sogenannten NBSAPs auch wirklich messen lassen, muss in Cali das Monitoring der Biodiversität weiterentwickelt werden. Dafür arbeiten verschiedene technische Expert:innengruppen an Lösungen und werden hoffentlich erste Ergebnisse präsentieren. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Finanzen. Ohne mehr Mittel werden sich die Ziele von Montreal nicht umsetzen lassen. Denn die globalen Hotspots der Biodiversität liegen meist in Entwicklungsländern, denen das Geld für wirksamen Naturschutz häufig fehlt. Dafür hatten sich die entwickelten Länder in Montreal verpflichtet, Entwicklungsländern bis zum Jahr 2030 mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung zu stellen. Das sollte dringend vorangetrieben werden.
Welches sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Probleme in punkto Biodiversität, für die die Weltgemeinschaft Lösungen finden muss?
Die Biologin Katrin Böhning-Gaese übernimmt die Wissenschaftliche Geschäftsführung
Zum 1. September 2024 wechselt die Biologin Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum (SBiK-F) in Frankfurt/Main ans Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und wird dessen neue Wissenschaftliche Geschäftsführerin. Sie folgt auf den Biologen Prof. Dr. Rolf Altenburger, der das Zentrum seit 2022 leitet. Mit Katrin Böhning-Gaese und der Administrativen Geschäftsführerin Dr. Sabine König werden damit erstmals seit Gründung 1991 zwei Frauen an der Spitze des UFZ stehen.
„Wir heißen Katrin Böhning-Gaese ganz herzlich am UFZ und damit in der Helmholtz-Gemeinschaft willkommen und freuen uns auf die Zusammenarbeit mit ihr“, sagen die derzeitigen UFZ-GeschäftsführerProf. Rolf Altenburger und Dr. Sabine König. „Ihre herausragende fachliche Expertise in der Biodiversitäts- und Landnutzungsforschung und ihre exzellente Vernetzung, die weit über den fachlichen Kontext hinaus in den politischen und gesellschaftlichen Raum hinein reicht, sind ideale Voraussetzungen für die weitere Stärkung und Sichtbarkeit der Umweltforschung des UFZ. Mit ihren ehrgeizigen Plänen wird Katrin Böhning-Gaese die Brücke von exzellenter Grundlagenforschung in die gesellschaftliche Anwendung aktiv voranbringen.“
Der neue UFZ-Waldzustandsmonitor veranschaulicht, welchen dynamischen Veränderungen der Wald als Folge des Klimawandels unterliegt
Große Teile des deutschen Waldes zeigten infolge der extremen Dürreperiode der letzten Jahre in Deutschland nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) eine Zunahme von Schädigungen. Allerdings gibt es kaum verlässliche Daten dazu, wie sich der Zustand der Wälder konkret auf der Fläche verändert. In einer im Fachjournal Remote Sensing of Environment veröffentlichten Studie beschreibt ein vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) koordiniertes Forschungsteam, wie sich Aussagen zum Waldzustand in Deutschland basierend auf Satellitendaten treffen lassen. Diese Informationen sind Grundlage für den neuen UFZ-Waldzustandsmonitor, der den Zustand von Waldflächen als Karten mit einer räumlichen Auflösung von 20 Metern darstellt. Diese zeigen zwischen 2016 und 2022 vor allem für Gebiete in der Mitte Deutschlands wie Harz, Sauerland und der Sächsischen Schweiz einen deutlichen Anstieg geschädigter Waldfläche.
Rund ein Drittel der Landesfläche Deutschlands und damit etwa 11 Millionen Hektar sind von Wald bedeckt. Wie sich diese Wälder verteilen und welche Baumarten dominieren, ist weitestgehend bekannt. „Was bislang jedoch fehlt, sind konkretere Aussagen, wie es flächendeckend und regional spezifisch um den Zustand der Wälder bestellt ist und in welcher Dynamik sich dieser Zustand verändert“, sagt der UFZ-Fernerkundler Dr. Daniel Doktor. Der UFZ-Waldzustandsmonitor soll nun diese Lücke schließen: „Wir haben einen Index entwickelt, mit dem wir die graduellen Zustandsveränderungen in deutschen Waldgebieten als saisonale und jährliche Karten abbilden können“, sagt er. Damit biete der Monitor im Unterschied zu anderen stichprobenartigen Erhebungen wie beispielsweise dem Waldzustandsbericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Informationen mit einer hohen räumlichen und saisonalen Auflösung. Der BMEL-Bericht basiert zwar auf sehr genauen forstlichen Daten, wird allerdings nur für etwa 400 solcher Waldflächen in einer Auflösung von 16 Kilometern bundesweit erhoben.
