„Grausame Genüsse“ – aber nicht ohne Alternative

Leo Tolstoi über das Leiden der Tiere und eine Ernährung ohne Töten

Buchumschlag (Tolstoi Friedensbibliothek)

Ein neuer Band des pazifistischen Editionsprojekts „Tolstoi-Friedensbibliothek“ vereinigt Texte des russischen Dichters über den Umgang des Menschen mit Tieren, eine Ernährung ohne Fleischverzehr und den Gebrauch von Rauschmitteln: Der Leinwandmesser (Erzählung 1863/1886); Die erste Stufe (1891, drei verschiedene Übertragungen); Über die Jagd (1890); Warum die Menschen sich betäuben (1890); Die Trunkenheit bei den leitenden Klassen (Übersetzung 1894); u.a. Vollständig enthalten ist in dieser Ausgabe auch die seit über einem Jahrhundert im Handel nicht mehr greifbare Anthologie „Grausame Genüsse“ (Berlin 1895).

(Buchinformation: Tolstoi-Friedensbibliothek)

Tolstois Traktat über die Fleischesser wurde von Mahatma Gandhi in besonderen Leseempfehlungen berücksichtigt. Schon zu Lebzeiten galt der russische Dichter als „Sonne der vegetarischen Welt“. Zu den Aufklärungsschriften über eine Ernährungsweise ohne Töten gehört z.B. die erschütternde Schilderung seines Schlachthaus-Besuchs in Tula am 7. Juni 1891 (Leseprobe nachfolgend).

Für das letzte Lesebuch (1910) hat der „Alte von Jasnaja Poljana“ später die Botschaft der Achtung des Lebens noch einmal folgendermaßen zusammengefasst: „Wir fühlen mit dem Herzen, dass das, wodurch wir leben, das, was wir unser Ich nennen, nicht nur in allen Menschen, sondern auch im Hunde, Pferde, in Mäusen, im Huhn, Sperling und in der Biene … ein und dasselbe ist. … Wer ist dann der Nächste? Hierauf gibt es nur eine Antwort: ‚Frag nicht, wer dein Nächster ist, sondern behandle alle Lebewesen so, wie du selbst behandelt werden möchtest.‘ – Alles Lebende fürchtet Qualen, alles Lebende scheut den Tod; erkenne dich nicht nur im Menschen, sondern in jedem Lebewesen; töte nicht und verursache keine Leiden und Tod. Alles Lebendige will dasselbe wie du: erkenne dich in jedem Lebewesen. – Der Mensch steht nicht deswegen über den Tieren, weil er sie quälen kann, sondern weil er imstande ist, Mitleid mit ihnen zu empfinden …, weil er fühlt, dass in ihnen ein und dasselbe Wesen lebt, wie in ihm selbst. … Die Zeit wird … kommen, und unsere Nachkommen werden sich wundern, dass ihre Vorfahren jeden Tag Millionen Tiere töteten, um sie zu essen, obgleich man sich gesund und schmackhaft, ohne Mord, von Früchten der Erde ernähren kann.“

Leo N. Tolstoi: Grausame Genüsse.
Texte über das Leiden der Tiere, eine Ernährung ohne Töten und Betäubungsmittel.
(Tolstoi-Friedensbibliothek: Reihe B, Band 14).
ISBN-Nummer 978-3-7583-0745-4 ; Paperback; 316 Seiten; Buchausgabe 13,99 Euro.
Inhalt und Leseprobe der gesamten Einleitung hier beim Verlag:
https://buchshop.bod.de/grausame-genuesse-leo-n-tolstoi-9783758307454

Übersicht und Informationen über die gesamte Reihe (einschließlich der kostenfrei abrufbaren Digitalversionen) auf der Projektseite: www.tolstoi-friedensbibliothek.de

(TFb-Band B014: Leseprobe Seiten 95-102)
Leo Tolstoi über seinen Besuch im Schlachthaus von Tula
(Für den 7. Juni 1891 vermerkte die damals 26jährige Tatjana, die älteste Tochter Leo Tolstois: „Papa ist heute mit dem Datschenzug nach Tula ins Schlachthaus gefahren und hat uns darüber erzählt. Furchtbar ist das, und ich glaube, Papas Erzählung genügt, um mit dem Fleischessen aufzuhören.“)Ich war vor Kurzem im Schlachthause zu Tula. Es ist, nach dem Beispiel großer Städte, mit allen Einrichtungen versehen, damit die zum Töten bestimmten Tiere so wenig wie möglich gequält werden. Es war an einem Freitag, zwei Tage vor Pfingsten. Eine Menge Vieh war vorhanden.

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