Umleitung: Medien, Parteien, politisches Personal und mehr.

Herbst auf der Ennert
Herbst auf der Ennert zwischen Silbach und Siedlinghausen (foto: zoom)

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Medien II und die HoffPo: Kürzlich hockte ich müde vor der Tastatur; mir fiel mal wieder kein vernünftiger Blog-Beitrag ein … charly&friends

Medien III: Die Fugger des 21. Jahrhunderts und ihre Nachrichtenmacher … wiesaussieht

Medien IV nach geplantem Springer-Abzug: „Die Zeit“ plant eigene Lokalseiten für Hamburg … newsroom

Entrötung der SPD? „Die über viele Jahre systematisch betriebene Entrötung der SPD strebt dem erfolgreichen Finale entgegen“ … wortistik

Die SPD: degradiert sich zum Mehrheitsbeschaffer für die CDU und CSU … nachdenkseiten

Große Koalition: Die SPD und die Friseurinnen in Thüringen … jurga

Die Grünen: vermasseln den Aufbruch … postvonhorn

Rhetorikanalyse: Für wie dumm hält Frau Merkel ihr Volk? … stern

Politisches Personal: Was gibt’s Neues von Schavan? … erbloggtes

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Kulturpersonal Veronika Ferres als Seelsorgerin: Barmherzige Bibelsprüche und viel Psycho-Jargon parat … revierpassagen

„Musik & mehr“: in Alter Molkerei Sundern-Allendorf … neheimsnetz

Unitymedia: was läuft da immer schief? … schwenke

Gastwelten GmbH Sundern: hat Bürgermeister Lins hat kein „Zugriffsrecht“ auf Herrn Rogoll? … gruenesundern

Drehscheibe: „Rechtsextremismus ist ein Problem, dass uns ständig begleitet“ – Ein Interview von Jan Steeger.

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Frank Jansen, Reporter des Tagesspiegels, Experte für Rechtsextremismus (foto: drehscheibe)

Berlin. Hamburg. Bonn. (drehscheibe) Vergangene Woche veröffentlichten der Tagesspiegel und die Zeit eine Liste mit 137 Todesopfern rechtsextremistischer Übergriffe seit 1990. In der offiziellen Statistik der Polizei sind es lediglich 47 Tote seit der Wiedervereinigung.

Durch aufwendige Recherchen konnten die Journalisten Frank Jansen, Heike Kleffner, Johannes Radke und Toralf Staud zeigen, dass zahlreiche Tötungsverbrechen rechtsextremistisch motiviert waren, aber nicht als solche erfasst worden sind.

In Online-Dossiers auf  Tagesspiegel.de (Link: http://www.tagesspiegel.de/politik/rechtsextremismus/ ) und Zeit Online (Link: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-09/todesopfer-rechte-gewalt) sind sämtliche Fälle und Hintergrundinformation aufgelistet.

Jan Steeger sprach für die drehscheibe mit Frank Jansen, Reporter des Tagesspiegels, über die Recherche und den Umgang der Medien mit dem Thema Rechtsextremismus.

Herr Jansen, seit 1990 hat es in Deutschland Ihren Recherchen zufolge 137 Todesopfer rechter Gewalt gegeben, die Bundesregierung sprach bisher von 47 Toten. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz?
Die offizielle Statistik bezieht sich nur auf das, was die Dienststellen der Polizei vor Ort und die Gerichte melden. In Teilen der Polizei und Justiz tut man sich offenbar immer noch schwer, politisch rechts motivierte Gewalt in allen Fällen zu erkennen und einzuordnen. Dabei war die Lage der Erfassung vor 2001 noch prekärer. Bis dahin wurden nur rechtsextremistische Delikte gezählt, die dem Extremismus-Begriff folgend sich direkt gegen den Staat richteten. Der Angriff eines betrunkenen Skinheads auf einen Obdachlosen tauchte in der Statistik oft nicht auf.

Was hat sich 2001 verändert?
Nachdem wir bereits im September 2000 bei einer gemeinsamen Recherche von Tagesspiegel und Frankfurter Rundschau auf große Abweichungen von den offiziellen Zahlen gestoßen sind, wurde 2001 ein neues Erfassungssystem eingeführt, das erheblich weiter gefasst ist. Die Behörden sprechen jetzt von „politisch rechts motivierter Kriminalität“, der so genannten „PMK rechts“. Dabei werden auch die Delikte erfasst, bei der – das muss ich zitieren – „die Umstände der Tat oder die Einstellung des Täters darauf schließen lassen, dass sie sich gegen eine Person aufgrund ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, sexuellen Orientierung, Behinderung oder ihres äußeren Erscheinungsbildes beziehungsweise ihres gesellschaftlichen Status richtet“.