Für die Ableitung des Waldzustands nutzten die UFZ-Forscherinnen und -Forscher Sentinel 2-Daten der Europäischen Raumfahrtbehörde (ESA). „Das Sonnenlicht wird von jeder Baumart im Jahresverlauf anders reflektiert, was von den Satelliten gut erfasst werden kann. Dadurch lassen sich Vegetationseigenschaften wie zum Beispiel der Pigment- und Wassergehalt oder die Struktur des Kronendachs abbilden und in Werten darstellen“, sagt Dr. Maximilian Lange, Erstautor der Studie. „Je mehr diese Werte von den durchschnittlichen Reflexionswerten abweichen, desto wahrscheinlicher ist es, dass es sich möglicherweise um eine gestresste oder gestörte Vegetation handelt.“ Für die vier Hauptbaumarten Eiche (Stiel- und Trauben-Eiche kombiniert), Rot-Buche, Gemeine Fichte und Waldkiefer extrahierten die Forschenden für die Jahre 2016 bis 2022 repräsentative Zeitreihen gesunder Bestände. Diese nutzten sie als Referenz, um Waldzustandsanomalien zu erkennen. So konnten sie einen so genannten Waldzustandsanomalie-Index bestimmen. Er sagt aus, wie stark der jeweilige Zustand vom Referenzwert abweicht – wie stark sich also der tatsächliche vom erwarteten Waldzustand unterscheidet. Dieser Index ist mit einer räumlichen Auflösung von 20 Metern für alle Waldflächen bundesweit verfügbar. Dennoch besteht weiterhin die Herausforderung, den Waldzustandsanomalie-Index ausführlicher zu kalibrieren, Unsicherheiten zu quantifizieren und mittelfristig zu minimieren.
Der Online-Auftritt des UFZ-Waldzustandsmonitors zeigt aber nicht nur den Waldzustand, sondern auch die Verteilung der vier Hauptbaumarten und die Phänologie der Bäume, wie zum Beispiel Blattentfaltung und Blattverfärbung. Zudem präsentiert er mehrere Vegetationsindizes, die anhand unterschiedlicher Reflexionsverhältnisse des einfallenden Lichts verschiedene Informationen zur Vegetation wiedergeben. Eine modellierte Verbreitung von insgesamt 41 Baumarten bis zum Jahr 2098 ist ebenfalls Bestandteil des Online-Auftritts. Der Modellierung liegen drei vom Weltklimarat IPCC definierte Klimaszenarien (RCP 2.6; RCP 4.5; RCP 8.5) zu Grunde.
Im Zentrum des UFZ-Waldzustandsmonitors steht jedoch der Zustand der Wälder, der durch unterschiedliche Farbtöne angezeigt wird. Werte über 0 (in verschiedenen Grüntönen dargestellt) geben an, dass sich zum Beispiel der Chlorophyll- und Wassergehalt verbessert oder der Belaubungsanteil erhöht, und sich damit der Waldzustand verbessert hat. Im Gegensatz dazu weisen Werte unter 0 (farblich von gelb bis dunkelviolett) auf eine Verschlechterung hin. Werte niedriger als -0,15 definieren schwere Waldschäden, die u.a. durch Windwurf, Feuer oder das Absterben durch Schädlingsbefall, etwa durch den Borkenkäfer, verursacht wurden.
