Journalismus: Die Stunde der Renegaten

Auf dem Weg zur Arbeit heute Morgen im Deutschlandradio:

„…Mal abgesehen davon, dass Journalisten heute eher sich selbst als der Politik dienen wollen, zeigt der mediale Krisen-Overkill der letzten Wochen, dass Kierkegaard in einem Recht hatte: Journalismus ist zuviel für einen Menschen, eine charakterliche Herausforderung, an der er nur zerbrechen kann. Waren die Verhältnisse eben nicht noch so, dass man nur in Lohn und Brot stand – na, sagen wir besser: in Bonus und Kaviar -, wenn man vorbehaltlos die freien Märkte besang?…“

Schon wieder eine Minderheit verfolgt ;->

The Gnome - an endagered species
The Gnome – an endangered species

„The bigotry is going too far. Now the Diocese of Bath and Wells has banned garden gnomes from their cemeteries. What are we to do with the poor wee buggers, then? Let them rot in the streets?…“ weiter

„Die wollen uns weichkochen“ – eine kleine Medienlese

Unter der Schlagzeile „Die wollen uns weichkochen“ berichtet Boris Rosenkranz von der taz über die gestrige WAZ-Betriebsversammlung:

„…Es ist wie bei jeder Konzernkrise: Irgendwann fragen sich die Arbeiter, weshalb sie bluten sollen, nicht aber die Oberen. WR-Betriebsrat Malte Hinz merkt an, dass die Eignerfamilien der WAZ über ein Vermögen von rund 4 Milliarden Euro verfügen würden: „Deshalb sollten sie die Einschnitte jedenfalls so lange strecken, dass sie sozialverträglich abgehandelt werden können.“ Und eine Kollegin fragt, wie viel die Geschäftsführer denn von ihren Gehältern abgeben würden?

Eine Antwort auf die Frage gibt es nicht. Vielleicht aber beim nächsten Mal, im Dezember. Hombach und Nienhaus haben ihr Kommen für diese Versammlung angekündigt; zuvor, am Freitag kommender Woche, wollen sie ihre Pläne ausbreiten.“

Der Spiegel titelt hingegen „Münte unterstützt WAZ-Belegschaft“ und schließt:

„…Am 21. November soll der Bericht der Unternehmensberatung Schickler vorgestellt werden. Chefredakteur Reitz war optimistisch, danach mit den Betriebsräten und Gewerkschaften zu einer Einigung zu kommen. Das Verhalten der Gewerkschaften sei konstruktiv. „Ich hoffe, dass wir es ohne betriebsbedingte Kündigungen schaffen.““

Auch die Süddeutsche stellt Müntefering in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung:

Der WAZ-Konzern hatte angekündigt, bei den vier NRW-Titel (außer der WAZ sind das noch die Neue Ruhr/Rhein Zeitung, die Westfälische Rundschau und die Westfalenpost) insgesamt 30 Millionen Euro einsparen zu wollen, es droht ein Personalabbau. Er könne, so Müntefering, „die Plausibilität dieser unternehmerischen Entscheidung natürlich nicht im Detail beurteilen“, hoffe aber „auf akzeptable und vom sozialen Denken geprägte Entscheidungen“.

Die Antwort der WAZ-Geschäftsführung kam prompt. Noch am gleichen Tag schickte das Führungsduo Bodo Hombach und Christian Nienhaus ein Fax, versehen mit feinen Spitzen: Die Plausibilität ihrer Entscheidung, schrieben die Geschäftsführer, ergäbe sich aus den ökonomischen Daten, welche von der Beratungsfirma Schickler erarbeitet würden. Genau dieses Unternehmen sei „häufig für die SPD-Medienholding ddvg tätig“ gewesen, „zuletzt bei der Sanierung der Frankfurter Rundschau“.

Abschließend gab Hombach seinem Parteigenossen eine Lektion über eine Definition von sozialer Verantwortung: Dieses Verständnis, so schrieb er mit Kompagnon Nienhaus, „verlangt von uns, vor einer ökonomischen Katastrophe die notwendigen Reformen einzuleiten“

Eine dpa-Meldung gibt es beim Kölner Stadt-Anzeiger.

