Aufgeheizte Lage um den globalen Klimaschutz

UFZ-Klimaökonom analysiert die Ausgangslage im Vorfeld der COP28

Prof. Reimund Schwarze (Foto: Sebastian Wiedling / UFZ)

Bisher laufen die Vorbereitungen des Weltklimagipfels in Dubai (COP28) recht harmonisch. Die aufgeheizte Weltlage und die Versuche der Gas- und Öllobby, den fossilen Ausstieg weiter zu verzögern, könnten aber für Überraschungen sorgen, sagt Prof. Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). So wie in den vergangenen Jahren ist der Klimaökonom auch 2023 als Beobachter vor Ort. Im folgenden Statement analysiert er die Ausgangslage.

(Pressemitteilung UFZ)

Die Welt scheint gerade aus den Fugen zu geraten. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre steigt, unterbrochen von einer kurzen Covid-Pause, unaufhaltsam weiter auf Rekordwerte an. Schon jetzt ist absehbar, dass 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen werden wird – und das erste Jahr, an dem die Weltgemeinschaft das 1,5-Grad-Ziel der internationalen Klimaverhandlungen verletzt. 

Zugleich nehmen die negativen Effekte auf die weltweiten Ökosysteme dramatisch zu. Dazu gehört in diesem Jahr der sprunghafte Anstieg der Meerestemperaturen mit den nachfolgenden Wirbelstürmen bis an die Küsten Europas. 

In seinem Anfang des Jahres veröffentlichten 6. Sachstandsbericht drängt der Weltklimarat (IPCC) in warnenden Worten zu dringendem Handeln. Gleichzeitig zwingen die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine sowie die damit verbundenen Migrationswellen vielen Regierungen andere Prioritäten auf. Die kurzfristige Sicherung der Energieversorgung, hohe Investitionen in Militär und den Schutz der Grenzen beschränken den Handlungsspielraum der Länder des Nordens. 

Dies wiederum nehmen die Länder des Südens als Abschottung, als Verlust an Glaubwürdigkeit und Gefährdung der ihnen zusagten Finanzhilfen wahr.

In dieser aufgeheizten Lage treffen sich Ende November 192 Länder der Welt für zwei Wochen zu den 28. internationalen Klimaverhandlungen (COP28) in Dubai. In einer großen Gemeinschaftsanstrengung sollen sie bilanzieren, wo sie bisher klimapolitisch gescheitert sind und wie sie gemeinsam zu Fortschritten kommen beim Erreichen der Klimaziele des Pariser Abkommens. 

Im so genannten „Global Stocktake“ (GST) sollen, wie es heißt, „die Lücken in der Umsetzung des Pariser Übereinkommens identifiziert und geschlossen werden“. Der Stocktake zählt zu den Kernmechanismen für den Vollzug des Pariser Abkommens. Man könnte hier einen äußerst kontroversen Prozess mit Anklagen und Fingerzeigen – manche sprechen von „naming and shaming“ – der verschiedenen Ländergruppen erwarten, aber es deutet sich das Gegenteil an. 

Die entsprechenden Dokumente aus den Vorverhandlungen lesen sich harmonisch, sind frei von Schuldzuweisungen und stattdessen voller Lob für das unter dem Pariser Abkommen bereits Erreichte. Zugleich wird – wie auch vom Weltklimarat vorgezeichnet – eine Senkung der Treibhausgas-Emissionen um 43 Prozent bis 2030 gefordert. Diese Minderung ist ohne eine dramatische Abkehr von den herrschenden Praktiken in den Industrie- und Schwellenländern unmöglich – eine Einsicht, die sich aber nicht im Entwurfsdokument für den „Global Stocktake“ findet. Neue Anstrengungen, neue Instrumente oder auch nur Reformen der bestehenden Instrumente sucht man vergeblich.

Beim kontroversen Thema der Klimafinanzierung ist der Verhandlungsstand gut. Das Ziel von jährlich 100 Milliarden US-Dollar, um Klimaschutz und -anpassung in den Entwicklungsländern zu unterstützen, wurde zwar in den Corona-Jahren verfehlt, aber es wird nach übereinstimmenden Prognosen 2023 und in den Folgejahren erfüllt.

Damit ist der Druck aus dem Kessel genommen, so dass in Dubai über langfristige Klimaziele nach 2025 sowie strukturelle Reformen des internationalen Finanzsystems gerungen werden kann, ohne dass es zu akuten Zerwürfnissen kommen muss.