So ist auf den Karten zum Beispiel zu erkennen, dass der Anteil geschädigter Waldfläche insbesondere in der Mitte Deutschlands deutlich zugenommen hat. Regionen wie etwa der Harz, der Thüringer Wald, das Sauerland oder die Sächsische Schweiz zeigen ab dem Jahr 2019 vermehrt Waldschäden. Laut des UFZ-Waldzustandsmonitors waren im Harz im Jahr 2022 52 Prozent des Waldes im Allgemeinen und insbesondere 76 Prozent der Nadelbäume schwer geschädigt. Im Jahr 2017 waren es lediglich 9 Prozent des Waldes und 8 Prozent der Nadelbäume. „Hitze, Dürre und Schädlinge sowie deren Zusammenspiel beeinträchtigen die Wälder und führen zu Folgeschäden wie Sturmbruch und erhöhte Waldbrandgefahr“, nennt UFZ-Forscherin Anne Reichmuth Ursachen dafür. Besonders groß sind die Schäden in den Wäldern der Mittelgebirgsregionen, in denen nach 1945 Fichten gepflanzt wurden. Doch auch bei Kiefern, Buchen und Eichen gibt es regional starke Ausfälle. Bei den Nadelbäumen ist die Zunahme von Massenvermehrungen von Schadinsekten ein wesentlicher Faktor für den schlechten Waldzustand. Bei Laubbäumen sind es vor allem Komplexkrankheiten, die das Immunsystem der Bäume und damit deren Abwehrkräfte schwächen.
Der UFZ-Waldzustandsmonitor belegt auch, wie unterschiedlich stark Regionen von klimatischen Extremereignissen betroffen sein können: Demnach hat sich zum Beispiel der Waldzustand in den Höhenregionen des Schwarzwalds und des Erzgebirges zwischen 2016 und 2022 nicht wesentlich verschlechtert. So ist die im Schwarzwald häufig vorkommende Weißtanne besser an den Klimawandel angepasst als die Gemeine Fichte. Außerdem waren die Mitte und der Nordosten Deutschlands stärker von der Dürre betroffen. Das Erzgebirge war jedoch in den Höhenlagen weniger stark von der Dürre beeinträchtigt. „Der UFZ-Waldzustandsmonitor dient vor allem dem Wissenstransfer zu den Behörden, wie etwa den Landesforsten und den Nationalparkverwaltungen“, sagt Daniel Doktor. Mit den Karten lasse sich sehr gut veranschaulichen, welche dynamischen Veränderungen der Klimawandel im Wald mit sich bringt.
Der UFZ-Waldzustandsmonitor ist ein von der Helmholtz-Gemeinschaft finanziertes Projekt in der Arbeitsgruppe Landbedeckung & Dynamik am UFZ. Durch diese Arbeitsgruppe soll er regelmäßig aktualisiert werden. Die technische Entwicklung der Webapplikation wurde in der IT-Gruppe Forschungsdatenmanagement am UFZ umgesetzt.
Publikation: Maximilian Lange, Sebastian Preidl, Anne Reichmuth, Marco Heurich, Daniel Doktor (2024). A continuous tree species-specific reflectance anomaly index reveals declining forest condition between 2016 and 2022 in Germany. Remote Sensing of Environment 312, 114323. https://doi.org/10.1016/j.rse.2024.114323
Die Daten sind in folgender Datenpublikation zu finden: Maximilian Lange, Sebastian Preidl, Anne Reichmuth, Marco Heurich, Daniel Doktor (2024). Forest condition anomaly index values covering Germany for 2016-2023. Version 7.5.0. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.13123397
Ein UFZ-Team testet eine Anlage zur unterirdischen Speicherung thermischer Energie, die gleichzeitig belastetes Grundwasser reinigt
Thermische Energie in Grundwasserleitern zu nutzen, kann einen wichtigen Beitrag zum CO2-freien Wärmemanagement leisten. Vor allem oberflächennahe Grundwasserleiter in Städten und Industriearealen sind häufig mit Schadstoffen verunreinigt. Damit können sie nicht ohne weiteres als saisonaler Wärmespeicher genutzt werden. Forschende des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Firma Eneotech haben nun am UFZ-Standort in Leipzig im Rahmen des Forschungsprojekts KONATES eine Pilotanlage in Betrieb genommen. Sie soll als Wärmetauscher dienen, zugleich Schadstoffe aus dem Grundwasser entfernen – und könnte Blaupause sein für eine CO2-arme, energetische Bewirtschaftung kontaminierter Grundwasserleiter generell.
UFZ-Forschende haben gezeigt, dass Hochwasser umso extremer ausfallen, je mehr Faktoren dafür eine Rolle spielen.
