Mephistopheles: Grau, teurer Freund, ist alle Theorie …

Mephistopheles.
Grau, teurer Freund, ist alle Theorie,
Und grün des Lebens goldner Baum. (Goethe, Faust)

Eigentlich wollte ich vor dem Fernseher abhängen. Der HSV stünde noch an. Und über die Entwicklungen beim WAZ-Konzern wollte ich auch nicht mehr nachdenken, denn neue Informationen gibt es nicht. Der ein oder andere Troll scheint sein Unwesen im Protest-Blog zu treiben. Die Gewerkschafter sprühen Kreide auf die Straße, versichern aber sofort, dass sich alles mühelos abwaschen lässt. Folgende Ahnung hat durchaus ihre Berechtigung, wenn gleich sie nicht bewiesen ist; doch dazu nach dem Zitat:

„… behaupte ich: 1. Die Betriebsräte sitzen einer perfekt geplanten Augenwischerei auf. 2. Ihr Verhandlungsspielraum ist marginal, falls überhaupt vorhanden. 3. Das Konzept zur Zusammenlegung von Redaktionen, zu betriebsbedingten Kündigungen und zu der Zahl der Kündigungen pro Titel ist fertig, liegt in der Schublade und kommt genau dann heraus, wenn Hombach & friends das wollen. 4. Dieses Konzept ist endgültig, womöglich mit etwas Luft für sehr geringe Änderungen, um den Betriebsräten das Gefühl zu geben, sie hätten tatsächlich etwas mildern können.
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Warum ich das glaube: Der gesamte, so sorgfältig inszenierte Zeitplan spricht dafür. Erst mal den absoluten GAU als Versuchsballon hintenrum über die Süddeutsche publik machen (und wie ein Rohrspatz über die Weitergabe von Betriebsinterna schimpfen, ja welcher Schlingel war das denn wohl?). Dann gewöhnen wir uns allmählich an die Zahl 300. Dann sehen wir es mit der Zeit positiv, dass ja 600 bleiben dürfen. Dann wird auf Zeit gespielt, um uns mürbe zu machen. Sollte nicht letzte Woche schon “Verkündigung” sein? Sollten nicht spätestens heute Zahlen kommen? Was werden sie uns denn am 5. Dezember auftischen? Garantiert keine klaren Zahlen, weil man inzwischen zu “interessanten Lösungsvorschlägen”, “bemerkenswerten Verbesserungen” und ähnlichen Worthülsen gefunden haben wird, die dringend weiter diskutiert werden müssen. Vielleicht geht da ja doch noch was… Und deshalb fahren wir am 5. Dezember spätestens so gegen 15 Uhr auch alle schnell in unsere Redaktionen, hämmern die Samstagsausgabe doch noch zusammen, schließlich kann man die zwei Kollegen, die da geblieben sind, damit der Chefredakteur sich freut, doch nicht mit sechs oder sieben Seiten hängen lassen.
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Und so kommt dann Weihnachten, und ab dem 29.12. die tatsächliche Verkündigung der Zahlen, wenn die eine Hälfte von uns in den Weihnachtsferien ist, die andere sehen muss, wie sie über die Feiertage die Zeitung zu bekommt, und bei allen die Luft raus ist.
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Wollen wir nur mal hoffen, dass ich das alles irgendwann zurücknehmen muss. …“ von Zeilenschinder alles lesen

Wie nun könnten diese Behauptungen, Ahnungen, Vermutungen von „Zeilenschinder“ überprüft werden?

Eigentlich ganz einfach: durch die Bewegung der betroffenen Arbeitnehmer, in diesem Fall wären es die Redakteure.

Diese Bewegung dürfte sich allerdings nicht nach dem vulgär-bernstein’schen Motto („Die Bewegung ist alles, das Ziel ist nichts“) im Gymnastikraum des Protest-Blogs abspielen, sondern müsste sich schon (da komm’ste nich‘ drum ‚rum) gegen den politischen Gegner richten. Und sie müsste derart beschaffen sein, dass es diesem weh tut, auf dass er aus der Reserve gelockt werde.

„Weh tun“ bedeutet – so lehrt es die Geschichte – das „Geldbeutelchen“ der Gegenseite treffen.

Im „politischen Werkzeugkasten“ (Merkel’sches Neudeutsch für „toolbox“) ist für solche Zwecke der Streik vorgesehen.

Und dann, und nur dann, haben die Gewerkschaften eine gute Ausgangsposition für Verhandlungen, denn welches wäre ansonsten das Druckmittel der Arbeitnehmervertreter?

