Wolne Pokoje – Zimmer mit Bett in Polen VI: Frombork, Kopernikus sowie „Tadelloeser & Wolff“

Die Kathedrale von Frombork (Frauenburg) (fotos: zeitgeist)
Die Kathedrale von Frombork (Frauenburg) (fotos: zeitreise)

Heute sind wir* bei Teil sechs der kleinen Polenreise angekommen. Wir haben es mit Frombork, Korpernikus und Walter Kempowski zu tun.  Sämtliche Kapitel des Reiseberichts sind hier zu finden.

In Frombork am Frischen Haff trafen wir dann wieder auf unseren guten alten Bekannten – Kopernikus -. Wir logierten in einem Hotel namens Kopernik (mal wieder!), einer freundlichen, bequemen „Herberge“ für Durchreisende. Leckeres Essen, Pierogi versteht sich, und aus allen geräumigen, hellen Zimmern eine reizvolle Aussicht auf die Haupt-Wirkungsstätte von Nicolaus Kopernikus, die Kathedrale von Frombork.

Von hier aus hat der berühmte Astronom (1473-1543), dessen Name schon zu seinen Lebzeiten höchst unterschiedlich geschrieben wurde (angeblich auch von ihm selbst), eine seinerzeit sehr gewagte These oder Hypothese aufgestellt. „Die Erde dreht sich um die Sonne und nicht die Sonne um die Erde“. Das hätte ihm den Kopf kosten können! Jedenfalls genoß der Domherr Kopernikus vom Wehrturm aus nicht nur einen guten Ausblick in die Sterne, sondern auch einen weiten auf das Haff. So viel ich gehört habe streiten sich im 21. Jahrhundert manche Polen wie gewisse Deutsche darum, ob Kopernik bzw. Kopernikus Pole oder Deutscher war. Schade, wir können ihn nicht fragen was er von dem Zwist hält. Wie gerne würde ich seinen Kommentar dazu hören!

Rechnung über eine Kachelofen aus dem Jahr 1942
Rechnung über eine Kachelofen aus dem Jahr 1942

Wir nahmen die beeindruckende Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert von innen und außen in Augenschein, stiegen auf einen der Türme, guckten durch etwas Nebel auf Wasser, Wälder, Kirchlein und Dächer. Wir stellten fest, dass das imposante sakrale Bauwerk auf der Anhöhe am Haff zuzüglich zum Kopernikus-Museum auch ganz profane Dinge beherbergt – alte Kachelöfen und diverse Kacheln – wunderschön und so zweckmäßig in eisigkalten ostpreußischen Wintern und … das fokoische Pendel, an dem sicher schonabertausende von Schulklassen vorbei defilierten. Auch zeitgenössische polnische Kunst konnten wir wieder bewundern. Wirklich interessant!

Das Wetter war zur Abwechslung wenig verheißungsvoll und der Strand des Hafenstädtchens Frombork nicht unbedingt das was man sich unter Strand vorstellt. Wir machten also einen Abstecher nach Elblag (Elbing).

Rekonstruktion einer Häuserzeile in Elblag (Elbing) schon zu sozialistischen Zeiten im „historisierend“ Stil
Rekonstruktion einer Häuserzeile in Elblag (Elbing) schon zu sozialistischen Zeiten im „historisierenden“ Stil

In deutschen Zeiten war die nach Königsberg zweitgrößte Stadt Ostpreußens nicht nur durch Schiff- und Lokomotivbau bekannt, auch eine Tabakfabrik sorgte für Berühmtheit – Loeser & Wolff -. Walter Kempowski verewigte Loeser & Wolff in seinem Roman-Titel „Tadelloeser & Wolff“, einem höchst lesenswerten Exkurs in die jüngere deutsche Geschichte. In Elblag entsteht momentan wieder das alte Elbing. In der Altstadt ragen die Baukräne gen Himmel. Ganz offensichtlich begann die Rekonstruktion schon zu sozialistischen Zeiten. Ende des zweiten Weltkriegs wurde Elbing innerhalb weniger Tage fast vollständig zerstört. Ein Lob den Regierenden der letzten Jahrzehnte. Sie waren sehr mutig die Stadt „historisierend“ wieder aufzubauen. In manchen westdeutschen Kommunen löst diese Vorstellung ja bis zum heutigen Tag anscheinend eher Widerwillen und Unverständnis aus. Das sieht man so einigen von unseren vermeintlich modernen, steril wirkenden Städten ja auch an, meine ich. Ein Lob also den polnischen Städteplanern und Restauratoren!

