Hamburg: Stolperstein für eine Winterberger Jüdin

An Ida Levy (geb. Winterberger) wird vor dem Haus Haynstr. 13 in Hamburg-Nord, Eppendorf erinnert

Inzwischen ist der Stolperstein für Ida Levy, geb. Winterberger, unter dem Stein ihres Ehemann ebenfalls verlegt worden. (archivfoto 24. Juni 2023: zoom)
Stolperstein Ida Levy, Haynstr. 13, Hamburg (Foto: Wikipedia)

Vor knapp zwei Jahren hatte ich hier im Blog über einen Stolperstein, der Hamburg und Winterberg verbindet, geschrieben: https://www.schiebener.net/wordpress/ein-stolperstein-der-winterberg-und-hamburg-verbindet-ludwig-levy/

Der Stolperstein für Ida Levy (geb. Winterberger) ist seit Oktober 2023 unter dem Stein ihres Ehemann Ludwig Levy verlegt. Der ausführlich recherchierte Eintrag von Sabine Brunotte zu den beiden Stolpersteinen ist kürzlich (Mai 2025) auf der Website Stolpersteine Hamburg (Landeszentrale für politische Bildung) erschienen.

Ida Levy: https://www.stolpersteine-hamburg.de/index.php?MAIN_ID=7&BIO_ID=6842

Ludwig Levy: https://www.stolpersteine-hamburg.de/index.php?MAIN_ID=7&BIO_ID=6764

Die Autorin stellt uns ihren Text (siehe auch Copyright Sabine Brunotte unten) für das Blog und damit für unsere Winterberger Leser*innen zu Verfügung:

************** Beginn des Gastbeitrags *************

Ludwig Levy, geb. am 10.3.1875 in Altona, am 15.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, am 21.9.1942 in das Vernichtungslager Treblinka weiterdeportiert

Ida Levy, geb. Winterberger, geb. am 3.10.1883 in Winterberg, am 15.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, am 21.9.1942 in das Vernichtungslager Treblinka weiterdeportiert

Haynstraße 13

Der letzte frei gewählte Wohnsitz von Ida und Ludwig Levy war das Haus Isestraße 67.
Da dort aber schon sehr viele Stolpersteine liegen, wurden die Steine für das Ehepaar Levy vor dem Haus Haynstraße 13 verlegt, das von 1917 bis 1932 das Zuhause der Familie war.

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Anläßlich der Reichspogromnacht am 9. November 1938: Drei Häuser, drei Tafeln in Winterberg – Geschichte vergeht nicht.

Ehemals jüdischer Besitz, das Haus Itziges in der Hauptstraße (alle fotos: zoom)

„Die Novemberpogrome 1938 steigerten den staatlichen Antisemitismus zur Existenzbedrohung für die Juden im ganzen Deutschen Reich.

Entgegen der NS-Propaganda waren sie keine Reaktion des „spontanen Volkszorns“ auf die Ermordung eines deutschen Diplomaten durch einen Juden. Sie sollten vielmehr die seit Frühjahr 1938 begonnene gesetzliche „Arisierung“, also die Zwangsenteignung jüdischen Besitzes und jüdischer Unternehmen planmäßig beschleunigen, mit der auch die deutsche Aufrüstung finanziert werden sollte. Der Zeitpunkt der Pogrome hing eng mit Hitlers Kriegskurs zusammen.“ (Wikipedia)

Update: Wie es der Zufall will, lese ich gerade heute Abend den dritten Teil des Buchs „schneeflocken greifen“ von Barbara Kreissl. „Sara unf Israel“ heißt der Abschnitt und befasst sich mit der Geschichte der jüdischen Bevölkerung Winterbergs. Als Appetithäppchen die ersten Seiten 103 bis 109 in gut acht Minuten vorgelesen:

Das Buch ist im Selbstverlag mit der ISBN 987-3-00-060295-5 in Reutlingen erschienen. Die Autorin ist laut Impressum unter barbara.kreissl@email.de zu erreichen.

Zu Barbara Kreissl und ihrem Buch siehe auch hier im Blog.

Details zum Haus Itziges

Damit stellt sich unmittelbar die Frage nach den Vermögensübergängen auch in Winterberg. Das jüdische Vermögen verschwand ja nicht einfach, es wechselte „nur“ den Besitzer.

Das Haus Salomons in der Hauptstraße

Der letzte mir bekannte zusammenhängende Text zu den Juden in Winterberg ist 1992 in „De Fitterkiste“ Nr. 4 erschienen. Der Medebacher Rechtsanwalt und Notar Nikolaus Schäfer gibt dort auf Seite 81 bis 88 einen kurzen Abriss der  Geschichte der „Juden in Winterberg“.

