Panoramafreiheit: Fotografie nur noch in den eigenen vier Wänden und auf hoher See?

Der Deutsche Journalisten Verband (DJV) hat heute eine Erwiderung auf die Stellungnahme der Stiftung Zollverein herausgegeben. In dieser Auseinandersetzung um die Panoramafreiheit, geht es im Prinzip um die Verteidigung des öffentlichen Raums gegen schleichende Privatisierungsgelüste. Die Panoramafreiheit (siehe auch hier meine Zusammenschau) ist genauso wenig selbstverständlich wie beispielsweise das Waldbetretungsrecht in Deutschland. Wir nehmen beides als gegeben hin, weil wir mit den Freiheiten aufgewachsen sind.

Der Kampf um den medialen Raum erinnnert mich an die Einhegungen im frühkapitalistischen England, die die Allmende fast völlig privatisierten und den physikalisch-öffentlichen Raum auf dass „Public Right of Way“ reduzierten. Selbst um dieses Recht muss im Einzelfall die Öffentlichkeit auch heute noch gegen die Grundbesitzer kämpfen und es durch jährliche Begehungen immer wieder manifestieren. Wer einmal in England gewandert ist, kennt den Unterschied zu unseren Freizügigkeiten.

Die Triebkräfte für die Zugangsbeschränkungen bzw. Einschränkungen des öffentlichen Raums sind nur oberflächlich der fiese Gutsherr oder die sophistische Stiftung Zollverein.

Um es mit einem US-amerikanischen Präsidenten zu sagen: „It’s the economy stupid!“

Wenn ich die Macht habe, Zugang zu beschränken, habe ich auch die Möglichkeit diesen Zugang wieder zu öffnen – gegen Geld.

Mit privatisiertem öffentlichen Raum lässt sich ergo trefflich Gewinn (vulgo: Profit) erzeugen.

Der DJV:

„… Das Gelände der Stiftung Zollverein ist frei zugänglich, es gibt weder Einlasskontrollen noch eine durchgehende Umzäunung. Das Gelände ist derart groß, dass die Verweigerung der Panoramafreiheit auf eine Sperrzonenpolitik hinausläuft. Wer das Gelände betritt, wird außerdem an keiner sichtbaren Stelle darauf hingewiesen, dass er eine solche Sperrzone betritt und irgendwelche besonderen Fotogenehmigungsverfahren gelten sollen.

Hinzu kommt, dass die „kostenfreie“ Ausstellung für Fotografen „im Auftrag einer Redaktion“ für Fotografen keine Lösung darstellt. Heutzutage arbeiten viele Fotografen für ihre eigenen Datenbanken oder für Agenturen, die dann – vermittelt über Systeme wie etwa den Communication Server oder die Plattform ipicturemaxx.com – von Redaktionen durchsucht werden. Fotografen sind heutzutage fast sämtlich frei tätig, – die Redaktion finden sie häufig erst im Anschluss an die Fotoproduktion. Die Stiftung Zollverein verhängt ihre Fotoregeln im Blindflug, weil sie nicht offenbar wissen will, wie die Fotografenbranche funktioniert.

Hinzu kommt, dass das Angebot über Datenbanken auch von Buchverlagen oder Internetplattformen in Anspruch genommen werden kann, die keine aktuellen Berichte produzieren. Fotografen stellen die Bilder zudem als Werbung für ihre Angebote auf ihre Blogs oder in andere Plattformen ein. Selbstverständlich kann es auch sein, dass sie Werbeagenturen Fotos zur Verfügung stellen …“

Alles lesen

Update: Auch das pottblog hat sich ausführlich dem Thema zugewandt und widmet sich insbesondere der Frage, ob es schon Abmahnungen der Stiftung Zollverein gegeben habe.

Missachtet die Zeche Zollverein die Panoramafreiheit?

Meiderich: Revierpark Nord (foto: zoom)
Bald kostenpflichtig? Fotografieren im Revierpark Nord (foto: zoom)

Berlin. Der Deutsche Journalisten-Verband hat als nicht hinnehmbar kritisiert, dass die Stiftung Zollverein Fotografen abmahnt, die Bilder der Zeche Zollverein auf ihren Internetseiten veröffentlichen. Den Hinweis auf eine angebliche Kostenpflichtigkeit einer Veröffentlichung von Bildern der Zeche, einem der bedeutendsten Industriedenkmäler der Welt, hält der DJV für geradezu grotesk. Es sei paradox, dass man einerseits das Bild einer weltoffenen europäischen Kulturhauptstadt-Region abgeben wolle, andererseits die Panoramafreiheit missachte.

