Jetzt sind wir schon bei Teil Vier der kleinen Polenreise angekommen. Sämtliche Kapitel sind hier zu finden. Und weiter geht’s durch beinahe friedliche Alleen zu heißen Pierogi ruskie im kühlen Gewölbe eines Burg-Restaurants.
In jedem Örtchen sieht man mindestens ein, zwei Nester in luftiger Höhe auf alten Haus- oder Scheunendächern oder Strommasten, mal mit dicker Packlage, mal mit dünner. Die Jungstörche sind gerade geschlüpft. Ihre Köpfchen gucken manchmal aus den Nestsprickeln heraus. Die Alten haben mächtig zu tun. Aber Frösche und Mäuse gibt es hier ja sicher reichlich für die hungrige Brut.
Alleen – so viel Unordnung, so viel Gefahr, so viel ungebändigte Natur
Und die herrlichen, dichten Alleen! Wo hat man das schon bei uns gesehen? Die Mitarbeiter der Bauhöfe aller Kommunen im Sauerland würden die Hände über dem Kopf zusammen schlagen und auf der Stelle mit Motorsägen wüten. Blätter, Dreck, herunterfallende Äste – das geht einfach nicht! So viel Unordnung, so viel Gefahr, so viel ungebändigte Natur!
Ein Motorradunfall. Das traurige Ende eines fröhlichen Urlaubs
Oh Schreck! Kurz vor MikoÅ‚ajki war plötzlich „Stopp“. In einer langgestreckten, sonnigen, baumlosen Kurve standen bereits etliche Autos auf beiden Seiten und ein großer Reisebus. In unserer Fahrtrichtung entdeckte ich in einigem hundert Meter Entfernung, nicht weit von dem Bus, die österreichischen Motorradfahrer neben ihren dicken Maschinen stehend, rechts von ihnen, auf der Wiese, ein Rettungshubschrauber. Das war wohl das traurige Ende eines fröhlichen Urlaubs!?
Wen von ihnen hat es wohl erwischt? Nach endlos langen Minuten, in denen sich für uns erkennbar nichts tat, wendeten alle Autos vor uns und hinter uns. Wir drehten auch und fuhren zurück durch die friedlichen Alleen, an größeren und kleineren Seen entlang, über manch enge, löcherige Kopfsteinpflaster-Rappelstraße zu „unserer Burg“. MikoÅ‚ajki (Nikolaiken) musste noch warten. Alles hat seine Zeit.
Ramba-Zamba in Reszel
Abends hörten wir Ramba-Zamba im verschlafenen Städtchen Reszel. Eine Hard-Rock-Band ließ es krachen. Der alte, tagsüber gähnend leere Markplatz unterhalb der Burg hatte sich komplett gefüllt. Vom Kleinkind bis zum 90jährigen war wohl alles auf den Beinen was hier wohnt. Wir auch. Kleine Buden mit Getränken so manch belebender Art, Süßigkeiten, Spielzeug und Tinnef machten gute Umsätze. Nicht schlecht, die polnischen Rocker-Jungs!
Am Mikołajki-See
Am nächsten Tag, einem warmen, sonnigen Samstag, bummelten wir dann endlich durch das Örtchen am MikoÅ‚ajki-See (Nikolaiker-See), bestaunten das glatte silbern und blau schimmernde Wasser, schauten dem Treiben am Yachthafen zu und entdeckten etwas außerhalb auf einer kleinen Anhöhe zuerst ein etwas erbärmlich wirkendendes Storchennest auf einem dünnen Strommasten und dann, genau gegenüber auf der anderen Seite der recht breiten Straße, ein ausladendes, elegantes, ziemlich neues Nobelhotel. Luxus pur! Wir beschlossen, wir ziehen am Sonntag nach MikoÅ‚ajki um.
Ne, nicht das *****-Hotel, in dem, wie ich amüsiert beobachtete, eine feine Dame formvollendet mit einem etwas anachronistisch anmutendem Handkuss begrüßt wurde, sollte unser Domizil sein. Wir fragten lieber mitten im Ort, im ehemaligen Rathaus nach, ob sie für zwei Nächte ein Zimmer frei hätten. Sie hatten.
Der European Song Contest und unsere Stimmen für Lena
Zurück in „unserer“ Ritterburg, wir aßen heiße Pierogi ruskie im kühlen Gewölbe des Burg-Restaurants, erlebten wir einen sensationellen Abend – mit Heizlüfter am Fernseher und einer Flasche Schwarzbier (für zwei!), die wir noch aus Bad Freienwalde im Gepäck hatten. Das polnische wie das deutsche Fernsehen übertrugen das gleiche Programm. Früher nannte sich das Ereignis mal „Grand Prix Eurovision“; heute heißt der oder das Event „European Song Contest“. Und Lena gewann! Mama Mia! Und wir sind an diesem Überraschungs-Sieg nicht ganz unbeteiligt ;-). Man wagt es ja kaum zu sagen, wir zwei „manipulierten“ durch jeweils drei Anrufe die polnischen „Results“. Germany 7 Points from Poland! Immerhin! (Wenn die polnischen Hard-Rocker von gestern dabei gewesen wären, hätte Lena vielleicht nicht ganz so glorreich gewonnen?!?)
Am Sonntag früh hatten wir den Sieg und den Biergenuß einigermaßen verkraftet. Nach dem Frühstück unten im alten (kühlen) Gewölbe, hieß es dann ja auch Koffer packen, alle unsere Utensilien die Stiegen runter hieven und Abschied nehmen vom Leben als Burgherr und Burgfräulein. All die polnischen und litauischen Zamek-Reszel-Wochenend-Kurzurlauber machten sich ebenfalls (mit oder ohne selbst mitgebrachten Heizlüfter) bereit für den Heimweg.
Umzug ins Hotel Mazur
Wir verfrachteten unser Gepäck einige Kilometer durch Masuren in das etwas betagte aber stilvolle Hotel Mazur, Zimmer mit Ausblick auf Stadt und Kirchlein. Vermutlich guckten dereinst aus diesem Raum Generationen von Bürgermeistern wohlwollend auf den Marktplatz und die getreuen Bürgerinnen und Bürger von Nikolaiken. An diesem Tag tauchten wir ein in das Leben in MikoÅ‚ajki.
Fortsetzung folgt …
*unser Autor reiste vor einem Jahr nach Polen, angetrieben von Neugier, Spurensuche und der gemeinsamen Geschichte mit unserem östlichen Nachbarn. Der Bericht erscheint in mehreren Kapiteln in unserem Blog erscheinen.
Warte auf Fortsetzung, meine Heimat ist eine Reise wert.
@cari: Fortsetzung folgt auf jeden Fall. Aber sag mal, was ->Du<- an Deiner Heimat besonders sehenswert, gut oder erwähnenswert findest 🙂
Wer sagt, dass das heutige Hotel Mazur früher Rathaus war?
@Matthias
zum beispiel die welt:
http://www.welt.de/reise/reisetipps/europa/polen/article12446400/Masurische-Seen-Unterkunft-35723.html
Als ehemaliger Gast vom Hotel Mazur möchte ich sagen, unser Zimmer war zwar klein, aber sehr gemütlich und gepflegt, die Gasträume stilvoll und ansprechend, der Service gut. Unser Reiseführer weist das Haus als das ehemalige Rathaus aus.