Nach zwei Nächten am Fuße der gewaltigen Kathedrale von Frombork packten wir erneut unsere Koffer und wollten wieder Richtung Westen fahren. Ausgerechnet vor dem Start verwickelten wir uns wieder in ein interessantes Gespräch mit anderen „Touris“. Zwei Motorradfahrer und ihre Soziusfahrerinnen aus dem Spreewald, die an diesem Morgen von Frombork aus über die nahe polnisch-russische Grenze nach Kaliningrad weiter fahren wollten, hatten ungeheuer viel zu erzählen. Leider reichte die Zeit (fast) nur für eine Geschichte. Und das war die Story über einen Besuch in Wolgograd, der Stadt die zu Sowjet-Zeiten Stalingrad hieß. Der etwas verwegener aussehende der beiden ca. Mittfünfziger Motorradfahrer erzählte, er sei mit einer Gruppe nicht Motorrad-, sondern Fahrradfahrern vor ein paar Jahren vom Spreewald nach Stalingrad geradelt. Einer der Fahrer sei schon weit über 70 Jahre alt gewesen, hätte aber die Anstrengungen besser verkraftet als manch anderer. Die Tour wäre mit einem russischen Komitee abgesprochen gewesen; man(n) kannte wohl gewisse „hohe Herrschaften“. Die Russen hatten den „verrückten“ Deutschen einen feierlichen Empfang bereiten wollen, aber nicht mit der sprichwörtlichen deutschen Pünktlichkeit gerechnet. Die Fahrradgruppe wäre nämlich zu aller Überraschung eine halbe Stunde zu früh nach Wolgograd reingeradelt. Das habe bei den russischen Freunden einen wahnsinnigen Eindruck gemacht. Dabei hätten sie, die Fahrradfahrer, doch geglaubt, sie hätten sich verspätet. Sie wollten sich sogar beim Festkomitee für die Unpünktlichkeit entschuldigen. Die vielen verschiedenen russischen Zeitzonen hätten sie völlig durcheinander gebracht. Das mit der (Uhr-)Zeit ist in Polen jedenfalls einfacher!

*unser Autor reiste vor einem Jahr nach Polen, angetrieben von  Neugier, Spurensuche und der gemeinsamen Geschichte mit unserem östlichen Nachbarn. Der Bericht erscheint in mehreren Kapiteln in unserem Blog erscheinen.

Wolne Pokoje – Zimmer mit Bett in Polen V: Von Fichtenmonokulturen keine Spur.

Heute sind wir* bei Teil fünf der kleinen Polenreise angekommen. Gestern, das sei erlaubt zu erwähnen,  hat Polen den Vorsitz im Ministerrat der Europäischen Union von Ungarn übernommen. Sämtliche Kapitel des Reiseberichts sind hier zu finden.

Postgebäude in Ruciane-Nida (Rudschanny-Nida) (fotos: zeitgeist)
Postgebäude in Ruciane-Nida (Rudschanny-Nida) (fotos: zeitreise)

Erst am bewölkten und etwas verregneten Montag starteten wir wieder unseren alten Audi (zum Glück blieb er oben dicht) und klapperten Dörfer und Städtchen rund um den größten Binnensee Polens ab, dem Jezioro Sniardwy (Spirding-See). Wir hielten an in Ruciane-Nida (Rudschanny-Nida), einem frisch aufgewühlten Fleckchen Erde. Ein Heer von Straßenbauarbeitern machte hier die Gegend fit für die motorisierte Zukunft. Und wieder ein Ausflug in die (Familien-)Geschichte: In dem Dörfchen Rudschanny arbeitete mein Großmutter als junges Mädchen ein Jahr oder ich weiß nicht wie lange bei der Post. Ob das alte Reichspostgebäude wohl noch steht?