Dennoch muss es für Sie ja einen Anlass gegeben haben, auch an den Zahlen des neuen Erfassungssystems zu zweifeln und jetzt, zehn Jahre später, noch einmal nachzuhaken.


Ich beschäftige mich seit 20 Jahren mit dem Thema Rechtsextremismus und habe schon viele Prozesse besucht, bei denen es offenkundig war, dass es hier um rechts motivierte Gewalttaten ging, die aber nicht als solche in den Statistiken auftauchten. Jetzt, zehn Jahre später, wollten wir noch einmal systematisch aufarbeiten, wie viele Todesopfer rechter Gewalt es wirklich gegeben hat, wie dunkel der Schatten ist, der auf 20 Jahren deutscher Einheit liegt. Immerhin ist der Rechtsextremismus ein Problem, das uns ständig begleitet.

Wie sind Sie bei Ihren Recherchen vorgegangen?
Unser Rechercheteam bestand aus vier Leuten: Heike Kleffner, Johannes Radke, Toralf Staud und mir. Wir sind alle Journalisten, die sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema beschäftigen. Wir haben im Frühjahr damit begonnen, uns Gerichtsurteile anzuschauen, wo wir den Verdacht hatten, das könnten rechts motivierte Tötungsverbrechen gewesen sein. Wir haben die Akten eingesehen, uns die Berichterstattung in den Lokalzeitungen angesehen und alle Personen kontaktiert, die etwas dazu sagen können: Richter, Hinterbliebene, Staatsanwälte, Verfassungsschützer und so weiter.

Das klingt nach einem riesigen Aufwand.

Das war es auch. In den vergangenen zwei Monaten waren wir sehr stark in diesem Projekt eingebunden.

Welche Kriterien haben Sie angewendet, um ein Tötungsverbrechen als rechts motiviert einzuordnen?
Bei unserer eigenen Einstufung haben wir uns am Erfassungssystem „PMK rechts“ orientiert, das ich vorhin zitiert habe. Diese Kriterien haben wir auch bei der Veröffentlichung im Tagesspiegel und in der Zeit im Wortlaut abgedruckt. Natürlich mussten wir uns bei der Einordnung der Fälle auch einen Interpretationsspielraum zubilligen, sind dabei aber sehr konservativ vorgegangen. Die Liste mit den Verdachtsfällen, die wir nicht genau belegen konnten, haben wir nicht mit in unsere Dokumentation der als sicher geltenden Fälle aufgenommen.

Wenn es eine so große Diskrepanz zwischen den von Ihnen ermittelten Todesopfer rechter Gewalt und den offiziellen Zahlen gibt, was lässt sich dann über das Ausmaß rechtsextremistischer Gewalt überhaupt sagen?
Ich schätze, dass die Zahl der rechten Gewalttaten seit der Wiedervereinigung bei weit mehr als 20 000 Delikten liegt, die offizielle Zahl dürfte wahrscheinlich niedriger sein. Das wahre Ausmaß von rechter Gewalt ist zudem durch eine hohe Dunkelziffer verdeckt, da viele Taten überhaupt nicht zur Anzeige kommen.

Sie haben erzählt, dass Sie bei Ihren Recherchen auch auf Artikel aus der Lokalpresse zurückgegriffen haben. Welchen Eindruck haben Sie vom Umgang mit dem Thema Rechtsextremismus bei den lokalen Medien?
Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Kollegen, die sich mit viel Engagement und Leidenschaft dem Thema widmen und eine hervorragende Berichterstattung liefern, und wieder andere, bei denen es viel zu kurz kommt. Insgesamt lässt sich eine konjunkturelle Beschäftigung der Medien mit dem Thema Rechtsextremismus feststellen. In Zeiten, in denen anscheinend nichts passiert, wird wenig berichtet. Es ist aber falsch, mit der Berichterstattung aufzuhören, da die rechtsextreme Kriminalität nicht nachlässt. Ich würde mir wünschen, dass die Redaktionen weniger den Erregungskurven folgen, sondern sich vielmehr kontinuierlich diesem wichtigen Thema widmen.

(Interview: Jan Steeger)

Ein Fisch in den Gewässern der Macht: Bodo Hombach – ein misslungenes Portrait.

Seit einigen Tagen liegt das „Zeit-Dossier“ bleischwer auf meinem Schreibtisch. Darin findet sich auf drei ganzen großen Zeit-Seiten ein Artikel von Stefan Willeke über Bodo Hombach, den Geschäftsführer der WAZ.

Der Artikel ist schlecht und überflüssig, weil er uns nichts Neues über Bodo Hombach, den gelernten Gewerkschafter, SPD-ler und Funktionär kapitalistischer Unternehmen verrät.