Ja wirklich, womit könnten die Gewerkschaften sonst auftrumpfen?

Ich weiß es nicht.

Zehntausend Industriearbeiter konnten in den „vergangenen Zeiten“ schon einmal am selben Strang ziehen und streiken, aber können das 900 Journalisten?

Gegenwart und Zukunft des Lokaljournalismus – eine Polemik.

Viel Text ohne Bilder und nur 1 Link 😉

Im WAZ-Protestblog drehen sich die Argumente mehr und mehr im Kreis. Was könnte auch noch gesagt werden. In wenigen Tagen werden die politischen Akteure wieder sichtbarer und scharfkantiger werden: Betriebsräte, Geschäftsleitung, Mitarbeiter und Öffentlichkeit. Letztere repräsentiert durch Prominente und Leser. Ich kann und will mir an dieser Stelle nicht vorstellen, wie der Konflikt ausgehen wird.

Über den Wolken denke ich folgendes:

Die Lokalzeitungen (print, online, egal) haben die Aufgabe die bewussten und unbewussten Äußerungen des politischen Lebens in ihren Gebiet zu sammeln, sortieren und offen zu bewerten.

Mehr nicht.

Wenn Leserinnen und Leser ihre Abos kündigen liegt es daran, dass sie die Zeitung nicht mehr in dieser Funktion wahrnehmen.

Ich habe oft erlebt, erfahren, dass die Lokalzeitung eine Autorität hatte(hat), die ich selbst für völlig überhöht hielt und halte: „Das ist so, denn es hat am Dienstag in der Zeitung gestanden.“ „Überhöht“ schreibe ich hier deshalb, weil es sich oft um unrecherchierte Artikel handelt(e), auf die sich die Menschen bezogen.

Diese Naivität der Leser(innen) kann sich hier im Sauerland, meinem Wahrnehmungsgebiet, der „Sauerlandkurier“ zunutze machen.

Überspitzt: Als ich noch in der Stadt lebte, habe ich Anzeigenblätter immer(!!!) sofort von der Treppenstufe in den Altpapier-Container entsorgt. Hier im Sauerland lese ich das Zeugs, weil ich weiß, dass es bewußtseinsbildend ist. Diese Pseudo-Zeitung hat (fast) die gleiche Autorität wie die Westfalenpost.

Die Westfalenpost enthält leider viele Elemente des Anzeigenblättchens und ist somit nicht klar und eindeutig abgrenzbar, obwohl ich die Redakteure für die eindeutig 1000 Prozent besseren „Handwerker“ halte.

Das Dilemma vieler Lokalzeitungen, gerade im ländlichen Raum, scheint mir zu sein, dass es keine klare Linie zwischen der Beachtung lokaler Besonderheiten und dem Opportunismus gegenüber den lokalen Größen und der „Dummheit“ der Leser gibt.

Ein Journalist darf diese „Dummheit“ allerdings nicht beklagen, denn sie ist gewissermaßen der Urzustand. Seine Aufgabe ist es aufzuklären. Aufklärung im Lokaljournalismus heißt aber wiederum nichts anders als : Sammeln, sortieren und bewerten.

So, und meiner Meinung nach nur so, bekommt die Lokalzeitung Autorität und erzieht bzw. zieht sich die Leserinnen und Leser.

Und dann, und nur dann, benötige ich auch diese Lokalzeitung. Eine solche Lokalzeitung würde ich auch zusätzlich zu einer „Überregionalen“ beziehen und lesen.

Ein Letztes:

Vergesst eine Heimatzeitung a la „Glaube, Sitte, Heimat„. Auch das Sauerland ist inzwischen mehr als die Summe seiner Kirchen und Schützenhallen 😉

Siehe diese Schlagzeile: „Ein Sozialdemokrat unter sich“

Diese Schlagzeile finde ich einfach gut. Punkt. Aus diesem Grund hebe ich den Link in mein Blog:

Clement vor Rauswurf aus der SPD

Ein Sozialdemokrat unter sich

Schröders einstiger Superminister hat sich zum steten Nachtreter entwickelt. Passt ihm etwas nicht, schreibt er es auf. Heute zeigt sich, ob er so weitermachen kann. …. weiter in der sz