Ein potthässlicher plumper, abgetakelter Betonklotz aus der sozialistischen Ära
Nein! Jedenfalls konnten wir nur einen potthässlich plumpen, abgetakelten Betonklotz aus der sozialistischen Ära als Postgebäude ausmachen. Schade! Meine Mutter hatte mir erzählt, in Rudschanny hätte meine Oma die schönste Zeit ihres Lebens verbracht. Von den Pferdeschlittenfahrten auf dem zugefrorenen See schwärmte sie wohl ihr Leben lang. Gewohnt hätte meine Oma Miezel bei den Philipponen. Philipponen?

Zu Staatsfeinden erklärt und grausam verfolgt
Im Reiseführer sind sie sogar erwähnt als russische Altgläubige, Abtrünnige die die liturgischen Reformen der russischen Kirche von 1667 nicht mitmachen wollten. Sie wurden zu Staatsfeinden erklärt und grausam verfolgt. Der preußische König Wilhelm III. genehmigte ihnen schließlich am Flüsschen Krutinna in Masuren zu siedeln. Irgendwo bei Rudschanny hat ein kleines Kloster gestanden. Die Preußen-Könige verstanden wohl was von Einwanderungspolitik!? In der Beziehung könnten manche Politiker des neuen Jahrtausends von ihnen lernen?!

Die EU investiert hier
Weiter ging es, entlang am Jezioro Sniardwy. In Pisz (Johannisburg), einem 20.000-Einwohner-Städtchen, glich der langgezogene Marktplatz eher einem großen Loch. (Auf)bauarbeiten. Blaue Schilder mit kreisförmig angeordneten Sternchen zeigten uns, die EU investiert hier. Hier in Pisz wie in vielen anderen polnischen Städten und Dörfern tut sich viel. Alte Stadtbilder werden rekonstruiert. Auferstanden aus Ruinen!

Spurensuche an den Masurischen Seen
Schnell vergingen die wenigen Tage in Masuren. Am Dienstag frühstückten wir noch einmal gemütlich im Hotel Mazur und kamen bei Rührei und Kaffee in ein angeregtes Gespräch mit einem traurig wirkenden, älteren Herrn aus Köln und dessen auch nicht mehr gerade blutjungem Sohn. Es war die Spurensuche die sie an die Masurischen Seen gezogen hatte, die Spuren der verstorbenen Ehefrau bzw. der Mutter. Sie stammte aus einem Dörfchen am Spirding-See und musste gegen Ende des Krieges als Zwölfjährige in den Westen flüchten. So eine interessante Unterhaltung, aber wir mussten nun wieder weiter.

(Übrigens, wir waren in Masuren und nicht „in den Masuren“, wie man es immer wieder sogar in der Tagesschau hört oder in ansonsten akzeptablen Print-Medien liest. Schließlich waren wir allesamt auch noch nicht „in den Hessen“!)

Wir fuhren erst Richtung Norden, und dann, fast parallel zur Polnisch-Russischen Grenze, nahe dem Grenzübergang bei Gronowo (Grunau), nach Frombork (Frauenburg). Unterwegs viele helle Mischwälder, manch holprige Straße, hier und da ein See oder ein eher tristes Städtchen, und je näher wir der Grenze kamen, je einsamer es wurde, umso größer war die Weißstorch-Population.

Storchennester in Gronowo (Grunau)
Storchennester in Gronowo (Grunau)

Von Fichtenmonokulturen keine Spur
Auf manchen Dächern entdeckten wir sogar zwei bewohnte Nester, eins ganz rechts, eins ganz links auf der Spitze des Gebäudes. Sozusagen Natur pur. Ob sie wohl keine Umweltprobleme haben, keine Pestizide, sauberes Wasser? Die Störche fühlen sich jedenfalls wohl! Von Fichtenmonokulturen keine Spur, auch keine Weihnachtsbaumplantagen a la Sauerland, allerdings auch kein/e „Wolne Pokoje“. Wollen hoffen, dass der alte Audi hier nicht schlapp macht! Hat er auch nicht!

Ein Lob an die Konstrukteure.