Wenn Flüsse über die Ufer treten, können die Folgen verheerend sein, wie beispielsweise das katastrophale Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vor drei Jahren gezeigt hat. Um in Zukunft die Überschwemmungsschäden in Grenzen zu halten und die Bewertung von Hochwasserrisiken zu optimieren, muss besser verstanden werden, welche Variablen in welchem Ausmaß zu extremen Ausprägungen von Überflutungen führen können. Mit Methoden des Erklärbaren Maschinellen Lernens haben Forschende des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) nachgewiesen, dass Überschwemmungen extremer ausfallen, wenn mehrere Faktoren an deren Entstehung beteiligt sind. Die Forschungsarbeit wurde im Fachjournal Science Advances veröffentlicht.
Studie zeigt: Nicht nur Phosphor, sondern auch Stickstoff beeinflusst das Algenwachstum in flachen Seen weltweit
Gerät das ökologische Gleichgewicht eines Sees aus dem Lot, ist das meist auf erhöhte Nährstoffeinträge zurückzuführen. Die Folge: verstärktes Algenwachstum, Sauerstoffmangel, toxische Blaualgenblüten und Fischsterben. Um dem entgegenzuwirken, werden im Rahmen des Seenmanagements bislang primär Phosphoreinträge kontrolliert. Dieses Dogma bringt nun eine im Fachjournal Nature Communications erschienene Studie ins Wanken, die das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) gemeinsam mit der Universität Aarhus (Dänemark) und der Estonian University of Life Sciences (Estland) durchführte. Die Forschenden zeigen, dass weltweit auch Stickstoff ein entscheidender Treiber für das Algenwachstum in Seen ist.
Ein Forschungsprojekt untersucht, ob das gemeinschaftsgetragene Direktvermarktungsmodell Solidarische Landwirtschaft (Solawi) Betrieben eine zukunftsfähige Perspektive bieten kann.
In Deutschland hat sich die Zahl der Betriebe, die nach dem Solawi-Modell wirtschaften, in den vergangenen zehn Jahren verzehnfacht. Noch ist die Solidarische Landwirtschaft mit inzwischen über 500 Betrieben bundesweit ein Nischenphänomen. Allerdings geben jährlich Tausende Landwirtschaftsbetriebe auf, weil sie sich nicht mehr wirtschaftlich rentabel führen lassen oder keine Nachfolger finden. Könnte eine teilweise oder vollständige Umstellung auf Solidarische Landwirtschaft ein Weg sein, dies zu verhindern? Lassen sich bestehende Betriebe durch die Vorfinanzierung wirtschaftlich langfristig stabilisieren? Und ließen sich der soziale Zusammenhalt aufgrund der direkten Verbindung mit und zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern stärken und gleichzeitig Kapazitäten für einen ökologischeren Anbau schaffen?
Ein Statement von UFZ-Klimaökonom Reimund Schwarze zu den Ergebnissen der COP28
Ob der Weltklimagipfel in Dubai ein Erfolg oder ein Misserfolg war, bemisst sich an seiner wichtigsten Aufgabe: Ob die Staaten der Welt beim Klimaschutz real vorangekommen sind. Für die COP28 ist das nicht einfach zu beantworten. Der Gipfel hat versagt, weil er nicht schonungslos an den Ursachen des Implementationsdefizits bei den Nationalen Beiträgen (NDCs) angesetzt hat. Mit der Operationalisierung des Loss-und-Damage Fonds sowie mit der deutlichen Steigerung der Finanzzusagen für Mitigation und Adaptation gibt er aber dringend benötigte Handlungsimpulse.
(Pressemitteilung Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ))
Nach jedem Weltklimagipfel stellt sich die Frage, ob dieser ein Erfolg oder Misserfolg war. Das ist nicht anders bei der gerade beendeten COP28 in Dubai. Um eine sinnvolle Antwort geben zu können, müssen wir uns auf die Kernaufgabe des diesjährigen Gipfels konzentrieren.