Gespräche am Rande: WAZ-Kahlschlag und Westfalenpost

Freitag abend: Kegeln. Bevor die Bahn geöffnet wird – oben an der Theke. Fragt einer: „Schreibst du noch für die Westfalenpost?“ Antwort: „Nee, ja – keine Zeit , muss zu viel arbeiten, und 7 Euro für 70 Zeilen bei 3 Stunden Arbeit und einer Stunde Schreiben – nee, würde ja wieder gerne, aber nee, geht nicht mehr, kriege ich in der Familie nicht mehr vermittelt.“

„Ich hab‘ auch schon das Abo gekündigt“, sagt einer, obwohl es darum gar nicht geht. „Und da sind noch mehr, der, und der und der, weil…“

(Folgt: Lamento über Qualität der Lokalberichterstattung …)

Sage ich: „Hab‘ ja auch immer gemeckert, aber jetzt soll ja anscheinend ein Drittel der Belegschaft entlassen werden, Kürzungen ohne Ende, Holzhammer, Guillotine …. Ist ja jetzt schon schlecht, aber was dann…“

„Prost!“, sagt einer. „Ich nehm‘ ’ne Linie“, der Nächste.

Kurz und gut: Niemand der Westfalenpost-Leser hier an der Theke im Ort wusste, was im WAZ Konzern passiert. Es waren und sind nicht die Dümmsten, die ich dort getroffen habe, aber wenn die schon nichts wissen bzw. die Dramatik nicht so empfinden, wie sie im WAZ-Protestblog beschworen wird, wer dann außer den Betroffenen?

In nicht allzu ferner Zukunft werden sich Soziologen und Politologen akademisch mit der „Zeitungskrise“ beschäftigen. Das „Protestblog“ wird dabei eine große Fundgrube für gelehrte Betrachtungen sein.

Bis dahin allerdings geht es bei den Beschäftigten „um die Existenz“. Und „die paar Hundert“ Leute wehren sich stellvertretend für Tausende oder sie wehren sich gar nicht. Und wenn sie Ersteres tun wollen, müssten sie dem politischen ABC folgendend den „Gegner“ klar identifizieren und darüber hinaus Bündnispartner gewinnen.

Bei den Gegnern kenne ich mich als „Externer“ nicht aus, aber ich weiß, dass ein möglicher Bündnispartner, nämlich wir Leser, noch nix (nicht viel) weiß. Die Zeit drängt. Mein Briefkasten jedenfalls wartet.

And now to something completely different

Es gibt wieder Hoffnung (Der Link ist ganz unten 😉 ):

For 3 years you YouTubers have been ripping us off, taking tens of thousands of our videos and putting them on YouTube. Now the tables are turned. It’s time for us to take matters into our own hands.

We know who you are, we know where you live and we could come after you in ways too horrible to tell. But being the extraordinarily nice chaps we are, we’ve figured a better way to get our own back: We’ve launched our own Monty Python channel on YouTube.

No more of those crap quality videos you’ve been posting. We’re giving you the real thing – HQ videos delivered straight from our vault.

What’s more, we’re taking our most viewed clips and uploading brand new HQ versions. And what’s even more, we’re letting you see absolutely everything for free. So there!

But we want something in return.

None of your driveling, mindless comments. Instead, we want you to click on the links, buy our movies & TV shows and soften our pain and disgust at being ripped off all these years.

Und hier geht es zu Monty Python (dem Original) auf YouTube

Bei Scala gehört: Die Finanzkrise wird zur Medienkrise

Das gute alte Radio 🙂 Heute befasste sich Hendrik Lünenborg in der Sendung Scala auf WDR5 mit der so genannten Medienkrise. Nutzen die gut verdienenden Verlage die Krise im Anzeigengeschäft, um durch den nicht notwendigen Abbau von Personal die Rendite zu erhöhen?

Gruner und Jahr ist ein profitables Unternehmen. Das ist vor dem Hintergrund des aktuellen Streichkonzerts vielleicht in Vergessenheit geraten, aber trotzdem Fakt. Momentan entsteht eher der Eindruck, dass der Verlag am Abgrund steht. Um es ganz klar zu sagen: Davon kann keine Rede sein. Gruner und Jahr macht Gewinn, nur scheinbar nicht genug, um dem Haupteigentümer Bertelsmann glücklich zu machen. Sicher: Zeitungen und Zeitschriften verkaufen dramatisch weniger Anzeigen. Trotzdem entsteht der Verdacht, dass die Verlage die Anzeigenkrise nutzen, um in den Redaktionen aufzuräumen … weiter(pdf)

Das hier ist mein Briefkasten morgens um Fünf:

Er wartet auf ein Flugblatt der Lokalredaktion. Darin sollte Lesern und Nichtlesern der Lokalpresse erklärt werden, was zur Zeit beim WAZ Konzern passiert, und wie dies uns liebe Leser und Nichtleser betrifft. Wenn die Flugblattschreiber ganz gut sind, schreiben sie noch hinein, wie die Leserinnen und Leser die Lokalredaktionen unterstützen können(falls diese sich nicht tot stellen). Ich habe nämlich das Gefühl, dass, optimistisch geschätzt, nicht alle Leserinnen und Leser wissen, was los ist. Die Diskussionen, die beispielsweise im WAZ-Protestblog geführt werden, müssten über den Kreis der sowieso schon Eingeweihten hinausgetragen werden

Blätterwald – Das Kettensägenmassaker geht weiter: Nach WAZ und SZ jetzt auch G&J

Nach den angekündigten Sparmaßnahmen bei der WAZ Verlagsgruppe (siehe Protest-Blog) und beim Süddeutschen Verlag reiht sich nun auch das Verlagshaus Gruner & Jahr in die Reihe der „Kostensenker“ ein. Zusammen mit den Kosten sollen auch 118 Stellen(= Menschen) „versenkt“ werden. Der Tagesspiegel berichtet:

„Es ist ein Querschlag durch das gesamte Portfolio, den der Hamburger Verlag Gruner + Jahr (G+J) am Mittwoch verkündete: Das People-Magazin „Park Avenue“ wird eingestellt, die in den Niederlanden erscheinende „Gala“ wird ebenso vom Markt genommen wie die in Russland erscheinde „Life & Style“. Die bisher in Köln und München erscheinenden Wirtschaftstitel „Capital“, „Impulse“ und „Börse Online“ werden am Standort in Hamburg zusammengelegt. Insgesamt werden 118 Stellen gestrichen, davon 23 bei „Park Avenue“. Grund für die Neuordnung sei die Wirtschaftskrise, die „erhebliche Kostensenkungsmaßnahmen“ notwendig mache, sagte G+J-Vorstandsmitglied Bernd Buchholz. Der Verlag spüre die Zurückhaltung der Anzeigenkunden deutlich. Das Portfolio sei deshalb überprüft worden. Dass „Park Avenue“ nicht für zukunftsfähig bewertet wurde, liege daran, dass die ambitionierten Ziele im Anzeigengeschäft nicht erreicht werden konnten….“ weiter

„Ein trauriger Tag für den deutschen Journalismus“ befindet Thomas Knüwer im Hndelsblatt-Weblog, und er fährt fort:

„…Oder besser, in aller Deutlichkeit: ein beschissener. Meine Gedanken sind derzeit in Köln, München und Hamburg, bei den Kollegen von „Impulse“, „Capital“, „Börse Online“ und der „FTD“. Viele von sind vorerst gekündigt, können sich aber neu bewerben.

Das Abstrusum, für dass sie sich bewerben dürfen nennt sich Zentralredaktion. Es ist eine Idee, die sich nur Verlagsmanager ausdenken können, denen es mit keinem Deut um inhaltliche Qualität geht, sondern allein darum, den Platz zwischen den Anzeigen einigermaßen vollzukippen…“ weiterlesen

Im Medien-Logbuch des Journalistennetzwerks „JONET“ finden sich zur Zeit weitere 17 Medienlinks zum Thema.

Noch einmal: Lutz Heilmann und Wikipedia

Lutz Heilmann hat gegen Wikipedia geböllert, es gab eine großen Knall, viel Rauch und Aufregung. Auch bei mir. Der Rauch hat sich jetzt verzogen. Ich kann mich entspannen und lese dazu bei Stefan Niggemann unter anderem Folgendes:

„…Ich finde an der Debatte über Heilmanns Vorgehen gegen Wikipedia und die Häme, die fast reflexartig über ihn ausgeschüttet wird, einen anderen Aspekt interessant, den auch Christian Stöcker bei „Spiegel Online” anspricht: Welche Alternative hätte Heilmann gehabt, um gegen (angenommen) falsche Behauptungen über ihn vorzugehen? Die Standardantwort, dass bei der Wikipedia ja jeder selbst mitschreiben, redigieren und löschen kann, ist falsch. Schon der bloße Verdacht, dass der Betroffene selbst oder ein Mitarbeiter sich an seinem eigenen Eintrag zu schaffen gemacht hat, reicht, um empörte bis hysterische Reaktionen auszulösen…“

Hier gibt es den ganzen Artikel samt weit über 100 Kommentaren zu lesen.