Fortsetzung folgt …

*unser Autor reiste vor einem Jahr nach Polen, angetrieben von  Neugier, Spurensuche und der gemeinsamen Geschichte mit unserem östlichen Nachbarn. Der Bericht erscheint in mehreren Kapiteln in unserem Blog erscheinen.

Wolne Pokoje – Zimmer mit Bett in Polen IV: Durch friedliche Alleen zu heißen Pierogi ruskie im kühlen Gewölbe eines Burg-Restaurants

Jetzt sind wir schon bei Teil Vier der kleinen Polenreise angekommen. Sämtliche Kapitel sind hier zu finden. Und weiter geht’s durch beinahe friedliche Alleen zu heißen Pierogi ruskie im kühlen Gewölbe eines Burg-Restaurants.

Storchennester in Gronowo (Grunau) (fotos: zeitreise)
Storchennester in Gronowo (Grunau) (fotos: zeitreise)

In jedem Örtchen sieht man mindestens ein, zwei Nester in luftiger Höhe auf alten Haus- oder Scheunendächern oder Strommasten, mal mit dicker Packlage, mal mit dünner. Die Jungstörche sind gerade geschlüpft. Ihre Köpfchen gucken manchmal aus den Nestsprickeln heraus. Die Alten haben mächtig zu tun. Aber Frösche und Mäuse gibt es hier ja sicher reichlich für die hungrige Brut.

Eine dichte Allee in Masuren
Eine dichte Allee in Masuren

Alleen – so viel Unordnung, so viel Gefahr, so viel ungebändigte Natur
Und die herrlichen, dichten Alleen! Wo hat man das schon bei uns gesehen? Die Mitarbeiter der Bauhöfe aller Kommunen im Sauerland würden die Hände über dem Kopf zusammen schlagen und auf der Stelle mit Motorsägen wüten. Blätter, Dreck, herunterfallende Äste – das geht einfach nicht! So viel Unordnung, so viel Gefahr, so viel ungebändigte Natur!

Ein Motorradunfall. Das traurige Ende eines fröhlichen Urlaubs
Oh Schreck! Kurz vor MikoÅ‚ajki war plötzlich „Stopp“. In einer langgestreckten, sonnigen, baumlosen Kurve standen bereits etliche Autos auf beiden Seiten und ein großer Reisebus. In unserer Fahrtrichtung entdeckte ich in einigem hundert Meter Entfernung, nicht weit von dem Bus, die österreichischen Motorradfahrer neben ihren dicken Maschinen stehend, rechts von ihnen, auf der Wiese, ein Rettungshubschrauber. Das war wohl das traurige Ende eines fröhlichen Urlaubs!?

Wen von ihnen hat es wohl erwischt? Nach endlos langen Minuten, in denen sich für uns erkennbar nichts tat, wendeten alle Autos vor uns und hinter uns. Wir drehten auch und fuhren zurück durch die friedlichen Alleen, an größeren und kleineren Seen entlang, über manch enge, löcherige Kopfsteinpflaster-Rappelstraße zu „unserer Burg“. MikoÅ‚ajki (Nikolaiken) musste noch warten. Alles hat seine Zeit.

Ramba-Zamba in Reszel
Abends hörten wir Ramba-Zamba im verschlafenen Städtchen Reszel. Eine Hard-Rock-Band ließ es krachen. Der alte, tagsüber gähnend leere Markplatz unterhalb der Burg hatte sich komplett gefüllt. Vom Kleinkind bis zum 90jährigen war wohl alles auf den Beinen was hier wohnt. Wir auch. Kleine Buden mit Getränken so manch belebender Art, Süßigkeiten, Spielzeug und Tinnef machten gute Umsätze. Nicht schlecht, die polnischen Rocker-Jungs!

Hotel im ehemaligen Rathaus von Mikołajki (Nikolaiken)
Hotel im ehemaligen Rathaus von Mikołajki (Nikolaiken)

Am Mikołajki-See
Am nächsten Tag, einem warmen, sonnigen Samstag, bummelten wir dann endlich durch das Örtchen am MikoÅ‚ajki-See (Nikolaiker-See), bestaunten das glatte silbern und blau schimmernde Wasser, schauten dem Treiben am Yachthafen zu und entdeckten etwas außerhalb auf einer kleinen Anhöhe zuerst ein etwas erbärmlich wirkendendes Storchennest auf einem dünnen Strommasten und dann, genau gegenüber auf der anderen Seite der recht breiten Straße, ein ausladendes, elegantes, ziemlich neues Nobelhotel. Luxus pur! Wir beschlossen, wir ziehen am Sonntag nach MikoÅ‚ajki um.