Und das war die globale Bestandsaufnahme, der „Global Stocktake“. Acht Jahre nach der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens sollte der „Stocktake“ die Staaten darüber informieren, wie ihre nationalen Klimaziele und Aktivitäten verbessert und erweitert werden können. Der Artikel 14 des Pariser Vertrags verpflichtet die Staaten auch, die internationale Zusammenarbeit auszubauen und zwar in allen drei Säulen der Klimapolitik – dem Klimaschutz im engeren Sinne, der Klimaanpassung und der Klimafinanzierung. Was hat der „Global Stocktake“ nun diesbezüglich geleistet?
Der Rückblick auf die letzten acht Jahre zeigt: Zwar hat das Pariser Abkommen seit seiner Annahme durch die gewählten Ziele und das Signal der Dringlichkeit des Handelns in der Klimakrise eine nahezu universelle Bewegung für Klimaaktivitäten hervorgebracht, aber es sind eindeutig mehr Anstrengungen nötig.
Dazu braucht es nicht nur einzelne Projekte und Maßnahmen, sondern erforderlich sind eine Systemtransformation, Resilienz gegenüber dem Klimawandel sowie eine unablässige Minderung der Emission aller Treibhausgase.
„Die globalen Emissionen liegen nicht auf einem Pfad, der mit dem 1.5°C-Ziel kompatibel ist“, stellt der Stocktake (Synthesis report S. 5) unmissverständlich klar. Die noch bestehende Lücke zu einem Paris-konformen Emissionspfad liegt bei etwa 20 bis 23 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent. Das ist knapp die Hälfte der derzeitigen jährlichen Treibhausgasemissionen der Welt.
Handeln ist also mehr als nötig. Das betrifft sowohl eine Erhöhung der nationalen Klimaziele, der Ambitionen, als auch die schwache Umsetzung des Versprochenen, die Implementation. Beides wird in der globalen Bestandsaufnahme (Synthesis report S. 16) klar angesprochen.
Ambitions- und Implementationslücke
Schauen wir auf den Gipfel zurück, so ist augenscheinlich, dass viel über die Ambitionserhöhung gestritten wurde, aber wenig über das Defizit gesprochen wurde, das Zugesagte auch umzusetzen. Was aber nützt mehr Ehrgeiz bei den Klimazielen, wenn es beim Vollzugsdefizit bleibt.
Der Synthese-Bericht zur globalen Bestandsaufnahme veranschlagt beide Lücken – die aus der Ambition und die aus der Implementierung – in etwa gleich groß.
Danach haben die gesteigerten Klimaziele der Länder über die vergangenen Jahre hinweg die Emissionslücke um 15 bis 33 Prozent (Synthesis report S. 17) verringert. Aber der Fehlbetrag zwischen den angekündigten und den umgesetzten nationalen Klimazielen (den National Determined Contributions – NDC) liegt überschlägig bei 10 bis 20 Prozent, ist also nahezu ebenso groß wie die Ambitionslücke.
Von Anfang an wurde der Global Stocktake auf der COP28 auf die Aufgabe verkürzt, die Ambition zu erhöhen. Die Frage, die über Top oder Flop des Gipfels entscheiden sollte, war der Entscheid darüber, ob sich die Länder auf einen Ausstieg („Phase out“) oder ein Ausschleichen („Phase down“) fossiler Brennstoffe festlegen. Das Ergebnis nach zähem Ringen ist ein bunter Wünsch-dir-was-Katalog: „Die Abkehr von sämtlichen fossilen Brennstoffen im Energiesystem“, einschließlich Erdöl und Erdgas, „in einer gerechten und ordnungsgemäßen Weise, die in diesem Jahrzehnt beschleunigt erfolgen und bis 2050 zur Netto-Nullemission führen soll. Die Wahl des Pfades soll in Abstimmung mit der Wissenschaft passieren. Das Zauberwort „Ausstieg“ ist damit nicht im Abschlusstext enthalten. Alle Nullemissions- und Geringemissionstechnologien („zero- and low emission technologies“) sind dafür unter Berücksichtigung der nationalen Besonderheiten möglich, wie z.B. Erneuerbare Energien, die Kernenergie, aber auch traditionelle Energieträger, wenn sie mit der Kohlenstoffverbringung (CCS) oder Kohlenstoffentnahme (CDR) gekoppelt sind, besonders in Sektoren wie der Stahlproduktion, wo die Zielerreichung schwierig und teuer werden wird.