Der Autor verwebt eine Angeltour Hombachs in Kanada mit allzu bekannten und leicht recherchierbaren Tatsachen über dessen politische und ökonomische Karriere.

Man spürt förmlich wie sich der Autor bei Sätzen wie „Als Bodo Hombach in seinem schwarzen Cherokee-Jeep sitzt und an seiner Zigarre zieht, weiß er schon von seinem Glück, das ist das Seltsame. Er kann sein Glück riechen, er kann ihm entgegenfahren, normal ist das nicht.“ vor distanzloser Bewunderung einnässt.

Es geht so ähnlich weiter:

„Bodo Hombach ist ein rätselhafter Mann“

„Man weiß nicht viel über ihn. Er ist einer dieser Männer, die ihren Platz …“

Ein Dossier ist eine umfänglichere Akte, in der sich alle zu einem Vorgang, einer Sache gehörenden Schriftstücke befinden. Nichts davon im großen Meer der Buchstaben.

Stefan Willekes Artikel gehört erstens gekürzt und dann in irgendeine Sparte „Lifestyle“ und „PR“. Am besten gleich in die WAZ, zu Bodos Geburtstag. Gefühlter Titel: Bodo der Menschenfischer. Des Autors Lohn: Eine Beförderung, ein Plätzchen im Reich des Strippenziehers.

Gefühlt: Da schreibt ein kleiner Schleimbeutel der Macht über einen noch größeren Schleimbeutel der Macht.

Ich bitte darum, den Artikel in der Zeit selbst zu lesen, samt der bisher leider nur sechs Kommentare, die allerdings fast alle lesenswert sind.

Ich habe mich an einem Detail festgebissen, der Auseinandersetzung zwischen Michael Naumann, Herausgeber von Cicero, und Bodo Hombach. Diese Auseinandersetzung habe ich damals hier im Blog dokumentiert:

http://www.schiebener.net/wordpress/?p=8178

http://www.schiebener.net/wordpress/?p=8048

http://www.schiebener.net/wordpress/?p=7968

Naumann hat in dem kleinen Schlagabtausch die intellektuellen Grenzen Hombachs aufgezeigt und und den wilden Dicken mit dem Florett vom Podest der Selbstgefälligkeit herabgepiekst.

Ich schätze mal, dass diese verlorene Schlacht den großen Macher und Strippenzieher tief verletzt haben muss.

In dem sogenannten Dossier macht sich Willeke zum Büttel von Hombach und deutet den K.O. in eine Punktsieg um.

Zitat:

Weil der Fisch sich Zeit lässt, spricht Hombach über seine anderen Begegnungen, und man fragt sich, ob es bei ihm noch einen Unterschied gibt zwischen einem Pazifischen Heilbutt und Michael Naumann. Der Sozialdemokrat Naumann war Staatsminister für Kultur unter dem Kanzler Schröder, als Hombach Chef des Kanzleramtes war. Naumann wurde danach Chefredakteur und Herausgeber der ZEIT, heute leitet er die Redaktion des anspruchsvollen Politikmagazins Cicero. Die Blätter in Hombachs Konzern heißen Westfalenpost oder Borbecker Nachrichten, Das goldene Blatt oder Eisenbahn Journal, viel bedrucktes Papier, wenig Glanz. Hombach hat auch ein paar Rätselhefte im Angebot. Will er sich mit Naumann messen, muss er mit einer Niederlage rechnen, wie bei einem Heilbutt.

Wo denn das tolle Feuilleton in Hombachs Zeitungen sei, stichelte Naumann in einem Interview. »Bei uns heißt diese Rubrik Kultur«, antwortete Hombach in einem Brief und stellte bei Naumann einen »intellektuellen Engpass« fest. Helfen könne ihm vielleicht ein Bypass. Der Köder wirkte. Nun schrieb Naumann einen Brief, schloss mit freundlichen Grüßen, und Hombach wünschte ihm »gute Gesundheit«.

Besonders die Abschiedsformel hat Hombach gefallen. Endlich hatte er das Spiel mit dem Spott nicht verloren: Naumann war in den Augen seiner Beobachter immer der feingliedrige Intellektuelle mit der Zigarette, Hombach der dicke Holzkopf mit der Zigarre. Naumann hörte man reden und konnte ihn für seine Rhetorik bewundern. Hombach sah man essen und konnte seinen Appetit bestaunen. »Brecher«, »Bulldozer« schrieben die Zeitungen.“

Mit dem vorletzten Absatz trickst Willeke Hombach in die „Vorlage“ und verfälscht die damalige Auseinandersetzung.

An diesem Abschnitt ist mir deutlich geworden, dass der Autor sich manipulieren lässt und den Leser manipuliert.

Für die „Zeit“ ist dieser Artikel im Dossier ein Armutszeugnis.