Ne, nicht das *****-Hotel, in dem, wie ich amüsiert beobachtete, eine feine Dame formvollendet mit einem etwas anachronistisch anmutendem Handkuss begrüßt wurde, sollte unser Domizil sein. Wir fragten lieber mitten im Ort, im ehemaligen Rathaus nach, ob sie für zwei Nächte ein Zimmer frei hätten. Sie hatten.

Der European Song Contest und unsere Stimmen für Lena
Zurück in „unserer“ Ritterburg, wir aßen heiße Pierogi ruskie im kühlen Gewölbe des Burg-Restaurants, erlebten wir einen sensationellen Abend – mit Heizlüfter am Fernseher und einer Flasche Schwarzbier (für zwei!), die wir noch aus Bad Freienwalde im Gepäck hatten. Das polnische wie das deutsche Fernsehen übertrugen das gleiche Programm. Früher nannte sich das Ereignis mal „Grand Prix Eurovision“; heute heißt der oder das Event „European Song Contest“. Und Lena gewann! Mama Mia! Und wir sind an diesem Überraschungs-Sieg nicht ganz unbeteiligt ;-). Man wagt es ja kaum zu sagen, wir zwei „manipulierten“ durch jeweils drei Anrufe die polnischen „Results“. Germany 7 Points from Poland! Immerhin! (Wenn die polnischen Hard-Rocker von gestern dabei gewesen wären, hätte Lena vielleicht nicht ganz so glorreich gewonnen?!?)

Am Sonntag früh hatten wir den Sieg und den Biergenuß einigermaßen verkraftet. Nach dem Frühstück unten im alten (kühlen) Gewölbe, hieß es dann ja auch Koffer packen, alle unsere Utensilien die Stiegen runter hieven und Abschied nehmen vom Leben als Burgherr und Burgfräulein. All die polnischen und litauischen Zamek-Reszel-Wochenend-Kurzurlauber machten sich ebenfalls (mit oder ohne selbst mitgebrachten Heizlüfter) bereit für den Heimweg.

Umzug ins Hotel Mazur
Wir verfrachteten unser Gepäck einige Kilometer durch Masuren in das etwas betagte aber stilvolle Hotel Mazur, Zimmer mit Ausblick auf Stadt und Kirchlein. Vermutlich guckten dereinst aus diesem Raum Generationen von Bürgermeistern wohlwollend auf den Marktplatz und die getreuen Bürgerinnen und Bürger von Nikolaiken. An diesem Tag tauchten wir ein in das Leben in MikoÅ‚ajki.

Fortsetzung folgt …

*unser Autor reiste vor einem Jahr nach Polen, angetrieben von  Neugier, Spurensuche und der gemeinsamen Geschichte mit unserem östlichen Nachbarn. Der Bericht erscheint in mehreren Kapiteln in unserem Blog erscheinen.

Wolne Pokoje – Zimmer mit Bett in Polen III: Reszel, die Heilige Linde und die unselige Wolfsschanze.

Ordensritterburg Zamek Reszel in Reszel (Rößel) (fotos: zeitgeist)
Ordensritterburg Zamek Reszel in Reszel (Rößel) (fotos: zeitgeist)

Der, die oder das? nächste Pokoje lag dann schon östlich der seit vielen Tagen mehr als randvollen Weichsel, in einem ebenfalls sehr wasserreichen Gebiet, in Masuren. Niemand kennt wohl die genaue Zahl der masurischen Seen. Kein Wunder, bei Regen werden es immer mehr.*