Selbst für das Thema der Bewältigung von Verlusten und Schäden („Loss and Damage“) durch den Klimawandel, das beim vorjährigen Gipfel in Ägypten (COP27) auf die Tagesordnung gekommen ist, fand sich nach fünf intensiven Vorverhandlungsrunden ein Kompromiss

Den bezeichnete der langjährige deutsche Klimaverhandler Jochen Flasbarth, seit 2021 Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, als „Durchbruch, der schon in den nächsten Jahren eine effektive finanzielle Unterstützung besonders vom Klimawandel betroffener Länder ermöglicht“. Im Raum stehen allerdings noch die notorischen US-Befürchtungen, für Verluste und Schäden in Haftung genommen zu werden. Diese konnten auch in den Vorverhandlungen nicht vollständig ausgeräumt werden.

Können wir also mit einer Friede-Freude-Eierkuchen-COP in Dubai rechnen? Das wird schon deshalb nicht eintreten, weil die COP-Präsidentschaft bei einem Mann der Öl- und Gaslobby liegt, wie Kritiker behaupten. 

COP-Präsident Sultan Ahmed Al Jaber ist im Hauptberuf geschäftsführender Direktor der Abu Dhabi National Oil-Gruppe. Er hat sich bereits im Vorfeld des Gipfels klar von einem uneingeschränkten Ausstieg aus Erdöl und Erdgas abgegrenzt. Bei den Verhandlungen für ein mögliches „Dubai-Übereinkommen“ sind Proteste und Gerangel innerhalb und außerhalb der Konferenzsäle mit Sicherheit zu erwarten. 

Bei dieser und anderen strittigen Themen wird es entscheidend sein, welche Rolle China spielt. Denn China kann bei Klimaverhandlungen wahlweise in einer Verhandlungsgruppe mit den Entwicklungsländern (G77+China) abstimmen oder wie im Vorfeld der Verhandlungen von Paris mit den Industrieländern sowie natürlich als einzelne Nation. Deshalb sind die Chinesen häufig das Zünglein an der Waage. 

In dem jetzt noch vor der COP stattfindenden Gipfeltreffen von EU und USA mit China wird darüber entschieden, ob die Klimaverhandlungen von den akuten Weltkonfliktlagen entkoppelt werden können. Dies dürfte schwierig werden.    

Eine prominente Rolle hat Deutschland zur COP28 eingenommen. Auch wenn die Rundreise von Außenministerin Annalena Baerbock zu den pazifischen Inselstaaten zuletzt an der Einsatzfähigkeit der Flugbereitschaft scheiterte, gibt es mit ihr eine neue „Klimaaußenpolitik“ mit Blick auf die ärmsten, von Klimawandel am stärksten betroffenen, Länder. 

Bei der Klimafinanzierung kann Deutschland sogar eine Vorreiterrolle für sich beanspruchen mit Zusagen von deutlich über sechs Milliarden pro Jahr zu den Klimafonds der UN. Rechnet man die Beiträge durch öffentliche Kredite (vergeben durch die KfW und DEG) sowie die Mobilisierung von Kapitalmarktmitteln dazu, dann lag der deutsche Beitrag aus allen Quellen im Jahr 2022 bei 9,96 Milliarden Euro. Da es sich zum größten Teil um Mittel aus dem Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit handelt, sind diese Zusagen glücklicherweise nicht durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung betroffen.

Völlig anders sieht es bei den deutschen Ambitionen bei der CO2-Reduktion aus. Hier ist deutsche Bilanz ernüchternd. Diese sei „fast ausreichend“, werde das 2-Grad-Ziel angestrebt, sie seien aber „unzureichend“, wenn es um mehr als das geht, lautet das Urteil des Climate Action Tracker über Deutschland. 

Der Hinweis auf die EU als eigentlicher Klimaverhandler auf der COP hilft hier wenig weiter. Denn die EU bleibt bei ihrem Verhandlungsmandat für Dubai bei den alten Reduktionszielen für 2030. Die in die Debatte eingebrachte Möglichkeit, die bisher von der EU beschlossene CO2-Minderung von 55 Prozent bis 2030 könnte auf 57 steigen, erweist sich bei näherem Ansehen als Schönrechnen mit unsicheren Senkenleistungen der Natur, also als nicht gerade als vorbildhafte Ambitionssteigerung. 

Wenig vorbildlich ist auch, dass Deutschland sich bei den Initiativen der Koalition für hohe Ambitionen  („High Ambition Coalition“) zurückhält. Ein schneller Ausstieg aus den fossilen Energien und der Verzicht auf die unterirdische Verbringung von Kohlenstoff (CCS), die in dieser Initiative gefordert werden, geht den Ampel-Koalitionären[17]  in Deutschland wohl doch zu weit. Es wird interessant sein zu beobachten, auf welche Seite sich Klimastaatssekretärin Jennifer Morgan (Auswärtiges Amt) in dieser Frage im Gerangel der COP28 schlägt.

Prof. Dr. Reimund Schwarze ist Klimaökonom am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und Professor an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Seit fast 20 Jahren untersucht er internationale Klimaverhandlungen aus politisch-ökonomischer Perspektive und entwickelt Modelle zur Verbesserung der globalen Klimapolitik.