Ich lese viele Bücher, die ich schon als Jugendlicher gelesen habe, alle paar Jahre erneut. Glaubt mir: gelesen ist nicht gelesen. Die meisten ollen Schinken sind mir wie neu. Das Ende kommt immer wieder überraschend.
Als ich am Sonntag mit der Bahn von Hamburg ins Sauerland zurückfuhr, … nein genauer … als ich in Kassel-Wilhelmshöhe den Zug Richtung Hagen erwischt hatte, fischte ich mir „Der Besuch der alten Dame“[1] aus dem Reiserucksack. Neben mir spielten drei junge Männer Karten, Studenten mutmaßte ich.
In Warburg stiegen sie aus, um den Anschlusszug nach Paderborn zu erreichen. Einer von ihnen. der Dunkelhaarige, schaute noch kurz über die Schulter, lächelte, und sagte: „Ist das nicht komisch, ein Buch zu lesen, dessen Ende man schon kennt?“
„Jedesmal neu und anders“, versuchte ich eine Entschuldigung, aber da waren sie auch schon verschwunden.
Immerhin, so hielt ich dem Fragenden im Nachhinein zugute, hat er mir unterstellt, dass ich das Buch nicht zum ersten Mal lese (läse). Warum eigentlich? Ist der Dürrenmatt derart ausgeleiert?
Heute Morgen habe ich auch noch den Anhang bewältigt, von A wie Angst bis Z wie Zachanassian.
Unter „R“ nur ein einziger Eintrag:
„Reporter: Errichten neben der wirklichen Welt eine Phantomwelt. Heute werden die beiden Welten oft verwechselt.“[2]
[1] Friedrich Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame, Werkausgabe in siebenunddreißig Bänden, Band 5, Diogenes, Zürich 1998
[2] ebda. S. 140