WAZ-Betriebsversammlung in Esssen

In den „großen“ Medien habe ich noch keine Berichterstattung über die Betriebsversammlung der WAZ Betriebsräte gefunden. Lediglich diesen Vorbericht vom Morgen des 11. November im Morgenecho des WDR5. Im „Gegen-Blog“ ist der Brief von Bodo Hombach und Christian Nienhaus „Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter, …“ von gestern veröffentlicht. Daher erlaube ich mir einen Kommentar aus dem WAZ Protest Blog zu zitieren, der sehr gut einen ersten Eindruck (Stimmung und Analyse) vermittelt:

Es war eine Informationsveranstaltung, in der gut 800 von 900 Redakteuren lautstark und eindrucksvoll ihre Solidarität mit den vier Betriebsräten bekundeten sowie WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz (verhalten) für einige seiner Äußerungen ausbuhten.
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Ansonsten wurden wir von BR- und Gewerkschaftsexperten in einem ersten Anlauf darüber informiert, wo wir stehen.
Rechtsinformationen, Arbeitsmodelle, Grundsätzliches eben, bildeten den Kern der Veranstaltung.

Es gab auch die Forderung an die GGF, Verluste der vier Titel durch zumindest so lange durch Teile der Gewinne aus dem Osteuropageschäft aufzufangen, bis eine sozialverträgliche Lösung (ohne Massenentlassungen) greifen kann.

Reitz – mittlerweile Geschäftsleitungsmitglied – sah das nicht ein, nannte die Forderung “ungerecht”. Von einem Teilnehmer wurde Reitz daraufhin daran erinnert, dass die früheren GGF Günter Grotkamp und Dr. h.c. Erich Schumann gerade die Investionen im Osten als Maßnahme zu Sicherung der Arbeitsplätze in der WAZ-Heimat angesehen hatten. Schweigen war seine Antwort. Auch auf Zuatzfragen der Kollegen wollte Reitz nicht mehr antworten.
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Die Personalleitung versuchte zu erklären, warum die vier Titel unterm Strich in 2008 bis heute rund 8 Millionen Euro Minus und bis zum Jahresende voraussichtlich zehn Mio Minus machen werden: zu hoher Papierverbauch trotz sinkender Auflage (durch unverkaufte Überdrucke), zu viele Druckplatten – alles Dinge, die nichts mit den Leistungen der Redaktion zu tun haben, sondern schlechtem Management (schlußendlich verantwortlich dafür ist Bodo Hombach, d.Autor) anzulasten sind.
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Bodo Zapp, CR der WP, hat dann den Heimatzeitungsentwurf für sein Blatt umrissen. Noch schlankerer Mantel etc. Er meinte aber auch, dass die Dinge am 2. Dezember – dann werden die Konzepte für die Lokalredaktionen vorgestellt – noch dicker kommen werden: Wenn er daran denke, habe er Baugrummeln, sagte Zapp.
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Der Personalchef Kopatzki wollte Kündigungen nicht bestätigen. So weit sei man noch nicht.
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Ganz anders Reitz: Er sagt, dass es im Kündigungen geben werde – und die werde er den Betroffenen überreichen und ihnen dabei in die Augen sehen – was immer diese Floskel auch sollte.
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Das war dann wohl das Wort zum offenen Bruch zwischen diesem Chefredakteur und dem größten Teil der WAZ-Mannschaft.
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Noch Fragen?

Die Welt ist schlecht – spielt!?

Spiele sind Zeitverschwender!
Spiele sind Zeitverschwender!

Assembler is a new physics based wonder where you move some depository equipment to get your precious green crate in position. For what? No matter! Physics work perfect and the feel of grabbing and moving around things is just perfect. Don’t play too much or you’ll dream of dirty green crates flying around. Vergeude deine Zeit hier.

Riesters Rache – hat Walter mich veräppelt!?
Raus aus Riester – wer weiß Rat?

„Junge, du riesterst doch?! Oder?“, pflegte meine Mutter ab und zu zu fragen, besorgt wie Mütter nun einmal sind. „Ja, natürlich“, warf ich so leicht als möglich hin, um dann schnell das Gespräch auf zum Beispiel den Gesundheitszustand irgendeiner wirklich wichtigen Tante zu bringen.

Aber steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein, und der Zeitgeist tat sein Übriges. Irgendwann besorgte ich mir Unterlagen. Ich studierte Ranking-Listen der Verbraucherschützer und riesterte dann doch eines Tages los. Die Sparkasse Münsterland war von den Test-Instituten als empfehlenswert gepriesen worden.

Ich hatte schon den Goldrausch der 80er Jahre irgendwie verpasst und wollte nicht noch einmal mit leeren Taschen dastehen, während sich meine Zeitgenossen ihren Ruhestand in, sagen wir mal Kalifornien, mit dem Riester-Gold versüßen würden.