Wir logierten zunächst sehr hochwassergeschützt in einer/em Pokoje auf einer Anhöhe, so ca. fünf oder sechs Holzstiegen hoch, oben in einer alten Ordensritterburg, kühl, düster, chick, das Innenleben von neuzeitlichen Designern gut durchdacht aber mit mir etwas zu sehr überdachtem, sprich einem verschattenden und verschattetem Blick auf den hellen, sonnigen Burginnenhof. „Zamek Reszel“ nennen sich sowohl das Hotel wie auch die Burg in Reszel (Rößel). Das rote Backsteingemäuer wurde im 13. Jahrhundert vom Deutschen Ritterorden erbaut, im 16. Jahrhundert als Bischofssitz genutzt, dann als Jagdschloss und als Zuchthaus und jetzt eben als „Kreativ-Hotel“ mit Kunstausstellung im alten Kirchenschiff.

Kopernikus in Reszel
Kopernikus soll häufig hier gewesen sein, zu Besuch bei seinem Onkel, dem Bischof. Was soll ich sagen, mir war es da zu kalt. Dafür kann ich mir aber nun sehr gut vorstellen wie es sich in Zuchthäusern, Ritterburgen und Bischofssitzen lebt. Jedenfalls sprach die Dame an der Rezeption Englisch, verstand mein Anliegen sofort und gab mir ohne zu zögern einen leistungsstarken Heizlüfter mit auf den waghalsigen Weg in unsere oberen Gemächer. So richteten wir uns für drei Tage in dem düsteren aber geräumigen und stilsicher eingerichteten Zimmer ein. Tagsüber klapperten wir die Umgebung ab.

Die Heilige Linde
Ganz in der Nähe, etwas südöstlich, ist Swieta Lipka (Heilige Linde), die alte Wallfahrtskirche, malerisch gelegen in einem Tal. Die Basilika umkleidete gerade ein nicht sonderlich vorteilhaft wirkendes Baugerüst. Bald wird sie wohl wieder in neuem Glanz erstehen, die Vergoldete.

Wolfsschanze
Hinter Ketrzyn (Rastenburg) bogen wir ab zur Wolfsschanze, dem berüchtigten Führerhauptquartier in den masurischen Sümpfen. In jeder Beziehung scheußlich sind die teils überwucherten Reste des alten Bunkersystems. Nur Stechmücken fühlen sich dort wohl. Hitler, Göring, Himmler, 20. Juli … Schnell wieder weg hier!

Die sieben oder acht Motorradfahrerinnen und -fahrer aus Österreich, die sich zur gleichen Zeit wie wir die massigen Beton-Hinterlassenschaften des „Tausendjährigen Reiches“ angesehen hatten, machten sich auch schon zum „Abflug“ bereit. Fahren wir doch besser nach Gizycko (Lötzen) und genießen den Ausblick auf den großen See.

Reste der Wolfsschanze, das Führerhauptquartier in den masurischen Sümpfen
Reste der Wolfsschanze, das "Führerhauptquartier" in den masurischen Sümpfen

Ein Rückblick mit DDR-Jugendgruppen
Die Wolfsschanze und Gizycko hatte ich früher schon einmal besucht, sozusagen in grauer Vorzeit. Meine Eindrücke von dieser Reise „in den kommunistischen Machtbereich“ sind allerdings ziemlich verblasst. Vor zig Jahren, in der Zeit als die Solidarnosc erstmals den Aufstand probte, probte ich so etwas wie „Survival“ in Masuren, zusammen mit einer (Jugend-)Gruppe, primitivste Hütten mitten im Wald, Stromausfälle, Kaltwasserduschen, Rückenschmerzen, tausend Mückenstiche … ein echtes Erlebnis! Und es gab die für uns Westler seltene Gelegenheit mit DDR-Jugendgruppen in Kontakt zu kommen, neben ihnen zu sitzen, gemeinsam mit ihnen zu essen, mit ihnen zu reden. Die Mädels und Jungs wurden allerdings von ihren Linientreuen mächtig beäugt. Ich erinnere mich düster, es war eine seltsam beklemmende Atmosphäre.

