Winterberg: „schneeflocken greifen. porträts einer kindheit im hotel hochsauerland 1933 bis 1968.“

Vor mir liegt das Buch von Barbara Kreissl. Schneeflocken greifen. Winterberg. Der Faschismus. Die Juden. Die verschwiegenen Jahre. (foto: zoom)
Vor mir liegt das kleine weiße Buch von Barbara Kreissl (Bärbel Otto, Tochter von Franz Otto). Die Einheimischen werden wissen.

Barbara Kreissl, 1950 im Hochsauerland geboren, Kindheit im Hotel, trifft nach Jahrzehnten ihre Kindheitsfreundin Franziska wieder.

Mit ein paar Erinnerungen, Interviews mit befreundeten Zeitzeugen vor Ort, mit historischen Dokumenten, Fotos, Gemälden, ein paar überlassenen Postkarten, Briefen und Aufzeichnungen und geerbten Büchern setzen sie im Gespräch das Lebensgefühl der Zeit bis in die 30er Jahre zurückgehend zusammen.

Eine wichtige Stütze sind die Unterlagen des Rechtsanwalts Nikolaus Schäfer, der die Geschichte der Juden, insbesondere Medebachs, erarbeitet hat. Schon schwer erkrankt, hat er der Autorin 2015 seine Unterlagen über die Hochsauerländer Juden überlassen.

Aus diesem historischen Rohmaterial zeichnet Barbara Kreissl ein feinnerviges Porträt der damaligen Gesellschaft. Sie versucht sowohl den Zauber der Zeit als auch das „Unerklärliche“ der verschwiegenen „jüdischen und faschistischen Jahre“ zu erfassen, hinter der Gewalt, hinter dem Schweigen.

Barbara Kreissl verbrachte ihre Kindheit im Hotel. Danach Schulen in Saarbrücken und Tegernsee. Im Alter von 19 bis 23 Jahren in Lyon. 1972 Kultur- und Sprachdiplom an der Faculté de lettres, Universität Lyon. Heirat drei Kinder.

Abitur 1991, 1998 Magister der italienischen und französischen Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte. Stipendien in Florenz, Perugia, den Marken und in Sizilien.

15 Jahre Unterricht in den Studienfächern. Künstlerseminare.

Veröffentlichung „Ecrits et entretiens, Schriften und Gespräche“ über und mit dem französischen ZERO-Künstler Bernard Aubertin. Sechs Enkel.

„schneeflocken greifen“ wurde von 2015 bis 2018 erarbeitet, geschrieben, gesetzt und gedruckt.

Ich habe zu lesen begonnen und springe mitten hinein in die Zeit des Faschismus auf Seite 115:

„Der Bürgermeister als Polizeibehörde des kleinen Ortes [Winterberg?] machte aktenkundig:

Der Jude Israel ist heute, den 18 November 1938, vormittags 11 Uhr aus dem Gerichtsgefängnis entlassen worden ….“

Mehr in ein paar Tagen nach(!) Lektüre des gesamten Buches. Ich bin gespannt, was und wie viel ich von Winterberg und seiner Vergangenheit in Barabara Kreissls Buch entdecken werde.

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Barbara Kreissl, Schneeflocken greifen, Reutlingen 2018, ISBN 978-3-00-060295-5, 168 Seiten, 19,80 Euro