„Es kann nicht sein, dass Fotografen, die in die europäische Kulturhauptstadt-Region reisten, etwa, wie am vergangenen Wochenende für das Still-Leben auf der A40, oder wie am kommenden Wochenende zur Loveparade in Duisburg, Angst haben müssen, auch die Zeche Zollverein zu fotografieren, da sonst Abmahnungen auf sie zukommen könnten“, betonte die stellvertretende DJV-Bundesvorsitzende Ulrike Kaiser. „Für uns ist klar: Es gilt auch im Fall der Stiftung Zollverein die Panoramafreiheit für Fotografen. Die Stiftung Zollverein kann diese nicht missachten“, so Kaiser. Zudem sei das die schlechteste Öffentlichkeitsarbeit für den Standort Ruhrgebiet, die man sich vorstellen kann.

Kaiser wies darauf hin, dass die Zeche Zollverein mit Millionenbeträgen aus öffentlichen Mitteln finanziert worden sei. „Wie im Fall des Schlosses Sanssouci müssen Fotografen auch auf dem Gelände frei fotografieren dürfen. Das Haus- und Eigentumsrecht kann bei solchen aus öffentlichen Mitteln finanzierten und für die Öffentlichkeit gedachten Gebäuden und Flächen nicht geltend gemacht werden!“

Die Stellungnahme der Stiftung Zollverein:

Essen. Fotografen dürfen Bilder, die außerhalb des Geländes des Welterbes Zollverein ohne Hilfsmittel wie Leitern u. ä. aufgenommen werden, nutzen. Das bedeutet: eine Nutzung von Bildern, die der Panoramafreiheit unterliegen, wird von der Stiftung Zollverein nicht eingeschränkt.

Anders verhält es sich bei Bildern, die nicht unter die Panoramafreiheit fallen, sprich auf dem Gelände des Welterbes aufgenommen wurden. Hier gilt das Hausrecht. Die Hausordnung definiert dies unter Punkt 9: „Alle nicht ausschließlich privat genutzten Foto-, Ton- und Filmaufnahmen bedürfen einer schriftlichen Genehmigung durch die Stiftung Zollverein.“

Fotogenehmigungen für redaktionelle Nutzung werden an Fotografen kostenfrei ausgestellt, die ihre Bilder zu redaktionellen Zwecken im Auftrag einer Redaktion aufnehmen bzw. die Bilder zu redaktionellen Zwecken an z. B. Tageszeitungen verkaufen.

Fotografieren zu privaten Zwecken
Das Fotografieren zu privaten Zwecken ist ohne Fotogenehmigung erlaubt.

Fotogenehmigungen für kommerzielle Nutzung:
kostenpflichtig sind Aufnahmen, die für kommerzielle Zwecke verwendet werden, z.B. in Werbeanzeigen, deren Inhalte in keinem Bezug zum Welterbe Zollverein stehen.

Zum Hintergrund der Diskussion um die Panoramafreiheit schreibt der DJV:

Im Bericht der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ wird dem Gesetzgeber die Einschränkung der Panoramafreiheit empfohlen, die in § 59 des Urhebergesetzes geregelt ist.

„3. Die Enquete-Kommission empfiehlt dem Deutschen Bundestag, in § 59 Absatz 1 Urhebergesetz eine Vergütungspflicht für die Abbildung von Werken – ausgenommen Bauwerken – im öffentlichen Raum einzuführen, die dann eintritt, wenn die Abbildung gewerblich verwertet wird und die Darstellungsabsicht sich auf das jeweilige Werk richtet.“ (Seite 265)

Der § 59 Urhebergesetz erlaubt es beispielsweise Fotografen, Fotografien von Häusern, Denkmälern oder Kunstwerken im öffentlichen Raum ohne Erlaubnis und Vergütung anzufertigen und zu veröffentlichen. Durch ihn ist es auch möglich, Internet-Fotogalerien, Filme, Bildbände, Kalender oder Postkarten über Architektur oder öffentliche Plätze und Gedenkstätten zu vertreiben, ohne hierfür Restriktionen (Erlaubnis- oder Vergütungspflicht) unterworfen zu sein.

§ 59 Werke an öffentlichen Plätzen

(1) Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken erstrecken sich diese Befugnisse nur auf die äußere Ansicht.

(2) Die Vervielfältigungen dürfen nicht an einem Bauwerk vorgenommen werden.

Alles lesen beim DJV

Update (20:00): aktuell befasst sich auch Stefan Laurin von den ruhrbaronen mit dem Fall.