Unstrittig war, dass die Erzeugungskapazität erneuerbarer Energien bis 2030 verdreifacht werden soll und die Energieeffizienz doppelt so schnell zu verbessern ist wie bisher. Dieses Energiepaket allein wird aber aus Sicht der Wissenschaft nicht reichen. Die Staaten werden daher aufgefordert, nach Möglichkeit den Methanausstoß schon bis 2030 zu verringern. Ein konkretes Methanreduktionsziel ist aber im Abschlussdokument nicht enthalten. Der Übergang zu Null- oder Geringemissions-Fahrzeugen im Verkehr soll im Einklang mit der Erneuerung der Infrastrukturen, z.B. dem Aufbau von Schienen- und Ladesäulennetzen, von den Ländern vorangetrieben werden. Subventionen von fossilen Brennstoffen soll es nicht mehr geben, allerdings nur wenn diese „ineffizient“ sind. Brückentechnologien, sprich Erdgas, können aus Gründen der Energiesicherheit weiter eine Rolle in den nationalen Energiesystemen haben. Also für jeden was dabei! Es hängt alles vom guten Willen der Länder ab, ob und was damit erreicht wird.
Wirksame Mittel gegen das Nichtstun
Mir scheint diese Debatte um weitere hehre klimapolitische Ziele allerdings ohnehin zu kurz gesprungen. Nur eine schonungslose Analyse des Nichtstuns, also des Vollzugsdefizits, kann uns nach der schwachen Leistung der letzten acht Jahre weiterhelfen. Dazu aber wurde auf den Gängen und in den Sälen von Dubai praktisch gar nicht diskutiert.
Deshalb spreche auch ich am Ende einen Wunsch aus: Wir brauchen eine wirksame globale Bepreisung von CO2 und anderen Treibhausgasen. Nur das schafft wirksame Vollzugs- und Handlungsanreize. Leider steht diese Aufgabe nicht im Pariser Abkommen. Auch die entsprechenden Initiativen – sie heißen hier „Climate clubs“ – haben dies nicht zum Ziel.
Damit bleibt der Weltgemeinschaft nur ein weiteres Mittel: Die Klimafinanzierung als Treiber und großer „Ermöglicher“ von Klimaaktivitäten. Diese Forderung findet sich auch im Stocktake-Bericht. Dieser beschreibt die Klimafinanzierung als „entscheidendes Mittel zum Vollzug“ (Synthesis report S. 32-39) auf vielen Seiten, nicht nur in einem eigenen Kapitel, sondern an vielen anderen Stellen, insbesondere, wenn es um die fehlende Anpassungsfinanzierung geht (Synthesis report, u.a. Paragraph 169).
Viel ist dort auch die Rede von privater Ko-finanzierung und innovativen Instrumenten, wie beispielsweise Klimaversicherungen. Aber als Ökonom muss ich feststellen: Privates Kapitel wird nur dann in die Klimafinanzierung, vor allem von Klimaanpassung und die Vermeidung von Klimaschäden gelenkt werden, wenn neben den Risiken wie zunehmenden Unwettern auch regulatorische Risiken z.B. die Haftung für Klimaschäden und die Wirkung von Preissprüngen am Emissionshandelsmarkt (wie z.B. 2021/2022 im EU-Emissionshandel auf über 100 US-Dollar pro Tonne CO2eq) bei der privaten Investitionsentscheidung einfließen. Das aber erfordert eine wirksame CO2-Bepreisung, die sich an den Schäden und den Kosten der Risikobewältigung bemisst. Sonst funktioniert diese Verbindung von öffentlichen und privaten Aufgaben nicht.
Hat die COP28 also versagt? Ich komme zu einem klaren „Jein“. Ja, der Gipfel hat versagt, weil er nicht schonungslos an den Ursachen der im Stocktake identifizierten Ambitions- und Implementationslücke angesetzt hat. Nein, denn die COP hat mit dem funktionierenden Start des Loss-und-Damage Fonds sowie mit der deutlichen Steigerung der Finanzzusagen für Mitigation und – im geringeren Umfang – auch Adaptation zur Ermöglichung eines dringend nötigen Handlungsimpulses beigetragen.
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