Details zum Haus Salomons

Vor einigen Monaten hat Gisela Quick gemeinsam mit dem Stadtmarketingverein die drei Tafeln an den ehemaligen jüdischen Häusern enthüllt. Ein ausführlicher Bericht dazu wurde am 28. August 2020 in der Westfalenpost veröffentlicht.

Haus Davids in der Marktstraße

Stolpersteine gibt es in Winterberg nicht. Der ehemalige Bürgermeister der Stadt hat sie mit dem Hinweis auf Charlotte Knobloch in München auch für Winterberg abgelehnt.

Wenn es mir irgenwann die Zeit erlaubt, das kann noch ein paar Wochen oder Monate dauern, werde ich mich dem Thema ausführlicher widmen.

Heute wollte ich den 9. November nicht kommentarlos verstreichen lassen.

Winterberg und seine jüdischen Mitbürger: gibt es etwas aus der Nazi-Zeit aufzuarbeiten?

In "De Fitterkiste" Bd. 4, 1992 ist der Aufsatz "Juden in Winterberg" erschienen.
In „De Fitterkiste“ Bd. 4, 1992 ist der Aufsatz „Juden in Winterberg“, von Nikolaus Schäfer erschienen.

Die Geschichte der Winterberger Juden erscheint mir bislang nicht sehr tief aufgearbeitet (siehe hier im Blog). Einzig Nikolaus Schäfer hat mit seinem im Jahr 1992 erschienen achtseitigen Aufsatz in „De Fitterkiste“[1] ein Schlaglicht insbesondere auf die Ermordung und Vertreibung der wenigen jüdischen Familien aus der Stadt am Kahlen Asten geworfen.

Ich vermute, dass diese Arbeit ein Nebenprodukt von Schäfers Aufarbeitung der Geschichte der Medebacher Juden[2] war.

Die Zeit des Nationalsozialismus ist mit ihren Verbrechen an den jüdischen Mitbürgern (Familie Winterberger) auf  zwei Seiten (87, 88) beschrieben.

Trotz der Kürze liefert Nikolaus Schäfer Hinweise, in welche Richtung unter anderem weiter geforscht werden müsste. Als Beispiel sei hier die sogenannte „Branntweinfabrik“ angeführt.

Bis in die Zeit des Nationalsozialismus existierte in Winterberg die Handeslsgesellschaft „S & M Winterberger – Branntwein- und Liquörfabrik mit Dampfbetrieb – Getreide en gros“ (Seite 87).

Zitat Schäfer:

„Am 20. Juni 1937 wurden – ganz sicher nicht freiwillig – die Hausgrundstücke Hauptstraße 22 und 24 mit Inventar für insgesamt 33.000 Reichsmark an die Bäuerliche Bezugs- und Absatzgenossenschaft eGmbH Winterberg.[sic!] verkauft. Auch aller anderer, umfangreicher Grundbesitz mußte unter dem damals herrschenden Zwang verkauft werden. Die Stadt Winterberg erpreßte unter Androhung von „Schutzhaft“ (damals für Juden gleichbedeutend mit Konzentrationslager) die Verkäufe und übernahm selbst den umfangreichen Markenbesitz dieser Familie.“ (ebd.)

Es geht hier also um die „Übertragung“ von Vermögenswerten zu Gunsten Winterberger Bürger(?) und der Stadt Winterberg selbst.

Ein weiteres Beispiel:

„Das Ehepaar Josef und Erna Winterberger wurde zum Konzentrationslager Auschwitz gebracht und im März 1943 ermordet, … Ein Oberinspektor des Finanzamtes Brilon quittierte am 21. April 1943 den Erhalt des Schlüssels für die Wohnung … Marktstraße 19. Das Finanzamt versteigerte dann die bewegliche Habe der Eheleute.“ (Seite 88)

Abschließend:

„Nach dem Ende des Nazireiches wurden die Zwangsverkäufe der Juden für unwirksam erklärt. Die Überlebenden machten ihre Rückerstattungsansprüche geltend, die meist durch vergleichsweise Abfindungen erledigt wurden. Aus der Sippe der Winterberger machte sich niemand mehr ansässig.“ (ebd.)

Spontan habe ich folgende Fragen:

Wie hoch waren die Vermögenswerte?

An wen sind diese Vermögenswerte übergegangen?

Was bedeutet „vergleichsweise Abfindungen“ in Zahlen?

Gab es nach 1945 Bemühungen der Winterberger, sich mit den ehemaligen Überlebenden (in die USA ausgewandert) politisch zu versöhnen?

[1] „De Fitterkiste“, Geschichtliches aus Winterberg und seinen Dörfern, Bd. 4, Ausgabe 1992, Hrsg. Heimat- und Geschichtsverein Winterberg e. V., Winterberg 1992,  Seite 81 – 88

[2] Nikolaus Schäfer, Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Medebach, Vom Anfang bis nach dem bitteren Ende, Heimat- und Geschichtsverein Medebach, Medebach 1990.