Und jetzt ist es wieder aus!

„Wie sich eine gesamte Bundestagsfraktion in Sachen Riester-Rente anschmieren lässt – beachtlich“ titeln die Nachdenkseiten.

„Nur wer sehr alt wird, kann bei der Riesterrente die garantierte Rendite abschöpfen. Experten haben beispielhaft errechnet, dass bei vielen Versicherungen erst im Alter von über 100 Jahren der Garantiezins erreicht werden kann. Da aber die wenigsten Deutschen so alt werden, verbleiben bei den Versicherungen 25 Prozent der eingezahlten Beiträge als Gewinn.“ (ebda)

So ein Schiet denke ich mir und frage mich: Muss ich da wieder raus? Werde ich dann wieder abgezockt? Hätte ich nicht doch einfach meine enormen Überschüsse in die – raune Zeitgeist raune – umlagefinanzierte Rente stecken sollen?

Aber wie komme ich da wieder raus, wenn ich denn raus muss? Dazu geben die Nachdenkseiten leider keine Hilfestellung, denn sie klären nur politisch auf. Ich aber brauche ein paar praktische Tipps! Für die Kohle, die ich jeden Monat abdrücke, hätten meine Kinder immerhin bis Weihnachten je einen prima PC. Und jeder, der Kinder hat, weiß, wie Kinder quengeln und quälen können.

Nachschlag: Marktwirtschaft in Aktion (war: WAZ)

Fair is foul and foul is fair ....
Fair is foul and foul is fair ….

Ich wollte mich diese Woche ein wenig zurückhalten. Ein Hinweis noch: Wer inzwischen durch die vielen Kommentare des WAZ-Protest-Blogs nicht auf Anhieb durchsteigt, dem sei vor der morgigen Betriebsversammlung der Betriebsräte von WAZ, NRZ, WR und WP eine gute Zusammenfassung im Pottblog empfohlen. „WAZ wird Pampe“, meint Boris Rosenkranz in der taz.

Von Totgesagten und Markt-Atheisten

Wie lang leben Totgesagte? Josef Stiglitz vergleicht in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau die Finanzkrise mit dem Fall der Mauer:

„Abgesehen von einigen unbelehrbaren Hardlinern wird jeder sagen, dass dies das Ende des Markt-Fundamentalismus ist. Der Fall der Wall Street ist für den Markt-Fundamentalismus das, was der Fall der Mauer für den Kommunismus war. Es zeigt, dass der Weg dieser Wirtschaftsordnung nicht gangbar ist. Nun sind die Regierungen gefragt.“ weiter fr

In der Taz räsonniert Sibylle Tönnies:

„Von den selbstheilenden Kräften des Marktes ist jetzt keine Rede mehr. Aber warum konnte diese Auffassung überhaupt so viele Anhänger gewinnen? Der Liberalismus ist ja keine Religion, an der man auf Gedeih und Verderb festhalten muss. Oder doch?“ weiter taz

Neunter November – Pause

Looking out my window
Looking out my window

Heute ist der erste gefühlte Novembertag.

Abgesehen von den ganzen politischen Morden, Revolutionen und Putschen der Vergangenheit: Regen, trübes Licht, obgleich noch bunte Blätter an den Laubbäumen zappeln. Am Kahlenberg liegen die großen Fichten, eingewickelt, für die Weihnachtsmärkte der Metropolen – abholbereit. Die Kamera hatte ich diesmal nicht dabei.

Das Naturgesetz: Gehe ich laufen und habe den Fotoapparat dabei, passiert nichts – absolut nichts. Lasse ich die Kamera zuhause, sehe ich Hirsche mit riesigen Geweihen, Gruppen von Rehen und rasende Muffel-Herden. Das ungelöste Rätsel: Woher wissen die Viecher und Fichten, wann ich meine Kamera mitnehme?

Was bringt die neue Woche? Als „zoon politikon“ bin ich gespannt, ob von der Betriebsversammlung der WAZ-Mitarbeiter neue Ideen und Impulse ausgehen. Im Protest-Blog scheint das Meiste gesagt. Um Erfolgsaussichten zu haben, müssten sie es schaffen, gemeinsam eine einheitliche Position zu tragen und sich nicht entsolidarisieren zu lassen. Darüber hinaus sollten sie die Öffentlichkeit insgesamt  und als Teilmenge die Leser(innen)schaft informieren und mobilisieren. Das aber ist graue politische Theorie; ob ihnen des Lebens Baum grünt, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.