Gizycko, Yachthafen
Gizycko, Yachthafen

Gizycko hat sich gemacht. Tristesse adieu!
Das war einmal. Gizycko hat sich gemacht. Tristesse adieu! Die Österreicher hatten es mit ihren Motorrädern auch schon bis zum Yachthafen geschafft und saßen nicht weit von uns vergnügt in einem „Freiluftlokal“. Warum nicht nach Kaffee und Kuchen auch gleich noch MikoÅ‚ajki (Nikolaiken) anschauen, den Ort mit dem berühmten Stinthengst am Åšniardwy (Spirdingsee)!? Also los! Und unterwegs Seen und Störche gucken.

*unser Autor reiste vor einem Jahr nach Polen, angetrieben von  Neugier, Spurensuche und der gemeinsamen Geschichte mit unserem östlichen Nachbarn. Der Bericht erscheint in mehreren Kapiteln in unserem Blog erscheinen.

Polen – eine Reise Teil II. Wolne Pokoje – Zimmer mit Bett in Polen. Hochwasser und Blumenbeete.

Blick auf Weichsel bei Torun, im Hintergrund die PKW Brücke (fotos: zeitreise)
Blick auf Weichsel bei Torun, im Hintergrund die PKW Brücke (fotos: zeitreise)

Oh je, Hochwasser an der Oder, grenzüberschreitend, in Brandenburg wie in Polen … und nicht nur an der Oder. *

„Wisla pod woda“ sahen wir ein paar Tage später auch bei Torun (Thorn) an der Wisla (Weichsel). Von Ciechocinek aus kommend besuchten wir an einem sommerlich-warmen Tag die Reste der alten, von den Polen in grauer Vorzeit geschleiften Ordensritterburg-Gemäuer in Torun (Thorn).

Kopernikus Statue in Torun
Kopernikus Statue in Torun

Einige Straßen in der Geburtsstadt des berühmten Nikolaus Kopernikus, auch die unterhalb von Burg und Altstadt, waren gesperrt oder teilgesperrt, wegen „Wisla pod woda“. Schmutziges Wasser steht in Häusern – in Wohnungen, in Kellern und Stallungen. Was für eine Katastrophe ereilt jetzt Menschen und Tiere! Nichts desto trotz bummelten und flanierten an diesem Tag die Menschen in Torun recht gelassen, genossen das Leben und die Sonne und die bildschöne, mittelalterlich wirkende Altstadt, so wie wir auch! Die Kopernikus-Statue inmitten des Treibens glänzte in der Sonne. Ein herrlicher Tag, ja, wäre da nicht die unbändige Wisla.

Unser erstes Pokoje (Zimmer mit Bett) in Polen buchten wir aber nicht in Torun, sondern in der Kleinstadt Ciechocinek. Das Onlione-Lexikon Wikipedia schreibt: „Ciechocinek (1939–1945 Hermannsbad) ist ein Kurort in Polen. Er liegt an der Weichsel etwa 20 Kilometer südöstlich von Thorn in der Wojewodschaft Kujawien-Pommern.

Kurpark in Ciechocinek
Kurpark in Ciechocinek

Da spricht man ausschließlich polnisch, der ein oder andere vielleicht ein wenig Englisch. Die Weichsel heißt „Wisla“ und danke „dziekuje“. Eine Herausforderung in sprachlicher oder sonstiger Hinsicht? Nein! Ein gemütliches, kleines Hotel mit dem Namen „Kopernik“- wir hatten es fast für uns allein – leckeres Frühstück, nette Menschen.

Kurhaus in Bad Freienwalde
Kurhaus in Bad Freienwalde

Im Vergleich zum sehr ruhigen Kurort Bad Freienwalde schien die kleine Stadt Ciechocinek beinahe überlaufen. In den Restaurants gab es leckere Pierogi, ruskie wie polskie. Nach dem Abendessen tanzten die flotteren Kurgäste in einem etwas antiken, großen Saal beschwingt zu den einigermaßen modernen Klängen einer kleinen Band. Solch abendliche Vergnügen sollen ja bekanntlich Figur und Heilerfolg dienlich sein. Der Ort unter dem mächtigen Weichsel-Damm ist berühmt für seine überdimensionierten Salinen und große, prächtige Blumenbeete.

Ciechocinek blickt auf eine äußerst wechselvolle polnisch-preußisch-russische Geschichte zurück, die leider nicht immer friedlich war. Dieser Kurort wurde nicht etwa wegen Blumen und Salinen oder Weichsel und Hochwasser unser Etappen-Ziel, nein, sondern, weil Lutz` Vater dort geboren und aufgewachsen ist. Sein Geburtshaus steht noch immer mitten in der Stadt. Irgendwann, vielleicht zu Zeiten von Katharina der Großen, müssen sich seine Vorfahren dort an der Weichsel nieder gelassen haben.

Nichts genaues weiß man nicht. Wir wissen nur, dass mit dem Ende des zweiten Weltkriegs auch die Geschichte der deutschen Minderheit in Ciechocinek abrupt beendet war.

*unser Autor reiste vor einem Jahr nach Polen, angetrieben von  Neugier, Spurensuche und der gemeinsamen Geschichte mit unserem östlichen Nachbarn. Der Bericht wird in mehreren Kapiteln in unserem Blog erscheinen.

Polen – eine Reise Teil I. Wolne Pokoje – Zimmer mit Bett in Polen. Wie alles anfing.

Kofferraum Audi Cabrio beladen für 3 Wochen (foto: zeitreise)
Kofferraum Audi Cabrio beladen für drei Wochen (fotos: zeitreise)

An einem Tag im Mai verstaute Lutz im Morgengrauen unser Gepäck (eigentlich vorwiegend meins) im knappen Kofferraum seines etwas betagten, motorisierten Fast – Viersitzers. „Nur nicht hetzen!“, lautete unsere Devise. „Schließlich ist Urlaub!“ *

Wir fuhren dann bald gemächlich von der harmlos vor sich hin plätschernden Ruhr im Sauerland, Richtung Hannover, zum Frühstück in ein Möbelhaus bei Bad Nenndorf und, von da aus, gestärkt und voller neuer Eindrücke in Sachen aktueller Deko und Wohnungseinrichtungen, nach Bad Freienwalde an die Oder.

Schlafzimmer Ferienwohnung Bad Freienwalde
Schlafzimmer Ferienwohnung Bad Freienwalde

Nach Bad Freienwalde, nicht etwa weil sich da an der Oder langsam aber sicher eine gewaltige Hochwasser-Gefahr anbahnte, nein, in erster Linie wegen Onkel Paul.

Onkel Paul, der Schwager meines Großvaters, kam früher gerne mit dem Zug aus der „Ostzone“ zu Besuch in unsere „800-West-Seelen-Gemeinde“. Er war immer gut gelaunt, liebte es durch die Umgebung zu streifen und staunte jedes Mal wieder Bauklötze über die Angebotsvielfalt der damals noch recht zahlreichen Tante-Emma-Läden in dem sauerländer Dörfchen.

Haus-Nr. 36; Hier wohnte Onkel Paul in Bad Freienwalde
Haus-Nr. 36; Hier wohnte Onkel Paul in Bad Freienwalde

Onkel Paul war Witwer, verheiratete sich aber mit über 80 Jahren noch einmal und besuchte uns noch ein paar Jährchen mit seiner Herta. Herta kam dann noch ein, zwei Jahre alleine ….

Ich war noch nie in Bad Freienwalde. Das musste mal sein. Zwei Nächte in einer preiswerten Ostcharme-Ferienwohnung (mit Familienanschluss) in dem kleinen Kurort mit Nobelklinik und mehreren, um diese Jahreszeit verwaisten hohen, langen Skisprungschanzen, nicht weit von der breiten, sich allmählich gefährlich füllenden Oder.

Fluss Oder (Deutsche Seite) mit Schwan auf seinem Nest
Die Oder (deutsche Seite) mit Schwan auf seinem Nest

„Oda pod woda“, das lasen wir in den folgenden Wochen immer und immer wieder im polnischen Fernsehen; wir sahen viel Wasser und aufgeregte, verzweifelte Menschen. Oh je, Hochwasser an der Oder, grenzüberschreitend, in Brandenburg wie in Polen …

*unser Autor reiste vor einem Jahr nach Polen, angetrieben von  Neugier, Spurensuche und der gemeinsamen Geschichte mit unserem östlichen Nachbarn. Der Bericht wird in mehreren Kapiteln in unserem Blog erscheinen.